Protokoll der Sitzung vom 19.11.2009

Ich will zur Erinnerung noch mal die Chronologie in den Blickpunkt bringen:

(Udo Pastörs, NPD: Durch die Verlängerung ist nichts gerettet.)

Am 5. Juni 2009 melden die Wadan-Werften ihre Zahlungsunfähigkeit. Die Unternehmen melden vorläufige Insolvenz an.

Am 25. Juni gibt es Demonstrationen in Warnemünde und in Wismar. Die Landesregierung, der Ministerpräsident und der Wirtschaftsminister, waren da, haben zu den anwesenden Demonstranten gesprochen.

Am 10. Juli, die Werfen sollen einen staatlich verbürgten Massekredit in Höhe von 190 Millionen Euro bekommen, damit die bereits begonnenen Fähren für die Stena Line Reederei aus Schweden zu Ende gebaut werden können.

Am 29. Juli genehmigt das Land MecklenburgVorpommern weitere Kredite über 20,5 Millionen, damit tatsächlich Betriebs- und Sicherungskosten finanziert werden können und, das war ja die Absicht, anteilig zwei Transfergesellschaften finanziert werden können.

Am 31. Juli gibt es in Wismar einen symbolischen Trauermarsch durch die Stadt gegen die Schließung der Werft in Wismar, aber auch solidarisch gegen die Schließung in Warnemünde.

Am 1. August, das wissen wir alle, wird dann das Insolvenzverfahren, eigentlich müsste man sagen, werden die Insolvenzverfahren für die fünf Gesellschaften eröffnet, und damit sind insgesamt 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen.

So weit zur Chronologie.

Es wurde dann ein Interessensausgleich abgeschlossen, ein Sozialplan vereinbart, und hier ist geregelt worden, dass die Beschäftigten in die Transfergesellschaften wechseln auf der Basis von Null-Stunden-Kurzarbeit. Die Laufzeit sollte fünf Monate betragen, unter bestimmten Voraussetzungen sollte eine Verlängerung möglich sein. Nicht erst heute stellt sich für mich und meine Fraktion die Frage, warum die Transfergesellschaften nicht gleich für die Dauer von zwölf Monaten eingerichtet wurden.

Nun gibt es zwischenzeitlich, das wissen wir auch, einen neuen Investor, aber neue Aufträge sind noch nicht in Sicht. Angesichts auch der vielen vollmundigen Versprechungen steht tatsächlich die Frage, wann denn nun die Aufträge nach Wismar und Warnemünde kommen. Zwar werden die Stena-Fähren fertig gebaut, auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Transfergesellschaften sind an diesem Bau beschäftigt, aber alleine auf diese beiden Fähren lässt sich Zukunft nicht aufbauen.

Was zählt, das sind und das bleiben neue Aufträge und darum geht es. Es geht um Aufträge für die Nordic Yards und Arbeit für die Werftarbeiterinnen und Werftarbeiter. Nur unter diesen Bedingungen machen die Transfergesellschaften Sinn. Die Aufnahme der ehemaligen Wadan-Beschäftigten in diese Gesellschaften war doch immer mit der Hoffnung und der Zuversicht verbunden, wieder auf die Werften zurückkehren zu können. Durch den Transfer in ein neues Arbeitsverhältnis, am besten am alten Standort, sollte den Ex-Wadan-Beschäftigen tatsächlich geholfen werden.

Ob die Transfergesellschaften, und ich will das überzogen hier formulieren, Zaubermittel oder Vorhölle sind, hängt nun wirklich von der unternehmerischen Strategie des neuen Eigners, aber auch von der Unterstützung der öffentlichen Hand ab.

(Udo Pastörs, NPD: Wenn man überhaupt die Absicht hat.)

Die durch die Transfergesellschaften gewonnene Zeit war und ist richtig und wichtig. Davon bin ich nach wie vor überzeugt, trotzdem bleibt für viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Transfergesellschaften ein fader Beigeschmack. Sie fühlen sich oft abgeschoben, sie sind geparkt im Profiling und in Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, weil eben die Zukunft ungewiss ist.

