rungsverwahrung sind schrittweise herabgesenkt worden. So wurde etwa das bisherige Höchstmaß von zehn Jahren gestrichen. Die Sicherungsverwahrung ist heute grundsätzlich unbefristet möglich. Der Gesetzgeber hat auch später die vorbehaltliche und nachträgliche Sicherungsverwahrung eingeführt. Zuletzt wurde die nachträgliche Sicherungsverwahrung bei Verurteilung nach dem Jugendstrafrecht eingeführt. In diesem Zusammenhang sei erwähnt: Ginge es nach der heutigen Justizministerin, wäre das Jugendgerichtsgesetz sogar noch weiter verschärft worden.
Statt mindestens sieben sollten bereits fünf Jahre Jugendstrafe ausreichen. Wenigstens dieses Ansinnen fand im Bundesrat und Bundestag keine Mehrheit. Immerhin.
Meine Damen und Herren, seit Beginn der Strafverschärfung hat sich die Zahl der Sicherungsverwahrten mehr als verdoppelt. Befanden sich 1995 noch 183 Personen in Sicherungsverwahrung, waren es 2007 424 Personen. Nun könnte man ja meinen, dies liege daran, dass es entsprechend mehr einschlägige Verbrechen gegeben hat. Im Gegenteil: Tatsächlich lässt sich dieser starke Anstieg weder mit demografischen noch mit kriminologischen Gründen erklären. Sowohl die polizeilichen Kriminalstatistiken als auch die periodischen Sicherheitsberichte verzeichnen eine Stagnation, zum Teil gar einen Rückgang im Bereich der relevanten schweren Kriminalität.
Meine Damen und Herren! Auf eine Vereinbarkeit mit Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention möchte ich an dieser Stelle nicht näher eingehen. Dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte liegen mehrere Beschwerden zur Entscheidung vor, insoweit sind die Entscheidungen abzuwarten. In diesem Zusammenhang kann ich aber nur verwundert feststellen, dass der Bundestag, aber auch der Bundesrat, noch nicht einmal die Anregung der Opposition aufgenommen haben, die Entscheidung abzuwarten, um Klarheit zu schaffen.
Wir weisen jedoch auch unter Punkt I.4 unseres Antrages ausdrücklich darauf hin, dass zumindest gegen die letzte Verschärfung im Bereich der Verurteilung nach Jugendstrafrecht verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Dies ergibt sich gemäß der Überzeugung meiner Fraktion auch schon aus der völlig unterschiedlichen Ausrichtung von Jugendstrafrecht und Sicherungsverwahrung, denn das Jugendstrafrecht stellt den Erziehungsauftrag in den Mittelpunkt. So steht es auch in Paragraf 3 Absatz 1 Jugendstrafvollzugsgesetz Mecklenburg-Vorpommern. Wir gehen also von der Erziehungsfähigkeit der Jugendlichen aus.
In diesem Zusammenhang verweise ich ausdrücklich auf die Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages. Nahezu alle Sachverständigen lehnten den Gesetzentwurf aus verschiedenen Gründen ab. Einige davon haben wir im Antrag aufgegriffen. Meine Fraktion hält es für wichtig, dass diese Bedenken auch ernst genommen und durch einen Beschluss des Landtages entsprechend aufgegriffen und gewürdigt werden.
