Protokoll der Sitzung vom 01.02.2007

(Zuruf von der SPD: Nimmt ihm mal einer den Zettel weg, dann ist er hilfl os!)

Es ist erschreckend. Bei vielen beginnt Geschichte erst nach dem Ersten Weltkrieg, wie wir es ja heute auch vorhin gerade noch mal bestätigt bekommen haben.

(Unruhe bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Ein gesundes Geschichtsbewusstsein kann und wird sich nicht entwickeln, indem wir die kommenden Genera tionen von über tausend Jahren deutscher Geschichte nur einen Bruchteil lehren und selbst aus diesen zwölf Jahren nur Bruchstücke herauslösen, sodass daraus ein gemeinsamer Schuldkult entsteht. Das ist kein Geschichtsbewusstsein, sondern geschichtliche Ohnmacht.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Sie haben ja gar nichts gelernt.)

Klassenfahrten zu Gedenkstätten der Geschichte sind grundsätzlich in Ordnung. Aber solche Fahrten sollten dann auch zu den Gedenkstätten durchgeführt werden, wo Deutsche Opfer der DDR-Diktatur und der Sowjetdiktatur wurden. Ihr Ziel ist wohl ein Demokratieverständnis, wonach die Schüler, nachdem sie von kommunistischen Agitatoren in einen Zustand maßloser Betroffenheit versetzt wurden, bei einem Fahnenappell unter Hammer, Sichel und Ehrenkranz ein rotes Halstuch umgebunden bekommen.

(Zuruf von Regine Lück, Die Linkspartei.PDS – Vizepräsident Hans Kreher übernimmt den Vorsitz.)

Derartige Zustände gilt es zu verhindern. Die Zeiten, in denen der Besatzungsapparat der DDR die Bevölkerung des sogenannten Arbeiter- und Bauernstaates zum kollektiven Anschauen von Propagandafi lmen abkommandieren konnte, sind vorbei.

(Beifall bei Abgeordneten der NPD)

Wir dürfen nicht zulassen, dass in der Geschichte deutsche Opfer als Opfer zweiter Klasse verunglimpft werden.

(Angelika Peters, SPD: Er weiß es ganz genau. Er war dabei.)

Der polemische Antrag ist deshalb zu versachlichen. Niemand hat etwas gegen die staatliche Förderung von Lehrausfl ügen, sie ist sogar begrüßenswert,

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Sie tragen zur Versachlichung bei.)

aber dann doch bitte wertfrei zu allen Gedenkstätten und nicht nur zu solchen einer offensichtlich bevorzugten Opferklasse. Wird der PDS-Antrag geändert, stimmen wir ihm gerne zu. Wird er nicht geändert, erfährt er nur unsere schärfste Ablehnung. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der NPD – Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Ja, das können wir gerne machen.)

Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Ritter von der Linkspartei.PDS.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der von Naziideologie triefenden Rede des selbst ernannten Oppositionsführers gestern hier im Landtag war auch zu hören: „Jedem das Seine.“

(Udo Pastörs, NPD: Richtig.)

Es ist ein Spruch eines alten griechischen Philosophen. Ich gehe aber davon aus, dass diese geistige Tiefe bei Ihnen nicht Ausgangspunkt dieses Zitats war.

(Udo Pastörs, NPD: Nur bei Ihnen! Nur bei Ihnen, Herr Ritter!)

Bewusst haben Sie eher eine andere Quelle gewählt, Herr Pastörs. Dieser Spruch fi ndet sich nämlich missbräuchlich auch am Eingangstor des Konzentrationslagers Buchenwald.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Und das, meine Herren von der NPD, das ist das Credo Ihrer Politik, damals wie heute. So etwas hat in Mecklenburg-Vorpommern nichts zu suchen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU, Linkspartei.PDS und FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mein Kollege Andreas Bluhm hat in seiner Einbringung bereits darauf verwiesen, dass die Abgeordneten der früheren PDSLandtagsfraktionen zahlreiche Fahrten in Gedenkstätten ehemaliger Konzentrationslager organisiert, begleitet und fi nanziell unterstützt haben. Ich weiß, dass auch andere Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen und vielfach auch die Schulen des Landes dieses in Eigeninitiative in den letzten Jahren taten.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig. – Zuruf von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)

Und, Herr Minister, ich hätte mir natürlich auch schon seit 1990 eine solche Haushaltsstelle gewünscht, aber ich sehe heute in der Debatte, wir sind auf einem guten Weg, und wir sollten diesen Weg erfolgreich zu Ende führen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, jeder, der einmal eine Schulklasse nach Ravensbrück oder Sachsenhausen begleitet hat,

(Udo Pastörs, NPD: Oder an die Mauer, wo die Toten aus dem Stacheldraht gezogen wurden.)

mit den Schülerinnen und Schülern an konkreter Projektarbeit teilgenommen und Gespräche mit Zeitzeugen verfolgt hat, wird festgestellt haben, wie intensiv und wie ernsthaft sich die Schülerinnen und Schüler mit dem dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte auseinandergesetzt haben.