Ob der Transfer seitwärts in einen neuen Job führt oder abwärts in Richtung Hartz IV, hängt nicht nur von der Mobilität und Motivation der Betroffenen ab. Diejenigen, die wieder in Lohn und Brot kommen, pendeln zum Teil über lange Strecken zur Arbeit. Die Hoffnung, am Ort – in Wismar oder in Warnemünde – eine ähnlich qualifizierte und gut bezahlte Arbeit zu finden, geht doch gegen null. Und die Älteren? Die Älteren haben eher geringe Chancen, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Für sie ist besonders die Zukunft ungewiss.

Wir alle erinnern uns an den Aufschrei und die Empörung der Werftarbeiterinnen und Werftarbeiter nach den erpresserischen Angeboten des neuen Eigners bezüglich Lohnzuschlägen und Urlaub. Diese Empörung und der Aufschrei waren groß, aber beide sind bald verstummt, weil sich Ernüchterung breitmachte. Die Werftarbeiter nehmen lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach, was ich übrigens nachvollziehen kann.

Meine Damen und Herren, zum Ende des Jahres werden die Transfergesellschaften in Wismar und Rostock auslaufen. Die Betroffenen, die darüber hinaus auf den Werften keine Arbeit haben beziehungsweise in anderen Unternehmen keinen neuen Arbeitsplatz gefunden haben, stünden dann im neuen Jahr auf der Straße. Angesichts dieser Situation, Herr Waldmüller, haben wir vor zwei Wochen nicht gezögert, diesen Antrag auf die Tagesordnung zu setzen. Das war kein Schnellschuss, sondern es war Strategie, so, wie wir seit Juni, eigentlich seit dem Frühjahr, über Transfergesellschaften und Auffanglösungen hier gesprochen haben. Mit dem

Antrag unterstützen wir die berechtigte Forderung der IG Metall und der Betriebsräte aus Wismar und Warnemünde.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Regine Lück, DIE LINKE: So ist es.)

Unsere gemeinsame Forderung zur Verlängerung der Transfergesellschaften war und ist berechtigt und sie bleibt auch berechtigt, Herr Roolf. Wir haben Druck erzeugt und haben so die Regierung zum Handeln gezwungen, eine Lösung zu finden. Diese Lösung ist in der Tat gestern gefunden worden. Die Beschäftigten brauchen eine Perspektive

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

und sie brauchen Zuversicht, damit sie ein gewisses Maß – ich betone: ein gewisses Maß – an Sicherheit für sich und ihre Familien tatsächlich bekommen können. Sie brauchen die Zeit zur Überbrückung, sie brauchen so viel Zeit wie nur möglich.

Unser Antrag zielte darauf ab, die maximal mögliche Laufzeit für die Transfergesellschaften auszuschöpfen. Wenn jetzt durch die Regierung entschieden wurde, für beide Transfergesellschaften die Laufzeit bis zum 31. März 2010 zu ermöglichen, ist das ein Schritt in die richtige Richtung und er findet unsere Unterstützung, aber es ist eben nicht das Wünschenswerte und dieser Schritt geht uns nicht weit genug. Und es wird in der Tat die Aufgabe des neuen Eigners, dieses Zeitfenster zu nutzen, um die angekündigten Aufträge tatsächlich vertraglich zu sichern und damit Arbeit auf die Werften zu bringen. Noch sind die Belegschaften in Wismar und Rostock zusammen, die Beschäftigten sind das Kapital der Werften. Ein Neubeginn ohne Mannschaft ist nicht möglich.

