Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ritter von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aufhören mit dem Rauchen ist nicht schwer, auch ich habe das 32-mal geschafft. Aber zum Ernst des Themas.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, phasenweise hatte ich bei dem Vortrag der Sozialministerin schon den Eindruck, dass es sich um ein ernstes Thema handelt. Nach dem Studium des vorliegenden Antrages habe ich jedoch festgestellt, dass dieser Antrag nicht dem Ernst des Themas gerecht wird. Sie wollen, ich kürze es mal ab, effektivere Präventionsmaßnahmen für Frauen und Mädchen, um den frühen Einstieg in das Rauchen zu verhindern, sowie Maßnahmen zur Erleichterung des Ausstiegs speziell für das weibliche Geschlecht. Damit gehen die Antragstellerinnen und Antragsteller offensichtlich davon aus, dass Frauen und Mädchen aus anderen Gründen zur Zigarette greifen und deshalb andere Maßnahmen brauchen als Jungen und Männer.

Sie begründen dies in Ihrem Antrag mit der gestiegenen Zahl der Raucherinnen in Ostdeutschland und einem höheren Anteil junger Raucherinnen gegenüber Frauen in den alten Bundesländern und auch gegenüber gleichaltrigen Männern. Sie ziehen für Ihre Begründung Kennzahlen heran, von denen die aktuellsten aus dem Jahr 1999 stammen. Das ist zehn Jahre her, meine sehr verehrten Damen und Herren der Koalitionsfraktionen. Wissen Sie, das zeugt nicht gerade von Fleiß und Qualität bei der Recherche. Hauptsache, die Koalition bringt überhaupt einen Antrag ins Hohe Haus ein.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Es ist Ihnen, Herr Glawe, oder den Initiator/-innen dieses Antrages offensichtlich entgangen, dass sich die Raucherquote sowohl bei den männlichen als auch bei den weiblichen Jugendlichen von 2001 bis 2008 halbiert hat.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Herr Glawe, lesen Sie bitte im Bericht und hören Sie den Redebeiträgen Ihrer Kollegen zu! Das zeigt der Bericht zur Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland aus dem Jahr 2008, der von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung herausgegeben wurde. Und wenn man ordentlich arbeitet, hätte man auf diesen Bericht aufmerksam werden können und nicht Zahlen aus dem Jahr 1999 in den Antrag Ihrer Fraktion hineingeschrieben, Herr Glawe.

Nachdem der Anstieg jugendlicher Raucherinnen und Raucher in den 90er-Jahren gestiegen ist, geht die Zahl seit 2001 stark zurück. Das gilt für männliche und weibliche Konsumenten gleichermaßen. Während die Quote bei den männlichen Rauchern im Alter von 12 bis 17 Jahren von 27,2 Prozent im Jahr 2001 auf 14,7 Prozent im Jahr 2008 gesunken ist, verringerte sich die Quote bei den weiblichen Jugendlichen von 27,9 Prozent im Jahr 2001 auf 16,2 Prozent im Jahr 2008. Die Raucherquote bei Jugendlichen insgesamt liegt derzeit bei 15,4 Prozent und ist somit auf einem historischen Tiefstand angekommen, aber natürlich immer noch zu hoch.

Und, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, hätten Sie zudem die Ursachen, die zum Rauchen und in die Nikotinabhängigkeit führen, berücksichtigt, dann hätten Sie merken müssen, Rauchen ist kein geschlechtsspezifisches Problem, sondern ein gesellschaftliches.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und DIE LINKE)

Die Ursachen und Wege in die Nikotinabhängigkeit sind vielfältig und, wie viele Studien zeigen, eher durch die Faktoren Alter und sozialer Status bestimmt und weniger durch das soziale Geschlecht.

(Harry Glawe, CDU: Ich finde es aber nicht gut, wenn 10-Jährige schon rauchen.)

Grundsätzlich, Herr Glawe, ist es löblich, dass Sie den Bereich der Gesundheitsförderung auch aus der Warte des Gender Mainstreaming in den Blick nehmen. Schließlich ist im Koalitionsvertrag unter Punkt 254 festgeschrieben, dass die Belange von Frauen und Männern in allen Politikbereichen zu berücksichtigen sind.

(Angelika Peters, SPD: Hört, hört!)

Frauen brauchen unter anderem aus physiologischen Gründen in vielen Fällen eine andere medizinische Betreuung als Männer und umgekehrt. Das zeigt der erste deutsche Bericht zur Frauengesundheit des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Tatsächlich – und da stimme ich Ihnen zu – sind Frauen, die mit der Antibabypille verhüten und gleichzeitig rauchen, besonders gefährdet. Ihr Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, insbesondere Thrombosen und Schlaganfälle, ist deutlich höher als bei Raucherinnen, die die Antibabypille nicht einnehmen. Aber die Antibabypille gibt es nur auf Rezept und jeder Gynäkologe ist verpflichtet, seine Patientin zuvor über die Risiken im Zusammenhang mit dem Rauchen aufzuklären.

(Vincent Kokert, CDU: Aber dass das nicht reicht, das sehen wir ja. – Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

Bei alldem dürfen wir aber nicht vergessen, dass jeder Raucher bereits einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ausgesetzt ist, auch Männer, Herr Kokert. Sie müssen eingestehen, im Fall des Tabakkonsums ist eine geschlechtsspezifische Herangehensweise der völlig falsche Ansatz,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

denn von den Risiken betroffen sind beide Geschlechter. Zudem finden Frauen weder einen anderen Zugang zum Rauchen als Männer noch ist die Nikotinentwöhnung von geschlechtsspezifischen Komponenten abhängig.

