Protokoll der Sitzung vom 27.01.2010

Nun verdeutlichen langjährige Analysen zur Ausgabenentwicklung im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung immer wieder zwei Ausgabenbereiche, die sehr gut politisch zu beeinflussen sind.

(Harry Glawe, CDU: Das meinen Sie aber nicht ganz ernst, was Sie jetzt vorgetragen haben, ne?!)

Das ist zum einen die streng sektorale, fast undurchlässige Trennung zwischen dem ambulanten, dem akutstationären, dem rehabilitativen und dem pflegerischen Bereich. Zum anderen sind es die Ausgaben für Arzneimittel. Medizinische Versorgungszentren waren als ein Weg gedacht, Kosten im Gesundheitswesen zu minimieren und dabei die Versorgung zu optimieren.

Ich nenne zur Erinnerung noch einmal die Vorzüge von MVZ. Sie bestehen unter anderem darin, dass medizinische Kompetenz unter einem Dach gesammelt wird, diese Kompetenz durch die Zusammenarbeit der Ärztinnen und Ärzte mit medizinisch-diagnostischen oder therapeutischen Einrichtungen am MVZ genutzt werden kann und von den MVZ aus, die überwiegend in den Städten angesiedelt sind, erforderlichenfalls auch Zweitpraxen in der Fläche angeboten werden können. Durch die Form der Zusammenarbeit ist es möglich, kostenintensive Doppeluntersuchungen zu vermeiden, die sowohl belastend für die Patientinnen und Patienten, aber auch für die Versichertengemeinschaften sind. Durch gemeinschaftliches Management können Verwaltungskosten gemindert sowie Ärztinnen und Ärzte von derartigen Aufgaben im Interesse der Patientenversorgung entlastet werden. Ein besonderer Vorzug der MVZ besteht aber auch darin, dass die Ärztinnen und Ärzte im Angestelltenverhältnis gerade mit kleinen Kindern die Berufsausübung durch geregelte abgestimmte Arbeitszeiten ermöglicht bekommen.

Etwas liegt mir an dieser Stelle besonders am Herzen. Ärzte müssen sich nicht mit Berufsbeginn verschulden, schließlich ist ein ungeheurer Vorzug der MVZ, dass im Interesse eines solidarischen Gesundheitswesens auf diese Weise GKV- beziehungsweise Steuergelder gespart werden können, denn die niedergelassenen Ärzte, daran wollen wir in diesem Zusammenhang erinnern, müssen ihre Investitionen über Honorare, die aus der GKV finanziert werden, refinanzieren. Andererseits wissen wir, dass Krankenhäuser einen Anspruch auf Finanzierung ihrer Investitionen gegenüber dem Land haben, sofern sie im Krankenhausplan eines Landes für die bedarfsgerechte medizinische Versorgung einen wichtigen Platz einnehmen.

(Der Abgeordnete Sebastian Ratjen bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Aufgrund der Entwicklung in der Vergangenheit stehen heute vielerorts immer noch zwei Großgeräte, das

kennen Sie alle gerade in Grimmen, nebeneinander, die aus Abrechnungsgründen nur für die ambulante oder nur für die stationäre Versorgung genutzt werden dürfen.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, hinterher haben Sie Zeit, sich zu Wort zu melden.

(Torsten Koplin, DIE LINKE, und Peter Ritter, DIE LINKE: In der Einbringung ist das nicht üblich.)

Dank der Regelungen zum MVZ und zur integrierten Versorgung wurden diese strengen Hürden zwischen ambulanten und stationären Einrichtungen über die MVZ in kleinen Schritten aufgebrochen, die aber in keiner Weise ausreichend sind. Gerade im dünn besiedelten Flächenland Mecklenburg-Vorpommern können die MVZ gemeinsam mit den niedergelassenen Ärzten, den Krankenhäusern sowie den diagnostischen und therapeutischen Einrichtungen einen wichtigen Versorgungsauftrag in der Fläche wahrnehmen.

