Das Wort zur Einbringung für den Antrag der Fraktionen der SPD und CDU hat der Abgeordnete Herr Schulte von der Fraktion der SPD. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit Menschengedenken werden an der Ostsee Schiffe gebaut. Ob in Wismar, Rostock, Stralsund oder Wolgast, für die Menschen in diesem Land war und ist der Schiffbau mehr als nur ein beliebiger Arbeitsplatz. Die Schiffe, die auf Reede lagen und deren Fertigstellung nicht nur die Kolleginnen und Kollegen in den Werften miterleben konnten, waren nicht nur Arbeit und Einkommen für Tausende von Menschen und deren Familien in unserem Land, sie waren und sie sind auch heute noch Ausdruck des Selbstempfindens vieler Menschen in unserem Land.
Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die maritime Wirtschaft im Allgemeinen und der Schiffbau im Besonderen sind nicht nur Nostalgie. Auch heute ist die maritime Industrie von herausragender Bedeutung, ein wichtiger Eckpfeiler für die Stabilität und Weiterentwicklung der Wirtschaft in unserem Land. Nach dem Ernährungsgewerbe gehört sie zu den wichtigsten Branchen des verarbeitenden Gewerbes in Mecklenburg-Vorpommern.
Ob Containerschiff, Passagier- oder Spezialschiff, jedes dritte Seeschiff in Deutschland wurde vor nicht allzu langer Zeit, nämlich vor der Finanz- und Wirtschafts
krise, hier in Mecklenburg-Vorpommern produziert. In den fünf Großwerften in Wismar, Warnemünde, Stralsund und Wolgast arbeiteten noch im Jahr 2008 rund 4.600 Menschen.
Die Werften in unserem Land gehören weiterhin zu den modernsten der Welt. Für ihre Privatisierung erhielten sie seit 1991 bis 2000 Investitions- und Betriebsbeihilfen in Höhe von rund 2,3 Milliarden Euro, die überwiegend vom Bund getragen wurden. Die hochspezialisierten Unternehmen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, überzeugten mit Exportquoten von bis zu 60 Prozent, und das in einem Land, dessen sonstige Exportschwäche eines seiner grundlegendsten Probleme ist und wohl noch auf längere Zeit bleiben wird. Noch 2008 stellte das Wirtschaftsministerium gemeinsam mit Wirtschafts- und Sozialpartnern die Zukunftsperspektiven der maritimen Industrie in Mecklenburg-Vorpommern vor und zeigte damit Wege auf, wie das im Land entwickelte Know-how weiter ausgebaut werden könnte.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, auch wenn manch einer unter uns durchaus um die Schwächen und Probleme unserer einheimischen Werftindustrie wusste und darauf verwies, dass die Fokussierung einzelner Werftstandorte auf den Containerschiffbau kritisch zu sehen sei, konnte keiner von uns erahnen, mit welcher Geschwindigkeit die Krise des internationalen Schiffbaus über unsere einheimischen Werften hereinbrechen würde. Während den einen Tag noch die Geschäftsführungen der Werften die gefüllten Auftragsbücher vor sich hertrugen und jede Kritik als Einmischung in ihre Unternehmensführung geißelten, kamen schon am nächsten Tag die Rufe nach Unterstützung durch die öffentliche Hand, weil die Auftraggeber ihre Order stornierten und Schiffsfinanzierungen in sich zusammenbrachen.
Meine Damen und Herren, das Land hat getan, was in der Situation getan werden musste, es hat die Werften, vor allem Menschen, die dort beschäftigt sind, in dieser schweren Situation nicht im Regen stehen lassen. Bürgschaften und Darlehen, Begleitung und Unterstützung bei den Gesprächen mit den Banken wurden und werden durch das Land geleistet. Das Land, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Landesregierung und Landtag, beide haben gemeinsam das Erforderliche getan.
Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das Land kann nicht das tun, was die Eigentümer oder die Geschäftsführung nicht leisten können oder nicht leisten wollen. Das Land kann nicht die Aufträge einwerben, die für die Sicherung des Fortbestandes der Unternehmen erforderlich sind. Dies ist und bleibt die unternehmerische Verantwortung. Und deswegen ist es auch die Aufgabe des neuen Eigentümers der früheren WadanWerften, an den beiden Standorten in Wismar und Warnemünde die finanzierten Aufträge für die jetzige Nordic-Werft einzuholen, um deren Fortbestand in geeigneter Weise sicherzustellen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, alle, die sich mit dem Schiffbau befasst haben, wussten und wissen, dass das Einwerben neuer Aufträge in der heutigen Situation des Schiffbaus kein leichtes Unterfangen ist. Aber selbst in dieser Situation dürfen wir den Eigentümer der Nordic Yards nicht aus seiner Verantwortung entlassen. Und dass wir es zu Recht nicht getan haben, sondern immer wieder auf dessen Verantwortung verwiesen haben, hat letztendlich – und davon bin ich zutiefst überzeugt – dazu beigetragen, dass jetzt nach langer Zeit erstmals ein leichter Hoffnungsschimmer für die Beschäftigten
in Wismar und Warnemünde zutage getreten ist. Auch wenn der Auftrag, der durch Norilsk Nickel erteilt ist, noch nicht durchfinanziert ist, so ist dieser Auftrag doch der erste Auftrag dieser Größe, der an eine bundesdeutsche Werft seit Beginn der Schiffbaukrise erteilt wurde. Es ist vor allem ein Schritt zur Sicherung des Werftbestandes. Jetzt, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist es Aufgabe, diesem ersten Auftrag weitere Aufträge folgen zu lassen.
Auch das ist Aufgabe des Unternehmens. Gleichzeitig muss aber die Landesregierung alles in ihren Möglichkeiten Stehende tun, um dem Unternehmen bei dessen Anstrengungen zur Finanzierung behilflich zu sein und damit die Zukunft eines modernen Industrieunternehmens zu sichern, aber auch um aus dem Hoffnungsschimmer tatsächlich eine Zukunftsperspektive für die Menschen, die dort arbeiten, und deren Familien zu schaffen.
Meine Damen und Herren, ich habe es in der Vergangenheit gesagt und ich will es jetzt wiederholen: Das Land muss das Erforderliche tun, um die Bankenfinanzierung dieses Auftrages und gegebenenfalls weiterer Folgeaufträge zu unterstützen. Dies ist in dieser Situation die Verantwortung des Landes und der Landesregierung. Vor allem aber muss der Eigentümer der Nordic Yards selber deutlich machen, dass er an eine Zukunft beider – und die Betonung liegt auf „beider“ – Werft standorte glaubt.
Und, meine Damen und Herren, es gibt nur einen Weg, dies glaubhaft und glaubwürdig gegenüber den Beschäftigten, aber auch gegenüber dem Land deutlich zu machen. Wenn Herr Yusufov den Werftstandorten eine Zukunft zubilligt, dann soll er jetzt anfangen, die für den eingeworbenen Schiffsbauneuauftrag erforderlichen Mitarbeiter unbefristet einzustellen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn Nordic Yards die Beschäftigten, sei es zum 1. Juni oder 1. Juli dieses Jahres, einstellt, dann soll das seine Ordnung haben. Entscheidend ist, dass die Einstellung tatsächlich erfolgt. Nur Arbeit schafft tatsächlich Perspektiven und ohne Perspektiven kann auch kein Vertrauen entstehen.
Wir, vor allem aber die Belegschaft in den Transfergesellschaften, haben in den letzten Tagen ein Wechselbad der Gefühle erlebt, von Frustration bis Hoffnung war letztendlich alles vorhanden. Deswegen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, will ich meinen zuvor gemachten Aussagen noch eine weitere Aussage hinzufügen: Wenn der Eigentümer der Nordic Yards mit Unterstützung des Landes und des Bundes seiner Aufgabe gerecht wird und eine Finanzierung für den vorliegenden Auftrag gesichert ist, dann, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dürfen wir auch als Land nicht tatenlos zusehen, wie eventuell kurz vor Erreichen der Ziellinie die Transfergesellschaften enden und die über das weitere Bestehen der Werften zwingend erforderliche Belegschaft doch noch auseinanderbricht und damit letztendlich doch noch die Zukunft der Werftstandorte gefährdet würde.
Hier muss mit dem Insolvenzverwalter zusammen eine Lösung im Sinne der Beschäftigten und der industriellen Zukunft an den Schiffbaustandorten in Wismar und Warnemünde gefunden und die Transfergesellschaften dann verlängert werden.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben bisher viel getan, um die Kerne in Wismar und Warnemünde unserer ohnehin nur gering ausgeprägten industriellen Landschaft zu erhalten. Und das, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, war richtig so. Bitte denken Sie daran, nicht das Beginnen wird belohnt, sondern nur das Durchhalten. Und da müssen wir auch bereit sein, für die Menschen in den Transfergesellschaften gemeinsam eine tragfähige Lösung zu finden.
