Protokoll der Sitzung vom 21.10.2008

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ritter von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden

Gesetzentwurf möchte die Landesregierung zum einen durch Rechtsverordnungen ermächtigt werden, selbst zu entscheiden, ob und wann Gerichtstage außerhalb des Gerichtsstandortes der Amtsgerichte abgehalten werden. Dagegen ist nichts einzuwenden. Das hat meine Fraktion auch nie kritisiert.

Die Landesregierung möchte aber ferner ermächtigt werden, selbst zu entscheiden, ob und welche Zweigstellen der Amtsgerichte errichtet oder geschlossen werden können. Hier allerdings gibt es deutlichen Widerstand meiner Fraktion. Wir sind der Meinung, dass der Landtag diese Kompetenz erhalten und ausüben sollte, und dieses aus guten Gründen, denn es geht um tiefe Einschnitte vor Ort. Da hilft es auch nicht, wenn darauf hingewiesen wird, dass in der Vergangenheit alles ganz anders geregelt gewesen wäre. Tritt das Gesetz in Kraft, kann per Verordnung eine Zweigstelle eingerichtet oder eben auch aufgehoben werden. Weder das Kabinett noch der Landtag werden damit befasst, so erst kürzlich geschehen bei der Schließung der Zweigstelle in Grimmen. Da nützt es eben auch nichts, wenn zum Beispiel der Kollege Glawe beklagt, dass sich wenigstens das Kabinett mit dieser Frage hätte befassen müssen, nachzulesen in der „Ostsee-Zeitung“ vom 10. Mai dieses Jahres.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie wollen, dass diese Entscheidungen künftig nicht mehr nur zu beklagen, sondern durch den Landtag verantwortungsbewusst zu entscheiden sind, stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf meine Nachfrage im Rechtsausschuss letzte Woche wurde seitens des Justizministeriums nachdrücklich bestätigt, dass man nunmehr die Gesetzesänderung brauche, um die Zweigstelle Malchin des Amtsgerichts Demmin schließen zu können. Gegen diese Schließung regt sich Widerstand, denn, sehr geehrte Frau Ministerin, es ist eben nicht die rechte Zeit, diese Außenstelle zu schließen, weil die baulichen Voraussetzungen für eine zukunftssichere Unterbringung des Amtsgerichtes Demmin momentan in keiner Weise gegeben sind und mit den vorgeschlagenen Zwischenlösungen nur enorme Mehrkosten für das Land und damit für den Steuerzahler entstehen.

Ich will nicht verhehlen, dass diese Entscheidung auch unter dem Gesichtspunkt der bevorstehenden Kreisgebiets- und Verwaltungsmodernisierungsreform zu betrachten ist. Deshalb warne ich jetzt angesichts der aktuellen Diskussion vor Schnellschüssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben heute in der Post sicherlich schon den Brief der Stadtvertretung Malchin gefunden. Alle Fraktionen, parteiübergreifend, sprechen sich in der Malchiner Stadtvertretung gegen die Schließung des Standortes Malchin aus, mit guten Argumenten, wie ich meine. Dieses Schreiben der Malchiner Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker findet Unterstützung von über 1.600 Bürgerinnen und Bürgern, gesammelt seit Freitag letzter Woche. Es sind nicht nur Malchinerinnen und Malchiner, die unterschrieben haben, auch Landtagsvizepräsident Kreher und Demmins Landrat unterschrieben diese Forderung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, geben Sie deshalb Malchin eine Chance! Stimmen Sie unserem Antrag zu und lassen Sie uns als Parlament über die notwendigen Abwägungen reden! Ein Vor-Ort-Termin des Rechtsaus

schusses in Malchin wäre dabei sicherlich wirklich hilfreich. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Herr Ritter.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Herr Dr. Nieszery von der Fraktion der SPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei diesem Gesetz handelt es sich um einen Gesetzentwurf, der als einer der wenigen völlig unverändert aus dem Verfahren wieder herausgekommen ist, und das hat auch seinen Grund. Ich denke, Frau Ministerin hat hier vernünftig und sehr sachlich ausgeführt. Ich habe dem eigentlich nichts hinzuzufügen, außer dass ich empfehle, den Änderungsantrag der Linksfraktion abzulehnen. – Vielen Dank.

