Zwischen die Anhörung und die abschließende Beratung in den Ausschüssen fiel die Ablehnung der Bundesratsinitiative der Freien Hansestadt Bremen auf Bundesratsdrucksache 445/08 vom 24. Juni 2008. In Kenntnis dieses Sachverhaltes und unter Berücksichtigung der zu Ende gegangenen 16. Legislatur des Deutschen Bundestages hat der Landtag Mecklenburg-Vorpommern in seiner Sitzung am 28. Januar 2009 den Antrag meiner Fraktion abgelehnt, jedoch eine Entschließung im Sinne des Antrages meiner Fraktion angenommen.
Ich darf diese Entschließung noch einmal in Erinnerung rufen. Ich zitiere: „Das sachliche Anliegen des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/1197 wird unterstützt. Der Bundesrat hat zwar in seiner Sitzung am 19. September 2008 eine entsprechende Entschließung abgelehnt, der Landtag ist aber der Auffassung, dass die nötige Sicherung von Grundrechten für Kinder nicht hinreichend gewährleistet ist. Insofern soll das Ziel, dass die Verfassung eigene Rechte für Kinder als Träger von Grundrechten künftig formulieren und enthalten sollte, beibehalten werden. Nur so werden Kinderrechte auch im Rahmen der Verfassung für jedermann deutlich gemacht und bilden zugleich Richtschnur und Ziel staatlichen Handelns.“ Zitatende.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nunmehr ist die UN-Kinderrechtskonvention 20 Jahre alt. Wir haben inzwischen einen neu zusammengesetzten Bundesrat, einen neuen Bundestag und eine neue Bundesregierung,
also neue politische Rahmenbedingungen. Wir haben aber auch neue Urteile in der Rechtsprechung und wir haben weiterhin eine Situation im Land zu verzeichnen, die Beleg dafür ist, dass für Kinder eben nicht ausreichend eigenständige Rechte im Grundgesetz sowie in Folgegesetzen fixiert sind, um sie zu schützen, sie bestmöglich zu fördern und ihnen kindgerechte und angemessene Lebensbedingungen und damit die Möglichkeit für eine chancengleiche Entwicklung zu sichern. Dies fordert der Antrag meiner Fraktion und knüpft damit an die Entschließung des Antrages vom 28. Januar 2009 an.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, es wäre nur konsequent und im Interesse der Kinder, auch in unserem Bundesland diesem Antrag die Zustimmung zu geben. Ich will aber gleich an dieser Stelle sagen, dass sich meine Fraktion auch einer Überweisung – wie gehabt federführend in den Europa- und Rechtsausschuss und mitberatend in den Sozialausschuss – nicht verweigern wird, obwohl wir der Meinung sind, dass es einer tief greifenden Diskussion aufgrund der umfassenden Anhörung vom 28. Mai 2008 eigentlich jetzt nicht mehr bedarf.
Für alle Wankelmütigen unter Ihnen, meine Damen und Herren, möchte ich auf den damaligen Landtagsabgeordneten der CDU und jetzigen Europaabgeordneten Werner Kuhn verweisen, der in seiner Presseerklärung vom 10. Dezember 2008 ausführte, dass seine Fraktion die Aufnahme von Kinderrechten im Grundgesetz trotz der Ablehnung der Initiative im Bundesrat für „sinnvoll und notwendig“ erachtet. Abschließend äußert er, ich zitiere: „Die Landesregierung sollte möglichst nach Zusammentritt des nächsten Deutschen Bundestages erneut die Initiative für eine entsprechende Erweiterung des Grundgesetzes ergreifen.“ Zitatende.
Dass wir dabei auch weiterhin nicht allein sind, möchte ich anhand eines Zitates auf der Ersten Nationalen Konferenz für die Rechte des Kindes unter dem Motto „Vorrang für Kinderrechte“ hier an dieser Stelle noch einmal heranziehen. Professor Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker sagte auf dieser Konferenz: „Wir leben zu sehr auf Kosten unserer Kinder und Kindeskinder. Wir verändern das Klima und die Umwelt in bedenklichem Umfang. … Wir setzen unsere eigenen Kinder einem scheußlichen Konkurrenzkampf um Chancen und Arbeitsplätze aus und stopfen zuviel konkurrenzrelevantes Wissen in sie hinein. Es ist an der Zeit, die Rechte der Kinder endlich ganz oben auf die politische Agenda zu bringen.“
„Das Kernproblem ist die systematische Zerstörung oder Aushöhlung der Chancen der nächsten und der danach folgenden Generationen.“
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat zunächst die Sozialministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau Schwesig. Frau Schwesig, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Borchardt, ich begrüße ausdrücklich, dass als letzter Tagesordnungspunkt in dieser Landtagsdebatte und damit als letzter Tagesordnungspunkt in diesem Jahr das Thema „Kinderrechte ins Grundgesetz“ aufgerufen wurde, und es gibt Hoffnung, dass wir vielleicht dann mit diesem Thema am Ende dieses Jahres einen wichtigen Schlusspunkt setzen. Kinderrechte ins Grundgesetz – wir haben bereits im Februar dieses Jahres darüber debattiert und haben hier mehrheitlich einen Beschluss gefasst, dass der Landtag das möchte. Und Sie haben darauf hingewiesen, wir hatten dann gesagt, wir gucken uns die neue politische Gemengelage nach der Wahl an.
