Diese Praxis in der Einrichtung hat gezeigt, dass der im Landesrahmenplan vorhandene L2 – das erkläre ich gleich noch mal für alle, weil das ziemlich kompliziert ist – vorgesehene Personalschlüssel von 1:3 nicht auskömmlich ist, wenn für vorgesehene Personenkreise neben Grundleistungen zur Bewältigung des Alltages auch individuelle Anpassungen und angebotene persönliche Assistenz und Leistungen der Trägerstruktur erbracht werden.
Hier möchte ich ganz kurz drauf eingehen und meine Rede an der Stelle ganz kurz unterbrechen, weil Sie bestimmt fragen: Was macht der da vorne? Was redet der von L1 und L2? Ich will das einfach für alle an einem einfachen Beispiel erklären: Der L1 ist ein Vertrag im Landesrahmenplan, wo geregelt ist, was bekommen die Träger bezahlt und welche Leistungen haben sie zu erbringen, wenn ein Mensch in eine Werkstatt geht und auch gleichzeitig im ambulant betreuten Wohnen lebt. Der L2,
Jetzt hat das alles einen kleinen Schönheitsfehler. Wenn Sie eine Wohngruppe mit acht Menschen haben, wovon aus Versehen irgendwann auch mal zwei 60 Jahre werden, dann gehen sechs noch in den Werkstattbereich und zwei bleiben ständig im Hause. Das bekommen Sie nicht gehandelt. Im Augenblick ist es so, dass diese Menschen umziehen müssen. Ich glaube, alle von Ihnen finden das bestimmt nicht nett, wenn Sie automatisch mit 60 aus Ihrer gewohnten Umgebung, wo Sie vielleicht 30 oder 40 Jahre gewohnt haben, einmal umziehen sollen.
Ich fahre mit meiner Rede fort: In vielen Einrichtungen haben engagierte Mitarbeiter versucht, den Alltag von älteren Menschen mit Behinderung entsprechend zu gestalten. Leider fehlen dafür oftmals personelle und finanzielle Mittel. Wir wollen weder die Fachkräfte in den Einrichtungen noch die Betroffenen mit dieser Situation alleine lassen. Daher fordert die FDP-Fraktion die Landesregierung auf, ein Konzept für ältere Menschen mit Behinderung zu erarbeiten.
Diese Liste ließe sich weiter fortführen. Die Landesregierung muss mit dieser Konzeption den Einrichtungen und den Kostenträgern einen Rahmen für ältere Menschen mit Behinderung vorgeben. Sie muss aber auch eine Antwort auf die Frage geben,
wie man sich ein Älterwerden in Mecklenburg-Vorpommern für Menschen mit Behinderung vorstellt. Der Landesarbeitskreis „Behindertenhilfe“ diskutiert über diese Problematik bereits seit mehreren Jahren. Also sie haben 2007 mit der Arbeit angefangen und heute haben wir das Jahr 2010. Ein Ergebnis steht leider bis heute aus.
Überlassen Sie es nicht den engagierten Fachkräften alleine, Menschen mit Behinderung in Würde alt werden zu lassen in Mecklenburg-Vorpommern. Lassen Sie uns gemeinsam eine Antwort finden zum Prinzip, wie wir mit diesen Menschen umgehen! Ich werbe für meinen Antrag. – Danke.
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Um das Wort gebeten hat zunächst die Ministerin für Soziales und Gesundheit Frau Schwesig. Frau Schwesig, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Landtag befasst sich heute nicht zum ersten Mal mit dem Thema „Menschen mit Behinderung“, vor allem auch ältere Menschen mit Behinderung. Der Landtag Mecklen burg-Vorpommern hat bereits in seiner 59. Sitzung am 19. Dezember 2008 nach Beratung des Antrages der Fraktion der FDP „Entwicklungskonzept für eine Politik für Menschen mit Behinderungen“, in welcher auch ältere Menschen mit Behinderung Berücksichtigung finden, und des Änderungsantrages der Fraktion DIE LINKE beide Anträge an den Sozialausschuss überwiesen.
Das Thema ist dann auf der 54. Sitzung des Sozialausschusses am 8. Juli 2009 beraten worden. Der Ausschuss stimmte in dieser Sitzung der Vertagung des Antrags auf den Juli 2010 zu. Und im Juli 2010, am 23. Juli, auf der 75. Sitzung des Sozialausschusses wurde unter TOP 4 durch das Ministerium für Soziales und Gesundheit entsprechend berichtet. Insofern ist der vorliegende Antrag aus meiner Sicht heute kein neuer inhaltlicher Antrag.
Menschen mit Behinderung ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben in Eigenverantwortung zu ermöglichen, ist für mich ein sehr wichtiges Thema, ist für die Landes regierung ein sehr wichtiges Thema. Da die demografische Entwicklung und der damit verbundene Wandel der Altersstruktur in den kommenden Jahren in Mecklenburg-Vorpommern zu tief greifenden Veränderungen führen wird, muss die Politik dabei selbstverständlich auch den Wünschen und Bedürfnissen älterer Menschen mit Behinderung entsprechend gestaltet werden.