In Deutschland wurden bis Ende 2008 insgesamt 1.208 MVZ zugelassen, in denen 5.536 Ärztinnen und Ärzte, davon 77 in einem Anstellungsverhältnis tätig sind. In Mecklenburg-Vorpommern wurden bis zum Ende des Jahres 2009 genau 24 MVZ gegründet. MVZ wurden insbesondere in den alten Bundesländern seit ihrer Gründung vielfach kritisch beäugt, stellen sie doch in vielen Fällen einen Abschied von der Freiberuflichkeit des niedergelassenen Arztes dar, wobei durch die Kritiker der MVZ aber immer ganz bewusst außer Acht gelassen wird, dass MVZ immer einer Ermächtigung durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung bedürfen.

So ist es beim Lesen des Koalitionsvertrages von CDU, CSU und FDP nicht verwunderlich, dass die Klientelpolitik, die mit diesem Vertrag zementiert wird, sich auch im Teil Gesundheitspolitik niederschlägt. Nicht Aufgabenminimierung, nicht Systemoptimierung, nicht die bewährten Grundsätze von Solidarität oder gar Parität im Gesundheitswesen sind die Zielgrößen, sondern Wettbewerb, also Klientelpolitik. Wörtlich heißt es im Vertrag: „… das allgemeine Wettbewerbsrecht als Ordnungsrahmen“ soll „auch im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung Anwendung“ finden.

Beim „Systemumkrempler“ – so nennt das Mitgliedermagazin der Barmer GEK den Bundesgesundheitsminister Herrn Rösler – heißt es dann wörtlich, ich zitiere aus einem Interview: „Ich bin als Liberaler davon überzeugt, dass sich in unserem Gesundheitswesen mit mehr fairem Wettbewerb Preise und Qualität im Sinne der Versicherten positiv entwickeln können. Deswegen möchte ich eine stärker wettbewerbliche Neuausrichtung. Ich möchte weg von einem System, das glaubt, alles im Detail regeln zu müssen, und sich anmaßt zu wissen, was in jedem Einzelfall zu tun ist. Dazu muss das Gesundheitswesen in allen Bereichen von seinen Fesseln befreit werden, die es träge, bürokratisch und langsam gemacht haben.“

Bei Umsetzung der im Antrag gestellten Festlegung – meine Fraktion bezieht sich im Antrag auf den KoaVertrag – könnte es zu einer Verfestigung der sektoralen Aufgliederung im Gesundheitswesen kommen, die sowohl kostenintensiv ist als auch der bedarfsgerechten, wohnortnahen Versorgung zuwiderläuft. Wir alle wissen, wie schwer es ist, die flächendeckende bedarfsgerechte

Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern aufgrund der Altersstruktur der Ärztinnen und Ärzte zukünftig zu sichern. Wir kennen die Probleme bei der Gewinnung von medizinischem Nachwuchs und sind überzeugt, dass MVZ jungen Absolventen gute Startbedingungen bieten.

(Sebastian Ratjen, FDP: Ach ja?)

Die Landesregierung sieht diese Entwicklung offensichtlich ähnlich,

(Zuruf von Sebastian Ratjen, FDP)

denn sie verweist in der Antwort zur Kleinen Anfrage, Drucksache 5/3041, vom 21.12.2009 auf die Frage nach den Entwicklungspotenzialen von Medizinischen Versorgungszentren darauf, dass deren Entwicklungspotenziale „von den bundespolitischen Rahmenbedingungen“ abhängen würden.

Meine Fraktion unterbreitet deshalb den vorliegenden Antrag. Mit einer Bundesratsinitiative des Landes Mecklenburg-Vorpommern sollte darauf hingewirkt werden, dass zumindest in den ostdeutschen Flächenländern das Zusammenwachsen von ambulanten und stationären Einrichtungen des Gesundheitswesens ohne bürokratische Hürden befördert wird. Ich bitte um Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Frau Dr. Linke.

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Um das Wort hat zunächst gebeten in Vertretung der Sozialministerin der Bildungsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Tesch. Herr Tesch, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit Ihrem Antrag forderte die Fraktion DIE LINKE die Landesregierung auf, sich über den Bundesrat für den Erhalt beziehungsweise Ausbau von Medizinischen Versorgungszentren – kurz MVZ – einzusetzen.

Medizinische Versorgungszentren sind, ich zitiere aus dem Sozialgesetzbuch, „fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte … als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind.“ Zitatende. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit zur Bildung der Medizinischen Versorgungszentren im Jahr 2004 in das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch eingeführt. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es derzeit 24 MVZ.

