Protokoll der Sitzung vom 11.03.2010

Danke, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin für Gleichstellung Frau Dr. Seemann.

(Zurufe von Raimund Frank Borrmann, NPD, und Udo Pastörs, NPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte jetzt in der Zwischenzeit ein paar Minuten Zeit, dass sich meine Aufregung wieder legt. Einige von Ihnen haben das ja vielleicht mitgekriegt.

Ich muss Ihnen sagen, als ich den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE gesehen habe, war ich in der Tat etwas aufgeregt. In der Zwischenzeit muss ich Ihnen sagen, ich bin eigentlich ziemlich enttäuscht. Der Änderungsantrag zielt darauf ab, dass die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen in Mecklenburg-Vorpommern aufgefordert werden sollen, an dem Selbsttest Logib-D mitzumachen, um zu gucken, wo in ihren Unternehmen Entgeltungerechtigkeiten vorherrschen zwischen Mann und Frau. Dieser Antrag ist fast wortwörtlich von einer Pressemitteilung, die ich heute Vormittag herausgegeben habe, abgeschrieben worden.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Oooh! – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich weiß nicht, muss man so einfallsarm eigentlich sein, um daraus noch einen Änderungsantrag zu erstellen?

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Ich komme da nachher noch mal zu, weil der ganze Antrag Entgeltungleichheit eigentlich, das stelle ich Ihnen gleich noch mal vor, aus der SPD-Feder hätte stammen können beziehungsweise stammt. Dazu habe ich auch noch ein paar Zitate.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Wir haben in den letzten Jahren, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, immer, finde ich, sehr zielorientiert zusammengearbeitet. Und ich war auch immer bemüht, die Anträge, die Sie gestellt haben, weil sie inhaltlich in der Regel auch Ziele, die die SPD verfolgt, mitgetragen haben, ich war immer bemüht, dass diese Anträge in diesem Hohen Hause nicht einfach abgelehnt werden, sondern, weil sie mir inhaltlich wichtig waren, in die Ausschüsse überwiesen werden und dort mehrheitsfähig gemacht werden. Gestern haben wir so ein Paradebeispiel dafür gehabt. Aber ich sehe zwischenzeitlich jetzt nicht mehr ein, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, dass Sie SPD-Themen, Themen, die ich seit Langem als Parlamentarische Staatssekretärin hier im Land verfolge

(Helmut Holter, DIE LINKE: Sie haben doch keinen Alleinvertretungsanspruch, Frau Seemann. Wo leben Sie denn?!)

und auch erfolgreich verfolge, dass Sie die aufgreifen, weil Sie genau wissen, dass Sie dann einen Zwist in die Koalition reinbringen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das wollen sie. – Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, das ist ihre Aufgabe.)

Sie wissen auch,

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Sie wissen, und da stehe ich auch zu, Sie wissen auch,

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Sie wissen auch, dass wir in der rot-roten Koalition uns an bestimmte Abmachungen gehalten haben, und das

werden wir selbstverständlich auch in der Koalition mit der CDU machen. Und ich brauche keine Aufforderung und die SPD-Fraktion braucht sie beim besten Willen auch nicht, dass Sie uns bei Dingen, die wir schon lange machen und immer gemacht haben und weiterverfolgen, dass Sie mit Anträgen uns dann noch mal zum Jagen verhelfen. Das sehe ich in der Zwischenzeit auch nicht mehr ein, ich komme da gleich noch mal zu.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Thema „geschlechtsspezifische Entgeltungleichheit“ brennt uns mittlerweile allen unter den Nägeln, nachdem auf Ebene des Bundes und Europas endlich konkrete Zahlen auf himmelschreiende Ungerechtigkeiten hingewiesen haben. Leider wurde vor etlichen Jahren – und da waren wir noch in der Koalition, meine sehr gehrten Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE –, als seitens meines Zuständigkeitsbereiches hier in Schwerin eine Tagung mit großer Resonanz durchgeführt wurde, dieses insgesamt in Deutschland noch nicht als wirkliches Thema begriffen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hätten in diesem Bereich schon weiter sein können, denn die Tatsachen sind beileibe nicht neu. Nach Bekanntwerden der Daten folgten aber, und darüber bin ich wiederum froh, vor allem von den Gewerkschaften, den gleichstellungspolitischen Akteurinnen und Akteuren wie dem Landesfrauen rat und den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten, aber eben auch von der Politik Diskussionen und Sensibilisierungen für dieses Thema mit verschiedensten Aktionen und Maßnahmen. Ich denke zum Beispiel an entsprechende Anträge der GFMK, die auch durch mein Drängen mit zustande gekommen sind, oder auch an den Equal Pay Day.

