Protokoll der Sitzung vom 16.03.2011

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Sie regieren schon viereinhalb!)

Und für solche Zeiträume lag eine Lehrerbedarfsplanung nicht vor. Die Planungszeiträume, wie sie Hochschulen steuern, Stellen oder Professuren besetzen müssen, die eine Laufzeit von 30 Jahren haben, wenn Sie sich das alles ansehen, wissen Sie, dass die Lehrerbedarfsplanung der Vergangenheit nicht geeignet war, die Zukunftsprobleme zu lösen. Und das war ein Versagen allseitiger Art.

Dann, Herr Bluhm, haben die Universität Rostock und das Ministerium ohne Einbindung des Parlaments – mir war das gar nicht bekannt – im Rahmen der Hochschulreform die Berufsschullehrerausbildung eingestellt.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Ja.)

Weder Sie noch ich wussten das. Weder Sie noch ich haben das mal hinterfragt – auch das ist eine Fehlleistung dieses Parlaments, die Opposition schließe ich damit immer ein, an der ist das auch vorbeigegangen –,

(Regine Lück, DIE LINKE: Nicht nur des Parlaments, auch der Regierung!)

warum das Bildungsministerium das zugelassen hat. Warum das Bildungsministerium unter dem damaligen Minister das überhaupt in Erwägung oder so etwas Absurdes zugelassen hat, ist eine andere Frage, die man bei Gelegenheit mal diskutieren muss. Aber auch da gab es eine erhebliche Missleistung.

Dann gab es jahrelang, nachdem die rot-rote Koalition die Regionale Schule eingeführt hatte, immer noch

das Lehramt für Haupt- und Realschule, das gibt es bis heute. Es sind Schularten abgeschafft worden, eine neue Schulart ist eingeführt worden und die dafür zuständige Regierung hat keine Reform der Lehrerausbildung eingeführt, auch das unter Rot-Rot. Ich könnte diese ganze Liste weitermachen.

Jetzt könnte man als letzten Punkt noch hinzunehmen den Punkt, den Sie angesprochen haben: Jetzt bringen hier die Koalitionäre einen Gesetzentwurf ein. Es gibt dafür sehr sachliche Gründe, die habe ich schon mehrfach dargestellt. Hätte ich jetzt ein Informationsgerät ohne Lüftungsbetrieb bei mir hier in diesem Parlament, dann könnte ich Folgendes finden, wenn ich Google benutze, nämlich ein Plenarprotokoll aus der 4. Periode, Datum 27. Juni 2006. Und da wird diskutiert ein Gesetzentwurf der Fraktion der Linkspartei.PDS und der SPD – so hieß die Linkspartei damals noch –, ein Gesetzentwurf der Fraktionen, kurz vor Ende der Legislaturperiode eingebracht, hauptsächlich von der Linkspartei, nämlich das Informationsfreiheitsgesetz. Und Frau Borchardt lobte damals wortwörtlich die Initiative beider Fraktionen

(Torsten Renz, CDU: Tja, so ist das manchmal im Leben.)

und deutete das als Anzeichen für die Fortsetzung der rot-roten Koalition – ein Gesetzesentwurf der Fraktionen vor Ende der Legislatur.

(Torsten Renz, CDU: Also bis zum Schluss gearbeitet, ja?)

Ich finde es, muss ich sagen …

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Wissen Sie auch, warum das so spät kam? – Torsten Renz, CDU: Nein, nein.)

Moment, Frau Borchardt!

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Wissen Sie auch, warum das so spät kam?)

Frau Borchardt, darum geht es doch gar nicht. Sie haben es doch aber mitgemacht, verstehen Sie? Es ist doch nicht ehrenrührig …

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ach, so wird das jetzt ausgelegt?! – Helmut Holter, DIE LINKE: Es war ein übliches Verfahren, da sind wir uns doch einig.)

Ja, eben. Herr Holter sagt, es ist ein übliches Verfahren, es ist nicht das schönste …

(Helmut Holter, DIE LINKE: Die Masse macht es.)

Moment! Herr Holter, es ist nicht das schönste Verfahren, das wir haben, aber es ist ein legitimes Verfahren, ein Verfahren, dass die rot-rote Koalition auch angewendet hat. Also räumen wir das mal vom Tisch! Und dann wenden wir uns, würde ich sagen, einfach den fachlichen Fragen zu, ohne Aufgeregtheit.

