Protocol of the Session on October 10, 2013

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Das ist nicht das erste Mal, aber für mich ist es das erste Mal, Frau Borchardt. Sie müssen gut zuhören und nicht gleich so heftig wieder das Wort ergreifen und hier dazwischenrufen mit Dingen, die nicht der Realität entsprechen. Also für mich ist es das erste Mal, aber wir haben schon Gebärdendolmetscherinnen im Landtag gehabt und es wird wahrscheinlich dazu kommen, dass ständig irgendwann hier jemand neben einem steht und das, was man sagt, in Gebärdensprache übersetzt. Das heißt, wir haben Fortschritt und wir haben Entwicklung.

Ich fand die Debattenbeiträge, gerade aus der Opposition, so überfliegermäßig. Ich glaube, wenn man mal an

fängt, sich dem Thema zu stellen, muss man sich vergegenwärtigen: Was passiert eigentlich bei der Debatte um die Inklusion? Was passiert mit der Einführung und Realisierung der UN-Behindertenrechtskonvention?

Und vorweg steht ja ein Paradigmenwechsel bei der Definition von Behinderungen. Also wir im klassischen Sinne sind ja immer davon ausgegangen, dass man Behinderungen an jemand Einzelnem festmacht. Und die UN-Behindertenrechtskonvention, so, wie ich sie verstanden habe, sagt jetzt Folgendes: Behinderung besteht auf der einen Seite aus Beeinträchtigungen eines einzelnen Menschen und aus Barrieren in seinem Umfeld. Das kommt zusammen und macht die Behinderungen aus. Und wenn man dann anfängt, Schritt für Schritt zu gehen und sich die Frage zu stellen, ja, was bedeutet das denn, wenn man Behinderungen so versteht wie die UNBehindertenrechtskonvention, dann bedeutet das im Ergebnis, ich muss niemanden integrieren, also reinholen, sondern jeder Mensch mit dieser Form von Beeinträchtigung ist schon drin in der Gesellschaft.

Und daran knüpft die Frage an: Wie muss eine solche Gesellschaft aussehen, um die Barrieren, die in ihr vorhanden sind, abzubauen? Wenn wir uns dann die Realität ansehen, dann stoßen wir auf viele, viele Schwierigkeiten und dann wird jedem klar, dass dieser Prozess der Inklusion ein sehr dornenreicher, ein schwieriger und vielleicht auch ein kostspieliger sein wird.

Ich will das an ein paar Beispielen verdeutlichen. Wenn man diese Form von Inklusionsvorstellungen aufgreift und zu Ende betrachtet, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass quasi jede Schule die Voraussetzungen haben muss, dass Menschen mit Behinderungen sie besuchen können, völlig unabhängig davon, was es für eine Behinderung ist. Was bedeutet das im Detail für den Aufwand?

Frau Stramm, ich finde, es ist zu kurz gesprungen und zu eng fokussiert, da immer nur aufs Land zu schauen. Also wenn man sich das Thema Schule mal ansieht, dann muss man feststellen, dass das Land verantwortlich ist für das Lehrerpersonal, es ist verantwortlich für soziale Betreuungs- und Unterstützungskräfte, aber der gesamte Bereich der Gebäude fällt nicht in die Kompetenz des Landes. Das sind also letztendlich Kompetenzen der Gemeinden, der Kreise, je nachdem, mit welchem Schultyp ich zu tun habe.

Und dann stellt man sich mal vor, wie das mit dem Investitionsaufwand aussieht, wenn man zu dem Ergebnis kommt, wir müssen jede Schule hier im Land wirklich barrierefrei für alle Formen von persönlichen Behinderungen ausgestalten. Dann wird jeder Mensch, der seine fünf Sinne beisammen hat, zu dem Ergebnis kommen,

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

dass das nur in sehr kleinen Schritten machbar sein wird und dass man diese Dinge nicht wird mit einem großen Wurf machen können.

Das lässt sich beliebig fortsetzen. Ob wir uns die Kindertagesstätten ansehen, da gilt das Gleiche, ob wir uns den Bereich Verkehr ansehen, da gilt das Gleiche. Und deswegen, weil der Prozess der Inklusion so komplex ist, ist es vonseiten des Landes auch nicht möglich, hier die Dinge konkret zu formulieren und konkrete Zeitpunkte

festzulegen, weil an der Umsetzung dieses Inklusionsprozesses letztendlich wir als Gesamtgesellschaft beteiligt sind. Das muss sich jeder vor Augen führen und darüber muss sich jeder im Klaren sein.