In Umsetzung des Landesprogramms „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ wurde dieses Thema beraten. Und da es nur eine Pflicht gibt, dass zum Landesprogramm „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ die Landesregierung erst 2012 prüfen soll, ob eine Änderung, Ergänzung oder Fortschreibung des Landesprogramms notwendig ist, wurde im Rahmen des Arbeitskreises dort vereinbart, dass das Thema „Ältere Menschen mit Behinderung“ hier nicht weiterverfolgt wird, sondern dass wir schneller sind, weil wir, ehrlich gesagt, 2010 zu langsam waren, sondern dass wir uns in anderen Bereichen damit beschäftigen, zum Beispiel derzeit mit unserer groß und breit angelegten Fachtagung, den Maßnahmenkatalog für Menschen mit Behinderung in Mecklenburg-Vorpommern aufzustellen.
Dass das Thema an Bedeutung in Mecklenburg-Vorpommern gewinnt, hat Herr Grabow vorgestellt. Ich würde es gern mit Zahlen unterlegen: Wir haben insgesamt 105.422 Menschen über 65 Jahre, die schwerbehindert sind in Mecklenburg-Vorpommern.
Und deswegen hat dieses Thema für mich eine große Bedeutung, nicht nur natürlich ältere Menschen mit Behinderung, sondern generell Menschen mit Behinderung, wie sie leben in unserem Land. Und deswegen habe ich mich entschlossen, die Sozialberichterstattung 2011, die nur alle zwei Jahre möglich ist, genau die
sem Thema zu widmen. Wir werden eine Sozialberichterstattung 2011 konkret für Mecklenburg-Vorpommern mit dem Schwerpunkt der Situation „Menschen mit Behinderung in Mecklenburg-Vorpommern“ vorlegen.
Und an der Stelle, Frau Müller, Sie erinnern sich, Sie hatten ja in der letzten Landtagssitzung die Kritik, dass in der Sozialberichterstattung „Kinder und ihre Familien in M-V“ nicht explizit auf Kinder mit Behinderung eingegangen wurde,
auf Familien mit behinderten Kindern eingegangen wurde. Die Kritik ist grundsätzlich berechtigt, aber nur insofern, weil für uns klar war, dass wir noch mal eine explizite Sozialberichterstattung generell für Menschen mit Behinderung in Mecklenburg-Vorpommern machen. Und diese Sozialberichterstattung hat zum Ziel …
(Irene Müller, DIE LINKE: Ich will ja nicht wissen, wie es den behinderten Kindern geht, sondern den Familien.)
Frau Müller, beides wird eine Rolle spielen, die Menschen mit Behinderung. Ich wollte Sie nur informieren, weil Sie ja diese Frage hatten, wie gehen wir eigentlich mit dem Thema um, und wollte Ihnen sagen, dass das natürlich auch in diesem Bericht eine Rolle spielen wird.
Die Sozialberichterstattung hat zum Ziel, eine Datengrundlage für die Politik zu schaffen, auch Grundlage zu sein, die Diskussion voranzutreiben. Und selbstverständlich wird die Landesregierung auch dazu wieder eine Stellungnahme abgeben. Die Untersuchung wird die besondere Berücksichtigung von Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Behinderung in den grundlegenden Lebensbereichen wie Arbeit, Wohnen, Mobilität und Freizeit beinhalten. Dabei werden folgende Punkte eine Rolle spielen: die selbstständige Lebensführung, die Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung bestehender Betreuungs- und Förderkonzepte, das Wohnen mit erhöhtem Pflegebedarf, die Arbeit und Beschäftigung, tagesstrukturierende Angebote, Angebote auf den Gebieten Prävention, Gesundheit und Pflege, Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben sowie neue Förderungs konzepte, Kompetenzprofile, Mobilität, Gestaltung des Alltags, soziale Integration, Umwelt, also eine sehr breit aufgelegte Sozialberichterstattung.
Aber natürlich wollen wir nicht alleine auf diesen Sozialbericht warten. Wir sind schon viel weiter im Land. Das wissen Sie auch, Herr Grabow, denn Sie nehmen an den Veranstaltungen, die wir machen, sehr regelmäßig und intensiv teil.
Wir haben als einen weiteren Schwerpunkt in der Arbeit des Ministeriums für Soziales und Gesundheit derzeit die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die seit dem 26. März 2009 auch für Deutschland verbindlich ist. Diese Konvention führt den Menschen rechtsansatz ein und formuliert das Recht auf Selbstbestimmung, Teilhabe und umfassenden Diskriminierungsschutz für Menschen mit Behinderungen. Sie fordert außerdem eine barrierefreie und inklusive Gesellschaft.
