Wir stehen für eine solide Haushaltsführung. Und wir wissen genauso wie Sie, dass die Finanzzuweisungen zurückgehen und wir nicht mehr Geld ausgeben können, als wir in der Kasse haben.
(Heinz Müller, SPD: Aha?! – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Dann ist es doch klar. Dann ist es doch gut. – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)
Und wenn der Ministerpräsident Herr Sellering hier der Meinung ist, wir sollen die Karten auf den Tisch legen und klarmachen, ob wir, DIE LINKE, eine solide Haushaltspolitik wollen, dann kann ich über so viel Plattheit nur den Kopf schütteln. Die Geschichte hat das Gegenteil bewiesen und wir stehen dazu.
Wir werden nicht mehr Geld ausgeben, als in der Kasse ist. Wider besseres Wissen wird wiederholt unserer Partei und unserer Fraktion eine unsolide Haushaltspolitik unterstellt. Ich weise das mit aller Schärfe zurück. Wenn aber einem die Argumente ausgehen, dann muss man eben zu diesen Mitteln greifen
Das ist auch nicht verwunderlich. Es ist auch ausgerechnet Erwin Sellering, unser Ministerpräsident, der höchst unglaubwürdig agiert und der FDP beinahe den Preis der „Goldenen Himbeere“ abgejagt hätte.
Meine Damen und Herren, DIE LINKE sagt, wir brauchen diese Schuldenbremse nicht, sie ist verfassungspolitisch, verfassungsrechtlich und finanzpolitisch bedenklich, sie ist kommunalfeindlich und sie kann der gedeihlichen Entwicklung des Landes nur schaden. Das Schlimme ist, nicht die Verursacher, sondern die Bürgerinnen und Bürger haben am Ende die Suppe auszulöffeln.
Wir wissen doch alle, seit zwei Jahren steht im Grundgesetz, dass die Länder ab dem Jahre 2020 keine Kredite mehr aufnehmen dürfen. Das ist doch der Maßstab.
Und daran orientieren auch wir uns. Ausnahmeregelungen sind in engen Grenzen möglich, müssen aber bis zum Jahre 2020 geschaffen werden. Die Schuldenbremse gilt zwar auch für den Bund, aber nicht ganz so, denn, meine Damen und Herren, der Bund hat sich ein Hintertürchen zu sich selbst offengelassen und sich eine sogenannte strukturelle Defizitgrenze gegönnt. Demnach sind Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für den Bund weiterhin drin.
Die Länder, meine Damen und Herren, gucken aber in die Röhre. Kredite dürfen sie ab dem Jahre 2020 nur noch in Notfalllagen und bei großen konjunkturellen Störungen aufnehmen. Eine strukturelle Defizitgrenze gibt es für die Bundesländer nicht. Die Bundesregierung, der Bundestag, der Bundesrat und die Landesregierungen waren ebenfalls von diesen Regelungen überzeugt und damit einverstanden.
Nun komme ich zu einem entscheidenden Problem: Und die Landtage? Die saßen bei den Verhandlungen am Katzentisch. Sie haben zwar laut, aber am Ende erfolglos protestiert. Der Hauptkritikpunkt der Landtage bestand darin, es kann doch nicht angehen, dass der Bund den Landtagen vorschreibt, ob überhaupt und unter welchen Voraussetzungen sie Kredite aufnehmen dürfen. Schleswig-Holstein hat das nicht auf sich sitzen lassen.
Seit einiger Zeit ist eine Klage des Landtages und des Landtagspräsidenten vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig. Sie sehen aus guten Gründen das Bundesstaatsprinzip und das Demokratieprinzip verletzt. Deshalb eben diese Klageschrift über 100 Seiten. Ich empfehle Ihnen, diese zu lesen. Dann dürfte vielen Abgeordneten in der Koalition wegen der Schuldenbremse unwohl werden, es dürfte Ihnen auf den Magen schlagen.
Apropos Magen: Meine Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin, in der Klageschrift wird auch aus der ersten Berliner Erklärung der Präsidentinnen und Präsidenten der Landtage in Deutschland aus dem Jahre 2007 zitiert. Darin heißt es: „Bei allen jetzt anstehenden Reformen wird strikt darauf zu achten sein, dass die Länder in ihren finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten nicht ,entmündigt‘, sondern gestärkt werden und das fiskalische Gleichgewicht zwischen Bund und Ländern als eigenständige Staaten gewahrt wird.“ Stärken wir heute unsere finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten?
In einem offenen Brief an die Kommissionspräsidenten – diejenigen, die sich damals mit dieser Reform beschäftigt haben im April 2008, wissen das – erklärten die Vertreter der Landtage ferner, dass neue Schuldenregelungen den Ländern nicht durch eine Änderung des Grundgesetzes
übergestülpt werden dürfen. Der Weg einer einseitigen Grundgesetzänderung zulasten der Landesparlamente sei verfassungspolitisch nicht hinnehmbar und verfassungsrechtlich bedenklich.