Auch in diesem Jahr werde ich selbstverständlich das Aktionsbündnis aus DGB, dem Landesfrauenrat und den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten unterstützen und mit ihnen gemeinsam am 26. März in Neubrandenburg gleichen Lohn für gleiche und – das ist mir besonders wichtig – gleichwertige Arbeit einfordern.

(Harry Glawe, CDU: Sehr richtig.)

Der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern wird durch den sogenannten Gender-Pay-Gap-Indikator dargestellt. Er stellt den prozentualen Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von Frauen und Männern dar. Wir haben eben schon ein paar Zahlen gehört. Diese Zahlen differieren etwas.

Allerdings eint diese Zahlen, sie differieren auch nicht besonders stark, dass Deutschland im Ranking weit hinten ist. Während in der EU der Durchschnitt der Entgeltungleichheit zwischen Männern und Frauen bei 17,4 Prozent liegt, beträgt er in Deutschland im Durchschnitt circa 23 Prozent.

(Marc Reinhardt, CDU: Ja, bei uns nur 7. Da sind wir ja …)

Damit liegt Deutschland im Vergleich der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union – ich bin hier auf die Schätzungen der europäischen Statistik eingegangen – aktuell an fünftletzter Stelle.

Bei dieser unbereinigten geschlechtsspezifischen Entgeltlücke gibt es ein deutliches Gefälle zwischen West- (24 Prozent) und Ostdeutschland (6 Prozent).

Nach Angaben des Statistischen Landesamtes Schwerin beträgt der Bruttostundenverdienst der Männer in Mecklenburg-Vorpommern durchschnittlich 14,55 Euro und der der Frauen 13,25 Euro. Grundlage sind alle voll- beziehungsweise teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im gesamten produzierenden Gewerbe und Dienstleistungsbereich. Das umfasst also sämtliche Berufsgruppen außer den Landwirtschaftsbereich, der wird nämlich nicht miterfasst. Das heißt, die Gehaltsschere beträgt 9 Prozent. Nimmt man allerdings nur die Führungskräfte, so sind es 16 Prozent. Und das ist nicht ganz unwichtig, darauf komme ich gleich noch mal zurück.

Der geringere Lohnunterschied in den neuen Bundesländern resultiert zum einen aus dem anderen Erwerbsverhalten von Frauen in den neuen Bundesländern – stärker vollzeiterwerbstätig, kürzere Unterbrechungen wegen Kinder- und Betreuungszeiten, stärker vollzeitbeschäftigt –, wobei nach einer neuen Untersuchung der WSI-Forscherin Dr. Christina Klenner auf Basis des sozioökonomischen Panels zu Einkommensverhältnissen in Paarhaushalten mit und ohne Kindern seit 1990 auch im Osten die Zahl der Paare mit teilzeitbeschäftigter Frau stetig zunahm, von 16 auf 28 Prozent, während parallel der Anteil der Vollzeitpaare, also wo beide Vollzeit arbeiten, von 65 Prozent auf 41 Prozent sank. Am gravierendsten ist jedoch, dass in den neuen Bundesländern die Löhne insgesamt, also für Männer und Frauen, niedriger sind und dadurch der reale Entgeltunterschied zwischen den Geschlechtern nicht so gravierend ist. Dennoch und gerade deshalb ist auch das Thema bei uns brisant.

