Protokoll der Sitzung vom 16.03.2011

(Rudolf Borchert, SPD: So ist es.)

Selbst der Bundesverband der Deutschen Industrie hat inzwischen seine starre Ablehnung eines gesetzlichen Mindestlohnes doch schon aufgegeben.

Aber, meine Damen und Herren, es kann nicht Aufgabe dieses Landtages sein, darauf zu warten, was andernorts entschieden werden muss. Hier kann doch nur eines gelten: Lassen Sie uns das anfassen, was hier in diesem Land auch selber durch uns gestaltet werden kann!

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie, zunächst auf den ersten Gesichtspunkt in diesem Vergabegesetz einzugehen: Wie gelingt es uns, die Rahmenbedingungen für die kleinst- und kleinteilige Unternehmensstruktur in unserem Land bei der öffentlichen Auftragsvergabe zu verbessern?

Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf gibt eine klare Aussage. Wir gestalten mit diesem Gesetz das Vergaberecht auch auf Landesebene transparenter, unbürokratischer und anwenderfreundlicher. Um dies zu erreichen, haben wir die Regelung für die öffentliche Auftragsvergabe im Bereich unterhalb der EU-Schwellenwerte, für die wir als Land Gesetzgebungskompetenz haben, konsequent an die bundesgesetzlichen Regelungen angepasst. Gleichzeitig wird es vergabegerecht nach dem Willen von SPD und CDU künftig verstärkt den Bedürfnissen mittelständischer Unternehmen gerecht werden.

Nur wenige Tage, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, nach dem Landesparteitag der SPD, auf dem meine Partei ein klares Bekenntnis für eine moderne, zukunftsgerichtete Wirtschaftspolitik abgegeben hat, wird dieses Bekenntnis hier und heute aus Sicht meiner Fraktion mit diesem Gesetzentwurf deutlich unterstrichen. Wir wollen die kleinen und mittelständischen Unternehmen, wir wollen das Handwerk in diesem Land unterstützen, und das mit konkreten Maßnahmen.

Damit es für kleinere und mittlere Unternehmen in unserem Land leichter wird, sich um größere öffentliche Aufträge erfolgreich zu bewerben, sind diese nach dem Willen dieses Gesetzes in Zukunft regelmäßig in Losen zu vergeben. Eine Gesamtvergabe wird nur noch dann zulässig sein, wenn eine Aufteilung unwirtschaftlich oder aus technischen Gründen unmöglich ist. Damit werden auch unterhalb der EU-Schwellenwerte Nachteile des Mittelstandes bei der Vergabe großer Aufträge mit einem Volumen, das die Ressourcen kleiner und mittlerer Unternehmen überfordern könnte, ausgeglichen und die kleine und mittelständische Wirtschaft unseres Landes wird hier gestärkt. Die Zeit der Auftragsvergabe an Generalauftragnehmer und Generalübernehmer, die über Nachunternehmeraufträge die einheimischen Unternehmen und ihre Beschäftigten im wahrsten Sinne des Wortes ausquetschen, muss vorbei sein.

Gleichzeitig entlasten wir unsere Unternehmen auch finanziell, indem zukünftig auf die gerade bei kleineren Aufträgen wirtschaftlich völlig unsinnige Stellung von Bürgschaften durch den Auftragnehmer verzichtet werden soll. Es kann doch nicht ernsthaft angehen, dass sich Unternehmen in unserem Land bei einem Bauauftrag von vielleicht 200.000 Euro ernsthaft die Frage stellen müssen, ob sie sich an der Vergabe beteiligen, nur weil sie dafür eine Erfüllungs- oder Gewährleistungsbürg

schaft stellen sollen. Hier einfache und unbürokra tische Regelungen zu schaffen, ist echte Mittelstands politik, nicht irgendwelche zusätzlichen Berichtspflichten, die den Unternehmen vor Ort in keiner Weise nützen.

