Protokoll der Sitzung vom 11.03.2010

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Vor drei Tagen haben wir zum 99. Mal den Internationalen Frauentag gefeiert. Er geht, wie die meisten von Ihnen sicherlich wissen,

(Udo Pastörs, NPD: Sie haben den gefeiert, ich weniger.)

zurück auf die Initiative von Clara Zetkin, die den Frauentag im August 1910

(Udo Pastörs, NPD: Die rote Guillotine Clara Zetkin!)

auf der II. Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen vorgeschlagen hat. Am 19. März 1911 feierten die Länder Deutschland, Dänemark, Österreich, Ungarn und die Schweiz den Tag zum ersten Mal. Mehr als ein Jahrzehnt später, im Jahr 1921, fand schließlich die Festlegung auf den 8. März als Internationalen Frauentag statt.

Der Frauentag, liebe Kolleginnen und Kollegen, steht für den Kampf um die Rechte der Frauen, doch die Bilanz, die wir auch in diesem Jahr ziehen müssen, ist ernüchternd.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Von einer tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter sind wir noch weit entfernt und die NPD wird sie wohl nie erreichen wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir leben im 21. Jahrhundert, Fortschritt auf allen Ebenen, doch in einer Sache sind wir so rückständig, dass man meinen könnte, wir wären noch am Anfang des Ringens in der Gleichstellung der Geschlechter. Es geht um die ungleiche Entlohnung von Frauen und Männern. Frauen in der Bundesrepublik erhalten für die gleiche und gleichwertige Arbeit bei gleicher Qualifikation durchschnittlich 23 Prozent weniger Lohn als Männer. Unter dem Strich bedeutet das, dass Frauen mehr leisten müssen, um auf den entsprechenden Lohn zu kommen wie die Männer. Für mich ist das ein klarer Fall von Ausbeutung.

Um auf diese Diskrepanz aufmerksam zu machen, wird seit 2008 der Equal Pay Day begangen.

(Udo Pastörs, NPD: Equal Pay Day!)

Es ist der Tag der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern, der in diesem Jahr am 26. März stattfindet.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Die zentrale Veranstaltung dazu wird in Neubrandenburg durchgeführt. Das Datum wird bewusst gewählt. Es ist der Zeitraum, den Frauen nach Ablauf eines Jahres länger arbeiten müssen, um auf den gleichen Lohn zu kommen wie die Männer. Das ist fast ein Vierteljahr länger, das ist enorm und aus unserer Sicht untragbar.

Auch wenn die Zahlen für Mecklenburg-Vorpommern beim Vergleich der Bruttomonatsgehälter von Frauen und Männern besser ausfallen – hier sind es lediglich 7,2 Prozent Lohnunterschied –, ist dies noch lange kein Signal, sich beruhigt zurückzulehnen. Im Gegenteil, jedes Prozent ist zu viel. Außerdem verdienen Männer und Frauen in Mecklenburg-Vorpommern weniger als im Bundesdurchschnitt, das heißt, die Männer nähern sich auf der Einkommensspirale nach unten den Gehältern der Frauen an, nicht umgekehrt. Das ist übrigens auch ein Problem, dem wir uns stellen müssen.

(Vizepräsident Hans Kreher übernimmt den Vorsitz.)

Wir fordern deshalb die Landesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass die Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern endlich Realität wird. Dafür brauchen wir verbindliche rechtliche Regelungen und nicht nur Ankündigungen. Wir brauchen verbindliche rechtliche Regelungen, die auf den bestehenden Grundsätzen des Artikels 3 Absatz 2 des Grundgesetzes sowie auf den bestehenden europäischen und internationalen Vorgaben zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit aufbauen. Und wir brauchen Maßnahmen, mit denen die Entgeltgleichheit wirksam umgesetzt werden kann.

Lohndiskriminierung kann unmittelbar stattfinden. Dies ist der Fall, wenn eine Arbeitnehmerin bei gleicher Anstellung, gleicher Qualifikation und Unternehmenszugehörigkeit weniger verdient als ihr männlicher Kollege. Unbedingt in den Fokus zu nehmen sind aber auch die Formen der indirekten Lohndiskriminierung. Diese liegen vor, wenn etwa bestimmte Berufe nachteilig geschlechtsspezifisch identifiziert werden und dies nicht sachbezogen auf die Arbeit zurückgeführt werden kann.

Wenn wir uns traditionell männliche und weibliche Berufe anschauen, stellen wir fest, dass männertypische Berufe im Vergleich zu typischen Frauenberufen höhere Bruttoarbeitslöhne aufweisen. Diese Gründe liegen häufig in der unterschiedlichen Arbeits- und Leistungsbewertung von Frauen und Männern, zum Beispiel werden die sogenannten weichen Faktoren, die eine bestimmte Tätigkeit erfordert, häufig nicht mitbewertet. Es handelt sich hierbei um soziale Kompetenzen wie Einfühlungsvermögen, Teamfähigkeit und Organisationstalent, die aber entscheidend sind zum Gelingen von Arbeitsabläufen.

