In der Beschreibung der Ausgangssituation bemerkte der Gutachter, dass das Land aufgrund verschiedener Entwicklungen gegenwärtig eine Restrukturierung von SPNV-Leistungen vorsieht. Dabei steht die Strecke Hagenow–Neustrelitz im besonderen Fokus. Dieser besondere Fokus hat sicher mit dem Kostendruck zu tun, dem Mecklenburg-Vorpommern bei der Bestellung der SPNVLeistungen unterliegt. In den letzten Jahren sind die Energiepreise und die Stations- und Trassenpreise sehr stark gestiegen, glücklicherweise auch die Löhne und Gehälter der Beschäftigten der Bahnunternehmen.
Demgegenüber stand eine Dynamisierung der Regionalisierungsmittel, also der Gelder, die Mecklenburg-Vor- pommern für die Bestellung von Nahverkehrsleistungen durch den Bund erhält, von jährlich 1,5 Prozent. Und man muss nicht unbedingt ein Mathegenie sein, um schnell zu merken, dass auf längere Sicht die Schere zwischen den vorhandenen Mitteln und den Kosten immer weiter auseinandergeht.
Das große Finanzloch der letzten Jahre wurde durch Abbestellungen von Strecken und Taktausdünnungen auf vielen Relationen gestopft. Allerdings hat das Land zusätzlich zu den Regionalisierungsmitteln 10,64 Millionen Euro in 2013 im Landeshaushalt eingestellt. Diese Mittel sind jetzt weggefallen. Der dafür eingerichtete Titel im Haushalt soll gestrichen werden. Um nun weiter Kosten einzusparen, hat sich das Verkehrsministerium Strecken angeschaut, die relativ wenig durch Fahrgäste genutzt werden. Und da kommt die Mecklenburger Südbahn wieder ins Spiel.
Das vorhin von mir zitierte Gutachten weist für 2010 eine unzureichende Auslastung der Züge auf der genannten Teilstrecke der Südbahn aus. Frau Staatssekretärin Ulbrich hat erklärt, dass es nur sehr wenige Fahrgäste gibt, die die Gesamtstrecke nutzen. Aber haben Sie schon mal gefragt, warum das so ist? Haben Sie auch nur einen kurzen Moment darüber nachgedacht, was man tun könnte, damit mehr Fahrgäste die Bahn nutzen? Das können wir jedenfalls nicht erkennen.
Der bauliche Zustand der Gleisanlagen ist unzureichend und sorgt zusammen mit der veralteten Leit- und Sicherungstechnik für Geschwindigkeitseinbrüche von 20 bis 60 Kilometern pro Stunde. Dies gilt nicht nur für diesen Streckenabschnitt, sondern für weitere Bereiche der Mecklenburger Südbahn.
Im Gutachten ist weiter zu lesen, dass die DB Netz AG wegen der fehlenden Bestellzusage für die Strecke zwischen Parchim und Karow keine umfassenden Erneuerungen plant. Das Gleiche gilt für die Trasse zwischen Karow und Waren. Bei dieser Ausgangslage ist eines klar, jedenfalls für uns: Zwischen Hagenow-Land und Neustrelitz ist es nicht attraktiv, mit dem Zug zu fahren. Durch die zu geringe Streckenleitgeschwindigkeit lässt die Strecke sich nur ungenügend bis gar nicht in einen integrierten Taktfahrplan einbinden. Der Anschluss an das Fernstreckennetz ist mit zum Teil erheblichen Wartezeiten verbunden. Der Vorteil des Massenverkehrsmittels Zug geht verloren. Kein Wunder, dass diese Strecke von zu wenigen Fahrgästen genutzt wird.
Die vorgegebenen Untersuchungsvarianten für das Gutachten zur Südbahn orientierten sich also am Status quo.
Wie dieser unzureichende Zustand und damit einhergehend eine eventuelle Verbesserung aussehen könnte, spielte keine Rolle. Staatssekretärin Ulbrich hat auf meine Nachfrage im Energieausschuss verneint, dass es sich in erster Linie um Kosten handelt. Eine andere Sicht der Dinge erschließt sich uns allerdings nicht.
Die Mecklenburger Südbahn spielt für die angeschlossenen Kreise eine überaus wichtige Rolle. Sie erschließt die Landkreise Ludwigslust-Parchim, Mecklenburgische Seenplatte und den südlichen Zipfel des Landkreises Rostock. Sie ist aus touristischer und damit auch aus wirtschaftlicher Sicht bedeutend.
