Protokoll der Sitzung vom 17.05.2017

Wir, unser Land, unsere Wirtschaft brauchen beides. Nur so halten wir dieses Land auf Dauer auf einem wirtschaftspolitisch erfolgreichen Kurs.

Und es braucht zwei grundlegende Dinge, um einen solchen Prozess erfolgreich für unser Land gestalten zu können.

Erstens. Die Menschen in unserem Land, völlig gleich, ob sie hier geboren sind oder irgendwann zugezogen, dürfen, wie auch die Menschen, die zu uns kommen wollen, mit

uns arbeiten wollen, sich nicht gegenseitig als Bedrohung ihrer eigenen wirtschaftlichen Situation empfinden. Zuwanderung darf eben nicht dazu genutzt, nein, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, missbraucht werden, um das Lohnniveau zu drücken und die Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. Mindestlohn, allgemein verbindliche Tariflöhne, ja Tarifbindung überhaupt sind daher letztendlich,

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

sehr geehrter Herr Koplin, auch aus unserer Sicht unverzichtbar,

(Beifall Thomas Krüger, SPD)

wenn wir soziale Konflikte begrenzen, ja, am besten von Beginn an vermeiden wollen.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Da haben Sie recht.)

Wir müssen aber, sehr geehrte Damen und Herren, nicht nur aufseiten unserer eigenen Bevölkerung Vertrauen schaffen, Sorgen entkräften. Und deswegen müssen wir – und das ist der zweite Punkt – auch im Hinblick auf die, die zu uns kommen, zu uns kommen sollen, dafür Sorge tragen, dass sie eben die Gewissheit haben, dass sie und die Leistung, die sie in diese Gesellschaft einbringen wollen und auch einbringen, von Anfang an geschätzt werden. Wir müssen ihnen von Beginn an zeigen, dass dieses Land jedem, der bereit ist, sich an dessen weiterer Entwicklung zu beteiligen, der bereit ist, sein Wissen, seine Arbeitskraft, sein Engagement zur Verfügung zu stellen, der sich am Erfolg unserer Gesellschaft beteiligen will, eine Perspektive bietet, eine Zukunft, nicht nur für ihn oder sie alleine, sondern auch für die Kinder und Enkel.

Aber wenn wir das wollen, wenn wir den wirtschaftlichen Erfolg unserer Unternehmen wollen, wenn wir sichere, zukunftsfähige Arbeitsplätze wollen, gerade auch für die Menschen, die hier schon leben, wenn wir die Zukunft unseres Landes erfolgreich gestalten wollen, dann dürfen wir eines nicht machen: Dann dürfen wir diese Menschen, die wir brauchen, nicht diskriminieren, sie nicht herabwürdigen, noch bevor sie den ersten Schritt in unser Land überhaupt erst gesetzt haben. Dann kann es nicht sein, dass wir, wie von einem Abgeordneten dieses Hauses geschehen, von „Überfremdung mittels Zuwanderung“ sprechen, und dann kann es nicht sein, dass wir Ängste schüren, wonach unser Volk durch „Überfremdung mittels Zuwanderung“ ausgetauscht werden solle.

(Thomas Krüger, SPD: Sehr richtig.)

Dann darf es nicht sein, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dass beispielsweise ein Abgeordneter dieses Hauses in Abgrenzung zu anderen Menschen, die vielleicht schon seit Jahrzehnten in unserem Land friedlich mit ihren Nachbarn leben, von „Biodeutschen mit zwei deutschen Eltern und vier deutschen Großeltern“ spricht.

(Thomas Krüger, SPD: Genau.)

Das, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, diskriminiert übrigens auch alle Deutschen, die nicht zwangsläufig vier deutsche Großeltern haben. Und glauben Sie mir, auch das sind in diesem Land nicht wenige.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn man schon solche Äußerungen tätigt, die mehr als nur an den nationalsozialistischen Jargon erinnern, die eben auch zielgerichtet auf die in der NS-Zeit eingeforderten Ariernachweise verweisen, dann sollte man doch bitte wenigstens so viel Rückgrat haben und offen zu seiner Meinung, ja zu seiner rechtsextremistischen und – zumindest nach meiner Auffassung – offenkundig nationalsozialistischen Überzeugung stehen.

(Thomas Krüger, SPD: Genau.)

Und dann will ich dies auch an dieser Stelle ganz offenkundig sagen, sehr geehrte Kollegin und Kollegen in der AfD: Wer sich nicht klar und deutlich glaubhaft von rechtsextremistischen Tendenzen, Positionen, Äußerungen in seiner Fraktion, in seiner Partei distanziert, der darf sich nicht wundern,

(Zuruf von Bert Obereiner, AfD)

wenn die Menschen in unserem Land die gesamte Partei, die gesamte Fraktion und jedes ihrer Mitglieder am Ende zumindest für latent rechtsextremistisch halten.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD – Holger Arppe, AfD: Oh, oh!)

