Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diesen Gesetzentwurf hätte eigentlich eine AVON-Beraterin vorstellen müssen, weil es sich um reine Kosmetik handelt, mit der die Landesregierung ihr totales Versagen gut aussehen lassen will, falls es sie noch gibt, die AVON-Beraterin.
Die Ortsteilverfassung soll ausgebaut werden, damit die Leute ihre Vorbehalte gegen sogenannte freiwillige Gemeindezusammenschlüsse aufgeben. Das Stichwort, um das man sich herumdrücken möchte, lautet „Dörfersterben“. Angesichts des massiven Bevölkerungsrückgangs ist das eine reale Gefahr. In Russland sollen schon zwischen 300 und 400 Dörfer komplett verlassen worden sein und so ähnlich wird es auch bald in Mecklenburg-Vorpommern kommen.
Was tut die Landesregierung gegen dieses Dörfersterben? Sie zwingt die kleinen Gemeinden mit der Drohung massiver Mittelkürzungen, also finanzielle Aushungerung, dazu, sich mit der Freiwilligkeit, mit der Gastwirte Schutzgeld an die Mafia zahlen, zusammenzuschließen, und wenn schließlich eine Siedlung aufgegeben wird, dann ist kein Dorf gestorben, sondern nur ein Ortsteil. Das ließe sich dann als Besiedlungsverschiebung innerhalb einer Gemeinde verkaufen. Wie viele verlassene Dörfer wird es also geben? Gar keine, denn die werden immer eingemeindet, spätestens bevor der Letzte das Licht ausmacht.
So kann man es auch drehen, Problemlösungen durch Definitionstricks. Falls morgen die Schweinepest ausbrechen sollte, dann werden die Schweine einfach in Mehrschweinchen umdefiniert und schon kann man verkünden, großer Erfolg, kein einziges Schwein gestorben, auch wenn überall tote Tiere herumliegen.
Alles, was in Wirklichkeit eine Verödung weiter Landstriche darstellt, wird als tolle neue Entwicklung bejubelt. Aber was sich auf Kosten der von Menschen gestalteten Kulturlandschaften ausbreitet, sind Brachen, Sümpfe und Wölfe. Und das ist kein Zeichen für den Fortschritt der Zivilisation, wenn man nachts die Wölfe heulen hört. Das ist die Begleitmusik des Niedergangs, obwohl Minister Backhaus dies wahrscheinlich für toll hält. 20 Jahre Einheit unter der Herrschaft der etablierten Parteien entfalten zunehmend die Wirkung einer politischen Neutronenbombe: menschenleere Räume als Zukunftsvisionen.
Der Gesetzentwurf versäumt es natürlich auch nicht, die neuen Großkreistage populärer machen zu wollen,
indem er Filmaufnahmen oder Tonmitschnitte aus deren Sitzungen zulässt. Als ob das jemanden interessieren würde! Niemand kann sich mit diesen abstrakten Gebilden identifizieren. Die überwiegende Mehrheit des Volkes lehnt sie ab. Auf der Suche nach einem Namen für die Verwaltungsungeheuer beteiligen sich trotz staatlicher Aufrufe und eifriger Unterstützung durch die ehemaligen SED-Blätter, die jetzt auf demokratisch machen, lächerlich wenige Leute. Da hatte sogar Honecker noch mehr Anhänger in seiner Endphase.
Die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen soll erleichtert werden, was auch keinen Fortschritt darstellt, sondern eine kaschierte Verzweiflungsmaßnahme. Nach dem Ende der jetzigen Landkreise sollen deren Schulden auf die Gemeinden umgelegt werden. Versprochen wurde zwar ein Hilfsfonds aus der Landeskasse, der diese Belastungen etwas abmildern soll. Aber erstens sind die versprochenen Summen völlig unzureichend und zweitens weiß keiner, was nach der Landtagswahl von dieser Verheißung übrig bleiben wird.
Die wahre Kompensation soll wohl darin bestehen, dass die Gemeinden mehr Geld verdienen können, was aber wieder auf Kosten privater Unternehmer gehen dürfte, die an die neuen staatlichen Konkurrenten Aufträge verlieren und dann auch entsprechend weniger Steuern zahlen werden. Bei der Bundeswehr nennt man so etwas Kannibalisierung. Man bringt einen Hubschrauber zum Fliegen, indem man einen anderen ausschlachtet. Der Endsieg sieht anders aus.
Das absolute Glanzstück des Gesetzentwurfes ist aber natürlich die Einführung der geschlechtergerechten Sprache, die das ohnehin grauenvolle Verwaltungsdeutsch noch sperriger klingen lässt. Darauf haben natürlich alle gewartet. Das wird die große Wende bringen. Sicherlich kehren in den Westen ausgewanderte Mecklenburger und Vorpommern und, um es geschlechtergerecht auszudrücken, auch Mecklenburgerinnen und Vorpommerinnen in Massen nach Hause zurück, wenn sie von dieser bahnbrechenden Neuerung erfahren. Jede Menge Arbeitsplätze werden entstehen, viele neue Familien werden gegründet oder auch nicht, sogar mit Sicherheit nicht.
