Richtig, genau. Aber das ist doch sicher so, wer sagt, wir wollen den Richtern die Verwaltungsaufgaben übertragen, der muss fragen: Wo bleibt dann die Hauptkompetenz? Wann und in welchen Zeitabständen werden Entscheidungen getroffen? Wir beklagen uns schon manchmal, wenn manche Verfahren länger dauern.
Meine Damen und Herren, ich glaube einfach nicht daran, dass das Übertragen von Verwaltungsaufgaben unsere Justiz verbessert, es behindert sie im Grunde. Es ist die vornehme Aufgabe eines Justizministers oder einer Justizministerin, eines Justizministeriums, dafür zu sorgen, dass die sächlichen Ausgaben getätigt werden können, dass die personellen Voraussetzungen geschaffen werden müssen. Frau Ministerin Kuder hat, und das nicht mit einer Träne im Auge, aber doch mit sehr viel Überzeugung, sagen können, dass es manchmal gar nicht so einfach ist, im Konzert der Ressorts auch wirklich die Interessen der Justiz durchzusetzen. Wer soll das bitte tun, wenn Sie die Gerichte in die Fachgerichtsbarkeiten zersplittern und jeder dann hier seine einzelne Forderung stellt?
Also „divide et impera“ ist ein wunderschöner Grundsatz. Wenn man die Gerichte schwächen will, dann muss man sie aufteilen, da muss man den Richtern Aufgaben zuweisen, die sie nicht so gut können. Das wollen Sie nicht, das weiß ich, aber ich warne davor, dass man solche Dinge macht.
Der Ansatz, über den wir reden werden, ist folgender: Wie kommt es zur Bestellung von Richtern? Wie kommt es dazu, dass Richter in andere Funktionen gelangen? Auch da sieht die Verfassung richtig verbindliche Dinge vor. Anders als jeder andere Berufsstand kann man einen Richter – und das weiß einer, der dieses Amt bekommt – nicht gegen seinen Willen versetzen, weil er ja unabhängig ist. Bei dem, was Sie gesagt haben, dass die Gefahr besteht, dass ein Richter Angst oder Bedenken hat, wenn ich jetzt so entscheide, dann sind mir alle böse und versetzen mich, das geht nicht. Gott sei Dank! Das ist aber nicht der Punkt. Ich sage …
Nein, nein, nein. Sie hat aber gesagt, dass der Richter nach oben schielt. Sie haben das so gesagt, da bin ich eben fast an die Decke gegangen. Sie sehen unsere Richter, was ihr eigenes Selbstverständnis angeht, völlig falsch. Sie sollten mal mit ein paar Richtern reden.
Aber wenn Sie darauf abzielen, was in unserer Verfassung ja als Möglichkeit vorgesehen ist, Richterwahlausschüsse einzurichten, dazu sage ich Ihnen als ehemaliger Richter auch eins: Ich bin nicht so sehr davon überzeugt, dass eine Besetzung eines Richterwahlausschusses, wie das unsere Verfassung mit zwei Dritteln von Abgeordneten als Möglichkeit vorsieht, nun besonders die Richtigkeitsgewähr dafür hat, dass in der Fachgerichtsbarkeit die richtige Person ausgesucht ist.
Meine Damen und Herren, wer das will, wer in die Richtung geht, der muss sich fragen lassen, ob die Unabhängigkeit der Richter zu einer politischen Abhängigkeit ausgetauscht werden soll.
Das möchte ich auf gar keinen Fall. Was ich aber für vernünftig halte, ist, dass wir, da die Personalentscheidung an einem ehernen Grundsatz ausgerichtet ist, für jeden, der ein öffentliches Amt erstrebt, nach dem Artikel 33 Absatz 2 gehen. Da entscheidet ausschließlich eine Bestenauslese, wer sich am besten für das Amt eignet. Da gibt es keine parteipolitischen Abhebungsmöglichkeiten, sondern dort ist objektiv die Eignung festzustellen mit dem dafür erforderlichen Beurteilungsspielraum, wie wir alle wissen.
Eine autonome Justiz mit Selbstverwaltung halte ich für eine Schwächung der Justiz. Ich will mich auf einen, der da unverdächtig ist, berufen und darf zitieren. Der gerade in den Ruhestand verabschiedete Präsident des Oberlandesgerichts Braunschweig Edgar Isermann hat gerade zu diesen Überlegungen, die es, wie Sie richtig ausgeführt haben, ja gibt, gesagt: „Aus der Violinenstimme der Justiz droht im Konzert der Ressorts eine Triangel zu werden, wenn eine sich selbst verwaltende Justiz gegen die Posaunen“ – zum Beispiel, Entschuldigung – „des Sozialressorts und die Pauken der Bildung bei Haushaltsberatungen anklingen soll.“
Nein, es geht nicht um Juristen, sondern es geht um praktische Überlegungen, Frau Müller. Wie schaffen wir es, eine möglichst hochgradige Unabhängigkeit der Justiz insgesamt unter Beachtung des Grundsatzes, dass alle Richter in ihrer Amtsausübung völlig unabhängig sind, zu gewährleisten?