Meine Damen und Herren, diese Regelungen sind uns wichtig. Aber wichtig sind uns natürlich auch die Regelungen, die Dumpingangeboten im Rahmen öffentlicher Auftragsvergaben das Wasser abgraben. Und daher war und ist uns von Bedeutung, dass mit diesem Gesetzentwurf nunmehr unmissverständlich für jeden in diesem Land klargestellt wird, dass Angebote, die nicht aus nachvollziehbaren Gründen deutlich unter denen ihrer Mitbewerber liegen, künftig konsequent und von vornherein von der Auftragsvergabe ausgeschlossen werden.

Lassen Sie es mich an dieser Stelle so deutlich sagen: Ziel dieses Gesetzes ist es gerade auch, Schmutzkonkurrenz und Wettbewerbsverzerrung, die häufig auf dem Rücken der Beschäftigten betrieben wird, zu bekämpfen. Das ist nicht nur für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben wichtig, gerade für die vielen anständig geführten mittelständischen Kleinunternehmen in Mecklenburg-Vorpommern ist das neue Gesetz vielmehr vorteilhaft, denn es nimmt den Druck durch unsaubere Unterbietung.

(Vizepräsident Hans Kreher übernimmt den Vorsitz)

Meine Damen und Herren, und damit dann gleich auch zum zweiten Themenkomplex: Wie gelingt es uns im Rahmen unserer landesgesetzlichen Möglichkeiten, dafür Sorge zu tragen, dass gute Löhne für gute Arbeit gezahlt werden?

Lassen Sie es mich kurz zusammenfassen: Immer wieder erleben wir bei öffentlichen Aufträgen in bestimmten Bereichen einen sich unterbietenden Preiswettbewerb. Das ist es, was wir hier tatsächlich verhindern müssen. Wir müssen verhindern, dass Angebote mit möglichst niedrigen Löhnen kalkuliert werden. Das belastet die Kommunen, das belastet die Unternehmen, aber es belastet natürlich auch und in erster Linie die Beschäftigen, die von Lohn- und Sozialdumping betroffen sind.

Meine Damen und Herren, dieses Gesetz gibt ganz klar vor, dass in der gesamten Spanne von der Entscheidung der Auftragsvergabe bis zum endlichen Bezuschlagen und danach bis zur Auftragsdurchführung die öffentlichen Aufträger verpflichtet sind, die Einhaltung der gesetzlichen Mindestlöhne über das Arbeitnehmergesetz nicht nur vorzugeben, sondern auch zu kontrollieren, egal ob bei Bauaufträgen, ob im Elektrohandwerk, bei der Gebäudereinigung oder wo auch immer öffentliche Auftragnehmer im Bereich des Arbeitnehmergesetzes tätig sind.

Und, meine Damen und Herren, was uns darüber hinaus wichtig ist, das muss auch ganz klar durch die Unternehmen eingehalten werden, das heißt, wer sich nicht an die Spielregeln halten will, die hier aufgestellt werden, muss damit rechnen, dass er nicht nur erhebliche Strafen zahlt, sondern sogar vom Spielfeld fliegt, das heißt, dass ihm der Auftrag gekündigt wird.

Zweitens. Im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs gibt es eine ganz klare Regelung, dass wir hier in diesem Land einen repräsentativen Tarifvertrag im Bereich des Nahverkehrs wollen. Das bedeutet Tarifverträge im Bereich des SPNV beziehungsweise des ÖPNV, die von einer Mehrheit der Beschäftigten tatsächlich mitgetragen werden,

(Michael Roolf, FDP: Gibt es doch schon.)

damit das entsprechend auch umgesetzt werden kann.

Meine Damen und Herren, bevor ich jetzt hier zum Ende komme, möchte ich noch einen kurzen Hinweis geben: Zusätzlich zu diesen beiden durch den Landesgesetzgeber zwingend vorgegebenen Punkten enthält der Gesetzentwurf noch einen aus meiner Sicht weiteren maßgeblichen Punkt. In Paragraf 5 des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfes finden Sie einen auf den ersten Blick relativ unscheinbaren Satz.

(Michael Roolf, FDP: Geeignet.)