Sie ist eine wichtige durchgehende Möglichkeit, um von West nach Ost und umgekehrt zu kommen, und aus der Sicht, zumindest aus unserer Sicht, für die Landesentwicklung kaum wegzudenken.
Die betroffenen Kreise wollen diese Strecke, die angeschlossen ist, die angeschlossenen Städte sowieso. Und sie quert den Müritz-Nationalpark. Wir wollen, dass über Alternativen zur Teilabbestellung nachgedacht wird und diese auch entwickelt werden. Wir wollen die Strecke im Zusammenhang erhalten und nicht einen Tod auf Raten befördern. Denn die bisherigen Erfahrungen zeigen ganz deutlich: Immer dort, wo Strecken abbestellt und durch Schienenersatzverkehr ersetzt wurden, verlängern sich die Reisezeiten. Immer dort, wo keine Züge mehr fahren, wird es teurer für die Nutzer. Immer dort, wo es teurer, langsamer und damit unattraktiver wird, gehen die Nutzerzahlen im Gesamtsystem des ÖPNV weiter zurück.
Die bisherigen Verlautbarungen des Verkehrsministeriums zeigen aber, dass man gerade das nicht will. In den verbalen Äußerungen und auch in Konzepten heißt es immer, weniger Verkehr auf der Straße sei das Ziel. Die Erfahrungen belegen, mit den Streckenabbestellungen bedienen Sie allerdings den Kreislauf aus immer weniger Fahrgästen für Bus und Bahn und steigendem motorisierten Individualverkehr. Die Liste der in MecklenburgVorpommern abbestellten Strecken und der Strecken mit stark ausgedünnten Takten ist mittlerweile ziemlich lang. Von Malchin nach Waren, von Neubrandenburg nach Friedland, von Neustrelitz bis Feldberg, von Meyenburg nach Primerburg – ich könnte die Liste weiter fortsetzen –, überall dort fahren keine Züge mehr oder der Zugfahrplan wurde erheblich zusammengestrichen.
Warum lassen Sie nicht eigentlich auch mal gutachterlich untersuchen, welche Auswirkungen diese Vorgehensweise auf den Verkehr, auf die Kosten für die öffentliche Hand, auf die Kosten für die Bürgerinnen und Bürger hat? Denn gleichzeitig zu den Streckenabbestellungen wurde das Straßennetz in nicht unerheblichem Umfang ausgebaut. Wir werden ja heute Nachmittag noch über den Antrag der Koalitionsfraktionen reden, aber eins ist doch jetzt schon klar: Mit dem angestrebten veränderten Verkehrsverhalten, mit einem klimafreundlicheren Verkehr oder gar der Energiewende im Verkehrsbereich lässt sich die Verkehrspolitik von Mecklenburg-Vorpommern nicht in Einklang bringen.
Dass es auch anders geht, beweisen andere Flächenländer. In Niedersachsen gibt es inzwischen fast zwei Dutzend Initiativen zur Reaktivierung von Bahnstrecken und Haltepunkten. Verkehrsminister Olaf Lies hat sich die Verbesserung des Schienenpersonennahverkehrs vorgenommen und den Startschuss für die Reaktivierung von Bahnstrecken gegeben. In Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und anderswo gibt es schon etliche reaktivierte Strecken.
Nun weiß ich ja schon jetzt, was Sie darauf entgegnen: Dort ist auch die Bevölkerungsdichte eine ganz andere. Ja, Sie haben recht. Aber meinen Sie nicht, dass wir eher darüber reden sollten,
wie wir die Strecke so attraktiv machen, dass sie von vielen Menschen genutzt wird? Dazu müsste aus unserer Sicht, und nicht nur aus unserer, die Streckenleitgeschwindigkeit durchgängig von mindestens 80 Kilometer pro Stunde möglich sein. So können Sie zum Teil lange Wartezeiten an den Knotenpunkten beseitigen und nur so kann eine vollständige Integration der Mecklenburger Südbahn in den geplanten integrierten Taktfahrplan erfolgen. Das muss begleitet sein von weiteren Maßnahmen der Attraktivitätsverbesserung, wie einem einheitlichen Ticketsystem von Bus und Bahn, einer Taktverdichtung, Parallelverkehre mit den Bussen müssen nicht sein, aber eine bessere Einbindung der Bahnhöfe entlang der Strecken in den ÖPNV mit an den Zugtakten orientierten Fahrplänen und insgesamt verbesserte Zubringersysteme sind nötig. Der Schülerverkehr könnte eingebunden werden.
