Protokoll der Sitzung vom 29.06.2011

Die Ärztekammer ermächtigt zu diesem Zweck Einrichtungen des Gesundheitswesens zur fachärztlichen Weiterbildung, also zum einen Einrichtungen. Daneben ermächtigt die Ärztekammer nach entsprechender Antragstellung durch Fachärzte eben diese zur Weiterbildung. Hierbei wird deren personale sowie fachliche Eignung zur Weiterbildung festgestellt. Überdies stimmt die Ärztekammer die Weiterbildungsinhalte ab und garantiert somit in allen Einrichtungen des Landes, also in allen, wo Ärzte tätig sind, eine gleichwertige Facharztausbildung.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist immer noch so.)

Das soll sich nun ändern.

Die Koalitionäre aus SPD und CDU wollen per Gesetz dieses Recht an die Universitäten des Landes übertragen. Das ist zunächst nicht zu beanstanden, schließlich sind die Universitäten bedeutsame öffentlich-rechtliche Ausbildungsstätten. Fraglich allerdings ist, ob jeder Hochschullehrer im Bereich der Medizin qua Amt ein geeigneter Weiterbildner ist. Es sei erinnert: Universitätsprofessoren, auch im Bereich der Medizin, werden aufgrund herausgehobener Leistungen in Forschung und Lehre, oft auf einem sehr speziellen Fachgebiet berufen. Sie sind Wissenschaftler, die nicht unbedingt medizinisch praktisch tätig sein müssen.

(Harry Glawe, CDU: Die machen Forschung und Lehre, Frau Dr. Linke.)

Hinzu kommt, dass eine Einrichtung, die als Weiterbildungseinrichtung ermächtigt wurde, nicht über alle Fachdisziplinen unter ihrem Dach verfügen muss. Das betrifft auch die Universitäten. Die Konkretisierung der Institutsbefugnis einer Weiterbildungseinrichtung für ein bestimmtes Fach vollzieht sich viel mehr über die personelle Ermächtigung für den konkreten Facharzt, ob nun Professor oder Oberarzt.

(Harry Glawe, CDU: Oberarzt ist Facharzt.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ist jeder Professor der Universität qua Amt ein guter Weiterbildender? Die meisten Professoren unserer Universitäten haben sich dem Antragsverfahren gestellt und verfügen über die Weiterbildungsermächtigung. Sie wollen weiterbilden, haben das beantragt, haben dann also diese Ermächtigung erhalten. Nur einige wenige Universitätsprofessoren verfügen eben nicht über diese Weiterbildungsermächtigung. Muss man deshalb ein Gesetz ändern, noch dazu bundesweit als erstes Land? Diese Frage muss einfach erlaubt sein, denn auch bei großen privaten Kliniken sind Professoren, hoch qualifizierte Chefärzte tätig. Warum dürfen die dann eigentlich nicht qua Amt Weiterbildungsbefugte sein?

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Weil sie nicht Universität sind.)

Ja, verehrte Abgeordnete, wo will man die Grenze ziehen, wenn es um die Auflösung der Kompetenz der Ärztekammer, also der öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltung geht?

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Mit dem Entwurf der Koalitionsfraktionen beginnt der Einstieg in die Aushebelung der öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltung Ärztekammer.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Wir sollten im Interesse der Qualität der gesundheitlichen Versorgung

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

an der unabhängigen Bündelung der Weiterbildungsverantwortung bei der öffentlich-rechtlichen Ärztekammer festhalten. Bisher sind die Regeln der Weiterbildung klar.

(Harry Glawe, CDU: Die waren schon immer klar.)

Diese garantierten in der Vergangenheit eine hohe Qualität des fachärztlichen Nachwuchses. Nicht jeder Professor, nicht jeder Chefarzt ist qua Amt ein geeigneter Weiterbildner. Darüber zu befinden sollte deshalb auch

künftig die originäre Aufgabe der öffentlich-rechtlichen ärztlichen Selbstverwaltung, also der Ärztekammer bleiben. Wir brauchen die Ärztekammer mit all ihren Befugnissen. Die Aushebelung dieses Rechts wird auch nicht versüßt, also eher wird es verschlimmbessert, nämlich durch Hinweise auf das Verwaltungsverfahren.

Zur Erinnerung: Die Berufung zum Hochschullehrer ist ein klassischer Verwaltungsakt gemäß Paragraf 35 des Verwaltungsverfahrensgesetzes, der nur von der nach Paragraf 3 zuständigen Behörde zurückgenommen werden kann. Den Widerruf will ich hier an dieser Stelle gar nicht thematisieren.