Dort heißt es: „Für die Auftragsausführung können zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer gestellt werden, die insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffen, wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben.“

Meine Damen und Herren, diese Regelung ist, wie Sie bereits aus der Gesetzesbegründung entnehmen konnten, wort- und bedeutungsgleich mit der durch den Bundesgesetzgeber in Paragraf 97 Absatz 4 Satz 2 des Gesetzes gegen Wettebewerbsbeschränkung getroffenen Regelung. Aber, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, mit diesem einen Satz eröffnet der Landesgesetzgeber den öffentlichen Auftraggebern zusätzlich zu den bereits eben genannten Punkten eine kaum zu überblickende Palette von möglichen Anforderungen für eine öffentliche Auftragsvergabe, eine Palette, das gestatten Sie mir an dieser Stelle, die so weit und so bunt ist, dass ich nicht mehr in diesem Redebeitrag, sondern zu einem späteren Zeitpunkt hier in dieser Debatte noch einmal darauf eingehen möchte.

Meine Damen und Herren, der Ihnen hier und heute vorliegende Gesetzentwurf ist aus Sicht meiner Fraktion ein wichtiger und richtiger Schritt für faire Löhne für die Menschen in diesem Land und für einen fairen Wettbewerb für die einheimischen Unternehmen. Lassen Sie uns diesen Gesetzentwurf gemeinsam mit den Betroffenen in den zuständigen Ausschüssen dieses Landtages beraten und anschließend, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, auf einen dann hoffentlich erfolgreichen Weg bringen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Danke, Herr Schulte.

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Lück von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Nun liegt er also endlich vor.

(Michael Roolf, FDP: Da ist er.)

Die Koalitionsfraktionen legen einen Gesetzentwurf vor, in dem die öffentliche Auftragsvergabe im Land geregelt werden soll. Wir haben das eben gehört. Das war offensichtlich eine schwere Geburt. Ich will es aber gleich zu Beginn sagen: Der Berg kreißte und gebar eine Maus.

(Egbert Liskow, CDU: Was?! – Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Noch bevor wir den Text kannten, war durchge sickert, dass es sich um eine Lightvariante handeln soll, im Wesentlichen auf den Öffentlichen Personennahverkehr beschränkt. Nun, ganz so ist es nicht. Aber es ist ein Gesetz, das die Regelungen, die es im Vergaberecht bereits gibt, die entweder in Gesetzen oder Verordnungen bereits festgeschrieben sind, noch einmal in ein Landesgesetz schreibt.

Kollege Jäger von der CDU war es, der einmal sinngemäß gesagt hat: Wenn überhaupt wird die Koalition das zusammenfassen, was es bereits gibt, und das als Vergabegesetz Mecklenburg-Vorpommern verkaufen, mehr nicht. Und so, meine ich, ist es auch.

(Michael Roolf, FDP: Ja.)

Im Koalitionsvertrag hatten CDU und SPD unter Punkt 14 im Teil „Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik“ aufgenommen, Zitat: „Im Rahmen der Ausschreibung von öffentlichen Leistungen sollen die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten bei der Vergabe von Aufträgen besser genutzt werden, um die Teilhabe kleiner und mittelständischer Betriebe der Region am Wettbewerb zu gewährleisten.“ Zitatende.

Auch uns war es immer wichtig, gerade bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, kleinen und mittelständischen Unternehmen aus Mecklenburg-Vorpommern günstige Bedingungen zur Beteiligung an Ausschreibungen zu schaffen. Aber als Regel für die Vergabe reicht das selbstverständlich nicht aus. Wir haben offensichtlich ein völlig anderes Verständnis davon, was ein Vergabegesetz leisten soll beziehungsweise warum wir es brauchen. Uns geht es natürlich auch um die Unternehmen, aber vor allem um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Arbeits- und Lebensbedingungen. Mit anderen Worten: Wir wollen nicht den Wettbewerb abschaffen, wie es uns vor allem die FDP immer vorwirft,

(Michael Roolf, FDP: Wir wollen ihn gar nicht einführen.)

aber wir wollen den Wettbewerb auf dem Rücken der Mitarbeiter abschaffen. Uns ist außerdem wichtig, dass die öffentliche Hand auch beim Schutz der Umwelt Vorreiter ist. Auch solche Kriterien müssen ins Vergabeverfahren.

