Protokoll der Sitzung vom 19.11.2010

Meine Damen und Herren, ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 31: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – Verletztenrente nicht als Einkommen anrechnen, Drucksache 5/3896.

Antrag der Fraktion der NPD: Verletztenrente nicht als Einkommen anrechnen – Drucksache 5/3896 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Andrejewski von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Quatsch,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Angelika Peters, SPD: Das ist Quatsch, was Sie sagen, da haben Sie recht.)

Herr Präsident! Entschuldigung. Meine Damen und Herren! Der Gender-Wender, das ist ja alles das Gleiche, aber das war ein Versehen.

(Udo Pastörs, NPD: Da sieht man wenigstens den Unterschied.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren, soweit vorhanden! Verletztenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung waren gemäß der Arbeitslosenhilfeverordnung aus dem Jahre 2002 bis zur Höhe des Betrages von der Einkommensrechnung freigestellt, der in der Kriegsopferversorgung bei gleicher Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente und Schwerbeschädigtenzulage bezahlt wurde. Dann kam Hartz IV mit der schwammigen Regelung des Paragrafen 11 SGB II, wonach zweckbestimmte Einnahmen nicht als Einkommen berücksichtigt würden.

Was bedeutet nun „zweckbestimmt“? Eine Einnahme oder Zuwendung wird dann nicht angerechnet, das heißt, der Leistungsbezieher darf sie behalten, ohne dass das Arbeitslosengeld II gekürzt wird, wenn sie einem ganz

anderen Zweck dient als die Grundsicherung. Davon geht man bei Grundrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz und Gesetzen aus, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen. Wehrdienst- und Zivildienstopfer etwa können neben ihren Grundrenten in voller Höhe Arbeitslosengeld II beziehen, ebenso natürlich NS-Verfolgte nach dem Bundesentschädigungsgesetz und überraschenderweise auch SED-Opfer nach dem SED-Unrechtsbereinigungsgesetz.

Bei Opfern von Arbeitsunfällen war das nicht so klar, weshalb es in dieser Sache auch Klagen vor den Sozialgerichten gegeben hat. Ein Verfahren, das beim Sozialgericht Konstanz begonnen hatte, wurde schließlich im Dezember 2007 vom Bundessozialgericht entschieden. Der Kläger pochte darauf, dass er die Verletztenrente nicht nur zur Sicherung seines Lebensunterhaltes bewilligt bekommen habe, sondern auch noch zur Sicherung eines ganz anderen Zweckes, der darüber hinausginge, um den Verlust seiner körperlichen Unversehrtheit auszugleichen. Das Bundessozialgericht hingegen verwies im Wesentlichen darauf, dass die Verletztenrente im Wortlaut des Paragrafen 11 SGB II nicht unter den Ausnahmen angeführt gewesen sei, bei denen eine Einkommensanrechnung nicht stattfinde. Der Gesetzgeber habe dies genau so gewollt und außerdem sei die Verletztenrente zweckidentisch mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II, weil sie zumindest auch eine einkommenssichernde Funktion habe.

Damit haben wir jetzt vom Juristenchinesischen ins Deutsche übersetzt folgende Situation: Ein Soldat und ein ziviler Angestellter der Bundeswehr, von denen es viele gibt, etwa bei der Instandsetzungstruppe, sitzen zusammen während einer Dienstfahrt in einem Auto und werden verletzt. Sie tragen bleibende Schäden davon und haben genau denselben Grad der Behinderung. Beide müssen später irgendwann Arbeitslosengeld II beantragen, aber der Soldat darf als Wehrdienstopfer seine Grundrente behalten, bei dem Zivilangestellten wird sie angerechnet, denn der leistet ja keinen Wehrdienst, der hat einen einfachen Arbeitsvertrag. Und das ist ja wohl ein Musterbeispiel für eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung.

Die Wehrdienstopferrente, heißt es, dient dem Zweck, den Einsatz für das Gemeinwesen besonders zu würdigen, und natürlich ganz besonders, wenn unsere Sicherheit am Hindukusch verteidigt wird.

(Udo Pastörs, NPD: Ja.)

