Dazu gehört zum Beispiel, dass erstens im Verkehrssektor der Verbrauch deutlich gesenkt wird, zweitens die CO2-Emissionen stark reduziert werden, drittens die Energieeffizienz gesteigert wird und die Kraftstoffbasis langfristig komplett auf Erneuerbare Energien umgestellt wird.
Das kommt uns irgendwie bekannt vor, das kennen wir auch aus der Thematik Energiewende. Insofern ist die Verkehrswende unverzichtbare Voraussetzung beziehungsweise Bestandteil der Energiewende.
Meine Damen und Herren, in Deutschland beträgt zurzeit der Anteil des Verkehrssektors am Gesamtenergieverbrauch mit circa 2.600 Petajoule fast 30 Prozent und davon entfallen allein fast 60 Prozent auf den motorisierten Individualverkehr. In Deutschland gibt es 53 Millionen zugelassene Kfz, meine Damen und Herren, 53 Millionen Autos für 80 Millionen Deutsche oder, man kann auch sagen, 53 Mil-
lionen zugelassene Kfz für 40 Millionen Haushalte – eine sehr hohe Kfz-Dichte. Und demzufolge ist auch der Anteil der verkehrsbedingten CO2-Emission mit 153 Millionen Tonnen sehr hoch. Das entspricht etwa 20 Prozent der ge- samten CO2-Emissionen in Deutschland. In MecklenburgVorpommern liegt der Anteil des Verkehrssektors am Endenergieverbrauch bei circa 12 Milliarden Kilowattstunden, also auch, ich glaube, bei 30 Prozent, und bei den CO2-Emissionen mit fast 2 Millionen Tonnen auch bei etwa 20 Prozent.
Meine Damen und Herren, um die Verkehrswende voranzubringen, gibt es deshalb klare europäische und nationale energie- und klimapolitische Ziele. Ich möchte die drei wichtigsten noch mal in Erinnerung bringen und konkret auf den Verkehrssektor beziehen:
Erstens. Im Verkehrssektor ist es vor allem notwendig, Wachstum vom Energieverbrauch so weit als möglich zu entkoppeln. Das heißt konkret, gegenüber 2005 soll der Energieverbrauch im Verkehr bis 2020 um 10 Prozent und bis 2050 um 40 Prozent reduziert werden. Allerdings zwischen 2005 und 2010 gab es in Deutschland nur eine Verbrauchsabsenkung von 1 Prozent. Insofern ist die Zielsetzung, bis 2020 um 10 Prozent Absenkung, zumindest aus heutiger Sicht infrage gestellt.
Zweitens. Die verkehrsbedingte CO2-Emission soll bis 2020 gegenüber 1990 um 40 Prozent und bis 2050 um 80 Prozent gesenkt werden.
Drittens. Nach einer EU-Richtlinie soll der Anteil der Erneuerbaren Energie im Verkehrssektor in jedem Mitgliedsstaat bis 2020 auf 10 Prozent gesteigert werden. Deutschland liegt zurzeit bei 6 Prozent, Tendenz stagnierend.
Meine Damen und Herren, diese Ziele gelten auch für Mecklenburg-Vorpommern und müssen auch durch uns umgesetzt werden. Insofern, der Antrag der Koalitionsfraktionen war heute auch in der Debatte im Landtag, weil dieses Thema „Wie halten wir diese Ziele ein?“ gilt natürlich auch für uns.
Meine Damen und Herren, ein wichtiges Instrument zur Umsetzung der Verkehrswende in Deutschland ist die am 10. Juni noch von der schwarz-gelben Bundesregierung vorgelegte Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie, MKS abgekürzt. In dieser Strategie gibt es durchaus positive Ansätze der Kraftstoffstrategie, Stichwort E-Mobilität. Was aber fehlt, ist das gesamte Spektrum zukunftsfähiger Mobilitätskonzepte. Und so wollen wir mit dem Antrag mit Punkt 5 die Landesregierung auffordern, sich gegenüber der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass dieses Defizit in der Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie schnellstmöglich beseitigt wird und gerade Mobilitätskonzepte auch von der Bundesregierung federführend entwickelt, gefördert und unterstützt werden.