(Dr. Marianne Linke, DIE LINKE: Wir hätten gern gewusst, warum! – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist aber schwach. – Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Danke, Herr Dr. Nieszery.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Andrejewski von der Fraktion der NPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Gesetzesentwurf ist ein schönes Beispiel für die Kunst, die Öffentlichkeit zu täuschen, ohne dabei offenkundig lügen zu müssen.

Vordergründig geht es darum, eine rein technokratische Zuständigkeitsverlagerung vorzunehmen. Das Abhalten von Gerichtstagen und die Errichtung von selbstständigen Gerichtszweigstellen soll jetzt nicht mehr Angelegenheit des Bundesjustizministeriums sein, sondern der Landesregierung. Inhaltlich ändert sich gar nichts, wie die Justizministerin schon gesagt hat. Was kann man da schon dagegen haben, denkt man sich. Sieht man aber genauer hin, findet man sozusagen im Kleingedruckten die unschuldige Ergänzung, nicht nur die Errichtung, sondern auch die Aufhebung von Gerichtszweigstellen solle ermöglicht werden. In der theoretischen Papierwelt, fern von der Wirklichkeit, sind damit beide Wege eröffnet, zu mehr und zu weniger Zweigstellen. Aber wer die tatsächlichen Verhältnisse im Land kennt, dem ist natürlich klar, dass an eine Neueinrichtung nicht einmal im Traum und in tausend Jahren gedacht wird, so toll der Weg des Landes laut Herrn Sellering auch ist in der Zukunft.

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Es geht ganz alleine ums Plattmachen. Die Justiz ist massiv überlastet und total unterfinanziert. Werden in einem Amtsgericht mal zwei Rechtspfleger auf einmal krank, können die Bürger ewig auf ihre Eintragung ins Grundbuch warten. In der Strafjustiz ist eine sogenannte Reform angedacht, die die Abschaffung der Berufungsinstanz in weiten Bereichen vorsieht,

(Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

angeblich zum Zwecke der Verschlankung und einer effizienteren Organisation, in Wirklichkeit aber nur, weil trotz aller optimistischen Zukunftsparolen verzweifelt gespart werden muss. Ehrlicherweise müsste dieses Gesetz „Gerichtsstrukturauflösungsgesetz“ oder „Weg-mit-denZweigstellen-Regelung“ heißen.

(Raimund Borrmann, NPD: So ist es.)

In der Begründung wird ausgeführt, um der Justizverwaltung des Landes Mecklenburg-Vorpommern weiterhin Anordnungen zur Errichtung von Zweigstellen der Amtsgerichte zu ermöglichen, bedarf es einer entsprechenden Regelung im Landesrecht. Dieser bedarf es aber auch, um Anordnungen zur Schließung von Zweigstellen zu ermöglichen. Und da nur dies gewollt ist, stimmt die NPD natürlich dagegen. Wir beteiligen uns nicht an der Zerstörung staatlicher Strukturen, auch wenn diese noch so schlau getarnt ist.

