Die Menschen in allen Teilen Deutschlands, und zwar in Ost und West, wollten nach dem Weltkrieg ein demokratisches und friedliches Land aufbauen.
Die Teilung Deutschlands und die Blockkonfrontation haben dann zu den Entwicklungen geführt, die wir heute erneut mehr oder weniger emotional diskutieren.
Meine Eltern lebten zwölf Kilometer östlich der Elbe und so wurde ich in der DDR geboren. Meine Damen und Herren, bekanntlich habe ich 1985 bis 1987 in Moskau Gesellschaftswissenschaften studiert.
Michail Sergejewitsch Gorbatschow war seit März 1985 an der Macht und so erlebte ich hautnah die Veränderungen in der Sowjetunion und die Kämpfe zwischen den alten und neuen Kräften in der KPdSU. Ich war mittendrin in dieser Diskussion, ich kann Ihnen sagen, es war eine spannende Zeit. Die SED dagegen begründete in dieser Zeit gerade, dass sich auf deutschem Boden nicht nur zwei deutsche Staaten herausgebildet hatten, sondern auch zwei Nationen. Das war absurd, aber es war damals die Doktrin, die in der SED herrschte.
Da erschienen in Moskau Artikel, die von einer bevorstehenden Vereinigung der beiden deutschen Staaten sprachen. Ein Artikel war übrigens von Volker Rühe, damals Generalsekretär der CDU. Diese Zeitschriften wurden in der DDR nicht verbreitet, das war lange vor dem „Sputnik“Verbot.
Mit diesem Gepäck und voller Erwartungen kam ich dann 1987 nach Neubrandenburg. Ich traf aber nicht auf die Bereitschaft zu verändern, sondern ich traf auf Dogmen und Stagnation. Dabei lagen die Probleme doch klar auf der Hand. Ich war unter anderem in der Bezirksleitung der SED Neubrandenburg als Sachbearbeiter zuständig für die Eingaben, die unter anderem den Bereich Wohnen betrafen. Ich glaube, ich muss jetzt nicht beschreiben, wie diese Eingaben aussahen. Da ging es um Öfen, da ging es um Bäder,
Ich wusste aus meiner Zeit in dem Betonwerk, in dem ich arbeitete, oder von meinen sehr guten Kontakten in die Wirtschaft, dass selbst die einfache Akkumulation nicht mehr gesichert war. Ich sah mit eigenen Augen, dass in einer 8-Stunden-Schicht effektiv maximal sechs Stunden gearbeitet wurde.
Auch in der SED wurde über einen Veränderungsbedarf diskutiert. Ich könnte Ihnen viele Beispiele erzählen, an denen ich selbst mitgearbeitet habe, aber all diese Vorschläge verschwanden in den Panzerschränken der Parteihierarchie.
Die zwei Jahre in Moskau und diese zwei Jahre danach haben meine politischen Einstellungen stark beeinflusst. Hinzu kam die allgemeine Unzufriedenheit der Menschen, die vermehrten Ausreiseanträge und dann die Ausreisen über Ungarn und Prag. Ich begann, mich zu fragen, woher sich die Minderheit das Recht nimmt, über das Leben und das Schicksal der Mehrheit zu bestimmen. Ich habe für mich die Diktatur des Proletariats infrage gestellt. Ich bekenne das hier und erzähle das hier, um deutlich zu machen,
dass nicht ein Tag die Veränderung bringt, sondern dass es um Prozesse geht. Darum ist es wichtig, auch in die Geschichte zu blicken.
Es passierte aber im Herbst 1989 noch Weiteres. Die Par- teiführung der SED war gelähmt. Am 18. Oktober 1989 – für die, die es nicht wissen, es war der Tag, an dem Honecker abgelöst wurde –, am 18. Oktober 1989 hatte ich Urlaub und half meinem Freund, die Wohnung zu renovieren. Es gab auch im Parteiapparat ein Alarmierungssystem, aber wir wurden weder gerufen noch informiert. Wir haben es am anderen Morgen in den Zeitungen gelesen oder im Rundfunk gehört – wir, die im Parteiapparat tätig waren.