Meine Damen und Herren, ohne eine Verkehrsverlagerung durch vernetzte Mobilität und Ausbau energieeffizienter Verkehrsträger werden die energiepolitischen Ziele verfehlt. Und zur Finanzierung notwendiger Investitionen in SPNV und ÖPNV und Verkehrsinfrastruktur wird von der neuen Bundesregierung eine nachhaltige Zukunftsstrategie gefordert und natürlich auch ein höherer finanzieller Einsatz, als es in der Vergangenheit der Fall war. Ich gehe davon aus, das wird Gegenstand der Koalitionsverhandlungen sein, die ja dann in den nächsten Monaten zu erwarten sind.
Meine Damen und Herren, dies gilt insbesondere für einen Punkt, der heute Morgen auch schon im Zusammenhang mit der Südbahn eine Rolle gespielt hat, nämlich völlig unbefriedigend ist der relativ geringe Elektrifizierungsgrad des Schienennetzes in Deutschland. Insofern müssen wir unbedingt in den nächsten Jahren viel schneller als bisher eine Elektrifizierung des gesamten Schienennetzes vorantreiben und damit natürlich auch den verstärkten Einsatz von grünem Warenstrom.
Meine Damen und Herren, in den Punkten 1 bis 3 unseres Antrages – und ich verzichte mal darauf, dieses hier weiter zu zitieren, es liegt Ihnen ja vor – wird die Landesregierung aufgefordert, durch geeignete Maßnahmen und Instrumente der Verkehrsvermeidung und Verkehrsverlagerung die Verkehrswende in Mecklenburg-Vorpommern voranzubringen. Ziel muss es auch weiterhin sein, den Anteil des SPNV und ÖPNV so weit wie möglich zu erhöhen, um die Straßen deutlich vom Autoverkehr grundsätzlich zu entlasten. Allerdings ist dies – und das haben wir heute Vormittag ja auch schon hören können –, allerdings ist dies in einem dünn besiedelten Land wie Mecklenburg-Vorpommern, in einem dünn besiedelten ländlichen Raum viel schwerer zu finanzieren und organisieren wie im städtischen Raum und demzufolge brauchen wir auch landesspezifische Lösungen, um Mobilität im ländlichen Raum auch weiterhin bezahlbar zu erhalten. Mein Kollege Jochen Schulte wird nach mir dann in der Aussprache darauf noch im Detail eingehen.
Meine Damen und Herren, um die CO2-Reduktionziele im Verkehrssektor zu erreichen und um langfristig aus der Preisabhängigkeit von Mineralöl zu kommen, denn zurzeit sind es beim Öl im Verkehr 70 Prozent, im Straßenverkehr sogar 97 Prozent Abhängigkeit vom Öl, ist es neben Verkehrsvermeidung und Verkehrsverlagerung unbedingt notwendig, schnellstmöglich alternative Kraftstoffe verstärkt einzusetzen.
Meine Damen und Herren, Branchenkenner, Umweltschützer sehen kurzfristig die größten Potenziale im alternativen Kraftstoffbereich im Erdgasantrieb. Der CO2Ausstoß ist deutlich niedriger als bei Diesel und Benzin und zudem werden wesentlich weniger Stickoxide und Feinstaubpartikel freigesetzt. Die Technik gilt als ausgereift, die Infrastruktur ist, wenn auch noch ausbaubedürftig, grundsätzlich vorhanden.
In Deutschland stehen für die 100.000 Erdgasfahrzeuge, die es circa gibt, zurzeit 900 Tankstellen zur Verfügung, davon allerdings nur 24 in Mecklenburg-Vorpommern. In Mecklenburg-Vorpommern ist das Tankstellennetz für Erdgasfahrer immer noch lückenhaft und zum Teil auch nicht kundenfreundlich. Ich möchte vor allen Dingen mal auf Güstrow verweisen, Norbert, da fehlt eine Erdgastankstelle.
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Überhaupt nicht, überhaupt nicht! – Heinz Müller, SPD: Wer ist in Güstrow?)