Wieso würdigt man es nicht genauso, wenn einer im zivilen Leben Gefahren auf sich nimmt? Wo blieben wir denn, wenn alle nur Bürojobs machen würden, bei denen man sich schlimmstenfalls am Kaffee verbrennen oder über den Kopierer stolpern kann?! Wer in der Arbeitswelt einen riskanten, unfallträchtigen Job erledigt, macht sich um das Gemeinwesen genauso verdient wie ein Soldat.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Ich würde sogar behaupten, dass ein Dachdecker gefährlicher lebt als ein Kasernensoldat in der Schreibstube.

(Udo Pastörs, NPD: Absolut.)

Für ein System, das dauernd vom Frieden schwafelt

(Zuruf von Matthias Mantei, CDU)

und das mir bei der Bundeswehr mal erzählt hat, der Frieden ist der Ernstfall und so weiter,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

werden Soldaten hier in erstaunlicher Weise privilegiert. Es fehlt nur noch, dass gefragt wird: „Haben Sie gedient?“, so, wie beim „Untertan“.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Damit Bezieher von Verletztenrenten endlich gleichbehandelt werden können, ist es nötig, die gesetzlichen Bestimmungen zu verändern. Dann kann auch gleich mit dem wolkigen Begriff der Zweckidentität aufgeräumt werden, der zur Willkür förmlich einlädt. Hinbiegen lässt sich da alles. Jede Geldleistung dient zumindest auch dazu, den Lebensunterhalt mit zu finanzieren, sonst wäre es ja keine Geldleistung. Das gilt auch für NS-Opfer. Damit wäre alles zweckidentisch.

Andererseits hat zum Beispiel das Kindergeld, welches auch voll auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird, selbstverständlich eine hinreichende Zweckbestimmung, die weit über den individuellen Lebensunterhalt hinausgeht, nämlich die Erhaltung des Volkes, was ja auch nicht so ganz ohne ist, wenn wir uns unsere demografische Katastrophe ansehen. Alles klagt über den Geburtenrückgang und die Überalterung, und doch haben sich der sogenannte Gesetzgeber und die Rechtsprechung dazu entschlossen, im Kindergeld keine Leistung zu sehen, die einen besonderen, über den Lebensunterhalt hinausreichenden Zweck verfolgt.

(Udo Pastörs, NPD: Perfide ist das.)

Es geht nur darum, irgendwelche Vorwände zu finden – und kurzsichtig –, um nicht zahlen zu müssen, und zwar ausschließlich auf Kosten von Betroffenen, die keine Lobby haben. Das ist bei den Opfern von Arbeitsunfällen leider der Fall und wahrscheinlich auch bald bei den Wehrdienstopfern, sobald man kein Kanonenfutter mehr für Afghanistan braucht. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Rühs von der Fraktion der CDU.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute einen Antrag der NPD vorliegen, der lediglich aus einem einfachen, schlichten Satz

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

ohne jegliche Begründung besteht,

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

ich zitiere: „Die Landesregierung soll sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass Verletztenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung für Empfänger von Arbeitslosengeld II bis zur Höhe der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, nicht als Einkommen angerechnet werden.“

(Stefan Köster, NPD: Was wollen Sie denn da noch begründet haben? – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Angemessen wäre, auf diesen Antrag ebenfalls lediglich mit einem Satz zu antworten. Man könnte ihn unter „Populismus pur“ zusammenfassen.

(Stefan Köster, NPD: Das ist die Realität, die sich in unsern Bürgerbüros abspielt. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Gleichwohl möchte ich kurz darauf näher eingehen und begründen, warum dieser Antrag keinen Sinn macht. Ich tue dies nicht, um...

(Udo Pastörs, NPD: „Sinn machen“ geht gar nicht, „Sinn haben“ schon eher.)

Ich tue dies nicht, um Sie zu überzeugen, Herr Pastörs,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

oder eines Besseren zu belehren,

(Udo Pastörs, NPD: Die Statur haben Sie nicht. – Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

denn Sie sind für jeden Ratschlag und jede sachliche inhaltliche Auseinandersetzung längst nicht mehr zugänglich.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Stefan Köster, NPD: Wer hat Ihnen das denn aufgeschrieben?)

Ich tue es vielmehr...

(allgemeine Unruhe – Zurufe von Stefan Köster, NPD, und Udo Pastörs, NPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich erwarte von Ihnen, dass Sie die Geschäftsordnung dieses Landtages einhalten. Das Wort hat der Redner.

Bitte schön.