In diesem Sinne, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, bitte ich Sie um Zustimmung zum Antrag der Fraktionen der SPD und CDU und beantrage gleichzeitig die namentliche Abstimmung. – Vielen Dank.
Das Wort zur Begründung des Antrages der Fraktion DIE LINKE hat der Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE Herr Holter. Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor 20 Jahren hätte man rund um die Ostsee von einer Werft zur anderen spucken können, heute findet man sie nicht einmal mehr mit dem Fernglas. So beschrieb einmal ein dänischer Verbandsfunktionär die Situation des Schiffbaus im Ostseeraum. Für unser Bundesland traf das bisher nicht zu und ich hoffe, dass es auch in der Zukunft nicht zutreffen wird. Die Geschichte der Werften in Mecklenburg-Vorpommern ist eine ereignisreiche, ist eine schwierige und ist eine, wie Herr Schulte gesagt hat, die von einem Wechselbad der Gefühle begleitet war. Das eint uns.
Immer wieder haben wir hier im Hohen Haus über die Werften, über ihre Rettung, über ihren Fortbestand und die Beschäftigungssicherung gesprochen. Heute geht es nun ganz konkret um die Zukunft der Werften in Wismar und in Rostock-Warnemünde. Uns allen ist vor Augen, dass am 5. Juni 2009 das damalige Management Insolvenz bei den Wadan-Werften anmelden musste. 2.400 Menschen waren in Warnemünde und in Wismar beschäftigt. Wir wissen, dass es gelungen ist, in der Insolvenz und über die Insolvenz, über den Insolvenzverwalter den Stena-Auftrag zu bekommen, die zwei Großfähren weiterzubauen. Und diese Fähren werden mit rund 800 Beschäftigten in Wismar fertiggestellt. Die Fertigstellung erfolgt im April und im August. Was danach ist – großes Fragezeichen.
Aber alleine auf die, wie bestätigt wurde, gute und qualitätsvolle Arbeit der Kolleginnen und Kollegen auf den Werften in Warnemünde und in Wismar lässt sich Zukunft nicht aufbauen. Wir wissen, dass sich in Warnemünde zurzeit gar nichts mehr tut. Der Auftrag, von dem Herr Schulte auch gesprochen hat, der durch die Presse geht, der Auftrag für einen eisbrechenden Tanker von Norilsk Nickel birgt Hoffnung. Richtig, er gibt Anlass zu Opti
mismus, er gibt Anlass zur Hoffnung, aber der Vertrag als solcher ist noch nicht in trockenen Tüchern, weil die Finanzierung nicht steht. Was zählt, sind finanzierte Aufträge, was zählt, ist die damit verbundene Beschäftigung auf den Werften, und was zählt, sind die Aufträge, die damit verbunden sind für Zulieferer und Dienstleister in unserem Land.
Herr Schulte hat ganz bewusst auf die Verantwortung des Eigentümers abgestellt. Dazu habe ich auch keine andere Auffassung. Wir sind aber der Überzeugung, dass drei im Boot sitzen und drei die Verantwortung tragen. Verantwortung trägt die Bundesregierung, Verantwortung trägt die Landesregierung und Verantwortung trägt selbstverständlich der neue Eigentümer, die Familie Yusufov.
Wir wissen, dass im vergangenen Jahr ein hartes und langes Tauziehen stattgefunden hat um die Rettung der beiden Werften in Wismar und Warnemünde. Wir wissen, dass im August 2009 in Sotschi Angela Merkel, die Bundeskanzlerin, und Dmitrij Medwedew, der russische Präsident, grünes Licht gegeben haben, damit diese Werften an die Familie Yusufov verkauft werden können. Wir wissen auch, ich will das nur in Erinnerung rufen, dass auf der Grundlage dieser Entscheidung die Landesregierung im Gläubigerausschuss dem Verkauf an Igor und Vitaly Yusufov zugestimmt hat. Das darf man nicht vergessen. Deswegen bin ich der Überzeugung – und darauf richtet sich unser Antrag –, dass wir eine dreigeteilte Verantwortung haben, und zwar die Verantwortung der Bundesregierung, die Verantwortung der Landesregierung und natürlich die des Investors.