Zu hinterfragen ist natürlich die Nachhaltigkeit eines solchen einzelnen Besuches. Wichtig ist daher, dass wir solche Klassenfahrten als Bestandteil eines breiten Spektrums der Aufklärung über die Auseinandersetzung mit dem deutschen Faschismus und seiner Nachfolger begreifen und ausgestalten.

(Udo Pastörs, NPD: Und seiner Nachfolger in der DDR.)

Zu Recht haben wir daher in dem von SPD, CDU und Linkspartei in der vergangenen Wahlperiode gemeinsam beschlossenen Landesprogramm „Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken!“ festgestellt, dass „Schule noch mehr zu einem Ort der Erziehung demokratischer und toleranter Menschen werden (muss)“. Weiter heißt es: „In der Schule muss über bloße Wissensvermittlung hinaus auch der Vermittlung ethischer Prinzipien mehr Raum gegeben werden.“

Dazu, meine Damen und Herren, gehört eben auch die Aufklärung über die Abgeordneten des Landtages, die im Zusammenhang mit dem Gedenken an die Nazibarbarei

vom einseitigen Schuldkult faseln, wie eben wieder zu erleben war, und die Opfer des Holocaust damit erneut erniedrigen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gedenken und Gedenkstätten haben etwas mit Denken zu tun,

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Nachdenken über die Ursachen von Rassenwahn und Krieg und Nachdenken über die Folgen dieses schrecklichen Krieges. Und, lieber Kollege Reinhardt, so war es bei den von uns mitorganisierten Besuchen in den KZGedenkstätten eben auch immer üblich und wichtig, die Zeit nach der Befreiung nicht auszublenden.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS und Udo Pastörs, NPD)

Deshalb, Herr Lüssow, sind Ihr Änderungsantrag und Ihre Begründung dazu gequirlter Quark und werden von uns abgelehnt. Denken und Nachdenken – diesem Ansatz folgend müssen wir mithelfen, Gedenkstätten zu Orten des Lernens zu gestalten, Orte, an denen aus der Vergangenheit lernend für die Ausprägung von Demokratie und Toleranz gewirkt wird. Und es sind eben nicht nur die Orte, die wir natürlich nur exemplarisch in unseren Antrag aufgenommen haben. Es gibt die Synagoge in Röbel, es gibt Peenemünde, Prora oder Alt Rehse. Hier ist zum Beispiel Landespolitik aufgefordert mitzuhelfen, diese Orte als Zeitzeugen zu erhalten, als Stätten der politischen Meinungsbildung zu entwickeln und nicht nur bloßen touristischen Plänen zum Opfer fallen zu lassen.

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt die ehemaligen KZ-Außenlager in Neustadt-Glewe, in Barth oder Neubrandenburg, es gibt auch ganz in der Nähe unseres Landes die Gedenkstätte in Neuengamme, es gibt das ehemalige Wehrmachtsgefängnis in Anklam, es gibt die Cap-Arcona-Gedenkstätte in Grevesmühlen – Orte, die das Schicksal tausender Menschen in sich tragen. Wir wissen, auch das ist bereits erwähnt worden, dass die Zeitzeugen dieser Epoche künftig immer weniger zur Verfügung stehen werden, und gerade deshalb erlangen die Gedenkstätten als authentische Orte eine immer größer werdende Bedeutung. Uns dieser Bedeutung bewusst werdend müssen wir dafür Sorge tragen, dass der heranwachsenden Generation die Möglichkeit geboten wird, sich an diesen authentischen Orten Geschichte in ihrem Zusammenhang und Zukunft selbst zu erarbeiten. Der von uns vorgelegte Antrag soll dabei helfen, diese Möglichkeiten zu eröffnen. Und ich würde mich daher freuen, wenn wir in der weiteren Bearbeitung Verbesserungen des von uns eingebrachten Antrages und dafür eine gemeinsame Plattform der demokratischen Fraktion fi nden können. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS)

Herr Abgeordneter Ritter, ich muss leider sagen, dass ein Ausdruck wie „gequirlter Quark“ nicht unbedingt zu den parlamentarischen Ausdrücken gehört.

(Heinz Müller, SPD: Der gehört in die Küche. – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS)

Ich fi nde, gerade in einer solchen Debatte, wo es um sehr ernsthafte Probleme geht, sollten wir so etwas unterlassen.

Meine Damen und Herren, ich schließe damit die Aussprache.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/202 abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. – Enthaltungen? – Bei Zustimmung der NPD und Ablehnung der großen Mehrheit aller anderen Fraktionen ist dieser Änderungsantrag …

(Zurufe aus dem Plenum: Einstimmig!)

Alle haben abgelehnt, außer NPD. So habe ich es auch sagen wollen, dann habe ich es falsch ausgedrückt.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Etwas präziser bitte, Herr Präsident.)