Meine Damen und Herren, nun ist das Gesetz im Juli dieses Jahres in Kraft getreten. Die Bundesländer sind es, die das Ganze umzusetzen haben. Und wie schwer sich Strafvollzug, Staatsanwaltschaft, Gerichte, aber auch Psychologen mit diesen schwierigen Regelungen tun, ist uns doch allen bekannt. Ich erinnere nur an die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses in der letz
ten Legislaturperiode zu Vorkommnissen im Bereich des Justizministeriums. Selbst unter hochrangigen Staatsanwälten und Richtern war streitig, was sie unter den sogenannten formellen und materiellen Voraussetzungen der nachträglichen Sicherungsverwahrung verstehen. Es war also bereits schwierig festzustellen, ob überhaupt der zu beurteilende Häftling tatbestandlich erfasst werde oder nicht. Dass diese Einschätzung für Nichtjuristen wie den Strafvollzugsbediensteten oder für Psychologen nicht einfacher wird, ist, denke ich, jedem klar. Das Problem der Prognosesicherheit gilt für junge Menschen umso mehr. Auch hier verweise ich auf die Ausführungen in der Anhörung im Deutschen Bundestag, wonach eine Prognose bei Jugendlichen, die schon sehr früh in Haft gekommen sind und somit nie unter normalen Umständen gelebt und sich entwickelt haben, fast unmöglich ist. Genau dieses bekannte Problem wird aber auf die wenigen Psychologen abgewälzt, die bereit und fachlich in der Lage sind, diese Arbeit zu machen.
Meine Damen und Herren, nach alledem halten wir es für angezeigt, dass die Landesregierung einerseits den Landtag circa ein Jahr nach Inkrafttreten der letzten Gesetzesänderung über die praktischen Auswirkungen unterrichtet, insbesondere im Hinblick auf die Rechtsprechungs- und Vollzugspraxis. Vor allem den Strafvollzug des Landes dürfen wir nicht alleine lassen, nicht zuletzt wegen der zu erwartenden Mehrbelastung.
Wir nehmen aber auch eine Forderung aus der Expertenanhörung auf und unterstützen die Einrichtung einer interdisziplinär eingerichteten Kommission, die den tatsächlichen staatlichen Handlungsbedarf herausarbeitet.
Abschließend möchte ich feststellen, Ziel bleibt natürlich der Schutz der Allgemeinheit vor Wiederholungstätern. Aber auch das sage ich deutlich: Insbesondere die Politik muss öffentlich sagen, dass das Strafrecht Grenzen hat. Der Gesetzgeber kann nicht immer vermeintliche Sicherheitslücken stopfen. Es gibt keine absolute Sicherheit. Es kann nur eine bestmögliche Sicherheit geben, jedoch nur in einem Rechtssystem, das neben Risiken auch Chancen erkennt und entsprechend zu fördern versucht. – Danke schön.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erste hat ums Wort gebeten die Justizministerin Frau Kuder. Bitte schön, Frau Ministerin, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Der Mensch schafft sich den Staat als übergeordnete Gewalt, damit der Staat dem Menschen Sicherheit garantiert.“ Dieses Zitat des englischen Staatsphilosophen Thomas Hobbes von vor über 300 Jahren ist heute noch aktuell. Sicherheit gehört zu den elementaren Bedürfnissen des Menschen. Damals wie heute gehört diese Aufgabe zum Selbstverständnis eines modernen Staates: Gewährleistung der Sicherheit seiner Bürger und Bürgerinnen. Konsequent ist deshalb durch eine sinnvolle Regelung der Sicherungsverwahrung mehr Sicherheit für alle geschaffen worden.
Dieses Regelwerk wollen Sie, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, nun evaluieren und damit diese bewährten Sicherheitsstandards wieder zur Diskussion stellen. Schaut man sich die kurze Begründung – kann man wohl zu Recht sagen – des langen Antrages an, wird man eher enttäuscht. Da ist von einer umstrittenen Sanktion und zahlreichen Verschärfungen in diesem Bereich die Rede.
Zudem wird auf eine Reihe von Feststellungen Bezug genommen. Bei noch näherer Betrachtung stellt man fest, dass DIE LINKE einen nahezu inhaltsgleichen Antrag bereits im Juni dieses Jahres auf Bundesebene gestellt hat.
(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja. – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, wir arbeiten zusammen, Bund und Land. – Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Ja, das ist gut so, Hand in Hand.)
Dieser Antrag wurde mit Unterstützung aller anderen Oppositionsparteien abgelehnt. Trotzdem möchte ich mich mit dem Inhalt dieses Antrages befassen.
