Protokoll der Sitzung vom 12.12.2007

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin seit vielen Jahren selbst Vorsitzender eines Jugendhilfeausschusses und weiß, worüber ich rede.

(Udo Pastörs, NPD: Na, wenn das man stimmt.)

Deshalb weiß ich auch, dass viele der vielleicht gut gemeinten Ratschläge an die Jugendämter in den letzten Tagen an den Realitäten des Landes vorbeigehen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Angelika Gramkow, DIE LINKE, und Irene Müller, DIE LINKE: Richtig.)

Ob dafür Aktionismus oder Unkenntnis bei den Ratgebern die Ursache ist, weiß ich nicht.

(Zuruf von Angelika Gramkow, DIE LINKE)

Sehr geehrter Herr Minister, trotz Ihrer emotionalen Rede muss ich hier Folgendes benennen: Da wird einerseits den Kreisen und kreisfreien Städten durch die Landesregierung nahezu jeden Tag auferlegt zu sparen, gleichzeitig hält diese Landesregierung Steuereinnahmen, die den Kommunen zustehen, mit denen sie ihre Haushalte gestalten könnten, zurück.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist nicht wahr, Herr Ritter. Das wissen Sie doch.)

Und auch zur gleichen Zeit empfi ehlt dann der Sozialminister dieser Landesregierung den Kreisen, trotz Sparzwängen nicht bei Jugendämtern zu sparen.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Das haben wir gerade beschlossen im Ausschuss. – Dr. Armin Jäger, CDU: Sie haben immer schön abgenickt.)

Sehr geehrter Herr Minister, haben Sie schon einmal eine Haushaltsdebatte auf kommunaler Ebene mitgemacht? Ich glaube nicht, denn sonst könnten Sie nicht solche Vorschläge unterbreiten.

Ich werfe einen Blick zurück, und zwar auf Dezember 2006. In der Aktuellen Stunde zum Thema „Betreuungssystem im Wandel der Zeit“ haben Sie, Herr Minister, festgestellt, ich zitiere: „Die Realität in den Kommunen ist leider so, dass die Ausstattung, das Geld, nicht ausreicht für die Aufgabe einer aufsuchenden Hilfe“. Weiter heißt es: „Das darf nicht sein. Da müssen wir den Kommunen ganz deutlich sagen, die Jugendämter müssen so ausgestattet sein, dass sie ihre Arbeit auch wirklich erfüllen können.“ Recht haben Sie.

(Udo Pastörs, NPD: Das ist eine Binsenwahrheit. – Zuruf von Minister Erwin Sellering)

Und Sie haben weiterhin ausgeführt: „Ich glaube, da reicht es nicht aus, in einer Aktuellen Stunde mal das eine und andere zu sagen.“ Und genau das ist die Krux. Das war vor einem Jahr und wir sehen keine Konsequenzen, weder im Haushalt noch in Ihrem Gesetzentwurf.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie sieht die Situation in meinem Kreis aus? Der Stellenplan für dieses Jahr weist im hier zu behandelnden Bereich 7,5 reine Sozialarbeiterstellen und 1,5 Stellen für den Bereich Pfl egekindwesen/ Adopotionsvermittlung aus. Bezogen auf 9 VbE …

(Udo Pastörs, NPD: Dafür habt ihr sechs in Antirechtskampagnen integriert.)

Da haben Sie eben deutlich gemacht, dass Sie von nichts Ahnung haben, Herr Pastörs.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Sehr richtig, Peter. – Udo Pastörs, NPD: Ja, ja, so ist das.)

Sie sind ein Schwätzer vorm Herrn. Das ist wirklich wahr.

(Udo Pastörs, NPD: Wir haben auch die Kinder nicht missbraucht, wie Sie in der FDJ.)