Wörtlich heißt es, Zitat: „Die Landesparlamente können … einen solchen Weg, der auf ihre budgetrechtliche Entmachtung … hinausliefe, nicht mitgehen.“ Ende des Zitats.
Frau Bretschneider, Sie können jetzt auf einmal diesen Weg mitgehen? Sie haben im Namen dieses Hohen Hauses diese Erklärung mit abgegeben und mit unterschrieben.
Ich frage Sie: Was sagen Sie heute zu dieser Erklärung? Im Juni 2008 gab es eine zweite Berliner Erklärung. Dort forderten die Präsidentinnen und Präsidenten der Landtage, dass verbindliche Regelungen über die Schuldenbegrenzung in das Grundgesetz und in die Verfassung oder wahlweise in Gesetze der Länder aufgenommen werden. Die Entscheidung aber über die Gestaltung der Landeshaushalte müsse weiterhin uneingeschränkt vom Budgetrecht der Landtage getragen werden. Das ist doch auch logisch, schließlich entscheidet maßgeblich der Bund darüber, wie viele Einnahmen die Länder etwa aus Steuern zu erwarten haben.
Ich darf hier den Landtagspräsidenten aus SchleswigHolstein zitieren: „Aber was bleibt denn bei der Ausgestaltung übrig?“, fragt er. „Ich weise noch einmal auf Folgendes hin: Wir haben keine Steuererhebungsrechte. Der Bund kann uns da jederzeit unter Druck setzen. Wir müssen dann eine Verfassungsgrundregel einhalten, für die wir keine Elastizität haben. Das kann einfach nicht sein.“
Meine Damen und Herren, wissen Sie eigentlich, wie SPD, CDU und FDP ihre Schuldenbremse begründen? Ich darf es Ihnen, gerade den Zuhörerinnen und Zuhörern auf der Besuchertribüne, vorlesen. Zitat: „Zur Begründung ist darauf abgehoben worden, dass der neue Artikel 65 Absatz 2 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern in seiner Formulierung so weit als möglich an den Wortlaut des Artikels 109 Absatz 3 des Grundgesetzes angeglichen werden solle.“ Ende des Zitats.
Und das war es. Wieso, weshalb, warum und welche Folgen, dazu kein Wort. Sie lassen die Menschen im Dunkeln stehen. Ich dachte, die Landtage wollten über die Ausgestaltung selbst abwägen, prüfen, untersuchen und dann entscheiden. SPD, CDU und FDP können offenbar aber nur abschreiben. Dabei müssten auch gerade Sie von den Christdemokraten und Sie von den Liberalen wissen, dass Plagiate einen früher oder später einholen.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist aber ganz niedriges Niveau. – Harry Glawe, CDU: Das ist eine Frechheit!)
Meine Damen und Herren, auch Ministerpräsident Sellering sprach sich zu Recht im Bundesrat für die Einbeziehung der Landtage aus.
Meine Damen und Herren, halten Sie sich Folgendes vor Augen: Es gab eine interfraktionelle Arbeitsgruppe des Landtages. Diese Arbeitsgruppe sollte mögliche Änderungen der Verfassung untersuchen und diskutieren. Das war und bleibt eine gute Idee, die haben da ja mitgemacht. Denn hat die Regelung des Grundgesetzes Bestand, muss natürlich auch in Mecklenburg-Vorpommern geprüft werden, welche Ausnahmetatbestände wir wie formulieren.
Die Arbeit hatte also in 2010 begonnen. Alle waren sich einig, keine Eile, kein Handlungsdruck, denn bis zum Jahre 2020 haben wir noch Zeit und das Bundesverfassungsgericht, ich habe darauf verwiesen, ist ja auch noch am Zuge. Ergebnisse und Alternativen der Arbeitsgruppe waren demnach noch lange nicht formuliert. Wie denn auch?
Aber gerade weil die CDU auf ihrer Winterklausur Anfang dieses Jahres plötzlich hinausposaunte, dass die Union noch in dieser Legislaturperiode eine Schuldenbremse wolle, wurde es in der Staatskanzlei auf einmal so hektisch. Derart unter Druck gesetzt sprach sich der Ministerpräsident und Landesvorsitzende der SPD Erwin Sellering nicht einmal 48 Stunden später ebenfalls für eine Schuldenbremse in dieser Landesverfassung aus. Die Koalition werde noch in dieser Wahlperiode einen Gesetzesentwurf in den Landtag einbringen und die Schuldenbremse einführen.
Großes Erstaunen, nicht nur bei der LINKEN, sondern auch bei vielen Abgeordneten in den Koalitionsfraktionen, weiß ich aus eigenen Berichten, die mir gegeben wurden.