Protokoll der Sitzung vom 15.11.2017

Ach, das ist Rückenwind!

… also genau das machen Sie jetzt ja eigentlich. Ich darf daran erinnern, dass die Fraktion DIE LINKE im September einen Antrag hier vorgelegt hat, man müsse ein Landesprogramm „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ wieder neu auflegen. Das hat es ja mal gegeben und wir haben dafür gesprochen, ein solches Programm wieder aufleben zu lassen. Damals haben Sie gesagt, das brauchen wir nicht, wir arbeiten ja schon an seniorenpolitischen Gesamtkonzepten. Frau Ministerin Drese hat sehr detailliert – damals schon, im September – darüber berichtet, was Sie alles machen. Das habe ich heute wieder gehört, mit den Eckpunkten, mit der wissenschaftlichen Begleitung, mit den Themen, die auch die Themen sind, die Sie im Punkt II.1 Ihres Antrages haben.

(Minister Harry Glawe: Die Wiederholung war nötig.)

Das findet sich wieder, die Landesregierung handelt eigentlich schon.

(Minister Harry Glawe: Ist das so was wie Kritik jetzt?)

Und nun kommen Sie mit diesem Antrag. Ich stelle das eigentlich nur mit Verwunderung fest, wie unterschiedlich Sie die Situationen,

(Zuruf von Maika Friemann-Jennert, CDU)

die sich irgendwie, formal zumindest, ähneln, interpretieren und wie Sie damit umgehen. Und nun lasse ich das mal beiseite.

Frau Ministerin Drese hat darauf verwiesen, dass ich in meiner Presseerklärung davon gesprochen habe, dass die Koalitionäre hier ein ziemliches Wirrwarr veranstalten.

(Minister Harry Glawe: Ja, Sie machen Wirrwarr!)

Das ist ja nicht etwas, was ich mir aus den Fingern gesogen habe,

(Minister Harry Glawe: Ja.)

sondern das hat einen ganz speziellen Hintergrund. Sie werden sich erinnern können, bereits vor Jahren sind – insbesondere mit Ihren Stimmen von SPD und CDU – Pflegesozialplanungen auf den Weg gebracht worden. Dafür sind erhebliche Mittel eingestellt worden und die Kreise und kreisfreien Städte sind ermuntert worden, Pflegesozialplanungen zu erarbeiten. Das haben sie auch gemacht, und wenn man sich den Pflegesozialplan zum Beispiel von Ludwigslust-Parchim oder von Rostock anschaut – jetzt hat, das haben wir bei uns in der Fraktion diskutiert, Nordwest-Mecklenburg seine Pflegesozialplanung gerade beschlossen, das ist da auch kritisch gewürdigt worden, Möglichkeiten und Grenzen der Pflegesozialplanungen sind auch diskutiert worden –, also da ist etwas geschehen, was wirklich hoch zu würdigen ist, und da steckt viel Arbeit drin.

Auf dem Weg zur Erarbeitung solcher Pflegesozialplanungen ist Ihnen aufgefallen, dass diese Pflegesozialplanungen sowohl in der Qualität als auch im Umfang und in der Aussagekraft sehr unterschiedlich sind. Das ist Ihnen dann noch vom Landesrechnungshof im Kommunalfinanzbericht 2016 ins Stammbuch geschrieben worden. Sie nutzen ja diesen Verweis des Landesrechnungshofs auch für Ihren Antrag und zitieren daraus. Sie haben dann gesagt, wenn es eine solche Unterschiedlichkeit gibt, dann bitten wir doch eine Hochschule, die Hochschule Neubrandenburg, Kriterien zu erarbeiten, wie diese Pflegesozialplanungen aussehen sollen.

Die Hochschule Neubrandenburg hat diese Kriterien erarbeitet und nach unserer Kenntnis sind diese Kriterien gerade in den Kreisen und kreisfreien Städten in der Abstimmung. Die Behörden dort sollen jetzt also Stellung nehmen zu den von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vorgelegten Kriterien, und wenn das abgestimmt ist, dann soll daraus eine Anpassung der Pflegesozialplanungen entstehen. Das ist der Prozess. Also der läuft. Und jetzt grätschen Sie rein und sagen, nein, jetzt ganz anders, das läuft zwar alles, jetzt machen wir seniorenpolitische Gesamtkonzepte – was ja irgendwie auch begrüßenswert ist, das ist gar nicht die Frage, aber was für ein Durcheinander! Sie geben Geld dafür aus – zum Geld komme ich noch –, Sie geben Geld dafür aus, dass

die Pflegesozialplanungen erarbeitet werden, dann korrigieren Sie, dann arbeiten Sie nachträglich mit wissenschaftlichen Kriterien und dann kommen Sie noch mal von der Seite und sagen, nee, jetzt wollen wir wieder ganz was anderes. Also das passt irgendwie nicht zusammen. Das passt nicht zusammen.