Im Absatz 2 des Grundgesetzes ist die Gleichberechtigung von Frauen und Männern und die Beseitigung bestehender Nachteile grundlegend verankert. Der Grundsatz des gleichen Entgelts für die gleiche und gleichwertige Arbeit ist im EG-Vertrag Artikel 141 sowie in den Amsterdamer Verträgen verankert. Die Europäische Entgeltgleichheitsrichtlinie 75/117/EWG wurde zusammen mit weiteren Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern sowie über die Beweislast bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in eine gemeinsame Richtlinie umgewandelt. So weit die Rechtslage, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Aber die fortbestehende Ungleichbehandlung bei der Entlohnung von Frauen und Männern zeigt, dass die Bundespolitik ihren Verpflichtungen aus den gesetzlichen Vorgaben nur unzureichend oder gar zögerlich nachkommt.

In diesem Zusammenhang muss auch eine Neubewertung von Arbeit stattfinden. Gehaltsstrukturen und Entgeltsysteme müssen hinsichtlich ihrer Geschlech

tergerechtigkeit überprüft und modifiziert werden. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Mittel – und ich betone: ein Mittel – zum Abbau des Lohngefälles zwischen Frauen und Männern ist die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes und die damit einhergehende Höherstufung von gering entlohnter Arbeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Ich betone: ein Mittel – weil fälschlicherweise in der Debatte unterstellt wird oder unterstellt werden kann, dass wir nur dieses Mittel des Mindestlohnes in Anwendung bringen möchten. Ich empfehle deshalb hier, die Begründung unseres Antrages genauer zu lesen.

Dem Niedriglohnsektor gehören mit einem Anteil von zwei Dritteln überproportional häufig Frauen an. Die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Min destlohnes trägt zu einer Verbesserung der Bezahlung im Niedriglohnsektor bei und kommt damit vor allem den Frauen zugute. Und auch die Sozialministerin dieses Landes hat erst jüngst im Sozialausschuss genau dieses dargestellt und gefordert und dafür erhält sie unsere Unterstützung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Länder, die bereits einen gesetzlichen Mindestlohn eingeführt haben, weisen eine positive Bilanz bei der Verringerung der Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern auf.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind die Grundlagen für eine Vollerwerbstätigkeit von Müttern. Dazu gehört unter anderem auch ein Rechtsanspruch auf eine hochwertige flächendeckende, elternbeitragsfreie und ganztägige Kinderbetreuung. Sie sehen also, es geht um mehr als um einen flächendeckenden Mindestlohn.

Tarifbindung hat grundsätzlich einen günstigen Einfluss auf die Entgeltgleichheit von Frauen und Männern. In Mecklenburg-Vorpommern sind jedoch, wie in allen ostdeutschen Bundesländern, mit einem Anteil von 22 Prozent weniger Unternehmen an einen Tarif gebunden als in den westlichen Bundesländern. Auch hier gibt es also Nachholbedarf.

Bestehende Lohnunterschiede halten sich doch auch bei Tarifbindungen hartnäckig. Da die Tarifverhandlungen in den vergangenen Jahrzehnten bis auf die Höhergruppierungen im Sozial- und Erziehungsdienst keine nennenswerten Veränderungen an den Einkommensunterschieden gebracht haben, müssen auch die Tarifpartner zu konkreten Maßnahmen zur Herstellung von geschlechtergerechten Entlohnungssystemen verpflichtet werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zeigen Sie uns also, dass Ihnen die Arbeitsleistung von Frauen genauso viel wert ist wie die der Männer, und stimmen Sie unserem Antrag zu, aber auch unserem Änderungsantrag, der eine Ermunterung an die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber des Landes ist, sich einem Selbsttest zu unterziehen. Und Selbsttest muss es,

(Dr. Margret Seemann, SPD: Herr Ritter, das ist von mir abgeschrieben.)

und Selbsttest muss es,

(Dr. Margret Seemann, SPD: Ich hatte heute Mittag eine Pressemitteilung rausgegeben.)

und Selbsttest,

(Dr. Margret Seemann, SPD: Ich bin empört!)

und Selbsttest muss es natürlich auch im Antrag heißen.

Und wir greifen Ihre Idee natürlich gern auf, Frau Dr. Seemann,

(Dr. Margret Seemann, SPD: Da bin ich schon mit an die Presse gegangen.)

um diesen Antrag zu qualifizieren,

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

um diesen Antrag zu qualifizieren, weil ich es leid bin, liebe Kolleginnen und Kollegen, mir immer anhören zu müssen, unsere Anträge seien nicht zielführend genug. Nun habe ich diese Kritik zur Kenntnis genommen

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

und unseren Antrag qualifiziert und nun ist es auch wieder nicht recht. Also entscheiden Sie sich bitte, was Sie tun!

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Nur Reden zu halten oder Presseerklärungen abzugeben, das reicht mir nicht mehr aus. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Danke, Herr Ritter.

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.