Von all dem ist nichts Positives in Ihrem Gesetzentwurf zu vermelden. Sie beziehen sich auf das ArbeitnehmerEntsendegesetz, das auch gilt, wenn es kein Vergabegesetz in Mecklenburg-Vorpommern gibt. Natürlich kann auf das Arbeitnehmer-Entsendegesetz verwiesen werden, das muss es sogar. Aber wir sind der Meinung, das reicht nicht aus. Generelle Tariftreueerklärungen dürfen gemäß Urteil des Europäischen Gerichtshofes nicht verlangt werden. Allerdings bleibt das im Öffentlichen Personennahverkehr erlaubt.

(Jochen Schulte, SPD: Ja.)

In diesem Bereich finden die allgemeine Dienstleistungsfreiheit und damit verbunden auch die Entsenderichtlinie keine Anwendung.

(Jochen Schulte, SPD: Regine, das steht im Gesetz drin.)

Deshalb ist sicher auch in Ihrem Gesetzentwurf der Bereich besonders hervorgehoben. Das Wie ist allerdings die Frage. Die Antwort enttäuscht uns sehr. Zum einen schließen die vorgesehenen Regelungen, welcher der repräsentative Tarifvertrag ist, Dumpinglöhne nicht

aus, nämlich dann nicht, wenn eine erhebliche Zahl von Beschäftigten diesem Tarifvertrag unterworfen ist. Die Frage ist doch: Was ist erheblich? Was ist erheblich? Wieso entscheidet die Landesregierung darüber, noch dazu nach billigem Ermessen? Das frage ich hier mal.

(Michael Roolf, FDP: Zu Recht.)

Wir können gerne darüber diskutieren. Wir wollen in einem Vergabegesetz als wichtige Norm einen Mindeststundenlohn von 10 Euro einführen. Kollege Schulte hat das auch betont.

(Michael Roolf, FDP: Nee, der will 8,50 Euro!)

Die europäische Entsenderichtlinie gestattet eine solche gesetzlich vorgeschriebene Lohnuntergrenze. Wir wollen diesen Arbeitnehmerschutz, Sie wollen diesen Arbeitnehmerschutz nicht.

Am Beginn des Jahres hat die Landesregierung mit den Tarifpartnern eine Vereinbarung für ein Fachkräftebündnis verabschiedet. Die dort aufgeschriebenen Absichtserklärungen und Maßnahmen zur Stärkung der Tariftreue sind wesentlich ambitionierter, als es der vorliegende Gesetzentwurf verdeutlicht. Das möchte ich Ihnen hier noch einmal klarmachen. Ist die Vereinbarung wieder nur heiße Luft ohne praktische Konsequenzen, frage ich. Die vorgesehenen Kontrollinstrumentarien, die Sanktionen bei Verstößen gegen das Gesetz machen den Gesetzentwurf endgültig zu einem unscharfen Schwert. Die Formulierungen sind windelweich und lassen für Verstöße nicht nur die Hintertür, sondern auch das Eingangstor sperrangelweit offen. Ich glaube, dieses Gesetz wird nicht einmal für den kleinen und mittelständischen Unternehmer von Vorteil sein, für die Beschäftigten ist sein Gebrauchswert gleich null.

Wir werden der Überweisung in die Ausschüsse dennoch zustimmen. Man soll ja die Hoffnung nicht aufgeben, zumal auf dem Tisch der Ausschüsse zur Beratung auch unser Gesetzentwurf liegt. Und das ist heute noch gar nicht zur Sprache gekommen. Nehmen Sie es mir nicht übel, aber schauen Sie sich unseren Gesetzentwurf an. Wir geben Ihnen auch die Erlaubnis abzuschreiben, da wir der Auffassung sind, dass Ihrer nur heiße Luft be inhaltet. – Danke.