Natürlich ist es richtig und notwendig, auch an die Verantwortung des Investors zu appellieren. Verträge müssen eingehalten werden, seine Zusagen müssen eingehalten werden und seine Akquisitionsanstrengungen sind zu verstärken. All das wird von uns unterstützt. Aber, wie das in Ihrem Antrag auch zum Ausdruck kommt, Lobhudeleien an die eigene Adresse sind hier im Moment wenig hilfreich, hilfreich sind nur konkrete Taten für die Werften und für die Beschäftigten.
Was tatsächlich notwendig ist, und da geht unser Antrag über den Antrag der Koalitionsfraktionen hinaus, sind folgende Dinge: Wir brauchen in der Tat verlässliche Lösungen. Nicht nur die Diskussion und die damit verbundene notwendige Finanzierung für das erste Schiff, diese Maßnahmen werden von uns unterstützt, sondern es geht um eine industriepolitische Perspektive an den Standorten in Wismar und in Warnemünde. Es geht um mehr Aufträge und es geht natürlich um Beschäftigungssicherung. Beschäftigungssicherung kann man auf der einen Seite erreichen über die Einstellung der zugesagten Anzahl von Beschäftigten, von Frauen und Männern, auf beiden Werften, aber eben auch durch Beschäftigungssicherung in den Transfergesellschaften. Und die Frage, das wollen wir nachher in der Aussprache sicherlich noch weiter vertiefen, an die Koalitionsfraktionen ist, warum Sie denn Ihren Antrag nicht so formuliert haben, dass Sie sich klar, wie Herr Schulte das eben gemacht hat, für den Fortbestand der Beschäftigungsgesellschaften, der Transfergesellschaften ausgesprochen haben. Ich bin der Überzeugung …
(Michael Roolf, FDP: Aber er hat noch nicht gesagt, was sie kosten. – Zurufe von Regine Lück, DIE LINKE, und Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)
Ja, was sie kosten, Entschuldigung, das habe ich nicht gehört. Richtig, man muss auch über das Geld reden, aber das sind politische Entscheidungen. Das haben Sie ja erst mit dem Antrag deutlich gemacht, es erfordert ja auch finanzielle Entscheidungen.
Es geht also um ein politisches Signal. Ich frage Sie, ich vermute mal, dass der Ministerpräsident und der Wirtschaftsminister zu dieser Frage sprechen, wenn das Ergebnis am 24. März nicht das ist, was wir alle erhoffen – und da sind wir ja alle in der gleichen Hoffnung –, ob Sie auch bei einer negativen Entwicklung oder einem weiteren zeitlichen Verzug bereit sind, die Transfergesellschaft über den 31. März hinaus zu verlängern. Das ist die Frage, die tatsächlich hier heute beantwortet werden muss.
Klar, Herr Roolf, Sie haben es gesagt, wird eine solche Entscheidung Geld kosten. Aber ich frage Sie, ob es nicht gerechtfertigt ist. Wir halten es für gerechtfertigt, für den Fortbestand und den Zusammenhalt der Mannschaft in Warnemünde und Wismar tatsächlich eine solche Entscheidung zu treffen, weil es eine Entscheidung für die Zukunft des Schiffbaus und der Maritimtechnologie in Mecklenburg-Vorpommern ist. Wir wollen nicht, dass die Mannschaft auseinanderläuft und das Licht in den Werften in Wismar und Warnemünde ausgemacht wird. Diese Verantwortung können Sie nicht delegieren, diese Verantwortung trägt die Landesregierung.
Ein weiteres Konzept und ein weiterer Punkt sind notwendig. Es geht um ein industriepolitisches Konzept für beide Standorte, aber eigentlich geht es um ein industriepolitisches Konzept für die maritime Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern. Zu Recht …
Zu Recht, wir haben in der Vergangenheit im Wirtschaftsausschuss und auch hier im Parlament, im Plenum, über das maritime Zukunftskonzept gesprochen. Wir waren uns auch über die Fraktionen hinweg einig, dass die Debatte zu diesem Zukunftskonzept jetzt wenig Sinn macht, weil die Krise so zugeschlagen hat, wie sie zugeschlagen hat. Da gibt es keinen Dissens.