Protokoll der Sitzung vom 18.11.2010

Antrag der Fraktion der NPD: Verbraucherschutz stärken – Hersteller und Verwender von Lebensmittelimitaten öffentlich machen! – Drucksache 5/3894 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Köster von der Fraktion der NPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Not macht erfinderisch. Aber nicht nur Not macht erfinderisch, sondern auch die Gewinnmarge und vor allem die Gewinnmaximierungssucht. Denn das, was sich im Lebensmittelbereich seit einigen Jahren vollzieht, ist absolut ekelhaft. Aus der Not heraus ist es seit Jahr

hunderten nicht ungewöhnlich, dass zur Versorgung der Bürger, aber in vergangenen Zeitepochen auch zur Versorgung der Streitkräfte nach preiswerten und haltbaren Nahrungsmitteln gesucht wurde.

(allgemeine Unruhe)

Kaiser Napoleon III. gab 1860 sozusagen die Erfindung eines Butterersatzes in Auftrag. Ein französischer Chemiker mischte dann aus flüssigem Rindertalg, Magermilch und einem gelben Farbstoff einen Ersatz, der heute als Margarine bekannt ist. Heutzutage besteht diese Kunstbutter allerdings – zumindest offiziell – aus Pflanzenöl und wird als Butterersatz vielfach verwendet.

Es ist heutzutage normal und sehr verbreitet, dass Erdbeer- und Kirscharomen in diversen Nahrungsmitteln aus Baumrinde gewonnen werden. Nicht nur Rehe kommen so auf den Geschmack, das volle Aroma des Waldes zu genießen. Apropos Joghurt: Sollten Sie die Aufschrift „modifizierte Stärke“ lesen, so wissen Sie, dass diese Masse, die ihre cremige Konsistenz eigentlich nur dem Milcheiweiß verdankt, mit billiger Stärke so gestreckt wurde, damit man das teure Milcheiweiß reduzieren kann.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Das klappt natürlich nur, wenn man die Stärke erhitzt, damit deren Moleküle koagulieren, deshalb auch modifizierte Stärke. Sie hören, Lebensmittelimitate gibt es schon länger, auch wenn wir bei den einzelnen Produkten unterscheiden müssen.

Das Hauptproblem ist allerdings weniger die Herstellung solcher Produkte, sondern der häufig verheimlichte Umgang mit diesen, vor allem auch hinsichtlich der konkreten Kennzeichnung. Denn ein Skandal ist es, wenn auf Verpackungen vieler Produkte Werbung mit Qualität und der Echtheit entsprechender Zutaten gemacht wird, es sich aber gerade bei diesen Zutaten um absolute Nachahmungen handelt. Hierbei handelt es sich um absolute Verbrauchertäuschungen und diese sind sogar gesetzlich verboten.

Aber vielleicht halten Sie das für übertriebenen Käse. Schade nur, dass Sie auch bei Käse nicht mehr sicher sein können, es sei eine gereifte Masse aus geronnenem Milcheiweiß. Auch in der Fleischbranche ist mittlerweile der Erfindergeist eingekehrt. Richtig lecker schauen die Fleischspieße im Kühlregal manches Großmarktanbieters aus. Aber passen Sie auf, dass sie nicht aus Formfleisch sind!

(Michael Andrejewski, NPD: Und was ist mit Ravioli?)

Wie man das herstellt, da fragen Sie doch mal Ihren Lebensmittelhändler, der Derartiges führt. Der ist wahrscheinlich unwissend.

Doch auch Schinken muss nicht so gewachsen sein, wie Sie ihn vor sich sehen.

(Irene Müller, DIE LINKE: Ja, das ist Formschinken, das wissen wir auch.)

Man kann ihn auch zusammenkleben, wenn die Originale nicht so lecker aussehen, sondern eher Fleisch fetzen ähneln.

Manschen und panschen, das ist das Zeitalter, in dem wir leben. Nicht nur Gene von Tieren, Bakterien und Getreidepflanzen werden zusammengemixt. Warum sollen Lebensmittelkonzerne nicht praktizieren, was Saat

guthersteller wie BASF, Syngenta oder Monsanto schon seit Jahren betreiben?