Es ist unbestritten, dass wir Kinderrechte ins Grundgesetz brauchen, Sie haben es eben gesagt: Kinder brauchen Schutz, Kinder brauchen Förderung und Kinder brauchen auch Beteiligungsrechte. Ich will das nicht näher erläutern, bei Kinderschutz wissen wir alle, was gemeint ist. Wir brauchen viel bessere rechtliche Rahmenbedingungen, Kinder besser zu schützen. Wir brauchen viel bessere rechtliche Rahmenbedingungen, wirklich die Förderung von Kindern, vor allem von allen Kindern zu verbessern. Und wir brauchen echte Beteiligungsrechte von Kindern.
Rechte von Kindern stehen immer in Konkurrenz zu Haushaltsdebatten, zu Rechten anderer, auch von Erwachsenen. Roman Herzog hat selbst mal gesagt, dass Kinderrechte gleichrangig zu Familienrechten stehen müssen. Und deshalb ist es so wichtig, nicht nur aus Symbolgründen, deshalb ist es eben so wichtig, dass wir die Kinderrechte im Grundgesetz verankern.
Ich unterstütze ausdrücklich Ihren Antrag, dass der Landtag Ihren Antrag in die beiden Ausschüsse überweist. Da können wir noch mal darüber sprechen, welche Möglichkeiten es gibt. Es gibt natürlich die Möglichkeit für die Landesregierung, eine entsprechende Bundesrats initiative zu starten. Ich möchte aber nicht verhehlen, dass meine Hoffnungen, dass wir die Kinderrechte ins Grundgesetz in den kommenden fünf Jahren verankern können, eher gering sind, denn wenn wir uns den Koalitionsvertrag auf Bundesebene angucken, ist da kein Wort drin.
Und wir wissen, dass mittlerweile alle demokratischen Parteien Kinderrechte im Grundgesetz unterstützen, außer die Union, und deswegen glaube ich nicht, dass wir,
Ich möchte an dieser Stelle gerne noch mal kurz daran erinnern, welche Vorstöße und mahnenden Hinweise es schon in den vergangenen 20 Jahren dazu gab: Die Kinderrechtskonvention wurde am 20. November 1989 verabschiedet und trat am 5. April 1992 in Deutschland
in Kraft. Die SPD-Mitglieder in der Verfassungskommission hatten sich bereits 1993 – allerdings vergeblich – bemüht, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Anlässlich des 15. Jahrestags der Konvention forderte das Aktionsbündnis Kinderrechte mit über 200 Organisationen und Zehntausenden von Einzelunterschriften zum 15. Jahrestag der Kinderrechtskonvention die Aufnahme. Nach einem Appell von Altbundespräsident Roman Herzog im Jahr 2006, die Aufnahme der Kinderrechte in die Verfassung ernsthaft zu prüfen, zeigten sich sowohl die Kanzlerin als auch die damalige Bundesfamilienministerin von der Leyen offen. Doch dabei blieb es dann, denn alle Vorstöße sind dann nach wie vor an der Union im Bund gescheitert.
Ja, Herr Kuhn ist dann später umgekippt, was mich auch sehr freut, denn ich erinnere daran, es gab auch hier im Land eine Debatte dazu.
Wir hatten eine Bundesratsinitiative von Rheinland-Pfalz, der wir nicht zustimmen konnten, weil die CDU damals in dieser Koalition noch nicht dafür war, und es hat dann noch mal intensive Debatten gegeben, dass wir doch uns auch als Landesregierung dazu verständigt haben, dass wir das gemeinsam unterstützen. Und das finde ich sehr gut.
Aber noch mal: Es gibt eben auf Bundesebene hier sehr wenig Bewegung, aber ich denke, wir sollten noch mal das weitere Vorgehen in den Ausschüssen beraten.