Mecklenburg-Vorpommern verblasst wie eine alte Tapete. Jedes Jahr wird es weniger, aber die Erfolgspropaganda der Landesregierung klingt gleichzeitig immer lauter. In Wirklichkeit wird nur noch die Auflösung verwaltet. Dieses Bundesland wird genauso enden wie die DDR: Es wird früher oder später nach einer Art Einigungsvertrag in einem Nordstaat aufgehen und auch den wird man als großen Erfolg und als großen Sprung nach vorn verkaufen. Ich bezweifele nur, dass Mecklenburg-Vorpommern auch so alt wird wie die DDR. – Vielen Dank.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 5/4173 zur federführenden Beratung an den Innenausschuss sowie zur Mitberatung an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Danke schön. Die Gegenprobe. – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Überweisungsvorschlag bei Zustimmung durch die Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP sowie Gegenstimmen der Fraktion der NPD angenommen.
Meine Damen und Herren, ich habe im Rahmen der Debatte zur Einhaltung der Ordnung des Hauses ermahnt in Bezug auf die erfolgte persönliche Beleidigung, habe an der Stelle allerdings versäumt, dem Abgeordneten Heinz Müller gemäß Paragraf 97 Absatz 2 der Geschäftsordnung einen Ordnungsruf zu erteilen,
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 10: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der SPD und CDU – Entwurf eines Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge in Mecklenburg-Vorpommern (Vergabegesetz Mecklenburg-Vorpommern), Drucksache 5/4190.
Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und CDU: Entwurf eines Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge in Mecklenburg-Vorpommern (Vergabegesetz Mecklenburg-Vorpommern – VgG M-V) (Erste Lesung) – Drucksache 5/4190 –
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Schulte von der Fraktion der SPD. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ihnen liegt heute zur Ersten Lesung der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen über die Vergabe öffentlicher Aufträge in Mecklenburg-Vorpommern vor.
Um eines vielleicht vorab klarzustellen: Ich habe mir vor dieser Sitzung nicht mehr die Mühe gemacht nachzuzählen, wie oft in diesem Plenum das Thema Tariftreue und Vergabegesetz auf der Tagesordnung gestanden hat.
Ich bin mir allerdings relativ sicher, dass nicht wenige von Ihnen noch vor Kurzem keine Wetten darauf abgeschlossen hätten, dass es in dieser Wahlperiode überhaupt noch zu einem Vergabe- und Tariftreuegesetz der Regierungsfraktionen kommen wird.
Meine Damen und Herren, auch wenn ich von Natur aus ein nahezu unverbesserlicher Optimist bin, es hat Momente in den letzten fünf Jahren gegeben, da hätte auch mich mein Optimismus in dieser Angelegenheit beinahe verlassen.
Aber, sehr geehrte Kollegen, Herr Kollege Liskow, man muss einfach immer wieder feststellen, in der Politik ist es wie im richtigen Leben: Diejenigen, die darauf bauten oder gar darauf hofften, dass SPD und CDU diesen Gesetzentwurf dann doch nicht einbringen würden, müssen sich jetzt sagen, das ist das Leben, denn erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, richtig ist, dieses Gesetz hätte ohne Zweifel früher in den Landtag eingebracht werden können.
Richtig ist auch, ich persönlich, aber auch viele meiner Fraktionskolleginnen und -kollegen hätten sich das sicher gewünscht. Aber wenn so unterschiedliche Ausgangspositionen wie die von CDU und SPD in diesem konkreten Fall zum Einklang gebracht werden sollen, dann braucht es halt die Zeit, die es braucht – nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.
Meine Damen und Herren, Herr Minister Seidel sagte einmal sinngemäß zu mir, als ich ihm wieder mit dem Thema Tariftreue und Vergabegesetz in den Ohren lag, die Koalitionsvereinbarung ist das Pflichtprogramm. Das muss man abarbeiten und alles, was dort nicht drinsteht, ist dann die Kür. Und, Herr Minister, vielleicht erinnern Sie sich ja auch noch daran, ich habe damals geantwortet: Wenn man den Erfolg will, dann ist ein gutes Pflichtprogramm zwar die Basis des Erfolges, die Entscheidung aber, ob man Erfolg hat oder nicht, wird letztendlich in der Kür getroffen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das, was Ihnen hier und heute vorgelegt wird, ist im wahrsten Sinne des Wortes keine Pflichtübung,
es ist ein Gesetzentwurf, der für die Menschen in diesem Land, für die Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich um öffentliche Aufträge bemühen, und auch für diejenigen, die tagtäglich mit der Vergabe öffentlicher Aufträge befasst sind, echte qualitative Verbesserungen mit sich bringt. Das sage ich gerade auch in dem Bewusstsein, dass dieser Gesetzentwurf sicherlich in den Augen des einen oder anderen noch Wünsche offenlässt.