Der Große Brockhaus definiert Evaluation als „Effizienz- und Erfolgskontrolle“ zur „Überprüfung … eines in Erprobung befindl. Modells“. Evaluation setzt also zumindest Zweifel an der Eignung eines Modells voraus, ansonsten macht sie keinen Sinn.
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Da wird der Begriff wohl auch anders angewandt, Frau Ministerin.)
Sie könnten auch nicht vorgetragen werden. Die verfügbare Kriminalstatistik beweist nämlich genau das Gegenteil.
Sie, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, begehren eine Reihe von Feststellungen zum Thema Sicherungsverwahrung. Im Übrigen, auch diesen Antrag haben Sie im Wesentlichen schon einmal auf Bundesebene gestellt, ohne die geringste Resonanz zu finden. Sie bezeichnen die gesetzliche Fassung der Sicherungsverwahrung als unübersichtlich. Das mag sein, aber dieser angebliche Mangel beeinträchtigt die kriminologische Wirksamkeit des Regelwerkes nicht. Sie behaupten weiter, dass die Sicherungsverwahrung zugenommen und die Schwerkriminalität abgenommen hat. Auch das kann zutreffen. Aber diese Feststellung bekräftigt gerade, dass die Sicherungsverwahrung ihren Zweck erfüllt, nämlich schwere Kriminalität zu verhindern.
Das geltende Regelwerk führt auch nicht zu Rechtsunsicherheit. Die Sicherungsverwahrung wird entweder im Urteil angeordnet oder im Urteil vorbehalten oder nachträglich angeordnet. In allen Fällen weiß der Betroffene
Sie, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, befürchten, dass die Sicherungsverwahrung zu mehr Unruhe während der Haftzeit führt. Das kann ich in dieser Allgemeinheit weder bestätigen noch widerlegen. Allerdings finde ich es gerechtfertigt, diesen denkbaren Nebeneffekt im Interesse der Sicherheit in Kauf zu nehmen. Die Sicherungsverwahrung ist, da stimme ich mit Ihnen überein, ein tiefgreifender Eingriff in die Freiheitsrechte des Betroffenen. Für verfehlt halte ich es allerdings, hier von einem lebenslangen Wegsperren ohne Schuldgrundlage zu sprechen.
Natürlich hat der Sicherungsverwahrte eine Schuld auf sich geladen. Für die Sicherungsverwahrung kommen ja gerade nur Personen in Betracht, die schuldhaft schwerwiegendste Straftaten begangen haben.
Und sie werden auch nicht lebenslang weggesperrt. Mindestens alle zwei Jahre überprüft das Gericht nach Paragraf 67e StGB bei Erwachsenen, ob die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Bei jeder Prüfung muss das Gericht die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit gegen die Grundrechte des Betroffenen abwägen. Dabei wird auch dessen Persönlichkeitsentwicklung berücksichtigt. Dadurch wird der Maßstab für die Aufrechterhaltung der Sicherungsverwahrung von Jahr zu Jahr strenger. Die Sicherungsverwahrung ist also für den Untergebrachten kein unabänderliches Schicksal, er hat seine Zukunft durchaus in der Hand, er muss nur etwas dafür tun.
Meine Damen und Herren, die Sicherungsverwahrung ist keine unzulässige Doppelbestrafung, sondern eine präventive Maßnahme. Ihr Zweck ist es nicht, begangenes Unrecht zu sühnen, sondern die Allgemeinheit vor den Tätern zu schützen. Deshalb kann die Sicherungsverwahrung auch bei Jugendlichen sinnvoll angewendet werden. Entwicklungsbedingte Prognoseschwierigkeiten bei Jugendlichen werden durch verkürzte Prüffristen ausgeglichen. Anders als bei den Erwachsenen ist die Sicherungsverwahrung bei Jugendlichen nämlich jährlich zu überprüfen. Wie bei Erwachsenen wägt das Gericht dabei das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit gegen die Grundrechte des Betroffenen ab. Die Besonderheit ist: Zuständiges Gericht ist die erzieherisch besonders befähigte Jugendkammer und die Prüfung findet in engen zeitlichen Abständen statt. Dabei wird selbstverständlich der Reifungsprozess des Jugendlichen genau beobachtet. Und auch hier wird der Prüfungsmaßstab für eine Aufrechterhaltung der Sicherungsverwahrung von Jahr zu Jahr strenger.