Aber vielleicht, Herr Kollege Holm, Herr Kollege Manthei, ist das ja sogar gewollt, oder – auch das ist natürlich eine Möglichkeit – man nimmt es zumindest billigend in Kauf.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn wir über Zuwanderung nach Deutschland, nach MecklenburgVorpommern, egal ob aus dem europäischen oder auch aus dem nicht europäischen Ausland sprechen, dann können wir natürlich gerne darüber diskutieren, ob es so etwas wie eine „deutsche Leitkultur“ – ich persönlich würde lieber von „gemeinsamer kultureller Identität“ sprechen – gibt. Ich fände es durchaus spannend zu sehen, worin konkret die Schnittmengen zwischen Franken und Vorpommern, zwischen Ostfriesen und Schwaben und – gestatten Sie mir das an dieser Stelle auch – vielleicht sogar zwischen Rheinländern und Westfalen bestehen.

(Heiterkeit bei Thomas Krüger, SPD – Martina Tegtmeier, SPD: Oi, oi, oi!)

Aber dann erwarte ich von jedem, der diesen Diskurs führen will, dass er deutlich macht, worin die identitätsstiftende Schnittmenge besteht. Wenn man einen solchen Diskurs ernst nimmt – und zumindest die Menschen, deren berufliche Fähigkeiten wir in diesem Land nutzen wollen, beobachten die dabei fallenden Äußerungen wohl ganz genau –, dann bitte, meine Damen und Herren, nicht mit so plumpen und übrigens sprachlich wohl kaum dem Deutschen würdigen Äußerungen wie: „Wir sind nicht Burka!“ Natürlich sind wir nicht Burka! Aber wir sind auch nicht Jeans, nicht T-Shirt oder was sonst noch der Klamottenladen um die Ecke im Angebot hat.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Ich persönlich würde mir wünschen, dass wir einen solchen Diskurs über den gesellschaftlichen Umgang mit der dringend benötigten Zuwanderung in unseren Arbeitsmarkt eher unter dem Gesichtspunkt des Kantʼschen kategorischen Imperativs führen. Der Grundsatz „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wol

len kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde“ impliziert nämlich auch, dass wir diejenigen, die in unserem Land mitgestalten wollen, ihre Leistungskraft einbringen wollen, die unsere Gesellschaft stärken wollen, so behandeln, wie wir selber in diesem Land behandelt werden wollen – nicht besser, aber eben auch nicht schlechter. Und wenn wir uns dann vielleicht an die Friedrich II. zugeschriebenen Worte erinnern, wonach doch jeder in seinem Staat „nach seiner Fasson selig werden“ solle, dann ist beides zusammen vielleicht deutlich mehr an deutscher Leitkultur als die Aussage, es wäre typisch deutsch, sich zur Begrüßung die Hände zu geben.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen uns nicht der Herausforderung verschließen, die die bereits bestehende und sich weiter verschärfende Fachkräftelücke auch in unserem Land darstellt. Selbst heute konnten Sie es, wie gesagt, bereits der aktuellen Presse entnehmen. Stimmen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb unserem Antrag zu und lassen Sie uns uns dieser Herausforderung gemeinsam in seiner ganzen Breite stellen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Fraktion der AfD der Fraktionsvorsitzende Herr Holm.

(Thomas Krüger, SPD: Nun sind wir gespannt.)

Liebe Bürger! Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Herr Schulte, ich hätte mir gewünscht, dass Sie ein bisschen intensiver über das Thema reden und nicht über Ihre eigenen Vorurteile der AfD-Fraktion gegenüber.

(Thomas Krüger, SPD: Vorurteile?!)

Natürlich Vorurteile. Was denn sonst?!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das können Sie gerne privat tun. Wir wollen hier über das Thema Fachkräftemangel reden.

Und in der Tat macht uns ja die demografische Entwicklung zu schaffen.

(Thomas Krüger, SPD: „Vorurteile“ hat er gesagt!)

Wir bekommen zu wenige Kinder, viel zu viele junge Leute wandern ab und – das vergessen viele gerne – viel zu viele Bürger müssen auch zur Arbeit in die Nachbarländer pendeln. Daran sehen wir schon, dass die Geschichte von der Fachkräftelücke so einfach offensichtlich nicht ist.

Es ist wie die Geschichte vom Autokäufer, der auf der Suche ist nach einem ein Jahr alten gebrauchten und unfallfreien Golf, dafür aber nur 1.000 Euro ausgeben möchte. Er findet und findet keinen, und das ist ja auch ganz logisch. Kann man daraus nun schließen, dass es eine Gebrauchtwagenlücke gibt? Ich würde kess behaupten, das ist sicherlich nicht der Fall.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Mit anderen Worten, die Fachkräfte fehlen auch, weil die Preise – sprich die Löhne – teils nicht mehr stimmen. Auch die unterliegen ja Angebot und Nachfrage. Und klar ist, die angebotenen Löhne werden steigen müssen, um beispielsweise auch die Pendler dazu zu bewegen, wieder hier ihr Geld verdienen zu können.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Aber klar ist, und das ist jetzt unsere Ebene im Prinzip, dass der Staat natürlich helfen muss, wo es möglich ist. Er muss die Bürger von Kosten entlasten, zum Beispiel von den Kinderbetreuungskosten. Darüber haben wir heute schon gesprochen. Es wird höchste Zeit für kostenfreie Kindergartenplätze. Wir fordern das ja seit Langem,

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

aber Sie setzen diese wichtige Maßnahme in dieser Regierung bis 2011 wieder nicht um, obwohl die Steuereinnahmen sprudeln.

(Thomas Krüger, SPD: Na, da sind wir mal gespannt bei den Haushaltsgesprächen, wie Sie das finanzieren werden.)