Protokoll der Sitzung vom 19.09.2007

Die Einzelheiten, wie die Ausrichtung der einzelnen Stellschrauben, der Ausgleich zwischen dem Notwendigen,

Wünschenswerten und dem Finanzierbaren, werden wir im Rechtsausschuss ausführlich zu diskutieren haben. Die entsprechenden Anhörungen sind bereits angesetzt und damit in zeitlicher Nähe. Das heißt, wir können auch die Termine entsprechend schaffen.

In der Zuversicht, dass politische Profi lierungsversuche unterbleiben, denn das ist an dieser Stelle eher ungeeignet, freut sich unsere Fraktion darauf, mit Ihnen in die Ausschussberatung treten zu dürfen. Wir werden der Überweisung zustimmen. – Recht herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP und Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Danke, Herr Abgeordneter.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Dr. von Storch. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Frau Justizministerin Kuder hat die Begründung für die Einbringung des Gesetzentwurfes ausführlich dargestellt, dessen Inhalt überzeugend begründet und auch den Entwurf der Fraktion DIE LINKE kritisch bewertet. Herr Kollege Dr. Nieszery hat das ergänzt, sodass ich mich für meine Fraktion auf einige wenige Bemerkungen beschränken kann.

Es ist richtig, dass das wichtigste Vollzugsziel eine erfolgreiche Resozialisierung ist, um den Jugendlichen während des offenen Strafvollzuges und vor allem danach zu einem Leben ohne Straftaten in Eigenverantwortung – ich betone Eigenverantwortung – zu befähigen. Und dass danach das nächstwichtige Vollzugsziel die Generalprävention ist, ist eigentlich keine Selbstverständlichkeit und gehört als Vollzugsziel auch in das Gesetz aufgenommen.

Und, Frau Borchardt, wenn Sie sagen, wir haben mit diesem Gesetzentwurf die rote Laterne, so weise ich Sie darauf hin, dass wir in der Frist sind. Der 31.12.2007 ist gesetzt. Das schaffen wir allemal und es ist besser, es wird in diesem Entwurf mit Sorgfalt gearbeitet als mit Eile. Von roter Laterne sollte man nicht sprechen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Dann nehmen wir die schwarze. – Zurufe von Wolf-Dieter Ringguth, CDU, und Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, was fehlt – und das ist etwas, was im Strafrecht viel diskutiert worden ist –, ist nach meiner Auffassung, dass auch beim Jugendstrafvollzug das Sühneziel und damit der Sühnecharakter des Vollzuges von Bedeutung sind.

(Beifall Udo Pastörs, NPD)

Ich will mich nicht beteiligen an dem früheren Streit zwischen den absoluten und den relativen Strafrechtstheorien. Er hatte seine Berechtigung. Heute dominiert, wie wir wissen, das Merkmal der Resozialisierung. Aber die Sühne hat nun mal nach wie vor ihre Begründung im staatlichen Strafanspruch. Und auch deshalb muss der Straftäter, Frau Borchardt, mehr Pfl ichten als Rechte haben, wie Sie es in Ihrem Entwurf vorgesehen haben.

(Beifall Udo Pastörs, NPD)

Wichtig scheint mir, meine Damen und Herren, die Vorschrift des Paragrafen 97 zu sein, nämlich zunächst die Evaluierung des Strafvollzuges, da wir uns immer

wieder fragen müssen, ob wir die Vollzugsziele, die wir uns gesetzt haben, auch tatsächlich erreichen. Und ich begrüße ausdrücklich, dass in dieser Vorschrift von einer verstärkten kriminologischen Forschung die Rede ist. Meine Damen und Herren, wer sich wie ich in meiner Dissertation mit einem kriminologischen Thema beschäftigt hat, hat hieran ein ganz besonderes Interesse. Und ich glaube, dass die kriminologische Forschung, die lange Jahre ein Nischendasein hatte, deutlich mehr in den Mittelpunkt unseres Interesses gerückt werden sollte.

Wir sind dafür, dass dieser Entwurf ebenso wie der Entwurf der LINKEN federführend in den Europa- und Rechtsausschuss überwiesen wird und wir eine Expertenanhörung durchführen werden. Ich bitte daher namens meiner Fraktion um Zustimmung zur Überweisung.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Andrejewski. Bitte, Herr Abgeordneter.

(Irene Müller, DIE LINKE: Da kommt jetzt ja der Rechtsverstand an sich.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beim Strafvollzug, insbesondere dem für Jugendliche, kann man zwei Irrwege einschlagen, von denen Sie sich einen ausgesucht haben, und zwar beide, Landesregierung und noch extremer DIE LINKE. Der andere Irrweg ist der Ihres geschätzten Staatsgastes George W. Bush. In den USA hat Strafvollzug eine reine Wegsperrfunktion.

(Beifall Udo Pastörs, NPD)

Jugendliche Straftäter verlassen die Haftanstalten als noch gefährlichere Kriminelle, weil es die älteren, erfahreneren Mithäftlinge sind, die ihre Vorbereitung auf das Leben in Freiheit übernehmen, wobei die meisten natürlich wieder straffällig werden. Viele amerikanische Bundesstaaten lösen dieses Problem mit der Regel: „Du schlägst dreimal zu und du bist raus.“ Das heißt lebenslänglich nach drei Straftaten auch für junge Leute und Heranwachsende. Deshalb sitzt in den USA fast ein Prozent der Bevölkerung hinter Gittern, häufi g in privatisierten Gefängnissen, und die Aktien der Betreibergesellschaften erreichen immer neue Höchstnotierungen an der Börse. Das ist Schwachsinn ohne Frage, aber das exakte Gegenteil von Unfug ist auch wieder Unfug, nur seitenverkehrt wie ein Spiegelbild.