Das UN-Übereinkommen ist ein wichtiges Referenzdokument, auf dessen Grundlage wir neue Entwicklungen in der Politik für und vor allem mit Menschen mit Behinderung anstoßen, umsetzen und beurteilen müs
sen. Das Anliegen der Konvention ist die Inklusion von Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen, das heißt, gesellschaftliche Veränderungen im Denken und Handeln anstoßen. Diese Veränderungen bewirken, dass Menschen mit Behinderung wahrgenommen, anerkannt und selbstverständlich akzeptiert werden. Eine inklusive Gesellschaft lässt Ausgrenzung nicht zu.
Unabhängig von den Aktivitäten zur Erstellung eines nationalen Aktionsplanes auf Bundesebene hat die Landesregierung erste Maßnahmen in Umsetzung der Konvention ergriffen. Unter der Moderation meines Ministeriums wurde der Entwurf eines Maßnahmeplans erarbeitet, der die Grundlage für die Diskussion und Umsetzung der Aufträge aus der UN-Konvention bildet. Und dieser Entwurf wurde auf einer Fachtagung am 10. November diesen Jahres mit den Vereinen und Verbänden der Menschen mit Behinderung und weiteren Akteuren diskutiert. Und das ist mir ganz wichtig, dass wir gemeinsam diesen Maßnahmekatalog erarbeiten. Und es geht nicht nur darum, was am Ende dort drinsteht und umgesetzt wird, sondern, ich denke, es geht vor allem auch um diesen gemeinsamen Diskussionsprozess. Auch das ist Aufgabe der UN-Konvention.
Die Visionen, Leitgedanken und Ziele aus der Diskussion werden Beachtung finden. Nach dieser Auftaktveranstaltung werden wir jetzt noch mal Vereine und Verbände anschreiben, um hier auch schriftlich Stellung zu nehmen. Und diesen Diskussionsprozess werden wir weiterhin tragen, fördern und moderieren, sodass wir insgesamt Ende nächsten Jahres den Maßnahmeplan vorlegen können, also eher, als es aus dem Landesprogramm für ältere Menschen gewesen wäre.
Und natürlich gibt es weitere Aktivitäten. Herr Grabow, Sie wissen, wir haben den Integrationsförderrat. Auch in diesem Integrationsförderrat gibt es jederzeit die Möglich keit, aktuelle Thematiken, auch natürlich von älteren Menschen mit Behinderung, einzu bringen. Das hatten wir auch auf der letzten Sitzung. Da ging es gerade um die Diskussion „Wohnformen“, dass es doch möglich sein sollte, durch bestimmte Hilfen älteren Menschen mit Behinderung zu ermöglichen, noch länger in den eigenen vier Wänden zu bleiben.
Ein weiterer Schwerpunkt wird mich bewegen auf der Arbeits- und Sozialministerkonferenz in der nächsten Woche. Bereits im Jahr 2007 hat sich die 84. Arbeits- und Sozialminister konferenz mit der Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung beschäftigt. Eine im Auftrag der Sozialministerkonferenz eingerichtete Arbeitsgruppe auf Bund-Länder-Ebene wird der 87. ASMK, also nächste Woche, ein Eckpunktepapier zur Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe vorlegen, das in einem engen Zusammenhang mit der UN-Konvention steht. Das Eckpunktepapier formuliert ausdrücklich, dass es im Kern um eine qualitative Weiterentwicklung des Rechts im SGB XII für Menschen mit Behinderung zur vorrangigen Unterstützung einer individuellen Lebensführung im Lichte der UN-Konvention geht.
Mit meinen Ausführungen möchte ich zum Ausdruck bringen, dass es erforderlich ist, eine Harmonisierung unterschiedlicher Berichtsbegehren zu erreichen. Es hat weder einen politischen noch fachlichen Mehrwert, neue und spezielle Auskunftsbegehren zu kreieren, bevor die vorhandenen Berichte, Erkenntnisse und Diskussionen abgeschlossen werden. Und deswegen brauchen wir Ihren Antrag nicht, Herr Grabow. Wir haben genug.
Ich glaube, das habe ich jetzt deutlich gemacht. Da sollten wir uns gemeinsam einbringen. Das nehme ich auch wahr, dass sich alle demokratischen Fraktionen in diesen Prozess einbringen. Und wenn Sie das weiter begleiten und auch kritisch unterstützen, dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar. Aber jetzt noch mal irgendwie einen weiteren Bericht, das halte ich, ehrlich gesagt, für überflüssig und wäre meines Erachtens bürokratisch. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Antrag der FDP, der lediglich aus einem sehr schlichten Satz besteht – ich zitiere –: „Die Landesregierung wird aufgefordert, die Arbeit an einem Konzept für ältere Menschen mit Behinderung in Mecklenburg-Vorpommern im Landesarbeitskreis Behindertenfragen fortzusetzen und dem Landtag bis zum 01.02.2011 ein Ergebnis vorzulegen.“