Dass es dringend notwendig ist, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern und damit eben die Möglichkeit zu geben, gegen kinderfeindliche Vorhaben vorzugehen, zeigt der heutige Tag. Wir haben zwei negative Entscheidungen im Bundesrat, was die Kinderrechte angeht.
Zum einen gab es heute den Antrag von Rheinland-Pfalz im Bundesrat, die Vorbehaltserklärung zur UN-Kinderrechtskonvention aufzuheben. Dieses Thema ist an der Mehrheit der Union im Bundesrat gescheitert. Die Union hat, obwohl sie es im Koalitionsvertrag auf Bundesebene hat, diese Entscheidung wieder vertagt, was sehr bedauerlich ist, denn es ist echt ein Uraltthema.
Und wir haben mit der Entscheidung zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz gerade die Rechte, was Kinder angeht, von Schutz, Förderung und Beteiligung eher geschwächt anstatt gestärkt. Es fehlen zukünftig Gelder für die Verbesserung des Kinderschutzes. Es fehlen Gelder für die Verbesserung der individuellen Förderung von Kindern. Wir wissen, dass die Mehrheit der Eltern, die vom Kindergeld profitiert, bereits sagt, dass sie das nicht zwingend für die Kinder ausgeben werden. Und viel schlimmer, das finde ich eigentlich das Schlimmste, gut ist die Kindergelderhöhung, aber viel schlimmer ist es, dass eben nicht alle Kinder davon profitieren. Ich muss es hier noch mal klarstellen.
Und, Herr Liskow, – ich glaube, jetzt ist er … doch, Sie sind da – an der Stelle bin ich nicht voreilig und vorlaut, sondern an der Stelle mache ich klar, was meine Aufgabe ist. Als Sozialministerin ist es meine Aufgabe, auf die Lebenslagen der Kinder in diesem Land hinzuweisen.
Wir haben viel zu viele Kinder, die arm aufwachsen und die von diesen Regelungen nicht profitieren, und das kritisiere ich als Sozialministerin und das ist auch meine verdammte Pflicht.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)
dass für diese Familien schon längst etwas getan wurde, weil das Schonvermögen verdreifacht worden ist, dann möchte ich auch noch mal darauf hinweisen: Davon profitieren die Kinder, die bei uns arm aufwachsen im Land, überhaupt nicht, denn lediglich 0,5 Prozent bundesweit profitieren von dieser Regelung und die wenigsten in Mecklenburg-Vorpommern.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, wir haben den Bericht zu Lebenslagen von Kindern vorgelegt. Dieser Bericht zeigt, dass das Land – und nicht erst seit zwei, drei Jahren, schon sehr lange – gute Angebote für Familien in diesem Land vorhält und dass es wichtig ist, dass gerade die Einkommenssituation von Familien sich verbessert, insbesondere von Familien, die Aufstocker sind und die eben auch Hartz IV empfangen. Das kommt mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz überhaupt nicht. Das wären Möglichkeiten, wenn wir Kinderrechte im Grundgesetz hätten, hier zu klagen und zu fordern, dass Kinder viel umfassender unterstützt werden.
Dass wir das im Land tun, wissen Sie. Alleine mit den Richtlinien für das Mittagessen und für die Elternentlastung werden wir die Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen verbessern.
Und an dieser Stelle möchte auch noch mal öffentlich klarstellen, weil es angezweifelt worden ist von Ihnen, Herr Fraktionsvorsitzender Glawe, dass die Richtlinien auf dem Weg sind.
Die aktuell gültige Richtlinie zur Elternentlastung läuft zum 31.12.2009 aus, die Nachfolgerichtlinie tritt zum 01.01.2010 in Kraft und wurde am 06.11.2009 vom Sozialministerium erlassen. Sie wurde bereits am 23.11.2009, also auch vor Ihrer öffentlichen Äußerung, veröffentlicht – im Amtsblatt. Die aktuell gültige Richtlinie zur Mittagsverpflegung läuft auch zum Ende des Jahres aus, die Nachfolgerichtlinie tritt pünktlich zum 01.01. des Folgejahres in Kraft und ist vom Sozialministerium bereits am 09.12.2009 erlassen worden und erscheint am 28.12.2009 im Amtsblatt. Also Sie sehen, wir tun im Land was für die Förderung, für den Schutz und für die Beteiligung von Kindern.
Ich würde mir wünschen, dass wir es schaffen, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, um die Position von Kindern in Deutschland zu stärken. Die heutigen Entscheidungen im Bundesrat zeigen, dass es dringend notwendig ist. Und weil wir kurz vor Weihnachten stehen: Man soll die Hoffnung ja nicht aufgeben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)