Protokoll der Sitzung vom 15.11.2007

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 30 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre

keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erste hat das Wort für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Borchardt. Bitte, Frau Abgeordnete.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Lochner-Borst hat ja schon darauf hingewiesen, dass wir wiederum einen Antrag vorliegen haben, wonach die Regierung zur Umsetzung des Koalitionsvertrages eine Unterrichtung vornehmen soll. Gestatten Sie mir an der Stelle eine Bemerkung: Ich frage mich nun langsam, wenn alle Prüfmöglichkeiten ausgelastet sind, welche Anträge uns die Koalition hier noch anbieten wird. Mich macht es langsam ein bisschen unruhig.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Nächsten Monat ist ein anderes Ministerium dran! – Zuruf von Ilka Lochner-Borst, CDU)

Aber sicherlich, vielleicht wechseln wir jetzt immer die Ministerien.

Es ist ja immerhin ganz gut, dass die Regierung nach wie vor aufgefordert werden muss, ihren eigenen Koalitionsvertrag umsetzen. Das ist allerdings für mich auch eine neue Erkenntnis.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Zuruf von Ilka Lochner-Borst, CDU)

Wir sind nun also so weit, dass wir über den Stand der Umsetzung landesinterner Benchmarking- und Controllingsysteme zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Justiz bis zum 30. September 2008 einen Bericht erhalten sollen.

Benchmarking und Controlling sind zunächst einmal keine originären Begriffe aus der Justiz, sondern vielmehr Sprachgebrauch bei Betriebswirten. Sie sind dennoch auch für die Justiz keine Fremdwörter. Seit Jahren halten betriebswirtschaftliche Elemente zur Steuerung und Tätigkeit von Richtern und Staatsanwälten mehr und mehr Einzug in die Justiz. Controlling, Kosten- und Leistungsrechnung und Benchmarking stehen auf der Tagesordnung. In Gerichten und Staatsanwaltschaften werden Leistungsvergleiche zwischen den jeweiligen Verwaltungseinheiten beziehungsweise Geschäftsbereichen mit dem Ziel vorgenommen, Verbesserungspotenziale aufzudecken und Vergleichsmaßstäbe festzulegen. In der Wirtschaft bedeutet das, Wertschöpfungsprozesse, Managementpraktiken, Produkte oder Dienstleistungen zu vergleichen mit dem Ziel: höhere Gewinne und Ausgabenbeschränkungen auf das Notwendigste.

Aber was heißt das konkret für die Justiz? In der Begründung wird davon ausgegangen, dass sich die Verfahrensdauer verkürzen soll, die Effektivität soll steigen und Verbesserungsbedarfe sollen ausgemacht werden. Meine Damen und Herren, selbstverständlich unterstützt auch meine Fraktion jede Bestrebung, die Leistungsfähigkeit der Justiz zu verbessern. Organisationsabläufe können sicherlich verbessert und überfl üssige Verwaltungskosten möglicherweise eingespart werden. Um es gleich vorwegzunehmen, wir werden dem Antrag zustimmen. Selbstverständlich knüpfen wir an unsere Zustimmung auch Erwartungen. Es darf aber durch derartige Anträge und später im Bericht nicht der Eindruck entstehen, die Justiz koste viel zu viel Geld und wir hätten hier und dort beachtliches Einsparpotenzial. Um nicht missverstanden zu werden: Auch die Justiz unseres Landes muss sich

an die Vorgaben des Haushaltes halten. Aber die Justiz unseres Landes ist nicht teuer und bietet per se kaum Einsparmöglichkeiten. Im Landeshaushalt macht der Justizhaushalt nicht einmal vier Prozent aus.

Ein Weiteres muss der Bericht der Landesregierung in diesem Zusammenhang berücksichtigen: Viele Kosten, die zwar im Justizhaushalt aufgeführt werden, gehören bestimmungsgemäß eher zum Sozialhaushalt. Ich denke hier vor allem an die Aufwendungen für die Prozesskostenhilfe, aber auch an fi nanzielle Leistungen im Bereich der Betreuungskosten oder der Verbraucherinsolvenzen. Und, meine Damen und Herren, ich darf an dieser Stelle daran erinnern, dass vor allem die Legislative dafür verantwortlich war und ist, dass zum Beispiel die Hartz-Gesetze zu einem Anstieg der Prozesskostenhilfe sowie zu einer Klagefl ut vor den Sozialgerichten führten. Die Mehrbelastungen sind aber aufgrund gesetzgeberischer Entscheidungen bei der Justiz angerechnet worden. Zieht man diese Kosten vom Justizhaushalt ab, wird man unweigerlich zu dem Ergebnis kommen, dass keine wesentlichen Einsparpotenziale vorhanden sind. In der Antragsbegründung wird zu Recht ausgeführt, dass für Bürger und Wirtschaft zügige gerichtliche Entscheidungen gleichermaßen von besonderer Bedeutung sind.