Doch seit einiger Zeit geht in manchem Politikerhirn ein Umdenken vor sich. Vielleicht denken auch Politiker mit dem Bauch. Bereits im Juli 2009 befeuerte die Bundesministerin für Verbraucherschutz Frau Aigner die aufkommende öffentliche Debatte. Sie forderte von den Ländern mehr Kontrollen. Die Namen von Gastronomen und Herstellern bei Verstößen gegen Kennzeichnungsregeln sollten gemeldet werden.

Zitat aus der „Passauer Neuen Presse“: „Wir brauchen hier ein entschlossenes Vorgehen gegen schwarze Schafe. Irreführung und Täuschung bei der Aufmachung von Lebensmitteln sind keine Bagatelle.“ Fast schon flehend appellierte sie an die Bundesländer, Zitat: „noch stärker auf Verstöße gegen das bestehende Recht zum Schutz der Verbraucher vor Täuschung zu kontrollieren und auch die Namen der Hersteller oder Gastronomen zu nennen“. Sie verwies auf die seit Anfang Juli 2009 im Bundesrecht verbesserte Rechtsgrundlage. Zitat: „Wir haben die Möglichkeiten zur Information der Öffentlichkeit erleichtert. Nun sind die Behörden vor Ort gefordert, dies entschlossen zu nutzen und die Verbraucher zu informieren.“

Auch andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens hatten sich seinerzeit im Sinne der Ministerin geäußert:

Franz-Josef Möllenberg, Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten: „Wir sind gegen jede Form des Manschens und Panschens.“

Ulrich Kelber, seinerzeit SPD-Fraktionsvize im Bundestag: „Es ist ein Skandal, wenn versucht wird, Verbraucher zu täuschen und ihnen billige Ersatzstoffe unterzuschieben.“

Die CDU-Politikerin Klöckner sagte, es handele sich um – Zitat – „totale Verbraucherveräppelung“. Bei Imitaten müsse „draufstehen, dass es sich um Imitate handelt“.

Die FDP-Bundestagsfraktion sprach vor der letzten Bundestagswahl von einem Offenbarungseid der Bundesregierung, weil sie gemeinsam mit der Ernährungsindustrie nicht schon im vergangenen Jahr Maßnahmen dagegen getroffen habe.

Schöne Worte! Und die Taten?

Der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure stellte zur gleichen Zeit fest, dass in Deutschland 1.200 Kontrolleure fehlen.

Mit der gleichen Intention wehrte sich die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie gegen strengere Gesetze. „Die Regeln müssen nur praktiziert werden“, sagte deren Hauptgeschäftsführer Matthias Horst. Fast schon verräterisch entschuldigend fügte er hinzu: „Nicht immer sei eine falsche Auszeichnung... Betrug, häufig geschehe dies einfach aus Unkenntnis.“

Die Verbraucherzentrale Hamburg hatte immerhin schon mal eine repräsentative Liste mit Produkten veröffentlicht, in denen Hersteller Lebensmittelimitate verwenden, die nicht eindeutig als solche zu erkennen sind. Etwas mehr als ein Jahr später, im Oktober 2010, will die alte und neue Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner nun endlich im Internet über die ganz legalen Tricks der Hersteller aufklären.

Die Lebensmittelindustrie versucht mit allen Mitteln das Projekt zu verhindern. Sogar ein Rechtsgutachten hat der mächtige Lobbyverband BLL in Auftrag gegeben. Es soll belegen, dass die Pläne der Bundesregierung rechtswidrig sind. Es sei nicht die Aufgabe der Staatsleitung, auf Anfrage von Verbrauchern die Deklaration konkreter Produkte auf mögliche Verbrauchertäuschung hin zu überprüfen – vielleicht ein gutes Argument für die Parlamentarier der etablierten Parteien im Landtag, gegen den Antrag der NPD zu stimmen.