Die gesamtwirtschaftliche Entgeltlücke ist ein Kernindikator für die fortbestehende Ungleichbehandlung von Frauen im Erwerbsleben. Zugleich stellt die Entgeltlücke einen erheblichen Fehlanreiz für die Erwerbsbeteiligung von Frauen dar. Frauen sind signifikant häufiger im Niedriglohnbereich und in Minijobs. In Schwerin zum Beispiel müssen insbesondere Frauen aus dem Dienstleistungsbereich und den Callcentern mit Hartz IV aufstocken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn angesichts dieser Situation in der Ausgabe der OZ vom 05.03.2010 unter der Überschrift „Erster Arbeitsmarkt von Frauen dominiert“ suggeriert wird, dass Frauen die Gewinnerinnen auf dem Arbeitsmarkt sind, geht das weit an der Realität vorbei, denn laut Statistischem Landesamt Schwerin mit Stichtag 30.09.2009 bilden Frauen mit 270.000 von 520.000 Beschäftigten zahlenmäßig zwar die Mehrheit, aber bei genauerem Hinsehen sind allein im Dienstleistungssektor, also dem klassischen Niedriglohnbereich, von 398.000 Beschäftigten 240.000 weiblich und 149.000 männlich. Im produzierenden Gewerbe hingegen sind von 115.000 Beschäftigten lediglich 25.000 weiblich.

Um wirklich qualifizierte Aussagen machen zu können, reicht es eben nicht, die Arbeitslosenquote oder Erwerbsquote anzugeben, sondern die Art der Beschäftigung und der Tätigkeitsbereich spielen eine erhebliche Rolle. Praktiken wie die von Schlecker, wo vor allem Frauen beschäftigt sind, den Lohn durch Ausgliederung immer weiter zu senken, sind sittenwidrig. Stundenlöhne von 1,90 Euro, wie sie offensichtlich der Arbeitslosenverband in Stralsund gezahlt hat, verurteile ich auf das Schärfste. So etwas Menschenverachtendes muss gesamtgesellschaftlich geächtet und dagegen muss mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln konsequent vorgegangen werden.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Euer ganzes System ist menschenverachtend.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, Sie haben als eine Lösung des Problems Entgeltungleichheit die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes benannt. Ich stehe ohne Wenn und Aber – und mit mir auch die gesamte SPD-Fraktion – zur Forderung der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes. Dazu bedarf es nicht Ihrer Aufforderung, das ist bekannt.

(Angelika Peters, SPD: Genau.)

Das wissen auch Sie genau. Sie müssen nicht mit unseren Positionen Anträge machen.

Gestatten Sie mir an dieser Stelle ein Zitat: „Bei der Aufwertung von frauentypischen Berufen dürfen wir auch vor dem Thema ‚Gesetzlicher Mindestlohn‘ nicht Halt machen. Denn im Niedriglohnsektor arbeiten fast 70 Prozent Frauen. Vollzeitbeschäftigte Frauen sind doppelt so häufig von niedrigen Löhnen betroffen wie vollzeitbeschäftigte Männer. Die SPD macht sich deshalb stark für gesetzliche Mindestlöhne.“

(Irene Müller, DIE LINKE: Jetzt plötzlich.)

„Und dass Mindestlöhne den Verdienstabstand von Frauen und Männern verringern können, zeigt sich längst bei unseren europäischen Nachbarn: In Großbritannien, das 1999 einen Mindestlohn eingeführt hat, haben sich Untersuchungen zufolge die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern am unteren Ende der Einkommensverteilung um etwa 1 bis 2 Prozent verringert.“

(Egbert Liskow, CDU: Super.)

„Mindestlöhne sind aus meiner Sicht nicht nur ein Gebot der ökonomischen Vernunft, sondern auch ein Gebot der Geschlechtergerechtigkeit.“ Zitatende.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, stammt – das wurde am Zitat schon deutlich – nachweislich nicht aus der Feder einer Vertreterin oder eines Vertreters der Partei DIE LINKE, sondern aus dem Impulsreferat der SPD-Bundestagsabgeordneten Mechthild Rawert anlässlich der Podiumsdiskussion zum Equal Pay Day am 15.04.2008 im Roten Rathaus Berlin.

(Irene Müller, DIE LINKE: Und seit wann reden wir vom Mindestlohn?)

Ein Schelm, der Böses dabei denkt,

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

wenn wir uns den Wortlaut vor allem in der Begründung des vorliegenden Antrages ansehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschließend möchte ich sagen, dieser Antrag ist überflüssig. Die Fraktion der SPD und auch ich als Parlamentarische Staatssekretärin kümmern uns um das Thema Entgeltgleichheit schon seit langen Jahren. Wir brauchen hier diesen Antrag nicht, wir brauchen schon gar nicht den Änderungsantrag,

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)