Meine Damen und Herren, wie die Landesjustiz hinsichtlich der Erledingungszeiten im Rahmen des bundesweiten Benchmarkings abschneiden wird, bleibt abzuwarten. Für uns ist jedoch neben kurzen Verfahrenszeiten vor allem die Qualität der Rechtsprechung von entscheidender Bedeutung. Deshalb werden wir darauf achten, dass durch die Einsparungen keine Qualitätseinbußen hingenommen werden. In der Strafgerichtsbarkeit wird das heute schon sehr deutlich. Aufgrund von Überlastungen erheben etwa Staatsanwaltschaften vor den Schöffengerichten der Amtsgerichte Klage, die angesichts der Tatvorwürfe eigentlich vor eine Große Strafkammer der Landgerichte gehört. Oder immer mehr Strafverfahren werden mit einem sogenannten Deal beendet. Der Schuldspruch wird also ausgehandelt. In einem Aufsatz in einer „Deutschen Richterzeitung“ wird sogar von einem Generalstaatsanwalt berichtet, dass bei den Landgerichten seines Zuständigkeitsbereiches 80 Prozent der Strafsachen mit einem Deal enden. Und als Grund …

Frau Abgeordnete!

Ich komme zum Schluss.

Und als Grund wird die mangelnde Ausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften angegeben. Dem sollten wir uns stellen! – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Frau Abgeordnete.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Dr. Nieszery. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Zunächst eine Bemerkung zu Frau Borchardt: Frau Borchardt, ich fi nde es gar nicht so schlimm, wenn die Regierungsfraktionen in der Koalition hin und wieder der Regierung bei der Umsetzung des Koalitionsvertrages behilfl ich sind. Das halte ich für völlig normal.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Herr Methling, Sie erinnern sich sicherlich daran, das fand, als Sie in der Regierung waren, vielleicht nicht immer Ihre Zustimmung,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Na klar.)

aber es ist durchaus gewöhnlich.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Zum Antrag selber möchte ich eigentlich nichts weiter ausführen, weil meine geschätzte Frau Kollegin LochnerBorst hierzu intensiv vorgetragen und die wesentlichen Dinge benannt hat.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Viel mehr gibt es ja nicht zu sagen.)

Mir bleibt nur, dafür zu werben, diesem wegweisenden Antrag Ihre Zustimmung zu erteilen. – Vielen Dank, für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Danke, Herr Abgeordneter.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Herr Schnur. Bitte, Herr Abgeordneter.

Nach so viel Einhelligkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, da muss natürlich auch die Opposition einmal wieder zur Geltung kommen. Ich möchte an den Anfang meiner Rede stellen, dass ich …

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Frau Borchardt, Sie haben aber einen anderen Eindruck hinterlassen. Das muss ich hier offen sagen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ach so?! – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Jetzt hauen Sie mal rein, Herr Kollege!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte an den Anfang meiner Rede stellen, dass ich wirklich überrascht war über den Antrag der Regierungskoalition.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ich nicht.)

Nicht nur aufgrund dessen, dass man einen Punkt aus der Koalitionsvereinbarung abarbeiten muss, nein, auch insgesamt. Lassen Sie mich vorwegstellen, dass die FDP die Partei ist, die Rechtssicherheit als elementaren Bestandteil der demokratischen Gesellschaft schon immer weit vorweg vor anderen vorgetragen hat.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Oh ja! Ein einsam leuchtender Stern.)

Da gibt es ganz andere Vertreter. Sie sehen ja das höhnische Lächeln auf der rechten Seite.

Ich hoffe nur, dass dieser Antrag, …

(Udo Pastörs, NPD: Ich lache nur. Ich lächle Sie bestimmt nicht an. Ich lache Sie aus!)

Recht herzlichen Dank, Herr Pastörs.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Ich hoffe nur, dass dieser Antrag nicht das Ziel hat, dass am Ende eine Justiz steht, die nach rein fi skalischen Interessen bewertet werden soll. Diejenigen, die eine solche Hoffnung mit dem Antrag verbinden, die kann ich nur warnen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Dann hat er ja wohl nicht zugehört.)

Sie rütteln damit an einer wesentlichen Säule der Gewaltenteilung.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Jetzt bin ich aber enttäuscht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, einige vergessen, dass in der freien Wirtschaft eine Produktionsverbesserung vielfach nur durch Investitionen erreicht werden kann. Doch gerade die wollen Sie nach meiner Auffassung hier nicht erreichen. Und nach der Qualität der Entscheidung, die in der Justiz den wesentlichen Faktor ausmachen sollte, wird relativ wenig gefragt. Lassen Sie mich auf einen Bericht von „Frontal 21“ am vergangenen Montag eingehen.