Protokoll der Sitzung vom 29.01.2016

hier im Flächenland Mecklenburg-Vorpommern die Grund- und Regelversorgung im ländlichen Raum gefährdet. Wir wollen aber, dass die Grund- und Regelversorgung in jeder Region des Landes und nicht nur in den Oberzentren gewährleistet bleibt.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich glaube, das wollen alle, Frau Friemann-Jennert.)

Besonders für Mecklenburg-Vorpommern ist das ein wichtiger Baustein, denn kein Superkrankenhaus wird diese Aufgabe stemmen können, vor allem in einem Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern wäre das fatal für die Bevölkerung, die auf dem Land wohnt. Und deswegen muss an der wohnortnahen Gesundheitsversorgung der Bevölkerung auch im ländlichen Raum festgehalten werden.

Hierfür spielen neben der Eigenverantwortung der Gebietskörperschaften auch Initiativen der Gesetzgeber auf Bundes- und Landesebene eine Rolle. Die Versorgungslandschaft darf dabei nicht nur auf Marktwirtschaftlichkeit und wirtschaftliche Zwänge heruntergebrochen werden, keine Region darf abgehängt werden. Es war wichtig, dass die Enquetekommission den sinnvollen Erhalt auch kleiner Krankenhäuser vor die Klammer jeder Umstrukturierungsüberlegung gesetzt hat. Insbesondere unserem Koalitionspartner bin ich dankbar für diesen Kompromiss.

Meine Damen und Herren, zur Wahrheit gehört, dass es in dem Papier auch Kompromisse gibt, die einen etwas anderen Geist atmen.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ach!)

Ja, ich nenne Ihnen heute nur exemplarisch die Empfehlung zu der Rekommunalisierung. Während der Verhandlung wurde zum Beispiel die Rekommunalisierung der Krankenhauslandschaft vehement eingefordert. Ehrlich gesagt halten wir dies aber eigentlich für eine illusorische Forderung. Sie lässt nämlich den wirtschaftlichen Druck der Krankenhäuser, sprich Finanzierung über DRG beziehungsweise Krankenkassen und vor allem die Kommunen des Landes außer Acht. Weil wir uns hier nicht ganz einig werden konnten, wurde die Forderung nach einer Rekommunalisierung an sehr hohe Voraussetzungen geknüpft. Die Möglichkeiten der Rekommunalisierung sollten zunächst geprüft werden. Erst im kaum zu erwartenden Fall eines positiven Votums dieser Prüfung soll eine Unterstützung in Erwägung gezogen werden.

Meine Damen und Herren, wir haben jetzt etwas detaillierter über die Krankenhauslandschaft gesprochen,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber nun kommen Sie mal zur Mobilität!)

aber das ist nur ein Themenfeld. Ein ebenfalls wichtiger Bereich ist die Pflege im Alter. Unser einvernehmliches Ziel ist es, dass ältere Menschen auch bei gesundheitlichen Einschränkungen so lange wie möglich eigenverantwortlich und selbstbestimmt leben können, und zwar nach Möglichkeit in den eigenen vier Wänden. Natürlich werden die Leistungen der Pflegeversicherung danach auszurichten sein. Daneben ging es im Bereich der Pflege aber wiederum auch um strukturelle Fragen, etwa wie die Pflegestützpunkte so verstärkt und weiterqualifiziert werden können, dass sie die ihnen übertragenen Aufgaben in der Fläche überhaupt erst umsetzen können. Und es stellt sich die Frage, wie dem wachsenden Fachkräftebedarf, den es ja nicht nur im medizinischen Bereich gibt und auf den die Handlungsempfehlungen dort auch eingehen, begegnet werden kann.

Genau wie im medizinischen steht auch im pflegerischen Bereich eine stagnierende beziehungsweise abnehmende Zahl an Fachkräften einer aus dem demografischen Wandel resultierenden Zunahme der Anzahl der Patienten und zu Pflegenden gegenüber. Es ist nach meiner Einschätzung von besonderer Bedeutung, dass wir einerseits an Vergütungsgerechtigkeit appellieren und zukünftigen Pflegefachkräften andererseits Karriereoptionen aufzeigen. Das schafft Anreize. Es wirkt motivierend auf diejenigen, die eine Pflegeausbildung in Erwägung ziehen. Dafür bedarf es mittelfristig aber der Veränderung des Aus- und Weiterbildungssystems, zum Beispiel im Hinblick auf dessen Durchlässigkeit und modularen Aufbau.