Ich will noch auf ein paar Dinge eingehen. Frau Gajek beispielsweise hat hier angeführt, sie zitiert nur den Maßnahmeplan, hat sich dann aber zu Äußerungen des Bildungsministers oder zu Veranstaltungen des Bildungsministers geäußert, die stehen nicht im Maßnahmeplan, sondern wenn ich richtig informiert bin, waren das Titel von Veranstaltungen, die einfach auch zugespitzt formuliert worden sind, weil im Rahmen dieser Veranstaltungen von Mathias Brodkorb gerade die Dinge mal noch umfassender und detaillierter herausgearbeitet werden sollten,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, aber die müssen doch abgestimmt werden auf den Maßnahmeplan.)

auf die ich gerade eingegangen bin, nämlich was es letztendlich bedeutet, wenn man eine umfassende Inklusion in Schule umsetzen will, was man für Ressourcen zur Verfügung stellen muss auf der pädagogischen Seite und was auf der anderen Seite an baulichen Anforderungen erforderlich ist, um das Ganze umzusetzen. Und ich finde es völlig richtig, wenn man an das Thema rangeht und zuspitzende Veranstaltungsüberschriften organisiert, wo das dann auch im Detail besprochen werden kann.

(Rainer Albrecht, SPD: Sehr richtig, Herr Kollege.)

Die Kollegin von der LINKEN, Frau Stramm, hat gesagt, der Maßnahmeplan erfüllt nicht die Erwartungen. Da steht natürlich sofort die Frage im Raum: Ja, welche Erwartungen denn? Erwartungen haben Sie nicht formuliert, Frau Stramm,

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Dann haben Sie nicht richtig zugehört, Herr Heydorn!)

bis auf die, die Sie geäußert haben, dass Sie gesagt haben, der Termin zur Abgabe des Maßnahmeplans ist nicht eingehalten worden. Also wenn man da nicht mehr Erwartungen dran hat, dann, weiß ich nicht, verstehe ich das nicht so richtig. Ein bisschen mehr Erwartungen könnte man da ruhig dran haben.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Vor allem Verbindlichkeit.)

Ja, mit der Verbindlichkeit ist das so eine Sache, Frau Gajek, da scheinen Sie wirklich nicht so das aufgreifen zu wollen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Erwarten Sie mal nicht zu viel, Frau Gajek!)

weil letztendlich die Umsetzung dieses Maßnahmeplans sich nicht alleine auf die Landesregierung reduziert

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber man kann sich doch nicht immer dahinter verstecken.)

und natürlich insoweit auch letztendlich etwas mit Haushaltsmitteln zu tun hat, die dafür dann auch zur Verfü

gung gestellt werden sollen. Und das ist eine Sache, das läuft alles über viele Jahre und da muss man dranbleiben.

Die Ministerin, ich habe das ja ganz deutlich noch im Ohr, hat gesagt, unser Maßnahmeplan ist von vorne bis hinten a) prozesshaft angelegt und er ist zum Zweiten partizipativ angelegt. Das heißt also, da sitzt keiner mehr und macht die Tür zu und redet mit keinem mehr, sondern das Sozialministerium und andere Ministerien der Landesregierung sind bei diesem Thema mit den entsprechenden Vereinen und Verbänden in Kontakt und beteiligen die in geeigneter Art und Weise.

Und eins will ich an dieser Stelle auch nicht verhehlen: Wenn ich Vorsitzender eines gemeinnützigen Vereins wäre oder der Selbsthilfe, natürlich würde ich überall, wo ich hingehe, sagen, es geht mir nicht schnell genug, ist doch eine ganz klare Sache. Das ist deren Auftrag und das ist deren Aufgabe. Sie müssen die Angelegenheiten der betroffenen Menschen im Fokus haben und möglichst darauf hinwirken, dass es für die so schnell wie möglich zu Verbesserungen kommt. Das ist eine ganz klare Geschichte. Das erwarten wir von ihnen und damit können wir gut umgehen. Und unsere Aufgabe als Politik ist es, das ernst zu nehmen, aufzugreifen und zu gucken, dass wir das in angemessener Art und Weise und in realistischer Art und Weise in praktische Politik um- setzen.