Bezogen auf 9 VbE werden dabei durchschnittlich 69 Fälle sozialraummäßig bearbeitet. 69 Fälle bezogen auf 9 VbE! Hinzu kommen noch die Fälle der Trennungs- und Scheidungsberatungen, Tendenz steigend. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamtes fahren seit Jahren Volllast, was auch wiederum zu einem hohen Krankenstand führt und damit zu neuen Belastungen im Jugendamt selbst. Jugendamt und Jugendhilfeausschuss beraten über diese Situation regelmäßig. Wir versuchen dort, wo es notwendig und möglich ist, Abhilfe zu schaffen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist allemal sinnvoller als kluge und an den Realitäten vorbeigehende Ratschläge. Das trifft auch, das muss ich hier so deutlich sagen, auf die aktuelle Debatte zur Kinderschutzhotline zu.

Wie ist die Situation in meinem Kreis? Schon jetzt kann sich jeder Bürger, jede Bürgerin, jede Einrichtung oder Institution anonym oder direkt an das Jugendamt wenden.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Bei uns auch.)

Hinweise zum Verdacht auf Kindeswohlgefährdungen können per Telefon, per Fax, per E-Mail, per Brief, auch ohne Absender, abgegeben werden. Jedem Hinweis wird nachgegangen. Die entsprechenden Telefonnummern und Anschriften werden regelmäßig im Kreisanzeiger veröffentlicht,

(Irene Müller, DIE LINKE: Bei uns auch.)

sind der Polizei, dem Gesundheitsamt, dem Familiengericht und der Interventionsstelle bekannt. Anzeigen und Anrufe, die dort eingehen, werden umgehend an das Jugendamt weitergeleitet. Außerhalb der Dienstzeiten des Jugendamtes, also auch an den Wochenenden und über die Feiertage, hat das Jugendamt eine eigene Rufbereitschaft. Ich kann mir vorstellen, dass das auch in anderen Landkreisen so geregelt ist.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Na klar.)

Deshalb ist die jüngste Ablehnung der Kreise und kreisfreien Städte für eine Vereinbarung zur Hotline für mich nachvollziehbar.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, statt einer Hotline brauchen wir Festlegungen für einen Personalschlüssel, der eine zulässige Grenze von zu betreuenden Fallzahlen festschreibt.

(Regine Lück, DIE LINKE: So ist es.)

Wir dürfen keine weiteren Kürzungen in den Sozialdiensten der Jugendämter und des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes zulassen. Dazu bedarf es aber einer auskömmlichen Finanzausstattung der Kreise und kreisfreien Städte.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja. Wie oft habe ich das schon gesagt?!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen einen Einstellungskorridor für junge, gut ausgebildete Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, damit neue Erkenntnisse, die in den Ausbildungs- und Studiengängen gelehrt werden, Eingang in die örtliche Praxis fi nden können.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Heribert Prantl hat in der „Süddeutschen Zeitung“ vom vergangen Freitag geschrieben: „Es gibt nicht nur die Verwahrlosung von Kindern, sondern auch die der öffentlichen Verantwortung.“

(Udo Pastörs, NPD: Bravo! Richtig.)

Wirken wir dieser Verwahrlosung entgegen! Mit dem von uns vorgeschlagenen Gesetzentwurf können wir dazu einen ersten Schritt tun. Ich bitte um die Überweisung unseres Gesetzentwurfes. Packen Sie Ihre Überlegungen dazu und dann lassen Sie uns ein ordentliches Paket daraus machen! – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Herr Abgeordneter.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/1049 zur federführenden Beratung an den Sozialausschuss und zur Mitberatung an den Innenausschuss und an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Danke schön. Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Überweisungsvorschlag einstimmig angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Nein zum Sparen auf Kosten von Arbeitslosen, auf Drucksache 5/666, hierzu die Beschlussempfehlung und den Bericht des Wirtschaftsausschusses auf Drucksache 5/1069.

Antrag der Fraktion DIE LINKE: Nein zum Sparen auf Kosten von Arbeitslosen – Drucksache 5/666 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Wirtschaftsausschusses – Drucksache 5/1069 –

Das Wort zur Berichterstattung wird nicht gewünscht.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 30 Minuten vereinbart. Ich sehe dazu keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Schulte. Bitte schön, Herr Abgeordneter.