Protokoll der Sitzung vom 10.12.2020

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Man wird das doch wohl benennen dürfen! Wir müssen doch darüber reden!)

Und wenn Sie der Auffassung sind, dass das alles nicht stimmt, dann tut es mir leid. Sie sind rechts, und zwar ganz weit rechts!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Und wir stehen vor Weihnachten. Vielleicht denken Sie da mal drüber nach und lachen jetzt nicht so dumm!

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

So dumm!

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Dumm ist das!

Und insofern …

Einen Moment,...

... darf ich...

... Herr Minister! Ich merke, dass die Debatte sich zuspitzt. Ich bitte doch, trotzdem in der Wortwahl sich an unsere parlamentarischen Gepflogenheiten zu halten!

Ja.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Der eine lacht dumm, der andere … – Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Ich will insofern darauf eingehen, auf diesen Antrag, und im Moment darf ich und soll und muss ich den Innenminister vertreten, der heute entschuldigt ist bei der Präsidentin und an der Innenministerkonferenz teilnimmt. Und genau auf dieser Innenministerkonferenz – und das wissen Sie im Übrigen auch ganz genau – steht auf der

Tagesordnung die Frage „Abschiebestopp Syrien“. Und die Vorgespräche finden zurzeit tatsächlich hier statt und am Nachmittag wird darüber verhandelt. Auch das wissen Sie. Ich kann und werde der Meinungsfindung nicht vorgreifen. Insofern, an dieser Stelle ist vollkommen klar, dass der Innenminister die Interessen des Landes Mecklenburg-Vorpommern zu vertreten hat.

Zum Thema Abschiebestopp: Er ist ja regelmäßig verlängert worden. Bisher gab es einen Abschiebestopp für Syrien. Dieser besteht seit 2012 und wurde immer wieder verlängert. Zuletzt verständigte man sich darauf, und auch das dürfte Ihnen ja bekannt sein, dass die Innenministerkonferenz im Juni den Abschiebestopp bis zum 31. Dezember 2020 verlängert hat.

Zur Lageeinschätzung: Nun muss man natürlich auch wissen, dass es immer wiederkehrende Lageeinschätzungen gegeben hat, und heute Nachmittag wird es durch den Bundesinnenminister, von dem Sie ja auch gesprochen haben, durch Herrn Seehofer, eine geben. Und wer die Nachrichten aufmerksam verfolgt hat, der wird sicherlich auch zur Kenntnis genommen haben, dass der Bundesinnenminister Seehofer den Abschiebestopp – nach dem, was wir jedenfalls vernehmen – nicht verlängern will. Dazu hatten sich auch mehrere Innenminister geäußert. Es darf insofern damit gerechnet werden, dass es eine lebhafte Debatte geben wird.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Die wollen Sie doch gar nicht!)

Im Übrigen nehme ich auch zur Kenntnis,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wie verhält sich denn Mecklenburg-Vorpommern dazu?)

das darf ich dann abschließend Ihnen auch mit auf den Weg geben vor Weihnachten,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das wäre interessant zu erfahren.)

ich bin mir ziemlich sicher, dass der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern im Nachgang für einen Bericht selbstverständlich zu diesem Tagesordnungspunkt und weiteren Tagesordnungspunkten – das hat er heute Morgen ja im Übrigen, wenn ich das richtig verstanden habe, auch mehrfach angedeutet –, dass er dann auch dem Innen- und Europaausschuss gerne zur Verfügung stehen wird. – Herzlichen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und Eva-Maria Kröger, DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Ritter.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Sehr geehrter Herr Backhaus! Ich will Ihnen zunächst einmal recht herzlich danken für Ihre Worte, die Sie am Eingang Ihrer Rede gefunden haben, die ich in dieser Deutlichkeit vollinhaltlich unterstütze. Ich will aber hinzu

fügen, dass ich mir nicht ganz sicher bin, ob der Innenminister, wenn er selbst gesprochen hätte, dies genauso rübergebracht hätte, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Dietmar Eifler, CDU: Das sind haltlose Spekulationen.)

Ja, sehen Sie, die Reaktion macht es doch schon deutlich. Und ich bin mir eben auch nicht sicher, welche Position der Innenminister dieses Landes auf der IMK vertritt, ob er der Seehofer-Linie folgt oder ob er sich den Überlegungen von SPD-Innenministern anschließt, was die Verlängerung oder Nichtverlängerung des Abschiebestopps angeht.