Das Suchtverhalten von jugendlichen und erwachsenen Raucherinnen und Rauchern ist unter anderem auf Störungen des biopsychosozialen Gleichgewichts, dem Gleichgewicht zwischen Gesundheitszustand, see lischem Zustand und sozialer Einbindung, zurückzuführen. Besonders gefährdet sind auch hier wieder Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien und Erwachsene, die hinsichtlich ihrer sozialen Lage, ihrer allgemeinen Lebensbedingungen und ihrer beruflichen Situation im Durchschnitt höheren Belastungen ausgesetzt sind. Rauchen ist häufig eine Reaktion auf Stressbelastungen, unabhängig vom Geschlecht.

Die Aufklärung über die Gefahren des Rauchens muss weiterhin offensiv erfolgen und insbesondere die Jugend erreichen, da die meisten Raucherkarrieren im Jugendalter beginnen. Eltern müssen sich hier ihrer Vorbildfunktion und Verantwortung bewusst sein.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Wie ich dem Landesaktionsplan zur Gesundheitsförderung und Prävention des Sozialministeriums Mecklenburg-Vorpommern aus dem Jahr 2008 entnehmen kann, hat die Landesregierung die Gefahr des Einstiegs in die Nikotinanhängigkeit besonders im Jugendalter und damit die Bedeutung der Gesundheitsförderung in Schulen doch erkannt. Dabei stehen die Persönlichkeitsentwicklung, die aktive Zusammenarbeit mit den Eltern sowie die Einbeziehung regionaler Partner im Mittelpunkt. Da sind wir einer Meinung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die meisten Raucherinnen sind von Nikotin abhängig, sagen Sie in Ihrer Antragsbegründung. Ich frage Sie: Die männlichen Raucher etwa nicht? Sie fordern Maßnahmen für einen erleichterten Ausstieg für Raucherinnen. Warum nehmen Sie die Männer aus dem Fokus in dieser Frage heraus?

(Angelika Peters, SPD: Das frag ich mich auch, das frag ich mich auch.)

Es ist richtig, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Lungenkrebstodesfälle bei Frauen sind angestiegen. Das zeigt auch der Krebsatlas der Bundesrepublik Deutschland, der die Entwicklungen für die letzten 55 Jahre widerspiegelt. Laut den Daten des Deutschen Krebsforschungsinstituts sterben mit 29.000 Personen jährlich jedoch mehr als doppelt so viele Männer an Lungenkrebs als Frauen. Lungenkrebs ist immer noch die häufigste Krebstodesursache bei Männern. Es wäre doch fatal, die Männer in dieser Hinsicht aus dem Blick zu nehmen.

(Toralf Schnur, FDP: So ist es.)

Sie sprechen die spezifischen Risiken für Raucherinnen an, speziell die Gesundheitsgefährdung von Mutter und Kind während der Schwangerschaft und Stillzeit.

Das Rauchverhalten des Vaters spielt in dem Antrag überhaupt keine Rolle. Aber das Rauchverhalten des Vaters, der neben Mutter und Kind sitzt und raucht, wird nicht infrage gestellt und ist ebenso problematisch wie das Rauchverhalten der Mutter selbst.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Deshalb ist Ihr Antrag wirklich sehr kurz gedacht, Herr Glawe.

(Harry Glawe, CDU: Davon ist doch gar nicht die Rede.)

Glauben Sie denn im Ernst, der Tabak konsumierende Vater hat keinen Einfluss auf die Gesundheit von Mutter und Kind?

(Vincent Kokert, CDU: Hätten Sie einen Änderungsantrag machen können.)

Dieser Antrag lässt sich nicht verbessern, weil er am Thema einfach vorbeigeht, Herr Kokert.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Es ist doch bewiesen, und das müssten Sie eigentlich auch wissen,

(Zuruf von Gabriele Měšťan, DIE LINKE)

dass das Passivrauchen mindestens genauso schädlich ist wie das aktive Rauchen. Wenn Männer ihre schwangere oder stillende Partnerin zuqualmen, ist die Gesundheitsgefährdung für Mütter und Kinder ebenso groß.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Harry Glawe, CDU: Das ist doch klar.)

Deshalb ist hier keine geschlechtersensible, sondern eine umfassende Herangehensweise für beide Geschlechter von gleicher Qualität notwendig. Eine Geschlechterdifferenzierung halte ich in diesem Zusammenhang für fatal.

Die Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur gesundheitlichen Situation von Frauen in Deutschland zeigt, dass zielgruppenorientierte Programme Wirkung erzielen, so zum Beispiel ein ärztliches Präventionsprogramm, in dem Ärzte zum Zwecke einer besseren und effektiveren Beratung für Schwangere und deren Partner, das muss ich hier betonen, zuvor speziell geschult wurden.

(Vincent Kokert, CDU: Die wollen wir doch gar nicht ausschließen, die Partner.)

Wir alle wissen, der Suchtmittelkonsum ist eines der großen Probleme in Mecklenburg-Vorpommern. In keinem anderen Bundesland gibt es so viele Raucherinnen und Raucher wie bei uns. Rauchen begünstigt eine Reihe von Krankheiten, die zum Tode führen, und dabei ist Rauchen doch ein vermeidbares Gesundheitsrisiko.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Herr Glawe, ich empfehle Ihnen daher einmal, einen Blick in das am 9. Juni 2008 erschienene Nationale Aktionsprogramm zur Tabakprävention zu werfen, das von der Facharbeitsgruppe Suchtprävention im Auftrag des Drogen- und Suchtrates erarbeitet wurde.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Das Programm enthält Vorschläge für wirklich sinnvolle Maßnahmen gegen das vermeidbare Gesundheitsrisiko Nummer eins, die kurz- und mittelfristig umgesetzt werden können.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das reicht nicht aus.)