Ich möchte ein paar Punkte herausgreifen von denen, die Herr Bluhm vorgetragen hat,

(Irene Müller, DIE LINKE: Weil Sie das alles so sachlich dargestellt haben.)

erstens, die Hochschulen wären nicht beteiligt worden. Nun habe ich seit ungefähr zwei Jahren an den Diskussionen und den Arbeitsrunden teilgenommen. Ich habe

mehrfach dem Leiter des Zentrums für Lehrerbildung gegenübergesessen, Herrn Professor Häcker. Ich habe mehrfach gegenübergesessen dem Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Greifswald, das waren im Laufe der Zeit mehrere. Ich habe gegenübergesessen dem Rektor der Universität Rostock, Herrn Professor Schareck. Die Universitäten und Hochschulen, auch die Hochschule Neubrandenburg, die saßen auch alle mit am Tisch. Also die Sitzungen …

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Deswegen gibts das Schreiben ja auch.)

Die Sitzungen, an denen ich teilgenommen …

Sehr geehrter Herr Bluhm, ich bin nicht dafür bekannt, dass ich Unfug erzähle in solchen Dingen. Ich habe in diesen Sitzungen gesessen und die Hochschulen waren über zwei Jahre an der Erarbeitung dieses Gesetzentwurfes beteiligt.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Jüngst vor wenigen Wochen hat die letzte Runde stattgefunden, bevor die Koalitionsfraktionen überhaupt diesen Gesetzentwurf ins Verfahren gebracht haben. Es wird dann offenbar über Wahrnehmungsunterschiede mal zu sprechen sein, aber die Protokolle kann ich Ihnen gerne zugänglich machen, aus denen Sie die Teilnehmerlisten und auch den Diskussionsstand dann rekonstruieren können. Das ist gar kein Problem, es sind keine Geheimpapiere.

Dann haben Sie darauf hingewiesen, die Hochschulen wären doch vielleicht mit dem, was hier drinsteht, überfordert, die hätten ja vielleicht gar nicht gewusst, was sie sich jetzt mit den Zielvereinbarungen aufhalsen. Dem muss ich ausdrücklich widersprechen, aus zwei Gründen:

Erstens, glaube ich, wird man den Hochschulen nicht gerecht, wenn man nahelegt, dass sie nicht überschauen würden, was sie da unterschreiben. Ich weiß nicht, ob das stimmt, das kann ich mir nicht vorstellen.

Und zweitens, es wurde ja – da ich auch an diesen Prozessen beteiligt war – von den Hochschulen und dem Ministerium exakt ausgerechnet, was würde es denn bedeuten und kosten, wenn wir das hier, was jetzt in dem Gesetzentwurf steht, umsetzen, und wie viele Stellen und wie viel Geld müssen also in die Zielvereinbarungen zusätzlich hinein, damit das ausfinanziert ist.

Und genau diese Zahlen – da können Sie gerne auch die Rektoren fragen –, genau diese Zahlen finden sich in den Zielvereinbarungen wieder. Genau deshalb kommt nämlich der Gesetzesentwurf erst jetzt, weil wir zunächst mit den Zielvereinbarungen die Wegmarken dieses Gesetzes auch finanztechnisch und personell abgesichert haben, um dann, wenn das auch hier vom Parlament beschlossen ist, das dazugehörige Gesetz auch einzubringen.

Auch ich hätte mir gewünscht, dass es früher kommt, vollkommen klar. Aber das Ganze liegt auch daran, dass wir Zielvereinbarungsverhandlungen haben, ein Jahr vor der Wahl und im Übrigen auf Beschluss der rot-roten Koalition. Denn dass wir jetzt Zielvereinbarungsverhandlungen hatten Ende 2010, ist geschuldet der von uns beiden entwickelten Gesetzeskonstruktion der Abfolge der Zielvereinbarungsentstehung.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Dazu stehe ich nach wie vor.)

Und diese beiden Dinge gehören zusammen.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Das hat doch nichts mit den Lehrämtern zu tun, die in diesem Gesetz geregelt werden.)

Sehr geehrter Herr Bluhm, Sie müssen schon damit leben können, dass, wenn Sie bestimmte Kritikpunkte aufwerfen, ich dann dazu Stellung nehme und einfach sage, das ist nicht richtig, was Sie sagen. Damit müssen Sie schon, finde ich, leben.