Ich will zum Abschluss auf die besondere Situation in Mecklenburg-Vorpommern noch mal zu sprechen kommen. Wir sind ein dünn besiedeltes Land. Und was bedeutet das Thema Inklusion in einem dünn besiedelten Land, beispielsweise bei dem Thema, das Frau Gajek angesprochen hat, der Mobilität? Wie weit lässt sich wirklich Inklusion durchdeklinieren?

Wir reden heute in erster Linie beim Thema Mobilität darüber: Haben wir überhaupt ein wirklich funktionierendes öffentliches Verkehrsnetz? Haben wir das noch? Können wir das aufrechterhalten? Wird das wirklich in der Fläche stabil und für alle in adäquater Art und Weise aufrechtzuerhalten sein?

Und dann reden wir noch über das Thema Barrierefreiheit in einem solchen System. Das ist meines Erachtens eine Herkulesaufgabe. Wenn man die wirklich vernünftig lösen will, braucht man gute Konzepte, man braucht gute Ideen und wird meines Erachtens an der einen oder anderen Stelle auch Abstriche machen müssen.

Also wenn beispielsweise Leute, die privat mobil unterwegs sind, wenn die sich dazu bereiterklären, in irgendeiner Form jemanden mitzunehmen von A nach B und auch in einem solchen System eine Rolle zu spielen und zu sagen, wir organisieren hier Selbsthilfe, indem wir Fahrten für Menschen in den Dörfern zur Verfügung stellen, geht es dann so weit, dass diese Fahrten nur noch mit barrierefreien Fahrzeugen durchgeführt werden können? Also man muss ja immer gucken, wie ist denn die reale Situation bei uns im Land, was kriegen wir letztendlich wirklich hin und was kriegen wir wirklich gelöst.

Ich finde, der Maßnahmeplan beantwortet natürlich nicht alle Fragen und er legt nicht alles konkret fest,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber ein bisschen doch wenigstens.)

aber er weist die Richtung, in die es gehen muss, und die Diskussion um die Umsetzung der UN-Behinderten- rechtskonvention ist bei uns in vollem Gange. Wir machen Schritt für Schritt und das werden wir auch weiter so tun. – Insofern bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit und beende meine Ausführungen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Ich schließe die Aussprache.

Kann ich davon ausgehen, dass wir nach der jetzigen Aussprache die Unterrichtung durch die Landesregierung auf Drucksache 6/2213 verfahrensmäßig für erledigt erklären? –

(Heinz Müller, SPD: Ja, Frau Präsidentin.)

Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Die Mecklenburger Südbahn muss erhalten bleiben, Drucksache 6/2248.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Die Mecklenburger Südbahn muss erhalten bleiben – Drucksache 6/2248 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Dr. Schwenke von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Irgendwie schließt sich dieser Antrag fast nahtlos an das von Herrn Heydorn hier zuletzt Gesagte an. Der vorliegende Antrag meiner Fraktion beschäftigt sich mit einer konkreten verkehrspolitischen Frage. Ich nehme an, dass alle Kolleginnen und Kollegen, die an der Anhörung zum gleichen Thema im Energieausschuss teilgenommen haben, die Bedeutung des Problems erkannt haben.

Aber zunächst zum Sachverhalt: Am 13. September, also vor knapp einem Monat, veröffentlichte das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung eine Pressemitteilung mit dem Titel „Flexibles Bahn-BusAngebot ab 2015 im südlichen Mecklenburg“. Unter dieser unverfänglichen Überschrift verkündete das Ministerium seine Entscheidung, einen Teil der sogenannten Mecklenburger Südbahn ab 2015 abzubestellen. Künftig soll zwischen Parchim und Waren ein Schienenersatzverkehr bestellt werden, in der Tourismussaison möglicherweise noch eine zusätzliche Müritz-Bahn, die Malchow und Neustrelitz verbindet.

Bei seiner Entscheidung beruft sich Minister Schlotmann auf das Gutachten vom Planungsbüro für Verkehr Bornkessel, Brohm & Markgraf aus Berlin. Die Gutachter hatten den Auftrag, folgende Optionen zu untersuchen:

1. eine komplette Weiterbedienung der Bahn

2. eine kombinierte Bedienung durch Bahn und Bus

3. der vollständige Ersatz des Schienenverkehrs durch