Protokoll der Sitzung vom 30.01.2008

Der wahre Grund dafür, dass die Bürger auf diese Weise diskriminiert werden, liegt darin, dass sie für die Wirtschaft nicht mehr zu gebrauchen sind. „Wer nicht mehr arbeiten kann, der soll auch nicht essen“, soll Lenin gesagt haben, und hier heißt es, der braucht auch kein Schonvermögen mehr, der kann gerne restlos enteignet werden, und das in einem politischen System, das sich pausenlos als „Hüter der Menschenwürde“ aufspielt.

Eine Verletzung der Menschenwürde ist dann gegeben, wenn Menschen wie Objekte behandelt werden. Deswegen wurde in Deutschland etwa das Zwergenwerfen verboten. Kleinwüchsige Menschen, wie es politisch korrekt heißt, ließen sich einst mit Helm und Knieschützern ausgestattet zum Gaudi der Gäste durch Diskotheken werfen, freiwillig, als Nebenjob. Und dann kam der sogenannte Verfassungsstaat und sagte, das könne man im Namen der Menschenwürde nicht dulden. Auf dieses Grundrecht aus Artikel 1 Grundgesetz könne auch nicht verzichtet werden, sodass die Kleinwüchsigen dieses Hobby lassen mussten. Warum man dann das Dschungelcamp von RTL nicht verboten hat, weiß ich auch nicht. Es wäre dieselbe Logik gewesen.

Zwergenwerfen geht also nicht wegen der Menschenwürde in diesem Staat. Aber das Schonvermögen für ältere und erwerbsgeminderte Hilfebedürftige viel geringer anzusetzen als für Erwerbstätige, das ist angeblich

keine Verletzung von Artikel 1 Grundgesetz, obwohl man damit alle Hilfebedürftigen zu Objekten herabwürdigt. Dass sie ein menschenwürdiges Leben führen können, spielt bei der Gestaltung der Schonvermögen nämlich keine Rolle, das wird gar nicht erwähnt. Die Erwerbsfähigen werden wie Objekte dem Zweck unterworfen, wieder, zu welchen Hungerlöhnen auch immer, der Wirtschaft zu dienen, und die Erwerbsgeminderten und Älteren dürfen weniger Geld behalten, weil sie zu diesem Zweck nicht mehr zu gebrauchen sind. Es ist egal, ob sie nachhaltig sozial herabgestuft werden und alles verkaufen müssen, was sie haben, sie werden ausrangiert. Das verletzt sehr wohl die Menschenwürde nach unserer Auffassung. Das könnte man als menschenfeindlich bezeichnen. Es stellt auch eine Ungleichbehandlung dar, die durch nichts zu rechtfertigen ist, sodass man sich fragt, wozu es einen Gleichheitsgrundsatz und einen Artikel 3 Grundgesetz eigentlich gibt.

Es gibt mittlerweile in Deutschland schon 682.000 Menschen, die Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung beziehen. Die Zahlen steigen rasant an. In Deutschland sind bereits 2 Prozent der Rentner auf Grundsicherung angewiesen. In den neuen Ländern erhalten 4 Prozent der männlichen Rentner und 18 Prozent der Rentnerinnen Altersbezüge unter 600 Euro.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Wir verlangen, dass all diese Menschen nicht länger diskriminiert werden. Es gibt keinen Grund, warum sie nur mit Härtegründen und in Ausnahmefällen mit den Erwerbsfähigen gleichgestellt sein sollen, als ob ihr Leben nicht hart genug wäre. Wenn man krank und alt ist, ist das Leben in der Regel härter, als wenn man jung und gesund ist. Und an eines sei erinnert: Das sind alles Wähler. Das sollten Sie vielleicht bedenken, wenn Sie die Menschenwürde dieser Bürger schon nicht interessiert. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Schulte. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Ich will nicht an dieser Stelle darüber diskutieren, inwieweit eine Gleichbehandlung des Schonvermögens arbeitsunfähiger Hilfebedürftiger und anderer sozial Schwacher tatsächlich gerechtfertigt ist.

(Udo Pastörs, NPD: Warum nicht? Das sollten Sie aber! – Raimund Borrmann, NPD: Darüber sollten Sie mal nachdenken!)