In diesem Zusammenhang sei auf die Reform der Pflegeausbildung auf Bundesebene verwiesen. Wir brauchen Durchlässigkeit von der Pflegehilfs- oder Assistenzkraft bis zum akademischen Bereich. Eine gemeinsame Ausbildung medizinischer und pflegerischer Berufe entspricht hingegen nicht dem mehrheitlich vorgetragenen Ansinnen in der Anhörung vor der Enquetekommission. Ein Schritt in die richtige Richtung ist die generalisierte Pflegeausbildung. Das ist bereits auf dem Weg, aber eine Abgrenzung der Diagnostik, Therapie und Rehabilitation zur Heilkunde ist nicht Teil der Empfehlungen. Und auch bei der Etablierung und Weiterbildung pflegerischer Studiengänge, zum Beispiel an Hochschulen mit Promotionsrecht, darf die besonders wichtige Praxisorientierung nicht vernachlässigt werden.

Meine Damen und Herren, zum Bereich der Handlungsempfehlungen Alter, Gesundheit und Pflege sei abschließend gesagt, dass es für den Abschlussbericht darauf ankommen wird, die überaus komplexen Verhandlungsergebnisse auch im Hinblick auf aktuelle Gesetzgebungen wie dem Pflegestärkungsgesetz 2 oder dem Hospiz- und Palliativgesetz zu aktualisieren. Darauf haben wir uns während des Beschlusses zu dem Zwischenbericht in der Enquetekommission auch verständigt.

Lassen Sie mich bitte auch einige Sätze, meine Damen und Herren, zu den Empfehlungen zum Themenbereich „Mobilität im Alter“ sagen. Mobilität ist eine wichtige Grundvoraussetzung für ein selbstständiges Leben im Alter. Sie macht gesellschaftliche Teilhabe und soziale Aktivitäten erst möglich. Auch hier liegen jedoch die Zwänge auf der Hand, denn bei einer ohnehin vergleichsweise geringen Bevölkerungsdichte wird es durch die Bevölkerungsentwicklung immer schwieriger, wirtschaftliche Mobilitätsangebote vorzuhalten. Parallel dazu gehen die Zuweisungen von Bund und Europäischer Union zurück. Das macht Mobilitätskonzepte erforderlich, die sich durch niedrige finanzielle Aufwendungen und hohe Anpassungsfähigkeit auszeichnen.

Ziel ist eine dichte Flächenerschließung. Dabei müssen vor allem auch Mittelzentren, Grundzentren und jene Orte, die als Knotenpunkte im ÖPNV-Netz dienen, berücksichtigt werden. Zudem können Mobilitätszentralen Angebote des öffentlichen Personennahverkehrs und verschiedene Personenverkehrsdienste, sprich Krankenfahrten, Behindertentransporte sowie private Mitfahrgelegenheiten, koordinieren bei entsprechender organisatorischer und rechtlicher Begleitung. Die Presse hat das gestern und heute auch schon vermeldet.

In den Handlungsempfehlungen geht es vor allem darum, Senioren die Angst vor Ausgrenzung bei der Mobilität zu nehmen. Eine alternde Bevölkerung macht es daher erforderlich, die Belange mobilitätseingeschränkter und älterer Menschen stärker als bisher zu berücksichtigen. Dafür müssen zum Beispiel Einstiegsstellen inklusive der Zuwegung im ÖPNV barrierearm gestaltet werden.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das war ja auch ein Diskussionspunkt.)

Auch sind die Belange von Menschen mit Behinderungen und mobilitätseingeschränkter Menschen bei entsprechenden Ausschreibungen für Leistungen im ÖPNV zu berücksichtigen. Gleichzeitig weisen wir mit den Handlungsempfehlungen auf den wesentlichen Beitrag von Senioren und Seniorinnen zur Verkehrssicherheit hin. Das war uns ein sehr wichtiges Anliegen. Fest steht nämlich eines: Die über 65-Jährigen sind laut Verkehrsbericht des Innenministeriums und aktuellen ADACStatistiken im Bereich der Unfallverursacher deutlich unterrepräsentiert. Allein deswegen lehnen wir eine obligatorische Eignungsuntersuchung für ältere Autofahrer auch strikt ab. Ich sehe in solchem Ansinnen eine Diskriminierung Älterer, die ansonsten aber zu jeder haupt- und ehrenamtlichen Tätigkeit stärker einbezogen werden sollen.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und was ist mit den 16-Jährigen?)

Ich komme gleich darauf, Frau Gajek.

