Protokoll der Sitzung vom 16.03.2011

Danke, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Köster von der Fraktion der NPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits in der letzten Landtagssitzung gab es die Diskussion um ein Vergabegesetz. Antragsteller war bekanntlich seinerzeit die Fraktion DIE LINKE. Wirtschaftsminister Seidel kündigte in der entsprechenden Debatte einen eigenen Entwurf der Landesregierung an. Dieser liegt jetzt vor. In der damaligen Debatte sagte der Herr Wirtschaftsminister Seidel unter anderem, Zitat: „Unser Ziel ist es dabei, … ein rechtssicheres Gesetz vorzulegen, was den europäischen Vorgaben entspricht und zugleich einen Beitrag zur Stärkung der Tarifpartner, der Schaffung wettbewerbsfähiger Lohn- und Gehaltsbedingungen für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Mecklenburg-Vorpommern, aber eben auch für die Unternehmensentwicklung, Stichwort fairer Wettbewerb, zum Ziel hat.“

Den fairen Wettbewerb werden wir hier in MecklenburgVorpommern ab dem 1. Mai 2011 in verschärfter Form erleben. Dann tritt nämlich die sogenannte Arbeitnehmerfreizügigkeit in Kraft und Tausende bis Zehntausende Osteuropäer werden in Mecklenburg-Vorpommern ihr Glück suchen. Firmen mit Sitz im Ausland und den Branchen, für die in Deutschland kein tariflicher Mindestlohn festgelegt ist, entsenden und entlohnen dann ihre Mitarbeiter nach dem heimischen Tarifvertrag. Für die Osteuropäer gibt es dann auch die uneingeschränkte Möglichkeit, in Deutschland als Selbstständige zu arbeiten. Bisherige Einschränkungen diesbezüglich entfallen dann.

Das sind die Realitäten und folglich die direkten Auswirkungen Ihrer Politik. Daher ist es wenig glaubwürdig, dass die heimische Wirtschaft vor einem unterbietenden Preiswettbewerb und die Arbeitnehmer vor Niedriglohneinflüssen geschützt werden. Ab dem 1. Mai 2011 wird sich der Preiskampf verschärfen. Dies wird Ihr Gesetzentwurf nicht im Geringsten verhindern. Wir lehnen ihn deshalb ab.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schulte von der SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Sehr geehrter Herr Kollege Roolf,

(Michael Roolf, FDP: Bitte, bitte.)

es war innovativ, ich will es mal freundlich so aus drücken, was Sie hier zum Besten gegeben haben. Aber ich würde Ihnen mal vorschlagen, ich habe vorhin die Einladung für den Bautag dieses Jahr bekommen, gehen Sie da mal hin und erzählen Sie den Unternehmerinnen und Unternehmern, dass es in diesem Land völlig unnötig wäre, gesetzliche Regelungen zu schaffen,

(Michael Roolf, FDP: Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, man muss es nicht in diesem Gesetz regeln.)

dass tatsächlich hier zum Beispiel Dumpingangebote ausgeschlossen werden. Herr Kollege Roolf, ob Sie es denn in diesem Gesetz regeln oder in einem anderen Gesetz,

(Michael Roolf, FDP: Genau.)

Gesetz ist Gesetz.

(Michael Roolf, FDP: Ja, ja.)

Das habe ich zumindest in meinem Studium so gelernt.

(Michael Roolf, FDP: Aber ich habe gesagt, ein zusätzliches. Ganz vorsichtig!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Roolf hat zumindest bewiesen, das Vergaberecht ist kompliziert, offensichtlich nicht nur für die Juristen, die, wie es der Kollege Müller heute Vormittag sagte, ja auch eine zweite Chance verdient hätten – das gilt auch für Sie, Herr Kollege Roolf –,

(Detlef Müller, SPD: Sehr richtig.)

sondern auch für alle, die daran beteiligt sind.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist auch der Grund, um jetzt wieder etwas ernster zu werden, warum wir als SPD und CDU es gerade nicht noch komplizierter machen wollten.

Meine Damen und Herren, ich hatte im Rahmen der Einbringung auf die Zielsetzung dieses Gesetzes verwiesen, einheimische kleine und mittelständische Unternehmen vor Wettbewerbsverzerrung durch Dumpingangebote zu schützen, und zweitens einen gezielten Schritt in Richtung auskömmlicher Löhne, zumindest im Rahmen öffentlicher Aufträge, zu gehen. Mit diesem Gesetz sind wir, und das sind Tatsachen, die sich belegen lassen, weiter als manch anderes Bundesland.

Lassen Sie mich einen kurzen Vergleich mit den gesetzlichen Regelungen in anderen Bundesländern ziehen, auch für die Kollegin Lück zur Information:

Bayern, dort gibt es weder ein Tariftreue- noch ein Vergabegesetz.

(Regine Lück, DIE LINKE: Bayern hat ein Vergabegesetz. Na klar.)

Schleswig-Holstein, keine gesetzlichen Tariftreueregelungen

Sachsen, keine gesetzlichen Tariftreueregelungen

Sachsen-Anhalt, gleichfalls keine entsprechenden Regelungen

Hessen, keine Tariftreueregelung

Baden-Württemberg, keine Tariftreueregelung, auch nicht in einem Vergabegesetz

Saarland, das Saarland hat zwar ein Tariftreuegesetz, das allerdings im Bereich des Nahverkehrs jeglichen Tarifvertrag, und das ist ja im Grunde das, was Sie dann offensichtlich wollen, als ausreichend gelten lässt. Das ist natürlich dann auch jeder Tarifvertrag, der mit Kleinst- und Kleingewerkschaften geschlossen wird.

Brandenburg gehört dann wieder zu den Ländern, die kein Tariftreue- oder Vergabegesetz haben.