Und vor allem dürften nicht, wie vorgesehen, die staatlich finanzierten Verbraucherzentralen mit einem solchen Internetprojekt betraut werden, denn diese seien nicht neutral. Ihre Organe sind nicht mit Vertretern der Wirtschaft besetzt, moniert sich der BLL. BLL steht für „Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde“.

Wir Nationalisten schließen daraus: Die Lebensmittelbranche ist in höchster Aufregung.

Verbraucherministerin Ilse Aigner, CSU, will aber nur ein Onlineportal finanzieren und es von den Verbraucherzentralen betreiben lassen, in dem alle Informationen über die Deklaration von Lebensmitteln zusammengetragen werden. Zudem sollen Verbraucher Anfragen zu Lebensmitteln stellen dürfen, von denen sie sich getäuscht sehen. Das Produkt wird dann mit Namen und Foto sowie einer Stellungnahme des Herstellers veröffentlicht und wieder entfernt, sollte sich der Täuschungsvorwurf objektiv als haltlos erweisen.

Während Essensretter von Foodwatch das Vorhaben öffentlich unterstützen, kommt Kritik vom Koalitionspartner FDP, die in der Regierung, ähnlich wie bei der Steuersenkung, eine 180-Grad-Wendung vollzieht. Die liberale Fraktion lehne – Zitat – „eine politische Steuerung des Konsums und eine Bevormundung der Verbraucher strikt ab“ – Zitatende –, zitiert die Nachrichtenagentur dpa FDP-Politikerin Christel Happach-Kasan.

Das allerdings hält Foodwatch für den falschen Weg, schließlich hat die deutsche Lebensmittelindustrie im Gegensatz zu den Verbrauchern kein Interesse daran, dass ihre Werbetricks aufgedeckt werden.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Das Vorhaben wird bereits, wenn auch in bescheidenem Umfang, seit Ende 2007 auf abgespeist.de verwirklicht. Interessierte finden dort Produktfotos, Herstellernamen und Stellungnahmen der Lebensmittelfirmen. Die geplante Weltnetzseite „Klarheit und Wahrheit“ des Bundesverbraucherministeriums würde bei Übernahme dieses Modells eine Vervielfachung der Aufklärung erreichen. Wo aber bleiben die Aktivitäten des Landes Mecklenburg-Vorpommern, allen voran des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz unter der Regentschaft von Herrn Dr. Till Backhaus?

Bundesministerin Aigner hatte bereits vor über einem Jahr auf die neuen rechtlichen Möglichkeiten der Länder hingewiesen. Stellungnahmen vonseiten des Ministeriums in dieser wichtigen Frage sind, wie immer bei Anträgen der NPD, nicht zu erwarten. Für diese Aufgabe wird sich eventuell auch jemand aus den sich demokratisch nennenden Oppositionsfraktionen finden lassen. Zu lange hat die Regierung geschlafen. Es wird endlich Zeit, dass sie aus ihrem Schönheitsschlaf aufwacht.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Peters von der Fraktion der SPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Regel sind die Anträge der NPD-Fraktion ja von ihrer braunen Ideologie geprägt. Heute kommt hinzu, dass die NPD sich zum Anwalt der Verbraucher aufschwingt.

(Michael Andrejewski, NPD: Strafverschärfend kommt hinzu.)

Aber Verbraucher sind wir alle, meine Herren. Wir entscheiden selber über unsere Essgewohnheiten und über unsere Nahrungsaufnahme.

(Udo Pastörs, NPD: Wer ist auf die Idee gekommen, gnädige Frau?)

Es bedarf da also nicht Ihrer Ratschläge, denn wir sind mündig genug.

(Michael Andrejewski, NPD: Guten Appetit!)

Und wenn Herr Köster so schön bildlich sagt, Politiker denken vielleicht bald auch mit dem Bauch oder denken mit dem Bauch, Herr Köster, das sollte bei Ihnen bald geschehen. Es sollte bald Ihr Denkzentrum in den Bauchraum rutschen und sollte im Dickdarm stecken bleiben, und zwar für immer.

(Udo Pastörs, NPD: Brillant, brillant!)

Dann hätten wir wahrscheinlich einige Meinungen von Ihnen nicht mehr zu hören.

Beim Lesen …