Meine Damen und Herren, eines will ich abschließend sagen und das kann ich einfach nicht hinnehmen, dass die Landesregierung mit ihrer Entscheidung, die Transfergesellschaften zum 31. März 2010 zu verlängern, das letzte Wort gesprochen haben will. Ihre Verantwortung, meine Damen und Herren von der Regierung und von Koalition, endet nicht am 31. März 2010, sondern Ihre Verantwortung für die maritimen Standorte in Wismar und Rostock-Warnemünde geht über den 31. März 2010 hinaus.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Wir wollen heute hier nicht das letzte Wort gesprochen haben, aber wir wollen – und das, Herr Präsident, tue ich hiermit – unseren Antrag zurückziehen, um also diese Entscheidung zu akzeptieren.

(Michael Roolf, FDP: Ja, ja. Genau das.)

Ja, dann brauchen Sie sich ja nicht aufzuregen.

(Michael Roolf, FDP: Genau die Nummer zieht er ab, genau die Nummer.)

Ich höre Ihnen gerne zu.

(Michael Roolf, FDP: Ja, genau die Nummer.)

Meine Damen und Herren, wir ziehen diesen Antrag heute zurück, weil wir die Entscheidung der Regierung unterstützen.

(Michael Roolf, FDP: Ja, ja. Es ist unglaublich.)

Ich bin aber der Überzeugung, dass der Schritt nicht weit genug geht, und ich bin sicher, das wird nicht das letzte Wort zu den Werften in Wismar und Warnemünde hier diesem Hohen Haus sein. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Harry Glawe, CDU: Kluge Entscheidung.)

Meine Damen und Herren, Sie haben gehört, der Antrag wurde von den Antragstellern zurückgezogen. Damit kommen wir zum nächsten Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 36: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – Zukunft von Heiligendamm sichern – Keine Übertragung von Landeswald an die Entwicklungs-Compagnie Heiligendamm GmbH & Co. KG (ECH), Drucksache 5/2913.

Antrag der Fraktion der NPD: Zukunft von Heiligendamm sichern – Keine Übertragung von Landeswald an die Entwicklungs-Compagnie Heiligendamm GmbH & Co. KG (ECH) – Drucksache 5/2913 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Borrmann von der Fraktion der NPD.

Herr Präsident! Abgeordnete des Landtages! Bürger des Landes! Das erste Deutsche Seebad Heiligendamm hat eine bewegte Entwicklung hinter sich.

Durch großherzogliche Gründung privilegiert, suchen in ihm zunächst europäischer Hochadel und wohlhabendes Bürgertum Erholung und Genesung. Die wechselvolle Geschichte durchläuft nahezu alle Eigentumsformen. Besonders spannungsreich ist die Entwicklung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nach dem Ende der Monarchien in Deutschland auf neue Kunden eingestellt, versagt der Versuch einer nachhaltigen Reorganisation.

Adolf Hitler wird 1932 – noch vor der Ernennung zum Reichskanzler – erstmals im Reich zum Ehrenbürger einer Stadt ernannt: der von Bad Doberan-Heiligendamm. Doch nicht, dass er in der sozialistischen DDR und bis kurz vor dem G8-Gipfel Ehrenbürger bleibt, ist das Entscheidende, oder dass neben ihm auch Goebbels oder Mussolini im Seebad flanieren, viel wichtiger ist, dass auch einfache Deutsche erstmals durch die Organisation „Kraft durch Freude“ den Kurort genießen können.

Nach der Kriegszeit, in der das Seebad an die Reichsmarine übertragen wird, setzt sich die schon im Dritten Reich begonnene Öffnung Heiligendamms für schaffende Deutsche fort. Bis zum Ende der DDR sind Bad Doberan und Heiligendamm für werktätige Arbeiter, Bauern und die sogenannte Intelligenz zugänglich.

Auf dem IX. Parteitag der SED 1976 wird der Erhalt und der Ausbau Heiligendamms zur Chefsache erklärt. 1983 wird das gesamte Ensemble unter Denkmalschutz gestellt. Mit der Wende 1990 bricht eine fast 60-jährige Tradition ab. Zunächst werden die in Staatseigentum befindlichen Gebäude zum Teil in eine GmbH überführt. Die Nutzung wird weitgehend beendet, obwohl sich 1993 in allen Gebäuden rudimentär noch Verkaufsstellen, Büros, Geschäfte, Cafés und Gaststätten befinden. Es droht der langsame Zerfall des klassizistischen Ensembles.