Dann kam der 9. November und mir war klar, dass damit die Weichen für ein wiedervereintes Deutschland gestellt
waren. Unklar war mir, wie lange es dauern und welcher Weg dahin führen würde. Der 9. November war wieder ein Tag, der den Lauf der Geschichte und mein Leben verändert hat. Heute würdigen wir mit allen Demokratinnen und Demokraten dieses historische Ereignis. Niemand – auch nicht die LINKEN – wünscht sich die Mauer zurück.
(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dagmar Kaselitz, SPD – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)
haben nicht nur den Weg in ein geeintes Deutschland geebnet, sondern auch die von ihnen gehasste Partei angestoßen, sich zu verändern. Es waren die Bürgerinnen und Bürger der DDR,
die sich gegen die reformunwillige und reformunfähige SED und Staatsführung wandten und grundlegende Veränderungen anstrebten. Die Partei, die SED selbst, benötigte noch eine Weile, um sich aus der Schockstarre zu befreien. Der Anstoß für eine moderne linke Partei, für eine demokratisch-sozialistische Partei wurde in diesen Novembertagen gegeben. Der Sonderparteitag im Dezember 1989 hat dann mit dem Stalinismus gebrochen.
Natürlich stand die Frage auch in unserer Partei: Auflösen? Ich stand vor den Fragen: Mache ich weiter? Stehe ich zu meinen Überzeugungen, auch zu den sich verändernden Überzeugungen? Ich will Ihnen sagen, Sie wissen es, ich habe mich entschieden, das Parteibuch nicht abzugeben, stand zu meinen Überzeugungen und habe für den Erhalt der Partei gekämpft. Sie wissen auch, dass ich für eine erneuerte linke Partei in Deutschland und in Mecklenburg-Vorpommern gekämpft habe.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion unterscheidet zwischen den Lebensleistungen der Menschen in der DDR und dem politischen System der DDR.
und damit auch ihre Diktatur. Herr Kokert, Sie haben das Zitat schon gebracht, aber ich möchte es auch noch mal hier vorlesen. Artikel 1 Satz 1 der Verfassung der DDR aus 1968 heißt, Zitat: „Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat deutscher Nation.
Sie ist die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land, die gemeinsam unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei den Sozialismus verwirklichen.“ Damit war ganz klar: Der Führungsanspruch war in der Verfassung festgeschrieben. Das war vorher ja nicht so, in der Verfassung von 1949 findet man ganz andere Töne.
Meine Fraktion, meine Partei bekennt sich zur Verantwortung der SED für das Unrecht, für die Fehler und Fehlentwicklungen in der DDR. Wir bedauern das zutiefst, wir verdrängen nicht, wir relativieren nicht. Wir entschuldigen uns heute erneut bei den Menschen, denen Unrecht widerfahren ist.
(Udo Pastörs, NPD: Und damit ist es erledigt für Sie, ja? – Peter Ritter, DIE LINKE: Halt deine Klappe dort drüben!)
DIE LINKE, vormals die PDS, ist aber auch die einzige Partei, die sich kritisch mit der politischen Vergangenheit auseinandersetzt und Schlussfolgerungen für Programm und Politik von heute gezogen hat, immer noch zieht und auch weiter ziehen wird. Hierzu gibt es unzählige Konferenzen und Beschlüsse der Partei. Schwierige und zum Teil schmerzliche Debatten wurden geführt, auch in Mecklenburg-Vorpommern. Ich spreche da aus eigener Erfahrung.
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie aber bitten, mit mir nach Thüringen zu schauen. LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verhandeln dort zurzeit über eine rot-rot-grüne Koalition. Mein Genosse und Freund Bodo Ramelow hat gute Chancen, erster Ministerpräsident der LINKEN in Deutschland zu werden.
Die dortige CDU kann aber den drohenden Machtverlust nicht begreifen und schon gar nicht will sie in die Opposition. Ich frage mich schon, welche Schlussfolgerungen die CDU aus ihrer DDR-Geschichte gezogen hat. Die Regierung zu verlassen, ist kein leichter Schritt, das wissen die Kollegen der CDU, 1998, und das wissen wir LINKEN, 2006, das sind Veränderungen. Aber das Volk entscheidet, auch in Thüringen. Nicht nur aus diesem Grund weise ich alle Drohungen gegen Bodo Ramelow entschieden zurück.