Es ist wichtig, dass dies auch in die Handlungsempfehlungen Eingang gefunden hat.

Und jetzt, Frau Gajek, auch dazu, wenn Ihnen das so wichtig ist. Eine Forderung der CDU-Fraktion, nämlich...

(Heiterkeit bei Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Nee, euch war das wichtig.)

Das hier noch mal zu hören, das meine ich.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ach so!)

Eine Forderung der CDU-Fraktion, nämlich die Absenkung des Mindestalters für das begleitete Fahren – das will ich hier noch mal betonen – von 17 auf 16, findet sich dankenswerterweise in dem Papier wieder. Diese Forderung wurde nicht nur verbandsseitig zum Beispiel vom Fahrlehrerverband oder vom Landesjugendring begrüßt. Sie fand mittlerweile auch Eingang in ein Programmpapier der Jungen Union Mecklenburg-Vorpommern und darüber freuen wir uns.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Dürfen sie dann mit 16 auch gleich wählen, wenn sie fahren dürfen?)

Wir erhoffen uns nämlich positive Effekte auf den Mitnahmeverkehr in ländlichen Regionen.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Mitnahmeeffekt.)

Aufgrund der positiven Erfahrungen mit dem begleiteten Fahren ab 17 halten wir dies vor allem aber auch für einen Beitrag zur Verkehrssicherheit.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Wir können ja auch begleitetes Wählen machen.)

Wir sollten nun entsprechende Modellversuche in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt wie auch in Mecklenburg-Vorpommern intensiv beobachten und daraus unsere Schlüsse ziehen.

Nun, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir auch noch einige Anmerkungen zu den Sondervoten der Opposition.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Na, los jetzt!)

Ich sprach hinsichtlich der heute zu verabschiedenden Handlungsempfehlungen einleitend vom kleinsten gemeinsamen Nenner und wir haben auch sehr viel Einigkeit erzielt. Die Sondervoten der Opposition sind aber kein kleinster gemeinsamer Nenner, sie sind Maximalforderungen, und doch müssen sie sich am Ende an der Realität messen lassen.

(Michael Silkeit, CDU: Aber den GRÜNEN passiert das nie.)

Dass wir dem Inhalt der Sondervoten nicht zustimmen würden, ist ja schon eine Konsequenz aus den Gesprächen zu den Handlungsempfehlungen. Die Sondervoten

sind Vorschläge zu Handlungsempfehlungen der Opposition, denen wir auch nicht zustimmen wollten. Ich möchte Ihnen nur exemplarisch aufzeigen, nach welcher Logik diese Handlungsempfehlungen gesetzt sind.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Na, nun bin ich gespannt.)

Man nehme zum Beispiel eine Handlungsempfehlung, die vielleicht sogar tagespolitisch realistisch ist, und setzt dann noch so viel obendrauf, dass die Regierungsfraktionen mit gutem Gewissen auch nicht mehr mitgehen können. Die Krankenkassenkarte für Asylbewerber, ein Sondervotum der GRÜNEN, ist ein solcher Fall. Diese Gesundheitskarte für Asylbewerber wird in MecklenburgVorpommern eingeführt. Sie wird eingeführt, weil es zu einer Entlastung der Sozialämter und besseren Versorgung der Asylbewerber beiträgt. Das ist mit Augenmaß gemacht worden.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einen gleichberechtigten Zugang zu Entgeltersatzleistungen zum Beispiel lehnen wir aber ab. Es könnte fatal für unser Versorgungssystem sein

(David Petereit, NPD: Der Rest auch schon.)

und ist sicherlich auch vertraglich zu regeln.

(Udo Pastörs, NPD: Was?!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine andere Logik der Sondervoten greift alte Landtagsanträge auf und bringt sie durch die Hintertür in die Enquetekommission.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Insbesondere die LINKEN haben viel Sympathie für diese Herangehensweise entwickeln können und ich könnte Ihnen auch die Beispiele dazu nennen. Herr Koplin hat sie selbst genannt, deswegen will ich das jetzt nicht wiederholen.

Ich möchte zum Schluss kommen und noch einmal sagen oder noch mal bemerken, inzwischen haben sich aufgrund der gegebenen Handlungsempfehlungen, die medial ja auch schon gelaufen sind, viele Firmen, Vereine, Verbände, Bauträger, alles Mögliche auf den Weg gemacht, um diese Dinge umzusetzen. Also es ist ein Stück weit schon im Fluss und das begrüße ich sehr.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wird ja auch Zeit, ne? – Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)