Was in den USA bis zum Exzess übertrieben wird, nämlich der Straf- und Sühnecharakter der Haft, entfällt hier völlig. Da muss ich Herrn von Storch mal recht geben. Kriminalität wird als eine Art Entwicklungsstörung gesehen, die möglichst sensibler Behandlung bedarf, und als Problem für Sozialingenieure. Die Gesellschaft soll vor weiteren Straftaten geschützt werden, indem man auf die Täter solange psychologisch einwirkt, bis sie brave Bürger geworden sind.

In dieser soziologischen Gleichung taucht eine Gruppe nicht auf, die Opfer. Eine Rolle spielen Opfer nur, wenn die Täter dem rechten Spektrum zugeordnet werden.

(Beifall Udo Pastörs, NPD)

Dann gibt es Zuwendung, Interesse, Medien, Aufmerksamkeit, Spendenkonten, Lichterketten. Und ich möchte mal stark vermuten, die einzigen Ausnahmen

(Peter Ritter, DIE LINKE: Vom Weißen Ring haben Sie wohl noch nichts gehört?)

von der mit Recht sogenannten Kuschelstrategie werden Verurteilte mit unbequemer politischer Einstellung sein. Da gibt es dann auch wahrscheinlich spezielle Einzelzellen. Diese trifft dann die ganze Härte des Gesetzes. Aber die Opfer unpolitischer, linksgerichteter oder gar ausländischer Schläger, so schlimm sie auch zugerichtet sein mögen, dürfen dann zusehen, wie die Gewalttäter ihren Haftantritt als eine Art gemütlicher Weiterbildung erleben:

(Peter Ritter, DIE LINKE: Völliger Unsinn, was Sie da erzählen!)

Resozialisierungsmaßnahmen, Sporthalle, schulische Veranstaltungen, eine sozialtherapeutische Abteilung, Besuch.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Da hätten Sie in der Schule mal besser aufpassen müssen, Herr Andrejewski, dann hätten Sie was gelernt.)

Da sind ja oftmals langjährige Krankenhausaufenthalte der Opfer inklusive Reha wesentlich unangenehmer. Vielleicht hätte man die Opfer von durch Jugendliche verübten Gewalttaten einmal anhören sollen, was sie wohl von einer solchen völligen Aufgabe des Straf- und Sühnegedankens halten.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Haben Sie mal das Opfer von Herrn Köster gefragt?)

Abschreckend ist das jedenfalls nicht. Es ist geradezu eine Einladung, weitere Straftaten zu begehen. Verhindern will man das vor allem in Psychologie, die wieder einmal maßlos überschätzt wird, als ob nicht gerade die jugendlichen Intensivtäter,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ihnen hilft’s auf keinen Fall. Das ist wohl wahr.)

auf deren Konto der Großteil der Straftaten geht, nach wer weiß wie vielen Verhaftungen und Verhörungen genau wissen, wie man den Frager hereinlegt. Die erzählen den Psychologen genau das, was sie hören wollen, und spazieren dann angeblich resozialisiert in die Freiheit hinaus.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Sie scheinen ja große Erfahrungen damit zu haben.)

Ich war Referendar bei der Staatsanwaltschaft.

Was von den Gutachten zu halten ist, die von sogenannten psychiatrischen Sachverständigen für Gerichte erstellt werden, wissen wir ja mittlerweile, nachdem für geheilt erklärte Triebtäter sofort nach ihrer Entlassung auf die Jagd nach neuen Opfern gegangen sind. Und solche Leute sollen nun bestimmen, wer angeblich resozialisiert ist.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Was würden Sie sich denn vorstellen? – Irene Müller, DIE LINKE: Wo steht denn das? – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Ein weiterer Gesichtspunkt: Ausländische Jugendliche, in deren Heimatländern der Strafvollzug knallhart ist, etwa in der Türkei oder Russland, lachen sich über unseren sowieso kaputt.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was wollen Sie denn für einen Strafvollzug?)

Aber das, was Sie jetzt vorhaben, wird für diesen Täterkreis endgültig eine Lachnummer sein, genau wie unsere Polizei, unsere Lehrer und unser ganzer Staat es in deren Augen schon lange sind.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Ilka Lochner-Borst, CDU: Wo ist denn Ihr Gesetzentwurf?)

Wer etwa aus dem Bereich der russischen Justiz kommt und russische Justiz und Polizei kennengelernt hat, der will diesen Strafvollzug hier nicht als Therapieangebot annehmen,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Kennen Sie das?)

sondern der würde sagen, das ist ein Zeichen von Schwäche.

(Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Der Jugendstrafvollzug muss zwei Elemente haben, ein abschreckendes, Respekt einfl ößendes in der ersten und dann erst ein resozialisierendes in der zweiten Haftphase. Wenn diese Mischung nicht stimmt, droht ein Misserfolg,