Sie, meine Herren von der NPD, haben heute Morgen 60 Sekunden gebraucht,

(Udo Pastörs, NPD: Oh Mann!)

um deutlich zu machen, dass es keinerlei Diskussionsbasis zwischen Ihnen und meiner Fraktion und den anderen demokratischen Fraktionen in diesem Landtag gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Wer 75 Jahre nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten

(Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

und über 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges

(Udo Pastörs, NPD: Wie gut, dass Sie das Mütchen da kühlen können! – Zuruf von Stefan Köster, NPD)

nicht einmal den Anstand besitzt,

(Udo Pastörs, NPD: Gucken Sie mal in den Antrag rein!)

angesichts der Vielzahl der Millionen von Opfern nationalsozialistischer Gewaltherrschaft

(Udo Pastörs, NPD: Aber auch auf deutscher Seite, Dresden, Magdeburg. – Zuruf von Stefan Köster, NPD)

den Betroffenen den erforderlichen Respekt zu erweisen,

(Udo Pastörs, NPD: Keine Opfer erster und zweiter Klasse!)

der sollte sich schämen,

(Udo Pastörs, NPD: Sie sprechen hier überhaupt gar nicht zum Thema. – Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

den Ausdruck „Menschenwürde“ in diesem Raum auch nur in den Mund zu nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ihr ganzes Verhalten – nicht nur heute, Sie haben es fast in jeder der bisherigen Landtagssitzung deutlich gemacht – ist von einer tiefen Verachtung des Individuums geprägt.

(Raimund Borrmann, NPD: Wir haben doch echte Probleme. Reden Sie doch mal dazu! Das ist doch Gegenstand der Diskussion. – Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Und wenn Sie ernsthaft meinen, dass Sie über den begrenzten Personenkreis, der Ihre völlig verbohrte Ideologie teilt, in der Bevölkerung dieses Landes tatsächlich mit Ihren billigen Parolen Zulauf fi nden, dann mögen Sie das glauben, aber wir sind davon überzeugt, dass das nicht der Fall sein wird.

(Udo Pastörs, NPD: Reden Sie jetzt hier zu dem Antrag oder ist das hier eine Propagandarede? – Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

Meine Herren von der NPD-Fraktion, lassen Sie bitte den Redner hier seine Ausführungen machen. Sie haben noch Redezeit und können darauf eingehen.

(Udo Pastörs, NPD: Das ist doch nicht normal, was die hier sachlich abliefern.)

Inwieweit hier etwas nicht zum Thema gehört, entscheidet der amtierende Präsident.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Meine Damen und Herren, wer so wie die NPD denkt, kann nicht ernsthaft glauben,

(Stefan Köster, NPD: Wir denken wenigstens, im Gegensatz zu Ihnen.)

dass ihm ein Interesse an sozial Schwachen in diesem Land ernsthaft abgenommen wird. Sie selber, meine Damen und Herren oder meine Herren, Damen haben Sie ja gar nicht, Sie selber, meine Herren von der NPD,

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

sind letztendlich diejenigen, die es in diesem Landtag immer wieder fertigbringen, sich Ihre Maske selber vom Gesicht zu ziehen.

(Udo Pastörs, NPD: Ach, schon wieder die Maske! – Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Wir, meine Damen und Herren, von der SPD-Fraktion – und ich kann hier auch für die anderen demokratischen Fraktionen sprechen –

(Udo Pastörs, NPD: Wir sind keine Schauspieler. Wir brauchen keine Maske.)

lehnen es grundsätzlich ab, auf dieser Basis mit Ihnen tatsächlich das Gespräch zu führen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Andrejewski.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist genau der Fehler der etablierten Parteien, der sich hier in der Rede von Herrn Schulte gezeigt hat. Sie leben in einer Parallelwelt, die nur von bunten Phrasenblasen bevölkert ist. Ich lebe in der realen Welt. In der realen Welt gibt es nicht nur ein CDU-Sorgentelefon, da gibt es auch eine NPD-HartzIV-Sprechstunde. Und mich hat dort noch nie einer darauf angesprochen, dass er nun dringend das Bedürfnis hätte, des Dritten Reiches zu gedenken und noch eine Sonderlektion zu haben zur Vergangenheit, sondern die Leute haben konkrete Überlebensprobleme. Es ist nun mal so, dass die Leute hereinkommen und sagen: Das kann doch gar nicht sein, das ist ein Berechnungsfehler, dass ich nur 2.600 Euro Schonvermögen haben soll, denn ich habe doch gelesen, pro Lebensjahr sind es 150 Euro. Dann muss ich ihm leider sagen: Tut mir leid, mein Freund, du lebst hier in der BRD. Hier bist du eben weniger wert, wenn du alt bist, denn hier hast du nur 2.600 Euro Schonvermögen. Und alles, was Sie darauf zu erwidern haben, sind Phrasen wie Menschenwürde,

(Reinhard Dankert, SPD: Dass Menschenwürde für Sie eine Phrase ist, ist vollkommen klar.)