Der Änderungsantrag der LINKEN führt auch zu nichts. Danach sollten die Befugnisse zur Beseitigung der Zweigstellen beim Landesgesetzgeber verbleiben. „Gesetzgeber“ ist allerdings ein aufgeblasener und irreführender Begriff. Das klingt nach Moses auf dem Berge Sinai, doch verbirgt sich dahinter nur ein Haufen von Politikern, die im Landtag die Mehrheit stellen und einen Block mit der Landesregierung bilden. Die Fraktionschefs von SPD und CDU nehmen ja sogar an Kabinettssitzungen teil. Wo ist denn da die vom Grundgesetz gebotene Gewaltenteilung? Die ist genauso beseitigt wie die Letzte-Mohikaner-Zweigstelle in Malchin. Die NPD lehnt das ab. Das Abbruchunternehmen von Mecklenburg und Pommern

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Vorpommern, Herr Andrejewski, Vorpommern!)

heißt heute SPD und CDU

(Raimund Borrmann, NPD: Genau.)

und es soll seinen Job gefälligst alleine machen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

Danke.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Leonhard von der Fraktion der FDP.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dem Grunde nach haben wir heute die Entscheidung zu treffen, wie wir eine neue Regelungskompetenz in unserem Land nutzen wollen. Bis dato wurde die Errichtung von Zweigstellen – und das hat die Innenministerin hier noch einmal,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Oh, Innenministerin!)

die Justizministerin, ausgewiesen – …

Ja, Mensch, Herr Methling, Sie sind heute aber so richtig in Fahrt, einfach nur in Fahrt.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Aufmerksam. – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Was heißt hier „heute“?)

… von Amtsgerichten aufgrund eines Bundesgesetzes durch die Landesregierung vorgenommen. Seit dem April 2008 ist diese Regelung allerdings entfallen und nun sind die Länder selbst zuständig, eine entsprechende Regelung vorzunehmen. Dabei haben wir zwei Möglichkeiten: Entweder wir überlassen es weiterhin der Justizverwaltung, wie bisher Anordnungen zur Einrichtung von Zweigstellen der Amtsgerichte und zur Abhaltung von Gerichtstagen zu erlassen, oder – und das sagt ja der heute hier vorliegende Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE aus – wir möchten, dass jede dieser Anordnungen vom Landtag vorgenommen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wenn wir als Liberale die Möglichkeit einer Rechtsverordnung und damit die unmittelbare Entscheidung vom Ministerium, ohne Mitsprache des Parlaments in vielen Bereichen, ablehnen, so hat meine Fraktion im vorliegenden Fall keine Bedenken. Entgegen einiger Stimmen dieses Hauses hat die Landesregierung ihre Rechte, die sie bis dato auch hatte, eben nur aus einem Bundesgesetz heraus vernünftig genutzt.

Wir haben keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass sich dies zukünftig ändern wird. Letztlich geht es allein um eine organisatorische Verfahrensfrage, die von der Justizverwaltung gut geregelt werden kann und auch soll. Der Weg, den DIE LINKE hier vorstellt, führt lediglich zu längeren Entscheidungsprozessen und mehr Bürokratie im Vorfeld, zum Beispiel bei den Entscheidungen über die Gerichtstage.

Auch wir, lieber Herr Kollege Ritter, – wo ist er? –

(Peter Ritter, DIE LINKE: Hier.)

haben dieses Schreiben bekommen. Ich will hier nur in der Debatte an die Justizministerin appellieren, dass wir auch die zukünftigen und anstehenden Entscheidungen im zuständigen Ausschuss diskutieren. Davon gehe ich aus.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das nützt Malchin aber nichts.)

Ich bitte Sie eindringlich, Frau Justizministerin, von Ihnen aus auch noch mal im nächsten Europa- und Rechtsausschuss über die Situation in Malchin zu berichten,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

denn so, wie Sie es dargestellt haben, ist aus dem Schreiben völlig Gegensätzliches herauszunehmen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist aber eine scharfe Opposition hier, die FDP.)

Insofern spricht aus unserer Sicht alles für die Beibehaltung der Zuständigkeit der Landesregierung und im zuständigen Justizministerium. Wir werden – und, Kollege Ritter, Sie wissen, dass wir in den zuständigen Ausschüssen auch Ihrem Änderungsantrag nicht zugestimmt haben – den Änderungsantrag ablehnen und werden der Beschlussempfehlung zustimmen. – Vielen Dank.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das werden wir Frau Reese sagen.)