Wir sehen vor Ort Handlungsbedarf. Ich sage das auch deswegen, bei aller Betonung auf Notwendigkeit von SPNV: Wir werden in Mecklenburg-Vorpommern zukünftig auf die Straße auch angewiesen sein und demzufolge müssen wir uns diesem Thema der alternativen Kraftstoffe viel stärker stellen.
Es gibt für Erdgas natürlich noch einen zweiten großen Vorteil, das ist die problemlose Beimischung von Biomethan zum Erdgas. Bioerdgas ist der beste, heute verfügbare Biokraftstoff und wird von bis zu 20 Prozent dem Erdgas beigemischt, Tendenz steigend. Und demzufolge ist es notwendig, den Tankstellenausbau zu fördern und vor allem die Energiesteuerbegünstigung für Erdgasfahrzeuge zu verlängern. Das sind die zentralen Stellschrauben einer notwendigen Unterstützung für den Einsatz von Erdgas im Verkehrssektor.
Meine Damen und Herren, Erdgas und Biomethan sind also unstrittig kurzfristig eine sinnvolle Brückentechnologie. Allerdings als Schlüsseltechnologie für das 21. Jahrhundert ist natürlich klar angesagt die Elektromobilität. Zurzeit gibt es in Deutschland 10.000 Elektrofahrzeuge und die Zielsetzung, bis 2020 1 Million, wird natürlich von manchen, ja, ich sage jetzt mal, belächelt. Ich sage, es ist ein ehrgeiziges Ziel, realistisch und natürlich auch notwendig, wenn man dafür die entsprechenden Rahmenbedingungen schafft, und das nicht nur in der Autoindustrie, sondern natürlich auch in der Politik.
An der Stelle auch mal ein Zitat wieder von Klaus Töpfer: „Wer über Luftbelastung spricht, kann nicht beim Thema Elektromobilität schweigen.“ Ich glaube, das bringt es auf den Punkt.
Meine Damen und Herren, wie sieht es aus in Mecklenburg-Vorpommern? Nicht so gut. Alternative Kraftstoffe, wie Erdgas, Autogas, Wasserstoff, Elektroantrieb, werden in Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich zu Deutschland insgesamt nur unterdurchschnittlich genutzt.
Und an dieser Stelle, glaube ich, sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass auch wir Einflussmöglichkeiten haben als Land. Die Landesregierung insbesondere sollte nach meiner Meinung mit Informationen und Beratung die Förderung von Pilot- und Demonstrationsvorhaben, wie zum Beispiel auch dem elektrisch betriebenen Schiffsverkehr, und auch einen besseren vorbildlichen Einsatz von alternativen Kraftstoffen offensiv vorantreiben.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Zurzeit wird an der Aufstellung des integrierten Landesverkehrsplans gearbeitet in Mecklenburg-Vorpommern. Wir werden Anfang 2014 den ersten Entwurf haben und dann bis 2015 abschließend beraten. Ein besonderer Schwerpunkt wird dabei auch der weitere Ausbau eines attraktiven, benutzerfreundlichen Radewegenetzes sein müssen.
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Geh noch mal rein, Rudi!)
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Ums Wort gebeten hat zunächst der Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung Herr Schlotmann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag legt mit seinem Titel „Die Energiewende braucht die Verkehrswende“ die Latte ziemlich hoch. Ich kann das so deutlich hier sagen. Als die Idee aus der Fraktion geboren worden ist und mit mir diskutiert worden ist, mussten wir uns zu dem Thema zusammenraufen, weil es hat sich uns damals nicht auf den ersten Blick erschlossen. Wenn man sich aber inhaltlich intensiv damit auseinandersetzt, dann kommt man sehr schnell da hin, dass das Ziele sind, die wir gemeinsam verfolgen müssen, die aber sehr hochgesteckt sind. Und die Fraktion hat mich letztendlich davon überzeugt, dass es gut ist, einen solchen Antrag zu stellen. Ich will das einfach mal so aus dem Innenleben auch deutlich machen.
Ich weiß nicht, warum die Kollegen der CDU das so witzig finden. Gibt es das bei euch nicht, dass die Fraktion den Minister überzeugt, einen Antrag hier im Landtag zu stellen?