Wenn aus Pflegesozialplanungen – dafür gibt es ja bestimmte Ansprüche, was da rein soll – jetzt seniorenpolitische Gesamtkonzepte werden sollen, dann muss beachtet werden, dass gerade in der Pflege viele Menschen Unterstützung finden, Fürsorge erleben, die nicht im Seniorenalter sind. Die müssen natürlich auch bedacht werden. Ich denke da zum Beispiel an Erkenntnisse, die man in Güstrow gesammelt hat und wo man gesagt hat, weil es so viele Menschen betrifft, werden wir noch mal einen zusätzlichen Pflegestützpunkt, eine Pflegeberatung auf den Weg bringen. Und die Barmer hat jetzt – das war, glaube ich, am 5. oder 9. November – eine Studie, einen Report herausgegeben zur Situation junger Pflegebedürftiger. Das korrespondieren zu lassen mit Ihrer Überlegung, aus Pflegesozialplanungen seniorenpolitische Gesamtkonzepte zu machen, das muss aber dann auch mitgedacht werden.

Das alles, Frau Ministerin, verstehe ich unter „Wirrwarr“. Das sind keine klaren Linien. Wir erkennen an, dass Sie die Handlungsempfehlungen der Enquetekommission hochhalten und dass Sie daraus etwas machen wollen. Aber vor Ort fragt man sich natürlich – davon gehen wir nämlich aus –: Wie setzen wir das um? Was machen wir da?

Und dann, weil Sie gesagt haben, wir werden dafür finanzielle Mittel bereitstellen, muss man sich mal den Haushaltsplanentwurf 2018/2019 – wir werden im Dezember die Zweite Lesung des Haushaltsgesetzes haben – angucken. Es gibt drei Titel, die Pflegesozialplanung und seniorenpolitische Gesamtkonzepte berühren. Einmal, das hat Ministerin Drese gesagt – ich zitiere Sie ganz schön oft heute –,

(Heiterkeit bei Ministerin Stefanie Drese: Ja.)

Sie haben gesagt, 80.000 Euro geben wir mehr für wissenschaftliche Begleitung. In dem Haushaltstitel gibt es einen Aufwuchs von 50.000 Euro auf 130.000 Euro. Dann gibt es einen Haushaltstitel Zuschüsse an Kommunen und Gemeinden für Pflegesozialplanungen. Den Titel senken Sie ab, da sind jetzt 1 Million Euro eingestellt.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Kommt aus dem Strategiefonds, bestimmt.)

Na, weiß ich nicht, das ist noch nicht ganz klar.

Sie senken erst mal ab auf 690.000 Euro und dann auf 190.000 Euro. Sie fahren also die Mittel für Pflegesozialplanung rapide runter, haben vorsorglich einen Haushaltstitel eingestellt für seniorenpolitische Gesamtkonzepte, der ist aber nicht gefüllt. Da steht im Moment nur ein Strich. Das heißt, es ist davon auszugehen, dass Sie da Geld reinstellen wollen. Wir haben jetzt im zuständigen Ausschuss die Beratungen gehabt, Sie kamen nicht mit einem Antrag. Also wie wichtig ist Ihnen denn das, was Sie hier gerade propagieren?

Und zur Haushaltswahrheit gehört auch, dass, wenn ich seniorenpolitische Gesamtkonzepte will und erkläre, wie

in Ihrem Antrag im letzten Satz der Begründung steht, wir wollen, dass die Landesregierung unterstützt und entsprechend finanzielle Anreize gibt – und dann haben Sie nichts als einen Leertitel zu bieten? Also das hat mit Prioritätensetzung und mit einer klaren Haushaltslage nichts zu tun.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Wir schlagen Ihnen jetzt Folgendes vor: Wir wären für eine Überweisung dieses Antrages, einmal in den Sozialausschuss, federführend, und einmal in den Finanzausschuss, um auch die Geldfragen zu klären. Wenn Sie sagen, nein, wir wissen alles besser und machen das so, wie wir uns das vorgenommen haben, es ist uns ziemlich egal, was die Opposition beizutragen hat, und möchten das mit Ihrer Mehrheit durchstimmen, dann würden wir da nicht mitmachen, weil eben nicht klar ist, was Sie wirklich wollen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der BMV die Abgeordnete Frau Weißig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Liebe Gäste! Die Regierungsparteien haben einen Antrag gestellt, dem man nur zustimmen kann. Das Programm ist so gewaltig wie nötig. Deshalb kann ich in meiner bemessenen Zeit auch nur ein für mich und meine Fraktion wichtiges Teilthema herausgreifen.