Worüber wir reden werden, und das werden wir tun müssen, weil wir auch unser Richtergesetz novellieren müssen, ist, wie bei der Bestellung von Richtern der Berufsstand mitwirkt. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten und darüber werden wir gerne reden. Das aber bringt Ihr Antrag gar nicht, weil der eigentlich aus meiner
Sicht nicht die Rechtsprechung voranbringt, sondern ein Prinzip zu Tode reitet. Und dafür ist mir die Justiz zu schade. Wir werden Ihren Antrag ablehnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Also mir haben die Schlagzeilen gefallen, die DIE LINKE da herbeigeführt hat. Unabhängige Justiz herstellen, das ist Wasser auf unsere Mühlen, das war eine gute Aktion. Vielen Dank, Frau Borchardt!
Ich muss Sie aber trotzdem ein klein wenig kritisieren. Es ist bezeichnend, dass DIE LINKE nur die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz von der Exekutive anspricht, aber die mangelnde Unabhängigkeit von den Parteien lieber nicht erwähnt, denn am Parteibuchschacher um Richterstellen beteiligt sie sich auch gern, wie der Kuhhandel um die Position der Landesverfassungsrichter gezeigt hat. Da haben Sie auch gerne zugegriffen.
Wie unabhängig von der Partei ist ein Richter, der durch sein Parteibuch Karriere macht? Wie unabhängig ist eine Justiz, die von Parteibuchagenden durchsetzt ist? Warum gilt der Grundsatz der Befangenheit eigentlich nur für Verwandtschaft, nicht aber für Parteibücher? Ist der Richter der Bruder meines Prozessgegners,
kann ich ihn wegen Befangenheit ablehnen? Die Prozessordnungen gehen zu Recht davon aus, dass es psychologisch unmöglich ist, wirklich innerlich unparteiisch zu sein, selbst wenn man es versucht, wenn einer der Prozessbeteiligten ein Verwandter ist, auch wenn der betreffende Richter noch so sehr seine Neutralität beteuert. Aber gleichzeitig soll es kein Problem sein, wenn etwa ein SPD-Mitglied völlig neutral und unparteiisch bleiben will, wenn es vor einem Verwaltungsgericht um eine Klage der NPD geht, zum Beispiel.
Stellen wir uns mal den Ministerpräsidenten Sellering vor in seiner Rolle als Verwaltungsrichter, das war er ja früher, und er hätte über die NPD zu entscheiden, über eine Klage der NPD. Er hasst die NPD tödlich, würde sie am liebsten verbieten und plattmachen, aber innerlich ist er natürlich völlig unparteiisch, hält sich nur ans Gesetz.
warum gibt es dann überhaupt noch die Rechtsfigur der Befangenheit, warum traut man ihm nicht zu, gegen seinen eigenen Bruder zum Beispiel, wenn er einen hätte, zu entscheiden? Warum dieses Zwiedenken?
Warum lässt man in einem anderen Bereich den Trainer von Bayern München nicht als Schiedsrichter das entscheidende Meisterschaftsspiel gegen den HSV, sagen wir mal, pfeifen?
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oh, das sind aber sehr platte Vergleiche, platte Vergleiche! – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)
Antwort aus der Praxis: weil es sofort einen Aufstand gäbe. So etwas einzuführen, würde keiner wagen. In der Welt des Fußballs wird der Schwachsinn dieser Vorstellung, ein parteiischer Richter könnte unparteiische Entscheidungen auch gegen seine Partei treffen, sofort offenbar. Diese Welt des Fußballs ist eben noch relativ volksnah,
die Regeln sind einfach, das Geschehen leicht zu überblicken. Aber die Welt des Gerichtssaals hingegen nebelt sich ein mit Tausenden komplizierten Vorschriften und jeder Menge Brimborium. Für den Bürger ist all dies so unverständlich, dass man eine Menge Unsinn vor ihm verbergen kann, der ihm beim Fußball sofort auffallen würde. Der Parteibuchrichter kann nicht unparteiisch urteilen. Die Robe ist auch kein Zaubermantel, der dies ermöglicht.
und trotzdem alle unparteiisch bleiben – Polizei, Behörden, Justiz und der ganze Staat. Da war die SED ehrlicher. Richter hatten einen klaren, parteiischen Klassenstandpunkt einzunehmen, was viele dann allerdings nicht daran hinderte, in den BRD-Staatsdienst einzutreten, wo sie jetzt aber über ihre Parteilichkeit nicht mehr laut sprechen dürfen, welche Parteibücher sie auch immer haben mögen jetzt. DIE LINKE sitzt im Augenblick nicht in der Exekutive, also kostet es sie gar nichts, deren Einfluss auf die Justiz zu beklagen.
Aber zur Parteibuchjustiz sagt sie vorsichtshalber lieber nichts, denn in dieses Geschäft ist sie selber eingestiegen, und deswegen lehnen wir diesen Antrag ab.
Sie haben zwar vorhin eine gute Rede gehalten, aber deswegen werde ich nicht den Antrag zurückziehen, oder wir. So geht das nicht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon sehr interessant, hier die Debatte zu verfolgen. Und da Sie mit ein paar Zitaten gekommen sind, werde ich Ihnen jetzt mal eins vorlesen von einem Verfassungsrichter, Präsident des Verfassungsgerichtes des Landes Brandenburg, Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Dr. Peter Macke. Er schrieb, ich zitiere: