Protokoll der Sitzung vom 15.11.2017

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte, Platz zu nehmen, damit wir mit der Landtagssitzung beginnen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 23. Sitzung des Landtages von MecklenburgVorpommern. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet.

Meine Damen und Herren, im vergangenen Monat erreichte uns die traurige Nachricht, dass unser ehemaliger Justizminister und Abgeordneter Herbert Helmrich am 24. Oktober 2017 verstorben ist. Geboren in der Lausitz in der ehemaligen DDR, ist er 1952 und 1953 aus politischen Gründen verhaftet worden. 1954 gelang ihm dann die Flucht in die Bundesrepublik. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Göttingen trat er 1966 der CDU bei. 1967 erhielt er seine Zulassung als Rechtsanwalt. Viele Stationen absolvierte er in seinem Leben, zum Beispiel als Vorsitzender des Rechtsausschusses des Bundestages bis hin zum Minister für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes MecklenburgVorpommern. 2013 erhielt Herbert Helmrich das Große Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland.

Ich bitte Sie, sich zum Gedenken an Herbert Helmrich von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Vielen Dank.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die vorläufige Tagesordnung der 23. und 24. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 23. und 24. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.

Die Fraktion DIE LINKE hat beantragt, die Aussprache zum Thema „Paradise Papers“ in die Tagesordnung aufzunehmen. Weiterhin liegt Ihnen ein Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/1257 „Mittelkürzung bei Jobcentern stoppen – Jobcenter bedarfsgerecht ausstatten – Integration in Arbeit nicht weiter behindern“ vor. Wir werden über die Aufsetzung der Aussprache sowie über die Aufsetzung des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/1257, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach angemessener Zeit für eine Verständigung innerhalb und zwischen den Fraktionen nach dem Tagesordnungspunkt 2 beraten. Ich werde das Wort zur Begründung dieser Beratungsgegenstände erteilen sowie die Abstimmung über deren Aufsetzung durchführen. Ich sehe und höre auch dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der AfD hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Chaos auf Schienen und Straßen in Mecklenburg-Vorpommern – Verkehrsinfarkt verhindern“ beantragt.

Aktuelle Stunde Chaos auf Schienen und Straßen in Mecklenburg-Vorpommern – Verkehrsinfarkt verhindern

Das Wort für die Fraktion der AfD hat der Abgeordnete Herr Reuken.

Sehr geehrtes Präsidium! Verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Mecklenburger! Liebe Vorpommern! Werte Gäste! „Bahnfahren wird zur Safari“, „Rügen für Wochen vom Bahnverkehr abgekoppelt“, „Fahrgäste müssen auf Busse umsteigen und Umleitungen in Kauf nehmen“, „Chaos auf unseren Autobahnen“, „Kaputte Straßen … Landesrechnungshof warnt vor Spätfolgen“ – diese und ähnliche Schlagzeilen geistern in den letzten Wochen wieder häufiger durch unsere Landespresse. Auf keiner Bahnstrecke im Land rollt der Verkehr derzeit uneingeschränkt so, wie er soll. Grund sind zahlreiche Baustellen. Fahrgäste müssen in Busse umsteigen und brauchen viel Geduld. Pendler und Anwohner sind genervt von der Situation auf unseren Straßen. Auch hier gibt es unzählige Baustellen, die entspanntes Fahren und zeitiges Ankommen nahezu unmöglich machen.

Die Deutsche Bahn hat bereits im Mai den Fahrplan auf der Strecke zwischen Wismar und Ludwigslust geändert. So fallen alle Züge der Linie RB 18 zwischen Bad Kleinen und Schwerin aus. Auf der Strecke von Rostock nach Berlin werden abschnittsweise alle Strukturen grunderneuert, um die mögliche Geschwindigkeit auf 160 km/h zu erhöhen. Die geplante Bauzeit auf der 198 Kilometer langen Strecke liegt im Zeitraum von 2005 bis 2027. Auch auf der Regionalstrecke Stettin–Lübeck gibt es Einschränkungen. Zwischen Grevesmühlen und Schönberg fahren bis Dezember keine Züge. Auf der Strecke Stavenhagen–Neubrandenburg ist der Verkehr ebenfalls bis Ende des Jahres eingestellt. Auf Rügen ist der Bahnverkehr für knapp drei Wochen komplett lahmgelegt. Bahnreisende kommen nur noch mit dem Schienenersatzverkehr auf die Insel oder retour nach Stralsund. Darüber hinaus sind Instandhaltungsarbeiten der Rügendammbrücke notwendig.

(Thomas Krüger, SPD: Und wo ist die Alternative dazu?)

Meine Damen und Herren, das sind nur einige Beispiele, und es klingt schon mächtig nach Chaos und Stress. Wir gehen jedoch davon aus, dass hier eine langjährige und gut durchdachte Planung seitens der Bahn zugrunde liegt. Für die großflächige Erneuerung der Infrastruktur im SPNV des Landes sollten wir die Bahn also nicht verteufeln. Viele Strecken sind einfach marode und viele Instandhaltungsmaßnahmen müssen regelmäßig durchgeführt werden.

(Thomas Krüger, SPD: Eben.)

Betrachtet man darüber hinaus die touristischen Belange und die Wetterlage, bleibt ohnehin nur ein schmales Zeitfenster für die Durchführung von Bauarbeiten. Dass es da zu Überschneidungen kommt und im Land mehrere Baustellen gleichzeitig zu verzeichnen sind, ist also keine Überraschung.

(Thomas Krüger, SPD: Genau.)

Ziel sollte aber sein, die Belastung für die Kunden so gering wie möglich zu halten und Bauarbeiten zu beschleunigen. So bemüht sich die Bahn, Bauarbeiten möglichst nachts durchzuführen und bei mehrgleisigen Strecken nur ein Gleis zu sperren.

Landesregierung und Bahn sind Vertragspartner in Sachen Schienenverkehr. Ich gehe davon aus, dass hier eine enge Abstimmung über die Fahrpläne und Baustellen erfolgt, sofern die betroffenen Strecken Vertragsbestandteil sind. Wichtig ist aber, dass der Informationsfluss für die Betroffenen funktioniert, sodass es keine bösen Überraschungen gibt, wenn der Fahrgast am Bahnsteig steht. Schienenersatzverkehre müssen abgestimmt sein auf die regionalen Verkehrsverbindungen. Hier dürfen wir nicht nur auf das Verständnis und das Wohlwollen der Fahrgäste hoffen, wir müssen auch selber Verständnis aufbringen, zuhören und gegebenenfalls reagieren.

Der zeitliche Mehraufwand für unsere Bürger, die sich mit der Bahn durchs Land bewegen, ist enorm hoch und ihre Geduld wird täglich neu auf die Probe gestellt. Und auch wenn derzeit keine Hochsaison ist, für Touristen ist es momentan ebenfalls eine Herausforderung, durch unser Land zu reisen, zumal hinzukommt, dass die Situation auf unseren Straßen derzeit ein blankes Chaos ist. Straßenbaumaßnahmen werden vorrangig saisonal im Frühjahr und im Herbst durchgeführt. Die Bauspitzen fallen in die Monate, die eben nicht vom Sommertourismus oder Winterwetter geprägt sind.

Mit Tempo 40 quält sich seit 2015 der Verkehr einspurig auf der Autobahn 19 über die marode Petersdorfer Brücke. Die wichtigste Nord-Süd-Verbindung zwischen Berlin und der Ostseeküste wird noch bis 2020 – nicht wie geplant bis 2019 – eine Baustelle sein. Durch die Absenkung der A 20 auf dem Teilstück bei Tribsees ist nun auch die Ost-West-Anbindung unseres Landes massiv beeinträchtigt. Die Situation geht besonders zulasten der Pendler, der mittelständischen Unternehmen und vor allem auch der Anwohner. Selbst auf Bundesebene fürchtet man durch die Autobahnengpässe im Land negative Auswirkungen auf den Tourismus. Man rechnet mit starken Einbußen für die Tourismuswirtschaft und fordert eine schnellstmögliche Instandsetzung.

Im Großraum Rostock gibt es weitere Verkehrsbehinderungen. Zwischen dem Autobahnkreuz Rostock und dem Abzweig Rostock-Süd wird zunächst auf einer Länge von rund 2,5 Kilometern saniert. In vier Bauabschnitten soll die Asphaltdecke der A 20 zwischen dem Autobahnkreuz Rostock und der Anschlussstelle Südstadt auf insgesamt 8,8 Kilometern erneuert werden. Auch die östliche Einfahrt von Rostock, die ohnehin ein Nadelöhr ist – dort wird gebaut. Dazu kommen Vollsperrungen zwischen Brinckmansdorf und Broderstorf, Geschwindigkeitsdrosselungen an der Peenetalbrücke bei Jarmen, Sperrungen an den Autobahnanschlussstellen Gützkow und Jarmen. Da fragt man sich schon, ob das alles zeitlich optimal geplant ist.

Selbstverständlich konnte die Absenkung der A 20 niemand vorhersehen, wohl aber die Baustellen auf Straßen und Schienen. Und da wirft sich die Frage auf: Hätte man das nicht besser aufeinander abstimmen können? Ich hoffe, uns wird der Minister Pegel gleich darauf eine Antwort geben, denn Kritik kommt ja mittlerweile aus der eigenen Koalition. Verfehlte Infrastrukturpolitik wirft man Ihnen vor.

Dazu kommt, dass der Landesrechnungshof bereits 2000 warnte, dass der Zustand der kommunalen Straßen bedenkenswert ist. Fehlende Konzepte und vor allem stagnierende Mittelzuweisungen an die Kommunen führen zu Investitions- und Sanierungsstau.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Sind das jetzt bereits die Auswirkungen?

Vom Landesamt für Straßenbau und Verkehr haben wir im Ausschuss erfahren, dass die strategische Planung auf die Erhaltung der Landesstraßen ausgerichtet ist und das eingeplante Geld im Landeshaushalt gerade dafür reicht, den derzeitigen Istzustand zu erhalten. Ist also auch hier mit einem Investitionsstau zu rechnen? Ich denke, darauf werden Sie auch gleich antworten. Ob uns die Antwort dann gefällt, das sei mal dahingestellt. Wichtig ist aber, dass es eine Lösung gibt, damit es eben nicht zu einem Verkehrsinfarkt kommt.

Bei den chaotischen Verhältnissen, die derzeit im Land herrschen und derer wir zunächst Herr werden müssen, dürfen wir allerdings das große Ganze nicht außer Acht lassen. Zur Infrastruktur zählt mehr als Straßen und Schienen auf den Hauptstrecken. Vergessen wir bei der ganzen Aufregung über die Hauptverkehrsadern von Nord nach Süd und Ost nach West nicht die kommunalen Straßen und Wege. Bahnhöfe und Bahnanschlüsse der ländlichen Räume dürfen wir nicht vernachlässigen.

Nach dem Weiterbetrieb der Bahnverbindung Velgast– Barth besteht auch wieder ernsthafte Hoffnung auf die Verlängerung bis auf den Darß, zumindest hat man bis 2019 Zeit gewonnen, dafür eine positive Entscheidung herbeizuführen. Darüber hinaus sind es Themen wie der Anschluss der Autobahn A 14, eine flächendeckende Mobilfunk- und Internetabdeckung im ganzen Land oder die Ämterverteilung im ländlichen Raum. Durch Strukturreformen entfernt sich die Exekutive immer mehr aus der Fläche und wundert sich dann, dass sich die Menschen im ländlichen Raum abgehängt fühlen. Auch hier gilt es, Investitionsstau zu vermeiden. Investieren wir jetzt Zeit und Gespräche, um uns die Sorgen und Nöte der Bürger anzuhören! Investieren wir Experten, Ideen, Geld und Konzepte, um nachhaltige Lösungen parat zu haben, bevor es zu einem Sanierungsstau kommt! Kurz gesagt: Investieren wir in die Zukunft unserer Heimat!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ob Koalitionspartner oder Opposition, für langfristige und nachhaltige Lösungen müssen wir alle unsere Hausaufgaben gründlich machen und die an uns gestellten Aufgaben und Probleme strukturiert abarbeiten. Wir als Opposition sind dazu gerne bereit. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ich begrüße auf der Besuchertribüne eine 11. Klasse aus dem Gymnasium am Tannenberg in Grevesmühlen.

Ich rufe auf den Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung Herrn Pegel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst herzlichen Dank für das Thema, auch wenn ich mich bei der Überschrift ein bisschen wundere. Die Überschrift ist „Chaos und Verkehrsinfarkt“.

(Thomas Krüger, SPD: So ist es.)

Wenn Sie das diskutieren außerhalb dieses Bundeslandes – und ich habe zuweilen die Gelegenheit, dass Menschen auf mich zukommen, die aus Nordrhein-Westfalen zu Gast sind –, erlebe ich eigentlich eher große Zufriedenheit und manchmal beinahe einen kritischen Blick darauf, wie die Mittelverteilung innerhalb Deutschlands erfolge. Ich glaube, dass viele von außerhalb unter „Verkehrschaos“, unter „Verkehrsinfarkt“ etwas deutlich anderes verstehen als das, was wir hier haben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Sebastian Ehlers, CDU – Thomas Krüger, SPD: Richtig! – Sebastian Ehlers, CDU: So ist es.)

Das Spannende an den letzten zehn Tagen ist, dass auf der einen Seite gesagt wird, ihr erzeugt gerade ein Verkehrschaos und einen Verkehrsinfarkt, vor allen Dingen mit euren Baustellen, und parallel vorhin angesprochen wurde, die Kommunalpolitische Vereinigung der CDU sagt, Mensch, vielleicht fehlt es sogar an Instandsetzung. Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Entweder habe ich zu wenig Baustellen, dann fehlt es an Instandsetzung, oder ich habe zu viele Baustellen, dann habe ich Chaos. Beide Themen zusammen zeigen allerdings, dass die Blicke auf das, was wir in MecklenburgVorpommern haben, momentan offenbar – freundlich formuliert – sehr differenziert ausfallen.

Ich würde für Folgendes werben: Wir – CDU und SPD – sind 2013 auf Bundesebene gemeinsam angetreten, um den Infrastruktur- und Erhaltungswert insgesamt deutlich hochzufahren. Wir haben das Gleiche im Land nachvollzogen. An beiden Stellen hat man erstens insgesamt den Sockel dessen, was man jedes Jahr reintut in diese Bereiche, erhöht und man hat insbesondere auch innerhalb der Geldverteilung Dinge anders sortiert als in der Vergangenheit: weniger Neubau, mehr Unterhaltung und Instandsetzung. Beides – noch mal – ist auf Landesebene nachvollzogen worden.

Ich will Ihnen gerne mal zwei Zahlen an die Hand geben, die ein Gesamtgefühl dafür geben, warum wir heute mehr Baustellen sehen als vor drei Jahren. Wir sind 2013 in der Summe in diesem Land, was wir für Bundes- und Landesstraßen im Haushalt haben, gestartet mit 175 Millionen Euro – 175 Millionen Euro in 2013. Den gleichen Wert würden Sie für 2011 finden. Wir sind im Jahr 2017 bei 244 Millionen Euro – 175 Millionen 2013, 2017 244 Millionen Euro. Die Idee war in der Tat, dieses Geld nicht nur zu haben, sondern zu verbauen, weil wir das erste Mal seit vielen Jahrzehnten erreichen wollten, dass wir wenigstens so viel Geld in die Infrastruktur investieren, damit das, wenn man jetzt wie ein Wirtschaftsunternehmen denken würde, was am Anfang des Jahres in einer Bilanz an Werten im Anlagevermögen drinstand, am Ende auch als Wert noch da ist,

(Thomas Krüger, SPD: Sehr richtig!)

ich also wenigstens so viel Geld im Jahr investiere, wie ich – in Anführungszeichen – im Jahr verbraucht habe von den Werten, die ich besitze. Das tun wir jetzt seit ein, zwei Jahren mühsam, halbwegs. Wir sind also noch nicht mal dabei, dass wir riesige Investitionsstaus der 80erJahre aufholen, sondern wir reden darüber, dass wir wenigstens erhalten, was wir haben. Und dann haben wir, offen eingestanden, im Osten noch eine einen Tick leichtere Aufgabe an manchen Stellen, weil zumindest

alle die Straßen, die in den 90ern und zu Beginn des Jahrtausends neu entstanden sind, zwar jetzt in den ersten Erhaltungszyklus kommen, aber noch nicht so grundruiniert sind wie manche Autobahnen in anderen Bundesländern.

Sie spüren diese Baustellen dann auch. Das gestehe ich freimütig ein und ich verspreche Ihnen fest: An dem Tag, wo Ingenieure es schaffen, von unten zu bauen und am Ende die Straße umzuklappen, wenn sie fertig ist, werden wir alles daransetzen, das in diesem Lande umzusetzen.

(Heiterkeit und Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das gibt es aber noch nicht. Und so lange, meine Damen und Herren, werden wir nicht umhinkommen, die Baustellen auch zu sehen und zu spüren. Wir können nur versuchen, Auswirkungen zu minimieren, aber da, wo gebaut wird, haben wir mindestens eine halbseitige Sperrung und bei gewisser Schmalheit der Straße auch eine ganzseitige, eine Vollsperrung.

Was wir versuchen können, das wurde von Ihnen dankenswerterweise angesprochen, ist in der Tat, dass wir die Bauzeiträume nicht in die Phase des Jahres legen, wo sehr viele Menschen von außerhalb hinzukommen, wo wir auf den Urlaubsinseln zuweilen binnen weniger Tage aus einer Kleinstadt eine Großstadt machen. In diesen Zeiträumen halten wir sie weitgehend frei, außer bei Baustellen, die einfach zwölf Monate am Stück dauern. Alle anderen werden versucht, ins Frühjahr und in den Herbst zu legen. Wenn ich also etwas weniger als die Hälfte des Jahres schon nicht bauen kann, weil es Winter ist – bei Frost brauchen Sie eine Menge Baumaßnahmen gar nicht anzupacken –, wenn also am Ende in Wahrheit acht, achteinhalb Monate übrigbleiben, von denen ich wiederum drei bis vier abziehe, weil wir Sommerpause machen, dann ist der Zeitraum, in dem ich mich bewegen kann, knapp, und in diesem Zeitraum muss ich den Baufirmen aber auch eine Chance geben, wenigstens aufzubauen, zu beginnen und wieder abzubauen. Ich rede also in Wahrheit von vier bis fünf Monaten minus 10 Prozent, minus 15 Prozent, weil sie ein bisschen Anlaufphase, Ablaufphase haben. Das spüren wir das erste Mal in diesem Jahr – im letzten Jahr hat es schon begonnen – deutlich.

Ich würde Ihnen mal eine, wie ich finde, optimistische, wenn man sagt, das sei schon Chaos, ist es leider eine pessimistische, Sicht an die Hand geben: Das, was Sie momentan spüren, ist der Zustand, den ich mir für die nächsten Jahre erhoffe, nicht weil ich den Menschen gerne Unbequemlichkeiten bereite, sondern weil wir das erste Mal einen Status erreicht haben, wo wir wenigstens das instand setzen, was wir im Jahr verbrauchen, also wenigstens die Waagschale im Gleichgewicht halten und nicht mehr „verfuttern“ von unseren Straßen, als wir neu machen. Ich muss Sie darauf einstellen, das ist in etwa das Niveau, was wir eigentlich brauchen, um auf Landes- und Bundesstraßen auf dem Stand zu bleiben.

Und dann schließe ich mich der Frage gerne an, ob in den Kommunen nicht momentan immer noch zu wenig investiert wird. Das hat dann aber, wenn man diese Überschrift sieht, eher eine bedrohliche Zusatzwirkung. Wenn die Kommunen in der Tat auch wenigstens auf das Niveau hochführen bei ihren Investitionen, was sie an