Aufgrund der sich künftig noch verschärfenden Probleme der Versorgung mit Ärzten im ländlichen Raum und der nachlassenden Mobilität bei zunehmendem Alter werden innovative Konzepte wie die telemedizinische Versorgung ein wichtiger Bestandteil seniorenpolitischer Konzepte sein. Ein gutes Beispiel ist ein IV-Projekt mit dem Namen CCS Telehealth aus Sachsen, bisher leider unkoordiniert. Dort wird versucht, in einem Gesamtkonzept Telemedizin und IV technisch und organisatorisch zusammenzuführen.

Ein weiteres gutes Beispiel für ein solches Gesamtkonzept vor dem Hintergrund regionaler Disparitäten bei der Erreichbarkeit aufgrund der Bevölkerungsdichte ist das IT-basierte Diagnosesystem in Finnland mit dem Namen TEL LAPPI. Die telemedizinische Versorgung ist wie das gesamte Gesundheitssystem steuerfinanziert und für alle Bürger obligatorisch. Damit wird die Digitalisierung in die staatsbasierte Grundversorgung der Daseinsfürsorge eingefügt.

(Minister Harry Glawe: Beitragsfinanziert.)

Warum nicht auch bei uns hier etwas Neues wagen, was anderenorts Verbesserungen für den einzelnen Menschen, gerade in einem Flächenland wie M-V, bringt?! Das Versorgungsstrukturgesetz 2012, das Vertragsrechtsänderungsgesetz 2007 sowie das vor der parlamentarischen Verabschiedung stehende Versorgungsstärkungsgesetz 2015 bilden neben weiteren Gesetzen wie dem Präventionsgesetz, dem Pflegestärkungsgesetz und so weiter die wesentlichen rechtlichen Eckpunkte und zeigen die vom Gesetzgeber untendierte Richtung. Die Voraussetzung für ein Umdenken, ein Verbessern der jetzigen Situation ist bereits vorbereitet. Warum setzen

Sie, liebe Kollegen, die in der Regierungsverantwortung stehen, dieses nicht endlich durch?

Und noch etwas: Die Abstimmungen im Sozialausschuss, die sind für mich teilweise nicht nachvollziehbar. Es geht um die Menschen, und wenn gute und menschliche Anträge vorgebracht werden, dann sollte man auch mal seine Parteizugehörigkeit vergessen und zusammen für eine gute Sache stimmen. Da spreche ich insbesondere die Palliativversorgung an, die Sie in Ihrem eigenen Antrag beklagen und unterstützt wissen wollen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der BMV)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Heydorn.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich muss doch gleich und unmittelbar auf den Kollegen Koplin eingehen, der diesen Tagesordnungspunkt, der von uns eingebracht worden ist, mit dem vorherigen verglichen hat, wo es darum ging, dass DIE LINKE einen unnötigen Gesetzentwurf eingebracht hat.

Das sind für mich zwei verschiedene Schuhe. Es geht ja mitnichten darum, irgendeiner Fraktion jetzt zu sagen, entwickelt keine politischen Aktivitäten. Das, denke ich, sollte keiner tun. Jede Fraktion sollte bemüht sein, bestimmte Inhalte zu formulieren und die in den Landtag zu bringen. Und um einen solchen Inhalt handelt es sich hier, also dieser Antrag zur Fortentwicklung der Pflegesozialplanungen zu seniorenpolitischen Gesamtkonzepten besteht halt nicht in einem Gesetzentwurf, den niemand braucht. Das, denke ich, muss ich noch mal klarstellen.