Drei weitere Punkte möchte ich kurz ansprechen.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Ja, das ist ja jetzt der offizielle Teil. Das vorhin war ja nicht ganz so offiziell.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist immer offiziell, wenn Sie da vorne stehen! – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Sie haben gesagt, das, was wir hier vorschlagen beim Grundschullehramt, überzeugt Sie nicht. Wir schaffen ein reines Grundschullehramt. Das finden Sie problematisch. Das kann man natürlich fachlich verschieden sehen, aber wir hatten bisher ein Lehramt für Grundschulen und Hauptschulen. Wir haben aber keine Hauptschulen mehr, die haben wir zusammen abgeschafft.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Ja, ist ja richtig.)

Für welche Schulen sollen denn die Grundschullehrer noch ausgebildet werden, für die Regionale Schule etwa, also von Klasse 1 bis 10? Das wird man kaum annehmen, dass das funktioniert fachlich in derselben Zeit. Also muss man sich entscheiden, was man mit den Grundschulen macht.

Und wir haben gesagt, die Hauptschule gibt es nicht mehr, also bilden wir dafür auch nicht mehr aus. Und stattdessen machen wir das, was jetzt das Gebot der Stunde ist. Wir nehmen die Zeit, die dadurch frei wird – das ist sehr viel –, und bauen ein inklusionsorientiertes Grundschullehramt, ein Lehramt, das sich um die Förderung von lernschwachen Kindern besonders bemüht, und zwar bei jedem Grundschullehrer. Das ist, glaube ich, bundesweit das Innovativste, was es gibt, im Übrigen getragen vom Zentrum für Lehrerbildung der Universität Rostock. Herr Professor Häcker war anwesend, als wir das diskutiert und so in den Gesetzestext aufgenommen haben.

Dann haben Sie sich beschwert darüber, dass zwar die Pädagogik im Regionalschulbereich ausgebaut wird auf einen Anteil von 30 Prozent, wir im Gymnasialbereich aber von 22 auf 20 Prozent kürzen würden. Wer mit Prozentrechnung beginnt, muss sie auch zu Ende führen. Im Moment sind – um die Frage zu beantworten, ob wir eine Qualitätsminderung in der gymnasialen Ausbildung bei Pädagogen haben –, wir haben heute eine Regelstudienzeit von neun Semestern. Sie haben recht, 22 Prozent davon stehen für Pädagogikausbildung zur Verfügung. Jetzt erhöhen wir aber die Regelstudienzeit von neun auf zehn Semester und reduzieren den Pädagogikanteil von 22 auf 20 Prozent. Und jetzt kann ja jeder mal den Taschenrechner nehmen oder eine Kopfrechnung machen, ob das eine Erhöhung der tatsächlich unterrichteten Stunden im Bereich der Pädagogik ist oder eine Kürzung. Sie werden überrascht sein, was da rauskommt. Also man muss dann schon beide Dinge zusammennehmen.

Letzter Punkt, ein Beispiel dafür, dass Ihre Argumentation aus meiner Sicht nicht ganz treffend ist. Sie haben das Thema Studienberatung kritisiert. Sie haben zwar einerseits gesagt, finnischer Weg – Sie waren ja selber in Finnland und haben sich das angeguckt. Der Zugang hin zum Lehramtsstudium muss besser werden. Also es muss besser geguckt werden, wer ist für das Lehramt befähigt und wer nicht. In Finnland gibt es dort ganz harte Dinge, ganz harte Auswahlkriterien. Das geht in Deutschland aufgrund des Hochschulzulassungsrechtes so nicht. Das Grundgesetz ist nicht aushebelbar, also muss man sich etwas anderes ausdenken.

Und jetzt haben Sie gesagt, gut, dann gibt es eine verbindliche Studienberatung. Dafür halten die Hochschulen Studienberatungsbüros vor. Die müssen so ausgestattet sein, dass jeder Student prinzipiell beraten werden kann, also kann das schon mal keine Mehrkosten verursachen. Und für den Fall, wo es Zulassungsbeschränkungen gibt, gibt es das Hochschulzulassungsgesetz, beschlossen von diesem Parlament, wo die Hochschulen die Möglichkeiten haben, verschiedene Zulassungsverfahren vorzunehmen. Und wir sagen eben, wir wollen in dem Fall entweder Studierfähigkeitstests oder Auswahlgespräche. Das ist letztlich nichts anderes als eine Präzisierung des Hochschulzulassungsgesetzes.