Protokoll der Sitzung vom 17.03.2011

Aber, sehr geehrter Herr Kollege Roolf, meine Damen und Herren, ich will es jetzt auch hier nicht zu lange ausführen, jetzt mal unabhängig von der Frage, das kann ich ja dann tatsächlich sagen, dass wir als Koalitionsfraktion uns natürlich auch nicht dem Wunsch des Wirtschaftsministers verschließen werden und tatsächlich diesen Gesetzentwurf hier überweisen werden zur weiteren Beratung. Aber deswegen lassen Sie mich trotzdem …

(Beifall Ralf Grabow, FDP)

Danke, Herr Kollege Grabow.

(Zurufe von Michael Roolf, FDP, und Toralf Schnur, FDP)

Das tut nicht weh, Herr Kollege Roolf, und das kann ich Ihnen auch ganz einfach erklären.

Das Thema, das Sie aufgegriffen haben, Mittelstandspolitik, Mittelstandsförderung, ich glaube, da gibt es, ob ich Herrn Kollegen Waldmüller, einen Kollegen Holter, Herrn Minister Seidel oder Sie angucke, eigentlich keine Unterschiede bei der Frage, dass das tatsächlich gemacht werden muss und dass die Frage der Mittelstandsförderung, unabhängig jetzt davon, wie die einzelnen Vorstellungen sind, wie man sie macht, die grundsätzliche Fragestellung für die weitere Entwicklung dieses Landes ist.

Unabhängig davon, ob man kleine und mittelständische Unternehmen nach den Größenordnungen der Europäischen Union definiert oder einfach mal das zugrunde legt, was hier im Land tatsächlich an Mittelstand oder an kleineren Unternehmen vorhanden ist, ich denke, die grundlegende Unterscheidung zwischen dem, was über fast 20 Jahre an Wirtschaftspolitik in diesem Land gemacht worden ist, und zu dem, Herr Minister Seidel, da kann ich das nur unterstützen, was Sie als Wirtschaftsminister in diesem Land gemacht haben mit Unterstützung der SPD-Fraktion – und das sollte eigentlich kein Thema in diesem Haus sein –, ist eine Veränderung auch auf die Anforderung hin, die sich für dieses Land stellt.

Wir haben, das ist Wirtschaftspolitik in diesem Land gewesen, lange Zeit – und das hat auch seine Gründe gehabt – darauf gesetzt, schnell größere Unternehmen mit Betriebsstätten hier im Land anzusiedeln. Wenn man schnell Arbeitsplätze schaffen will, dann ist das natürlich auch eine Art und Weise, wie man das machen kann. Aber, meine Damen und Herren, das ist meine feste Überzeugung und da fühle ich mich dann fest verankert, nicht nur in der SPD, sondern ich denke, auch in den Koalitionsfraktionen, die Wirtschaftspolitik in den kommenden Jahren wird – und das hat sich ja nun auch unter der Regierung, auch unter Minister Sellering und Herrn Wirtschaftsminister Seidel gezeigt – viel stärker als in der Vergangenheit darauf ausgerichtet sein, die Unternehmen, die hier im Lande sind, tatsächlich in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung zu unterstützen.

Ich will es mal an einem einfachen Beispiel deutlich machen. Jetzt nageln Sie mich nicht auf die genaue Zahl fest, darüber kann man diskutieren, aber wenn man mal die Bevölkerungsgröße Mecklenburg-Vorpommerns mit der anderer wirtschaftlich vergleichbarer Bundesländer vergleichen will, dann fehlen in diesem Land ungefähr über den Daumen gepeilt vielleicht 15.000/20.000 Unternehmer/-innen, Selbstständige, Freiberufler in allen möglichen Bereichen. Und das führt natürlich auch dazu, dass die Wirtschaft insgesamt in diesem Land unter erheblichen Defiziten leidet. Das ist ein Prozess, der ist nicht der Wirtschaftspolitik wie der dieser Landesregierung noch der vorhergehenden ersten Landesregierung geschuldet, das ist insgesamt der wirtschaftlichen Situation geschuldet, so wie sie sich seit Beginn der 90er-Jahre hier in diesem Land gezeigt hat. Aber wenn wir dieses Land wirtschaftlich entwickeln wollen, dann müssen wir tatsächlich dazu kommen, dass wir die Unternehmerinnen und Unternehmer, die in diesem Land vorhanden sind, stärken, und diejenigen, die sich hier unternehmerisch betätigen wollen, auch dabei unterstützen, diesen Schritt zu gehen.

Ich weiß, wovon ich rede, genauso, wie Sie das wissen oder Herr Kollege Waldmüller oder Herr Born, alle diejenigen, die entweder unternehmerisch oder freiberuflich tätig sind und dann hier in diesem Landtag auch tätig sind. Ich weiß, dass dieser Schritt, den man geht, nicht immer einfach ist. Und wenn man ihn getan hat, ist es

ja auch hin und wieder durchaus schwierig und mit entsprechenden Anforderungen verbunden. Deswegen ist das Thema, das Sie aufgegriffen haben, wichtig. Das ist überhaupt nicht die Frage. Und das ist auch der Grund letztendlich, warum die Fraktionen von CDU und SPD dieses Gesetz dann auch in den Wirtschaftsausschuss überweisen werden.