Das Bundesland Bayern verpflichtet seine Kreise und kreisfreien Städte seit ungefähr zehn Jahren zur Erarbeitung von seniorenpolitischen Gesamtkonzepten. Bayern hat meiner Kenntnis nach 96 Landkreise und kreisfreie Städte. Von diesen 96 Landkreisen und kreisfreien Städten haben 85 seniorenpolitische Gesamtkonzepte inzwischen erarbeitet, 11 sind noch dabei. Es gibt eine Evaluation dieser seniorenpolitischen Gesamtkonzepte in Bayern, die ist, glaube ich, vom März dieses Jahres. Da können Sie mal reingucken und sich ansehen, zu welchem Ergebnis die kommt. Die ist im Wesentlichen erarbeitet worden vom Kuratorium Deutsche Altershilfe, das bekannterweise zu diesen Themen in erheblichem Umfang Expertise hat.

Jetzt vielleicht mal drei Sätze zu dem Abgeordneten Kröger. Der ist ja ungewollt hier zum Beispiel geworden. Seine Ausführungen kaprizierten im Wesentlichen darauf, dass das Thema Alter defizitär betrachtet worden ist, also immer irgendwie mit irgendwelchen Wehwehchen, mit Behinderungen, mit Pflegebedürftigkeit und so weiter und so fort. Natürlich steigt mit zunehmendem Alter das Risiko, Wehwehchen zu haben, krank zu werden, vielleicht auch mehrere Krankheiten zu haben oder auch eine Behinderung, aber selbstverständlich ist das nicht. Das Gros unserer älteren Menschen lebt völlig selbstständig, ohne pflegebedürftig zu sein, ohne in irgendeiner Form auf Unterstützung angewiesen zu sein und so weiter und so fort.

Aber auch die Leute haben natürlich entsprechende Ansprüche an das, was sie benötigen. Also bleiben wir

beispielsweise mal beim Thema Wohnen. Ich komme aus Schwerin. Wenn Sie in Schwerin unterwegs sind und gehen mal auf den Großen Dreesch, dann haben Sie es im Wesentlichen mit fünfgeschossigen Bauten zu tun, die nicht über einen Fahrstuhl verfügen. Und wenn jemand 75 Jahre alt ist und ist ansonsten topfit, hat der natürlich seine Schwierigkeiten, seinen Einkauf in den vierten oder fünften Stock zu schleppen. Das ist problematisch, das hat aber nichts mit Pflegebedürftigkeit zu tun und damit, dass jemand hilflos ist, sondern das bedeutet einfach, eine älter werdende Bevölkerung hat bestimmte Ansprüche an das, was sie braucht, an Infrastruktur.

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Die Enquetekommission ist ja schon mehrfach angesprochen worden.

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Ich hatte den Vorsitz in dieser Kommission und ich will mal ein Beispiel bringen. Als wir angefangen haben, uns mit dem Thema Wohnen zu beschäftigen, also ältere Menschen und Wohnen, haben wir gesagt, es ist doch ganz einfach, hier zu ermitteln, wie viel altersgerechten Wohnraum wir brauchen. Wir fragen die Gesellschaften und Genossenschaften und Sonstige ab, wie viele wir haben, und dann gibt es bestimmte Parameter, anhand derer kann man ausrechnen, wie viele wir brauchen. Ja, Pustekuchen! Wir kriegten nicht die Antwort, wie viele altersgerechte Wohnungen wir in Mecklenburg-Vorpommern haben, denn das wusste keiner.

Das heißt, wir haben uns dieser Thematik dann dadurch gestellt, dass wir eine repräsentative Umfrage gestartet haben, um auf diese Art und Weise Informationen darüber zu kriegen, nicht nur, wie viel altersgerechten Wohnraum wir brauchen, sondern auch, was für andere Dinge letztendlich für Ältere wesentlich sind. Die hatte zum Ergebnis, dass uns inzwischen in MecklenburgVorpommern einige 10.000 Wohnungen fehlen, altersgerechte Wohnungen in ganz, ganz erheblichem Umfang, die einfach nicht vorhanden sind.

Letztendlich ist es die Aufgabe von seniorenpolitischen Gesamtkonzepten, einmal klarzukriegen, wie viele Wohnungen brauche ich, aber auch klarzukriegen, wo will ich die Wohnungen denn haben. Eine altersgerechte Wohnung irgendwo auf dem Dorf, wo nichts mehr ist, die ist nicht so richtig hilfreich. Wenn der alte Mensch zwar barrierefrei aus seiner Wohnung kommt, guckt nach links und sieht nichts und guckt nach rechts und sieht auch nichts, dann hilft ihm das nicht weiter. Das heißt, solche Angebote müssen da entstehen, wo auch infrastrukturelle Erschließung da ist, das heißt, wo Leute dazu imstande sind, die Dinge, die sie für ihr Leben brauchen, selbstständig erledigen zu können. Darum geht es.