Frau Ministerin Schwesig ist der Auffassung, dass die Medizinischen Versorgungszentren bei der Sicherung der ambulanten ärztlichen Versorgung eine wichtige Rolle spielen. Insofern sieht sie als Sozialministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern den Koalitionsvertrag auf Bundesebene durchaus kritisch. Dieses möchte sie ausdrücklich betont wissen. Danach sollen MVZ, Zitat, „nur unter bestimmten Voraussetzungen“, Zitatende, zugelassen werden. Das ist eine ziemlich vage Aussage, stellt Frau Ministerin Schwesig fest, die leider auch im weiteren Kontext des Koalitionsvertrages der Bundesregierung kaum konkreter wird.

Herr Minister gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ratjen?

Ich würde das jetzt hier einfach einmal vortragen, Herr Präsident.

Im Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb heißt es weiter, so die Ministerin, dass „Geschäftsanteile“ von MVZ „nur von … Ärztinnen und Ärzten sowie von Krankenhäusern gehalten werden“ sollen und dass „die Mehrheit der Geschäftsanteile und Stimmrechte Ärztinnen und Ärzten“ zustehen sollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, Sie müssen Frau Ministerin Schwesig nicht zum Jagen tragen. Sie können sicher sein, dass die Ministerin die gesundheitspolitischen Entwicklungen auf der Bundesebene aufmerksam verfolgt

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Wir sind das Parlament.)

und sie diese Entwicklung mit großer Sorge betrachtet. Sie wird sich selbstverständlich intensiv bei der Ausgestaltung der nächsten Gesundheitsreform im Bundesrat für die Interessen Mecklenburg-Vorpommerns als großes Flächenland einsetzen. Im Moment hält Frau Ministerin Schwesig allerdings die von Ihnen vorgeschlagene Initiative für wenig hilfreich. Der Koalitionsvertrag ist aus ihrer Sicht noch sehr vage und konkrete Vorschläge liegen noch nicht vor. Eine Initiative würde derzeit einfach verpuffen. Wir werden unseren Beitrag leisten, um den erforderlichen Strukturwandel im Gesundheitswesen in Mecklenburg-Vorpommern voranzubringen.

In den nächsten drei bis fünf Jahren werden 230 bis 250 Haushaltsstellen in unserem Land frei. Deshalb müssen wir handeln. Deshalb haben wir im Haushalt 2010 und 2011 jeweils 100.000 Euro eingestellt für innovative Projekte, die Wege zur Verbesserung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung aufzeigen können. Die Landesregierung denkt im Moment über sogenannte Gesundheitshäuser nach, in denen neben einer allgemeinen Arztpraxis auch Fachärzte Sprechstunden anbieten können. Außerdem könnten dort auch andere Gesundheitsdienstleistungen in die Pflegestützpunkte einbezogen werden.

Wir wollen in Zusammenarbeit mit Raumordnern und einem Landkreis ein Konzept entwickeln,

(Dr. Marianne Linke, DIE LINKE: Wir wollen!)

das die Strukturen der medizinischen Versorgung auch in kleinen Orten sichern kann. Bereits im Juni 2009 hat die Gesundheitsministerkonferenz der Länder eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit der Weiterentwicklung des Gesundheitswesens befasst. Hier arbeiten ebenfalls Fachleute des Sozialministeriums aus dem Land Mecklenburg-Vorpommern engagiert mit.

Ein ganz wichtiger Punkt ist die Weiterentwicklung der ambulanten ärztlichen Bedarfsplanung. Diese Planung stammt noch aus Zeiten der Überversorgung. Sie ist in der bestehenden Form nicht mehr in der Lage, die ärztliche Versorgung sinnvoll zu steuern. Ein Ansatzpunkt ist es, die Bedarfsplanung kleinräumiger vorzunehmen und hierbei auch sektorenübergreifend die stationäre und die ambulante Versorgung zu berücksichtigen.