Aber, Herr Kollege Roolf, das muss ich Ihnen dann auch in aller Deutlichkeit sagen, und das deckt sich dann wirklich hundertprozentig mit dem, was Minister Seidel eben an dieser Stelle gesagt hat, wenn man ein wichtiges Thema aufgreift, und das ist unbenommen, dann muss man es auch so aufgreifen, dass man zumindest Lösungsansätze für das, was in den kommenden Jahren geändert oder weiterentwickelt werden soll, gemacht wird. Da reicht es eben nicht, wie in einem Parteiprogramm Grundsätze aufzustellen. Grundsätze sind wichtig, aber Grundsätze reichen nicht aus, wenn man tatsächlich aufgrund eines Gesetzes hinterher auch konkrete Politik machen will.

Wenn es dann noch dazu kommt, was von Ihnen vorgeschlagen wird – und da lassen Sie mich nur eine einzige Stelle noch aufgreifen, aber das können wir dann gegebenenfalls im Wirtschaftsausschuss noch vertiefen, wenn Sie dann beispielsweise den Paragrafen 18 „Vorrang der privaten Leistungserbringung“ nehmen. Ich glaube, das ist der Paragraf 18, sonst werden Sie das wahrscheinlich besser wissen. Eine „Beteiligung an öffentlichen Aufträgen“ ist es. Das ist es, Paragraf 15 Absatz 5 lautet: „Bei öffentlichen Aufträgen und Vergaben sind Unternehmen mit … mehr als 50 % grundsätzlich vom Ausschreibungs- und Bietverfahren ausgeschlossen, sofern sie nicht dem öffentlichen Zweck dienen...“ Aber das ist nicht das Entscheidende bei der Sache.

(Michael Roolf, FDP: Das ist schon das Entscheidende.)

Nein, nicht bei der Frage, die ich jetzt aufwerfe. Da ist das nicht entscheidend, Herr Kollege Roolf.

(Michael Roolf, FDP: Ach so!)

Dann muss man sich natürlich auch fragen, warum man Unternehmen, die legal gegründet worden sind, und das basiert auf der Kommunalverfassung, das wird auch nicht von Ihnen im Rahmen dieses Gesetzes im Wesentlichen aufgegriffen, und berechtigt sind, am wirtschaftlichen Leben teilzuhaben, warum man die per se ausschließen will.

Ich will das jetzt hier nicht so weit ausführen, dass ich auf dem Standpunkt stehen kann oder dass man auf dem Standpunkt stehen kann, dass das schlichtweg verfassungswidrig ist, weil das ein Eingriff in den eingerichteten ausgeübten Gewerbebetrieb ist, und das gilt auch für kommunale Beteiligungen. Aber wenn man die Überlegung verfolgen will, den Gedanken, der dahinter steht, Zurückdrängung der – ich nenne es jetzt mal unzutreffenderweise so – öffentlich-rechtlichen wirtschaftlichen Betätigung, weil das ist es ja formal gesehen, dann muss man diese Frage tatsächlich in dem Bereich der Kommunalverfassung diskutieren, wo will ich denn das zulassen.

Dass ich dort eine andere Auffassung habe als Sie, das mag gut sein, wobei meine Auffassung dann vielleicht auch nicht hundertprozentig deckungsgleich ist mit der der SPD in der Breite. Ich stehe da auf dem Standpunkt, man sollte wirtschaftliche Unternehmen der öffentli

chen Hand überall tätig werden lassen, aber – das ist dann eine ganz wesentliche Einschränkung – sie sollten es dann allerdings auch nur unter den gleichen Rahmenbedingungen tun dürfen, wie es private Unternehmen dürfen. Das heißt also auf gut Deutsch, wenn ich als Kommune ein Unternehmen gründe, dann kann es nicht hinterher gehen, dass sie, wenn sie schlecht wirtschaften, bei der Kommune um Geld betteln, weil es nicht funktioniert.

(Michael Roolf, FDP: Tja.)

Und ich habe gerade vor einer Weile wieder einen Fall in einer Kommune dieses Landes erlebt, wo ernsthaft in der Kommunalvertretung darüber diskutiert wurde, ob man eine kommunale Beteiligung – also eine sogenannte Enkelgesellschaft – in die Insolvenz gehen lassen könnte. Natürlich muss man die in die Insolvenz gehen lassen können, wenn sie insolvenzreif sind.

(Michael Roolf, FDP: Das wird aber nicht getan.)

Das ist meine Meinung, Herr Kollege Roolf, und deswegen stehe ich auf dem Standpunkt, diese Themen muss man dann auch ernsthaft diskutieren. Da kann man unterschiedliche Auffassungen haben, aber man sollte grundsätzlich diskutieren. Aber was man nicht machen kann, ist, dann einen Komplex herauszugreifen und zu sagen: Ich habe sie gegründet, ich lasse sie arbeiten, aber ich schließe sie dann aus.