In dieser Situation tritt Anno August Jagdfeld auf den Plan. Seine kühne Vision, Heiligendamm zum weltweit führenden See- und Erholungsbad besonders für die sogenannten Schönen und Reichen zu machen, findet bei den Bürgern und Stadtvertretern Gehör.

Doch Anno August kommt nicht als Kapitalist nach Mecklenburg-Vorpommern. Er agiert nicht mit eigenem Eigentum auf eigenes Risiko und eigene Rechnung. Jagdfeld wird als Feudalherr aktiv. Die von ihm gegründete Entwicklungs-Compagnie Heiligendamm – auch ECH genannt – wird als besonderer geschlossener Fonds der Fundus-Gruppe von Privatinvestoren Geld einwerben und dann Anno August Jagdfeld zu ihrem Repräsentanten mit nahezu unbeschränkten Vollmachten krönen, ohne dass dieser persönlich Risiken eingehen muss. Auch das Bundesvermögensamt hält seine Pläne für realisierbar und verkauft das Bundeseigentum für umgerechnet 9 Millionen Euro an die ECH.

Der umtriebige Jagdfeld möchte sein Konzept auf eine solide Basis stellen und strebt mit der Stadt Bad Doberan einen Grundlagenvertrag an, der Anfang 1998 in Kraft tritt. Doch das Ganze ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits werden die der ECH wohlgesonnenen Stadtvertreter nicht müde, die Umsetzung vonseiten der Kommune anzumahnen. Sie wollen alle von Jagdfeld geforderten Bedingungen möglichst rasch umsetzen, um die Vision eines grundlegend erneuerten und nachhaltig profitablen Seebades mit einzigartigem Flair nicht zu gefährden. Zu diesem Flair sollen ein Thalassozentrum, eine Klinik für plastische Chirurgie und ein Kongresszentrum errichtet werden. In einem Demmler-Palais planen die Investoren Verkaufsgeschäfte und Eigentumswohnungen.

Immer wieder machen die Stadtvertreter den Grundlagenvertrag im wahrsten Sinne des Wortes zur Grundlage ihres Abstimmungsverhaltens und erwecken bei Kritikern den Eindruck, ihr unkritischer Blick sei eine Folge des Verzichtes, der Stadt Bad Doberan-Heiligendamm eigene Interessen neben denen Jagdfelds zuzubilligen. Für sie steht die Vereinbarung mit Jagdfeld höher als das Wohl des Gemeinwesens ohne Jagdfelds Vorteile. Viele Entscheidungen werden auch damit begründet, dass Jagdfeld einer der größten Arbeitgeber der Region Bad Doberan sei, der über 300 Arbeitsstellen geschaffen und ganze Gebäudekomplexe im Kern des Seebades grundlegend saniert oder im klassizistischen Stil völlig neu gebaut habe.

Die Kritiker aus dem Bürgerbund, den Grünen sowie Teilen der FDP und der LINKEN sagen, dass dieses Konzept nicht aufgehen wird. Dies bestreitet die ECH. Sie räumt Heiligendamm als exklusives Kur- und Erholungsbad auch künftig außerordentliche Chancen ein, stellt dafür aber weitere Forderungen und Bedingungen. Eine dieser Forderungen richtet sich an das Land in Gestalt der Landesforstanstalt.

Erstens stellt die ECH den Antrag auf Übereignung eines 41.000 Quadratmeter landeseigenen „Kleinen Wohldes“ im Tausch gegen eine private Waldfläche im Landesinneren, die zurzeit noch Acker ist und aufgeforstet werden muss. Sollte ECH dabei insolvent werden, müsste allerdings das Land die Aufforstungskosten übernehmen.