Und da sind wir auch schon bei der Begründung des Antrages. Als das Thema im Innenausschuss schon mal auf die Tagesordnung gesetzt worden ist, da hat der Fraktionsvorsitzende der AfD-Fraktion zum Ausdruck gebracht, dass man mit diesem Antrag die Union gewissermaßen zum Jagen tragen will. Man wolle die Union also mit diesem Antrag auch unter Druck setzen. Das hielt ich für eine Antragsbegründung für nicht zielführend. Deswegen haben wir auch im Innenausschuss diesen Antrag abgelehnt. Und wir werden auch heute hier diesen Antrag ablehnen, denn inhaltliche Auseinandersetzungen hier zu führen, um jemand anders unter Druck zu setzen, ist nicht zielführend, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wir wissen, dass die Innenminister sich jetzt zu ihrer Konferenz treffen, in welcher Form auch immer. Und die Innenminister werden turnusgemäß über den Abschiebestopp nach Syrien beraten. Ich habe das eingangs dargestellt. Grundlage auch für diese Beratung ist dann aber nicht der Antrag der AfD-Fraktion hier aus dem Landtag Mecklenburg-Vorpommern, sondern ausschließlich die Einschätzung des Auswärtigen Amtes zur aktuellen Situation in Syrien. Und in dem aktuellen Bericht des Auswärtigen Amtes – nachzulesen ist das heute unter anderem auch im „Nordkurier“ – kann man lesen, ich zitiere: „Ungeachtet des relativen Rückgangs der Kampfhandlungen kommt es laut den Vereinten Nationen in allen Landesteilen weiterhin zu massiven Menschenrechtsverletzungen durch verschiedene Akteure.“ Zitatende.

Das ist die reale Situation in Syrien: massive Menschenrechtsverletzungen in allen Teilen des Landes. Da kann man sich dann hier hinstellen und sagen, okay, das ist mir egal, man kann sich auch hier hinstellen, um zu sagen, na ja, gut, wir können die Leute ja auch abschieben, und Staaten, die sagen, wir schätzen das anders ein, die können sie dann ja übernehmen, Hauptsache, wir sind das Problem los. – Nein, wir machen das nicht, wir protestieren auch hier an dieser Stelle gegen diese massiven Menschenrechtsverletzungen!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Andreas Butzki, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, da nach dem Messerangriff in Dresden aber auch außerhalb der AfD erneut Abschiebungen nach Syrien thematisiert wurden und werden, lassen Sie mich die Position meiner Fraktion in drei Punkten zusammenfassen:

Abschiebungen nach Syrien sind nicht vertretbar. Sie wären auch kein geeignetes Mittel gegen islamistischen

Terror. Die Europäische Menschenrechtskonvention verbietet bekanntlich, jemanden Folter oder unmenschlicher Behandlung auszusetzen. Dies gilt nun mal auch für Straftäter oder Gefährder. Das ist Rechtsstaat! Und da hat Kollege Backhaus recht, wenn er Sie, Herr Kollege Förster, fragt, welche Position Sie heute zum Rechtsstaat haben. Wer hier rechtsstaatliche Grundsätze und Prinzipien aufweichen will, der spielt auf der Klaviatur des politischen Islamismus, ob er das will oder nicht, der zerstört Rechtsstaatlichkeit, die es doch gegen den Extremismus zu verteidigen gilt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zweitens verkennt eine Debatte über Abschiebungen von Gefährdern ohne deutschen Pass den erheblichen Anteil deutscher Gefährder. Auch das wird regelmäßig von der AfD ausgeblendet. Das ist im Ergebnis populistisch und scheinheilig. Innen- und sicherheitspolitisch muss dieser Ansatz fehlschlagen. Das Bundeskriminalamt geht gegenwärtig von 240 nicht in Haft befindlichen Gefährdern aus. Unter diesen 240 befinden sich 41 Syrer, Herr Förster, unter 240 41 Syrer, aber 135 mit deutscher Staatsbürgerschaft. Was machen Sie denn mit denen, wollen Sie die auf den Mond abschieben? Auch deshalb ist es etwa für den Bundesvorsitzenden des Bundes Deutscher Kriminalbeamter Sebastian Fiedler deutlich zu kurz gesprungen, die Gefährderproblematik mit der Abschiebethematik lösen zu wollen. Das wird nicht funktionieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ohne an dieser Stelle die Maßnahmen der sächsischen Behörden im Umgang mit dem Gefährder, der auch am Tattag, beurteilen zu können, dürfte drittens schließlich feststehen, dass es für die Gefährderproblematik einen anderen konzeptionellen Ansatz braucht als die Reduktion auf Abschiebung. Im Innenausschuss hat das Ministerium hervorgehoben, dass für eine Rund-um-die-Uhr-Beobachtung von Gefährdern keine Rechtsgrundlage besteht und eine hundertprozentige Sicherheit nicht möglich sei. Das sind Tatsachen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können auch nicht jemanden, der als Gefährder eingestuft ist, auf unbestimmte Zeit in Haft nehmen, bis ein Abschiebestopp ausläuft. Auch das wäre rechtswidrig, mit den Prinzipien eines Rechtsstaates eben nicht zu vereinbaren. Sicherheitspolitik sollte entscheiden, welche Gefährder und welche relevanten Personen wie eng überwacht werden müssen und können, welche Auflagen wann sinnvoll sind und notwendig sind. Und Sicherheitspolitik sollte schließlich kritisch und selbstkritisch das Zusammenwirken der Bundesländer auch in der Gefährderproblematik hinterfragen. Zu all dem sagt der vorliegende Antrag leider nichts aus. Auch deshalb werden wir den Antrag heute ablehnen. – Herzlichen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Julian Barlen, SPD)