Aber, Herr Kollege Roolf, Sie sehen, wir sind willens – ich hoffe jedenfalls, dass Sie das sehen –, uns ernsthaft mit diesem Thema und mit Ihrem Gesetzentwurf auseinanderzusetzen. Dass wir dann das gleichzeitig auch mit dem von Herrn Minister Seidel eben schon mal zur Sprache gebrachten Entwurf aus den Regierungsfraktionen gemeinsam tun werden,

(Gino Leonhard, FDP: Das ist aber selbstverständlich.)

das ist selbstverständlich. Auch wenn Sie das nicht so sehen würden, würden wir es aber trotzdem tun.

(Gino Leonhard, FDP: Das sehen wir so.)

Sehr geehrte Kollegen von der FDP, deswegen lassen Sie uns diese Diskussion …

(Michael Roolf, FDP: Kommt das dann noch in dieser Legislaturperiode?)

Davon gehe ich doch mal aus, dass das in dieser Legislatur kommt. Wir haben ja noch, das haben Sie doch heute Morgen gehört …

(Helmut Holter, DIE LINKE: Bis 31.08.! – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Ja, Herr Kollege Holter, wir haben sogar bis zum 4. September beziehungsweise, wenn danach der neue sich erst konstituiert hat …

(Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Sehen Sie, deswegen also.

(Michael Roolf, FDP: Dann haben wir noch nicht mal den Bericht zum Altengesetz.)

Herr Kollege Roolf, Sie kennen mich ja auch als Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses. Also wenn die FDP zur Not noch eine Sondersitzung im Wirtschaftsaus

schuss beantragen würde, ich würde dann sogar aus dem Urlaub kommen für Sie. Das kann ich Ihnen heute schon versprechen.

(Gino Leonhard, FDP: Oh!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir werden als SPD-Fraktion hier heute Ihren Gesetzentwurf mit überweisen. Und ich denke mal, die Diskussion und die Art und Weise, wie dann Butter bei die Fische gebracht wird, werden wir dann sicherlich im Ausschuss führen, aber das ist ein anderes Thema. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Danke, Herr Schulte.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE Herr Holter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man sollte sich ja immer mal auf die Position des politisch Andersdenkenden begeben und das habe ich im Zusammenhang mit dem vorliegenden Gesetzentwurf einmal versucht. Ich habe mich gefragt, wo ist denn der liberale Ansatz, der freiheitliche und der selbstbestimmte Ansatz, den Sie ja hier immer wieder einbringen. Und da muss ich Ihnen sagen, Herr Roolf, tut mir leid, ich habe diesen Ansatz hier nicht erkennen können.

(Toralf Schnur, FDP: Das muss nicht am Gesetz liegen. – Jochen Schulte, SPD: Muss nicht, tut es aber.)

Ich teile die Auffassung von Herrn Minister Seidel, das mag einige jetzt wundern, aber ich habe das genau verstanden, Sie versuchen, in diesem Gesetzentwurf allumfassend das zu beschreiben und zu regeln – die Partei, die für Freiheit und Deregulierung stehen will –, was angeblich den Mittelstand unterstützt. Und das, sage ich, ist Ihnen missglückt. Das kann so auch nicht funktionieren.

Dass wir als LINKE, dass ich den Mittelstand unterstütze, das haben alle hier gesagt, das will ich bloß noch mal aussprechen, das versteht sich von selbst.

(Toralf Schnur, FDP: Das versteht sich überhaupt nicht von selbst.)

Und dass wir die wirtschaftliche Basis verbreitern wollen, das versteht sich auch von selbst. Dass wir Existenzgründungen unterstützen und Unternehmensnachfolge regeln müssen, das ist alles Allgemeingut, was, glaube ich, partei- und fraktionsübergreifend gilt. Dass man in den einzelnen Schwerpunktsetzungen unterschiedliche Ansätze hat, das ist dann politisches Geschäft, wo sich die Parteien auch kräftig streiten müssen und dürfen.

Aber, Herr Roolf, ich bin der Überzeugung, Sie bleiben hinter Ihrem eigenen Anspruch weit, weit zurück. Sie versuchen Förderziele und Förderbereiche zu definieren, Sie wollen neue Herausforderungen, vor denen die kleinen – die kleinsten, sagen Sie ja ganz bewusst richtig – und mittleren Unternehmen stehen, beschreiben. Nicht nur beschreiben, Antworten geben! Es tut mir leid, ich finde diese Antworten in diesem Gesetz eben nicht. Ich finde noch nicht mal, ob Sie nun für den radikalen Markt sind oder für die soziale Marktwirtschaft. Auch die Antwort bleiben Sie uns schuldig.

Eins ist klar: Privat vor öffentlich, das ist hier von den Vorrednern klar gesagt worden,