Und deswegen sage ich es in aller Deutlichkeit, auch wenn mir persönlich, nur um ein oder zwei Beispiele zu nennen, durchaus ein vergabespezifischer Mindestlohn in diesem Gesetz geschmeckt hätte, wenn man durchaus überlegen kann, ob man unterhalb der EU-Schwellenwerte zumindest einen begrenzten Bieterrechtsschutz für die Unternehmen hätte einfügen können, steht eines fest: Wer sich ernsthaft mit diesem Gesetzentwurf ausein andersetzt, muss sich eingestehen, dieser Gesetzentwurf ist ein echter qualitativer Fortschritt für eine Vielzahl von Unternehmen und für eine Vielzahl von Beschäftigten in diesem Land.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, um es auf den Punkt zu bringen: Wenn dieser Gesetzentwurf nach den Beratungen in den zuständigen Ausschüssen und nach einer entsprechenden Anhörung von Sachverständigen wieder seinen Weg in den Landtag zur abschließenden Abstimmung zurückfindet, dann wird das dann beschlossene Gesetz ein echter Schritt in diesem Land in Richtung fairer Löhne für die Beschäftigten und in Richtung mehr Wettbewerbschancen sein, gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen. Faire Löhne für die Menschen in diesem Land und fairer Wettbewerb für die Unternehmen in diesem Land, das ist es, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, was aus meiner Sicht, aber auch aus Sicht meiner Partei eine erfolgreiche moderne Wirtschaftspolitik für Mecklenburg-Vorpommern ausmacht. Die erfolgreiche Verknüpfung der Interessen der Beschäftigten in diesem Land mit den Interessen unserer einheimischen kleinen und mittelständischen Unternehmen, das ist es, was die Zukunft unseres Landes bestimmen wird.
Meine Damen und Herren, es war und es ist meine tiefste Überzeugung: Mecklenburg-Vorpommern hatte in der
Vergangenheit keine Perspektive als Niedriglohnland, es hat heute keine Perspektive als Niedriglohnland und es wird auch in Zukunft keine Perspektive als Niedriglohnland haben. Die Zukunft ist, ich sagte es bereits, eine moderne und auf sozialen Ausgleich ausgerichtete Wirtschaftspolitik für Mecklenburg-Vorpommern und die Menschen, die hier leben. Wer mit Niedriglöhnen die Zukunft gewinnen will, verspielt sie bereits heute.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf zwei grundsätzliche Fragestellungen eingehen, die dieser Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen aufgreift:
Erstens. Wie gelingt es uns, die Rahmenbedingungen für die kleinst- und kleinteilige Unternehmensstruktur in unserem Land bei der öffentlichen Auftragsvergabe zu verbessern? Und, meine Damen und Herren, wir wissen alle, das hoffe ich jedenfalls, wie wichtig öffentliche Aufträge gerade für eine Vielzahl kleiner und kleinster Unternehmen in unserem Land sind.
Zweitens. Wie gelingt es uns, mit dafür Sorge zu tragen, dass gute Löhne für gute Arbeit gezahlt werden? Gute Löhne für gute Arbeit, um das noch mal klarzustellen, das ist etwas, was nicht nur für die Menschen in unserem Land von immenser Bedeutung ist. Das ist nicht nur etwas, was für die Landkreise und Kommunen, die Unsummen für Sozialtransfers ausgeben müssen, von immenser Bedeutung ist. Meine Damen und Herren, das ist auch etwas, was für den Ruf dieses Landes, für das Bild, das sich die Menschen auch außerhalb unserer Landesgrenzen von unserem Land machen, von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist.
Meine Damen und Herren, wie wollen wir junge Menschen davon überzeugen, hier unter uns ihre berufliche Zukunft zu finden, ob als Auszubildender oder ausgelernte Fachkräfte, ob im Dienstleistungsbereich oder in der Gastronomie, egal in welchem Gewerbe? Solange mit diesem Land immer wieder der Gedanke an niedrige Einkommen verbunden ist, werden wir weder die Menschen hier halten können noch Menschen außerhalb dieses Landes dazu bewegen, sich hier ihren Lebensmittelpunkt aufzubauen, und das, meine Damen und Herren, zu einer Zeit, in der der Fachkräftemangel in der einheimischen Wirtschaft nicht in weiter Ferne am Horizont steht, sondern in einzelnen Branchen schon gelebte Realität ist.
Deswegen, meine Damen und Herren, verbindet sich mit diesem Gesetz für mich auch eine ganz klare Botschaft für dieses Land: Mecklenburg-Vorpommerns Zukunft gehört den Unternehmerinnen und Unternehmern, die ihre Mitarbeiter fair bezahlen.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Helmut Holter, DIE LINKE: Das steht aber alles nicht in diesem Gesetz.)
Mecklenburg-Vorpommerns Zukunft sind Arbeitsplätze, die den Menschen Mut für die Zukunft machen, weil sie von ihnen leben können.
Vor diesem Hintergrund, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, müssen wir in diesem Haus nicht zum hundertsten Mal die unterschiedlichsten Positionen zu einem bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn austauschen. Wir alle kennen zur Genüge die Haltung von FDP und CDU, von SPD und der Partei DIE LINKE. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass ein gesetzlicher Min