Zugleich trägt das Gesetz durch die engmaschigen Prüfungspflichten dem Erziehungsgedanken Rechnung. Auch eine Schlechterstellung von Jugendlichen gegenüber Erwachsenen kann ich nicht erkennen. Bei Erwachsenen werden die Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung zweimal geprüft, einmal bei der Verurteilung und ein zweites Mal – diesmal allerdings beschränkt auf neue Tatsachen seit der Verurteilung – vor der Haftentlassung. Bei Jugendlichen findet die Prüfung zwar einmal statt, nämlich vor der Haftentlassung, das macht aber im
Ergebnis keinen Unterschied. Sowohl bei Erwachsenen als auch bei den Jugendlichen werden aufgrund dieser Systematik alle bis zur Entlassung eintretenden Tatsachen berücksichtigt.
Meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, Sie fordern, dass der Gesetzgeber bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte untätig bleiben soll. Das finde ich nun wirklich unverantwortlich. Die Regelungen der Sicherungsverwahrung stehen mit dem Grundgesetz in Einklang. Das Bundesverfassungsgericht hat das wiederholt bestätigt. Bei dieser klaren Rechtslage wollen Sie dennoch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte abwarten und potenzielle Opfer und die Allgemeinheit bis dahin schutzlos lassen.
Das kann doch ernsthaft niemand wollen. Rückwirkend kann man Opfer schließlich nicht schützen. Sollte der Europäische Gerichtshof tatsächlich im Sinne der sicherungsverwahrten Täter entscheiden, wäre das ein gesetzlicher Grund, ihr Verfahren wieder aufzunehmen und neu zu verhandeln.
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: An der Sicherungsverwahrung in ihrer jetzigen Form führt kein Weg vorbei. Sie ist ein erprobtes Mittel zum Schutz von Leben, Unversehrtheit und Freiheit der Bürger. Man kann eine Vielzahl von Einwänden formulieren, Fakt sind schreckliche Einzelschicksale wie der Fall des 9-jährigen Peter aus München oder der von Ihnen genannte Fall der 16-jährigen Carolin aus Graal-Müritz. Die Theorien der Kritiker dürfen nicht dazu führen, dass wir die Augen vor der Wirklichkeit verschließen. Wir erwarten vom Bürger, dass er sich an die Gesetze hält, dann kann der Bürger auch von uns Politikern erwarten, dass wir uns um seine Sicherheit kümmern. Und das tun wir.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Auch von Politikern gibt es Kritik.)
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Dr. Nieszery. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den allgemeinen Grundsätzen, den Voraussetzungen und den Kontrollmechanismen bei der Anordnung und Durchführung der Sicherungsverwahrung hat Frau Ministerin Kuder dankenswerterweise ausführlich Stellung bezogen. Für die SPD-Fraktion bleibt mir jetzt nur noch, auf zwei grundsätzliche Dinge hinzuweisen.
Anders als bei so manch anderem hat sich in der SPD die Erkenntnis durchgesetzt, dass es leider Menschen gibt, und zwar sehr gefährliche Menschen, die sich trotz aller Bemühungen nicht gefahrlos in die Gesellschaft integrieren lassen. Vielmehr ist der Staat gefordert, die Allgemeinheit dauerhaft vor diesen Menschen zu schützen und Gesetze zu entwickeln sowie Einrichtungen vorzuhalten, die das ermöglichen.
Eine Möglichkeit, dies zu bewerkstelligen, ist die Sicherungsverwahrung. Selbstverständlich sind wir uns bewusst, dass diese Maßnahme die schärfste Ein