(Peter Ritter, DIE LINKE: Ach was! Nie! Nein! – Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE – Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)
Meine Damen und Herren, eine nüchterne Bestandsaufnahme vorweg vielleicht. Man muss es einfach machen, wenn man ehrlich über das Thema diskutieren will, und zwar nicht nur aus energiepolitischer Sicht, sondern aus verkehrspolitischer Sicht, weil das ja hier eine Verknüpfung ist, die auch ihre Probleme in sich birgt.
Zum einen, das haben wir heute schon ausführlich diskutiert, die Mittel für den ÖPNV, den SPNV sind begrenzt – und das ist schon eine freundliche Formulierung – und werden tendenziell weiter zurückgehen. Jeder Euro, der für eine ÖPNV-Maßnahme zusätzlich ausgegeben wird, muss woanders weggenommen werden. Das haben die Kollegen Schulte und Borchert heute auch schon deutlich gemacht.
Und eins ist auch Fakt: Die Landesregierung ist nur ein Akteur von mehreren. Wichtige Entscheidungen zu dem Thema, das jetzt hier auf dem Tisch liegt, werden in Europa, im Bund und vor allen Dingen auch in den Kommunen getroffen. Es ist unsere Aufgabe als Land, uns auf den verschiedenen Ebenen für ein ökologisch und ökonomisch sinnvolles Mobilitätsangebot einzusetzen, und, meine Damen und Herren, dieser Aufgabe kommen wir auch nach.
Angesichts der geringen Bevölkerungsdichte und der vielen Pendler sind den energieeffizienten Verkehrsmitteln Fuß und Rad sowie Bus und Bahn tatsächlich auch Grenzen gesetzt. Es muss uns gelingen, und zwar gemeinsam, Verkehrsmittel so in Mobilitätsketten einzubinden – wir haben heute schon mal über eine Mobilitätskette gesprochen –, sodass jedes Verkehrsmittel seine jeweiligen Stärken ausspielen kann. Ich denke, da bleibe ich in der Kontinuität meiner Aussage von heute Vormittag.
Meine Damen und Herren, der Antrag sagt zu Recht, die Menschen entscheiden über Verkehrsmittel. Die Verkehrswende ist nur möglich, wenn die Menschen mitmachen. Ja, zwar sind 88 Prozent der Deutschen der Auffassung, dass die Bürgerinnen und Bürger durch ein umweltbewusstes Alltagsverhalten wesentlich zum Klimaschutz beitragen können, aber wenn es dann konkret wird, sieht es meistens anders aus.
Seit 1995 – nur mal als Beispiel, um diese These zu untermauern – hat die durchschnittliche Leistung neu zugelassener Pkw in Deutschland von 95 PS auf 138 PS zugenommen, also rund 50 Prozent mehr PS haben die Deutschen unter der Haube mittlerweile. Das allerdings, meine Damen und Herren, ist nun nicht gerade ein Beweis für die Bereitschaft oder die breite Bereitschaft in der Bevölkerung, die eigene Mobilität energieeffizienter zu gestalten.
Meine Damen und Herren, der Antrag betont zu Recht, dass integrierte Konzepte erforderlich sind. Das integrierte Konzept, an dem wir arbeiten, ist der integrierte Landesverkehrsplan für Mecklenburg-Vorpommern. In diesem sollen Leitlinien enthalten sein für eine nachhaltige Verkehrspolitik, für eine ökonomische, soziale und ökologische Verkehrspolitik Mecklenburg-Vorpommerns unter Einbeziehung der energie- und klimapolitischen Rahmenbedingungen, die wir als Land für uns selber auch setzen und unter denen wir agieren.
Hier geht es uns und mir ganz persönlich insbesondere um die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Verkehrsmitteln, nämlich Bahn, Bus, Fahrrad, Auto und Fußgänger, allerdings auch, und das will ich auch noch mal deutlich sagen, wie der Kollege Borchert hier es angesprochen hat, um den Einsatz Erneuerbarer Energien als Antriebsmittel. Die Verkehrsmittel sollen sozusagen integriert werden in übergreifende Mobilitätsketten. Statt der isolierten Sicht auf einzelne Verkehrsleistungen und Verkehrsträger sollen integrierte Verkehrslösungen auf den Weg gebracht werden.