Außerdem müssen die Länder regionale Akteure in die Bedarfsplanung mit einbeziehen. Dies hat mittlerweile sogar die Kassenärztliche Bundesvereinigung erkannt. Die Ministerin fordert daher auch den Bundesgesund

heitsminister auf, in seine Kommission zur Gesundheitsreform Vertreter der Länder, mindestens aber die Vorsitzende der Ministerkonferenz mit einzubeziehen. In der Kommission müssen auch regionale Erfahrungen berücksichtigt werden, stellt Frau Ministerin Schwesig ausdrücklich fest.

Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern wird Veränderungen im Gesundheitswesen, die zulasten der Versorgung in unserem Land gehen, ablehnen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Harry Glawe, CDU: Sehr gut.)

Danke, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Rühs von der Fraktion der CDU.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein sehr kurz gefasster Antrag der Fraktion DIE LINKE, der lediglich aus einem einzigen Satz besteht, Überschrift und Antragstext sind hier wortgleich: „Die Landesregierung wird aufgefordert, sich über den Bundesrat für den Erhalt bzw. den Ausbau der Medizinischen Versorgungszentren... einzusetzen.“ Mehr steht im Antrag nicht.

Ein Blick in den zwischen CDU, CSU und FDP auf Bundesebene geschlossenen Koalitionsvertrag schafft Klarheit: „Medizinische Versorgungszentren... sollen nur unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen werden. Geschäftsanteile können nur von zugelassenen Ärztinnen und Ärzten sowie Krankenhäusern gehalten werden. Wesentlich ist dabei vor allem, dass die Mehrheit der Geschäftsanteile und Stimmrechte Ärztinnen und Ärzten zusteht und das MVZ von Ärztinnen und Ärzten verantwortlich geführt wird. Für den Bereich unterversorgter Gebiete soll eine Öffnungsklausel für Krankenhäuser vorgesehen werden, wenn keine Interessenten aus dem Bereich der Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung stehen.“

Die vereinbarte Öffnungsklausel für unterversorgte Gebiete hat zur Folge, dass sich an der Situation in Mecklenburg-Vorpommern nichts ändern wird. Krankenhäuser werden auch in Zukunft die Möglichkeit haben, über ein Medizinisches Versorgungszentrum ambulante medizinische Versorgung in Ergänzung zu den niedergelassenen Ärzten für die Bürger anzubieten. Die doppelte demografische Entwicklung in der Bevölkerung und in der Ärzteschaft sowie der sich verschärfende Ärztemangel werden dazu führen, dass nicht jeder niedergelassene Arzt für seine Praxis einen Nachfolger finden wird, der die Praxis als Freiberufler in eigener Niederlassung fortführt. Vielmehr werden etwaige Versorgungslücken in Zukunft noch stärker durch die Krankenhäuser zu schließen sein, die neben der stationären medizinischen Versorgung mit angestellten Ärzten auch die ambulante medizinische Versorgung teilweise übernehmen, sich also dieser Aufgabe mit den in freier Niederlassung tätigen Medizinern teilen.

Oberstes Ziel hierbei ist, die medizinische Versorgung der Bevölkerung auch in Zukunft auf höchstem Niveau zu sichern. Die Arbeit für den einzelnen Arzt wird hierbei nicht weniger, sondern eher mehr werden. Daher kann auch nicht von einem unlauteren Verdrängungswettbewerb zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten gesprochen werden. Jeder wird weiterhin genug zu tun haben, die in eigener Praxis tätigen Haus- und Fachärzte sowie die Krankenhäuser.

Vielmehr besteht eher die Gefahr, dass selbst die Krankenhäuser unter der demografischen Entwicklung und dem Fachkräftemangel leiden, sie ihre Medizinischen Versorgungszentren gar nicht weiter ausbauen beziehungsweise im bisherigen Umfang fortführen können, da ihnen hierfür das Personal fehlt. Zudem muss ausdrücklich betont werden, dass schon jetzt nur einige wenige Krankenhäuser überhaupt ein MVZ haben, also von dieser Möglichkeit tatsächlich Gebrauch gemacht haben. Man kann und wird auch in Zukunft kein Krankenhaus zwingen können, sich neben der stationären medizinischen Versorgung auch an der ambulanten medizinischen Versorgung zu beteiligen, denn den Sicherstellungsauftrag für die ambulante medizinische Versorgung haben die Kassenärztlichen Vereinigungen,