Das Gleiche gilt für Nordrhein-Westfalen, immerhin das größte Bundesland in Deutschland.

Thüringen hat bemerkenswerterweise eine ähnliche Regelung wie die hier angedachte.

Hamburg lässt dann lieber den ganzen Bereich des Nahverkehrs außen vor.

Und in Niedersachsen ist das Tariftreuegesetz beziehungsweise das Vergabegesetz nur für den Baubereich zuständig.

Bremen wiederum regelt ähnlich wie in MecklenburgVorpommern den gesamten Bereich der Mindestentgelte nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz und den Bereich des Nahverkehrs, wie auch hier durch uns geschehen, auf der Grundlage eines repräsentativen Tarifvertrages und – das ist die Besonderheit – führt dazu einen landesspezifischen Vergabemindestlohn von 7,50 Euro ein. Dazu muss man dann allerdings gleich wissen, dass der gleiche Gesetzgeber in Bremen dann zu seinen Beschäftigten und Unternehmern im Land sagt, das Ganze gilt doch aber bitte nicht, wenn der Auftrag für Unternehmen aus anderen EU-Staaten von Interesse sein sollte. Hat er Pech gehabt. Und wenn man bösartig wäre, könnte man bei der gesetzlichen Regelung in Bremen zumindest auf die Idee kommen, dass dort eine unzulässige Diskriminierung von inländischen Unternehmen vorhanden ist.

(Michael Roolf, FDP: Das wollte ich gerade sagen. Das wollte ich gerade sagen.)

Ich sage das nicht, aber man kann da natürlich mal drüber nachdenken.

Berlin, sehr geehrte Damen und Herren, macht es dann ähnlich wie Rheinland-Pfalz, wieder etwas anders als Bremen. Dort wird dann neben den Bereichen Arbeitnehmer-Entsendegesetz und Tariftreue im ÖPNV und SPNV durch ein Landesgesetz ein Mindestlohn in Höhe von 7,50 Euro vorgegeben. Ich vermute mal, Frau Kollegin Lück wird die gesetzliche Regelung kennen.

Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich an dieser Stelle doch einmal aus einem Gutachten zitieren, das der Berliner Senator Wolf, zuständig für Wirtschaft, Technologie und Frauen und seines Zeichens Mitglied der Linkspartei, in diesem Zusammenhang, also mit dem Berliner Vergabegesetz, in Auftrag gegeben hat. Dort heißt es in dem Gutachten, ich erlaube mir zu zitie

ren: „Ebenfalls mit europäischem Recht nicht vereinbar ist die Regelung“, dann wird der Paragraf genannt, „die vorschreibt, die Vergabe öffentlicher Aufträge im Regelfall mit der vertraglichen Verpflichtung des Auftragnehmers zu verbinden, die im Rahmen der Auftragserfüllung erbrachten Arbeitsleistungen der Arbeitnehmer mit einem Mindestentgelt von 7,50 EUR pro Stunde zu entlohnen.“ So das Gutachten von Herrn Professor Schmid und Herrn Dr. Florian Rödl vom 31.10.2008. Es ist im Internet nachlesbar, wen es interessiert.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, nicht, dass wir uns hier missverstehen, ich teile die Rechtsauffassung von Herrn Schmid und Herrn Rödl durchaus nicht. Und man muss sie auch nicht teilen. Es gibt auch, im Internet nachzulesen oder sonst wo, in den Kommentierungen eine Vielzahl von Gegenteilen in der Rechtsauffassung. So ist das eben manchmal bei Juristen.

(Regine Lück, DIE LINKE: Nicht manchmal, häufig. – Rudolf Borchert, SPD: Na, na! – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Die Wirtschaftsleute sind sich auch nicht immer einig.)

Gibt man ihnen, das ist ja schon angesprochen worden, eine zweite Chance, dann haben sie auch gleich eine zweite Meinung.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Die Wirtschaftsleute sind sich auch nicht einig und sind keine Juristen.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es mag ja vermessen sein, aber ich teile die Meinung dieser genannten Sachverständigen auch nicht. Ich habe mich nicht erst in den letzten Jahren mit dieser Materie eingehend beschäftigt im Zusammenhang mit diesem Vergabegesetz, sondern schon eine geraume Zeit davor.

Aber, und das muss man dann auch konstatieren, eine Tatsache bleibt: Eine Gewähr dafür, wie möglicherweise zu solchen gesetzlichen Regelungen wie in Bremen, Berlin, Rheinland-Pfalz der EuGH dann irgendwann mal entscheiden mag, die Gewähr kann Ihnen heute keiner geben. Da kann man sich dann auf den Standpunkt stellen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, warten wir es mal ab, und bis die Gerichte entschieden haben, machen wir es halt so, wie wir es für richtig halten, danach sehen wir weiter.

Aber, meine Damen und Herren, es gab, als dieses Gesetz von den Fraktionen von CDU und SPD erarbeitet wurde, auch als Gegenleistung für die Bereitschaft der CDU, dieses Gesetz mit uns zu tragen, eine ganz klare Absprache, die lautet: Wir machen nur solche Regelungen, von denen wir sicher sind, wirklich sicher sind, dass sie dann auch EU-rechtskonform sind. Und das ist dieses Gesetz.

Vor diesem Hintergrund kann ich persönlich oder jemand anders noch so gute Argumente haben, dass dieses oder jenes rechtlich zulässig und machbar ist, es bleibt die Rechtsunsicherheit bezüglich solcher Regelungen, wie sie beispielsweise das Land Berlin getroffen hat. Deswegen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, fordert die SPD ja übrigens auf Bundesebene immer wieder einen gesetzlichen Mindestlohn. Das wäre dann eine klare und deutliche Sache.