Solche und weitere Vorschläge kommen aus den Bürgerinitiativen, den Fahrgastverbänden, den betroffenen Gemeinden. Wir meinen, es macht Sinn, sie aufzugreifen. Allerdings, entscheidend bleibt die Frage, die politisch zu beantworten ist, und da stimme ich genau mit Herrn Kollegen Waldmüller überein:
Wollen wir die Mecklenburger Südbahn als Gesamtstrecke erhalten oder wollen wir das nicht? Meine Fraktion und ich, wir beantworten die Frage mit Ja. Stimmen Sie deshalb unserem Antrag zu!
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, ich stehe in dem Ruf, immer fair mit den Parlamentariern umzugehen, und bis dato war es in der Regel auch keine Einbahnstraße. Aber heute habe ich dieses Einbahnstraßenschild massiv vor meinen Augen gesehen, gerade bei Ihrem Auftritt, Frau Schwenke, ganz besonders.
Also erst mal: Was ich schon total interessant finde, ist, Sie wissen immer schon weit vorher alles, was ich sagen werde, wie ich mich positionieren werde.
Und wenn Sie den Kollegen Waldmüller zitieren, dann müssen Sie den Kollegen Waldmüller auch komplett zitieren. Der hat nämlich noch einen weiteren Halbsatz gesagt. Der hat nämlich gesagt: Koste es, was es wolle. Das ist völlig uninteressant für Herrn Waldmüller, also auch für Sie ist das ja völlig uninteressant, was das kosten würde mit dem Thema Südbahn. Also das zur Wahrheit auch noch dazu.
Und dann will ich Ihnen jetzt etwas ins Stammbuch schreiben. Ich habe mir lange überlegt, ob ich das mache, weil es ist eigentlich nicht meine Sache, aber das, was Sie hier treiben an der Stelle, finde ich schon bemerkenswert, um das mal ganz freundlich zu formulieren. Der Kollege Al-Sabty, den ich total schätze, den ich richtig gut finde, hat gestern etwas getan, was kreuzgefährlich ist in der Politik. Sie haben mit dem Finger auf uns gezeigt im Zusammenhang mit der Anhörung der Gerichtsstrukturreform, wenn Sie sich erinnern, dass wir im Grunde genommen da eine Show abgezogen haben, weil das stand ja alles vorher schon fest und, und, und – so im übertragenen Sinne.
Kollege Al-Sabty, wir haben bei dem Thema Südbahn folgende Situation erlebt, ich habe sie erlebt. Die Entscheidung, was jetzt nun endgültig tatsächlich beim Thema Südbahn passiert, habe ich abhängig davon gemacht, dass der Energieausschuss eine Anhörung anberaumt hat, eine Anhörung zu diesem Thema, und Anzuhörende eingeladen hat, wie das nun mal üblich ist. Diese Anhörung ist dann gelaufen. Während dieser Anhörung hat Ihre Fraktion den Antrag, den wir jetzt gerade beraten, schon lange abgegeben gehabt.
sondern der Antrag lag schon längst bei der Landtagsverwaltung vor. Da muss ich Ihnen sagen, das ist ein Stil, das wäre mein Ding nicht. Ich habe nämlich …
Ja, dann müssen Sie einfach mal jetzt zuhören. Das tut weh, das ist ärgerlich. Ich hätte mich an dieser Stelle auch geärgert, wenn so was passiert.
Aber ich habe im Ergebnis der Anhörung meine da eigentlich fast feststehende Entscheidung noch einmal überdacht und noch ein paar Korrekturen vorgenommen, meine Damen und Herren. Das heißt, ich habe das Parlament sehr wohl ernst genommen und habe die Anhörung ernst genommen und mit einfließen lassen in das, was letztendlich zu entscheiden ist. Das hat die Fraktion DIE LINKE an der Stelle nicht getan. Das werfe ich Ihnen vor. Tut mir leid, das kann ich Ihnen nicht ersparen, das ist nicht in Ordnung.