Also es steht die Frage im Raum, die von den Koalitionsfraktionen im Ausschuss nicht beantwortet werden konnte: Ist die Ärztekammer in diesem Verwaltungsakt „Berufung zum Universitätsprofessor“ überhaupt zuständige Behörde, kann sie hier eingreifen und zum Beispiel diesen Verwaltungsakt zurücknehmen oder widerrufen, falls ein Professor, was ja vorkommen kann, als Weiterbildner ungeeignet sein sollte und man ihm also diese Weiterbildungsbefugnis entziehen möchte? Das ist natürlich Rechtstechnik, die aber nicht ohne Konsequenzen für die Qualität des fachärztlichen Nachwuchses ist. Und ich bin gespannt, wie bei einer Rechtmäßigkeitsprüfung diese Norm beurteilt wird.

Lassen Sie mich noch etwas zur Begründung des Gesetzentwurfes sagen: Bürokratieabbau.

(Harry Glawe, CDU: Genau.)

Klingt gut, klingt immer gut. Bürokratie aber, fragen wir uns mal: Was ist das eigentlich? Es ist ein umgangssprachlich negativ besetzter Begriff für Verwaltungshandeln. Und im Gesundheitswesen, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, werden jährlich 170 Milliarden Euro an Versichertenbeiträgen umgesetzt.

(Harry Glawe, CDU: Das reicht noch nicht.)

Insgesamt werden im Gesundheitswesen jährlich insgesamt 250 Milliarden Euro umgesetzt. Und da gibt es, wie es so schön neudeutsch heißt, eine Menge Payer, das sind die, die zahlen, aber auch eine Menge Player, das sind nämlich die, die daran ein großes Interesse haben, auch manche Regel, manches Gesetz aufzuheben.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was wollen Sie damit sagen? Dass sich die Universitäts- professoren bereichern, oder was?!)

Und da muss klar sein: Die Versicherten und vor allem die Patienten, ja, die Geldgeber, haben ein Recht darauf, dass ihre Gelder optimal zur Versorgung eingesetzt werden,

(Harry Glawe, CDU: Das sind die Beitragszahler.)

dass die öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungen erhalten bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Und dafür, wie gesagt, gibt es Regeln, dafür gibt es Institutionen, auch die Ärztekammer. Diese Regelungen sind umso detaillierter, je größer die Diskrepanz zwischen bestimmten Einzelinteressen, wie zum Beispiel großen privaten Krankenhäusern, die ja Gewinne erwirtschaften wollen,

(Harry Glawe, CDU: Schauen Sie in die Krankheitsreform oder Gesundheitsreform, da steht das drin!)

und eben dem Beitragszahler, also eben dem Gemeinwohl, das heißt also, den Interessen der Versicherten ist.

Also wir sollten Regeln, Verwaltungsverfahren nicht un differenziert als Bürokratie geißeln.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Im Falle der Ermächtigung zur fachärztlichen Weiterbildung ist der Verwaltungsaufwand im Übrigen außerordentlich verkraftbar und sehr gerechtfertigt und fast alle Professoren des Landes haben sich diesem Antragsverfahren gestellt. Sie haben auch die Ermächtigung erhalten. Also wir sollten nicht Regeln außer Kraft setzen, die in der Perspektive die Qualität der flächendeckenden medizinischen Gesundheitsversorgung gefährden.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Also, Frau Linke, jetzt übertreiben Sie aber.)

Meine Fraktion unterstützt die ärztliche Selbstverwaltung. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag und beantragen die namentliche Abstimmung zu Punkt 2 unseres Antrages. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende und Abgeordnete Herr Dr. Nieszery von der Fraktion der SPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem etwas wirren Beitrag von Frau Linke möchte ich insbesondere für unsere Zuhörer da hinten

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist auch ein fairer Auftakt, Herr Nieszery.)

ein wenig Übersicht schaffen über das Thema, das wir heute behandeln.

(Zurufe von Dr. Marianne Linke, DIE LINKE, und Irene Müller, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, es ist mir wichtig, noch einmal die Schwerpunkte des anstehenden Gesetzgebungsvorhabens hier darzustellen.

Ja, Sie können sich wieder beruhigen, Sie können sich wieder beruhigen.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Zunächst zum Heilberufsgesetz, meine Damen und Herren. Während des Verfahrens ist das ein heftiger Streitpunkt gewesen, und zwar die ärztliche Weiterbildung. Nach der jetzigen Rechtslage entscheidet die Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern darüber, wer Weiterbildungseinrichtung ist, und die Ärztekammer bestimmt die Personen, die die Weiterbildung durchführen dürfen.

(Irene Müller, DIE LINKE: Richtig.)