Vielen Dank, Herr Ritter!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Tegtmeier.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja kein Geheimnis, dass sich die Innenminister der CDU und der SPD, was die Abschiebung nach Syrien betrifft, unterscheiden.

Und dass es hier einen ganz klaren Dissens gibt, das wird öffentlich hier ausgetragen. Wer das Tagesgeschehen verfolgt, weiß das auch in der ganz aktuellen Auseinandersetzung. Davon war hier eben auch schon die Rede.

Ich bedanke mich erst mal bei Herrn Ritter, dass er noch mal so ein bisschen die Aussagen von Herrn Förster hier auch relativiert hat und das in einen vernünftigen Rahmen gebracht hat. Gleichwohl haben wir natürlich auch zur Fraktion DIE LINKE keine hundertprozentige Übereinstimmung in dieser Frage, sondern wir sind durchaus dafür, dass wir Straftäter und Gefährder, wo es möglich ist und geboten ist, abschieben – wo es möglich und geboten ist und wo es auch aus humanen Gründen vertretbar ist. Für Syrien ist das unserer Meinung nach eben nicht der Fall.

Und wenn Herr Förster hier anführt, es ist so ein bisschen wieder die Diskussion, warum können wir nach Afghanistan in manche Gebiete abschieben, warum nach Syrien nicht, für uns ist die Sachlage ganz klar eine andere. Herr Ritter hat auf den Bericht des Auswärtigen Amtes hingewiesen, das die Gefährdungseinschätzung ja regelmäßig vornimmt. Es gibt natürlich auch im Netz schon wieder andere Berichte. Da wurden in Damaskus irgendwelche Bereiche festgestellt, wo die Lage doch nicht ganz so unsicher sein soll, wo der Zugriff der Assad-Regierung wohl nicht funktioniert, aber das sind für mich mehr oder weniger Nebelkerzen.

Und, Herr Förster, der Hinweis darauf, dass man ja – weil Sie ja wissen, dass wir keine diplomatischen Beziehungen zu Syrien pflegen, und es gibt auch keine Direktflüge von Deutschland nach Syrien –, dass wir einen Drittstaat bräuchten, um überhaupt Abschiebungen vornehmen zu können, dass Sie uns hier praktisch empfehlen oder nahelegen, hier vor Erdoğan wieder zu kriechen, ihn zu bitten, hier auch noch mal behilflich zu sein, also das finde ich auch schon ein ziemlich starkes Stück.

Auf jeden Fall steht vor allem unsere Rechtsstaatlichkeit. Und aus den schon genannten Gründen, die der Minister, aber auch Herr Ritter angeführt hat, ist es aus diesen Gründen zurzeit eben nicht geboten, so sinnvoll uns das erscheinen mag, Abschiebungen vorzunehmen. Es kann durchaus sein, dass die Innenministerkonferenz zu einem anderen Ergebnis kommt und die Befristung nicht verlängert. Dann kann sich natürlich jeder, der das möchte, auf die Schulter klopfen, aber das Problem ist damit keineswegs gelöst, denn jeder einzelne Fall muss ja natürlich überprüft werden. Rechtlich sind klare Grenzen gesetzt. Deutsche Verwaltungsgerichte müssen jede einzelne Rückführung auf den Weg bringen. Das sind unsere rechtsstaatlichen Anforderungen, und das ist auch gut so. Also jeder, der jetzt glaubt, das ist einfach mal so hinzukriegen, die Innenministerkonferenz braucht das eben nur mal zu beschließen, der dürfte auch da auf dem Holzweg sein.