Protokoll der Sitzung vom 13.12.2017

Diesbezüglich dürfte es nicht verwundern, dass ich mich da vielleicht dichter an den Vorstellungen, die Herr Dr. Backhaus in Brüssel vorgestellt hat, befinde als an der Erwiderung von Herrn Kliewe, der sich in der heutigen „Ostsee-Zeitung“ dazu positioniert hat.

(Minister Dr. Till Backhaus: Ich glaube, der hat mein Papier noch nie gelesen.)

Wahrscheinlich.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: War das nicht der Koalitionspartner?)

Die Entscheidung, Glyphosat für weitere fünf Jahre zuzulassen, ist nämlich eine Entscheidung für ein „Weiter so“, ein „Weiter so“ im Nachgeben gegenüber den Lobbyisten von BASF, Bayer, Monsanto und Co, ein „Weiter so“ im Interesse der großen Agrarkonzerne und der außeragrarischen Investoren, ein „Weiter so“ im Interesse eines Teils des Deutschen Bauernverbandes auch in Mecklenburg-Vorpommern, ein „Weiter so“ aber auch gegen den Willen von großen Teilen der Bevölkerung und von mittlerweile über einer Million Petenten gegen den Einsatz des sogenannten Pflanzenschutzmittels. Dieses „Weiter so“ ordnet sich in eine Entwicklung ein, die seit 160 Jahren dazu führt, dass der Anteil der Beschäftigten in der Landwirtschaft fast linear sinkt und heute nur noch bei knapp 1,5 Prozent liegt. Das ist ein Generalangriff auf die letzte familienbäuerliche Landwirtschaft. Da kann es kein

„Weiter so“ geben, also muss sich etwas grundsätzlich ändern.

Zum Thema: Es gibt wohl keinen chemischen Wirkstoff, der in den letzten Jahren für mehr öffentliche Diskussionen und heftigeren Streit gesorgt hat, dennoch stimmten am 27.11. in Brüssel 18 der 28 Mitgliedsstaaten für eine Zulassungsverlängerung um fünf Jahre. Die deutsche Zustimmung war entscheidend, um das zweite Kriterium der Abstimmung, die Einwohnerzahl, zu erfüllen. Deutschland hat mit der Festlegung des Bundesagrarministers Schmidt dafür gesorgt, dass die Interessen der Agrochemie, der großen Saatgutkonzerne und von Teilen des Deutschen Bauernverbandes durchgesetzt wurden – gegen den mehrheitlichen Willen der SPD, gegen alle Absprachen innerhalb der geschäftsführenden Bundesregierung, gegen den Willen aller Umweltverbände

(Torsten Renz, CDU: Das ist alles bekannt. Da können wir einfach weitermachen.)

und gegen den Willen eines großen Teils der Bevölkerung.

Von Christian Schmidt – der ja gerade so gelobt wurde – wurde die Legende von der einsamen Entscheidung zum Wohle Deutschlands unters Volk gebracht. Dabei hat er doch tatsächlich behauptet, in letzter Minute für deutliche Verbesserungen gesorgt zu haben, die es in Zukunft ermöglichen, die Anwendung von glyphosathaltigen Totalherbiziden wesentlich restriktiver zu gestalten. Was das heißt, ist bis heute sein Geheimnis.

Frau Aßmann, Sie sehen das sicherlich viel optimistischer, aber bestimmt auch nur auf der Basis von Hoffnung. Die Halbwertszeit seiner Behauptung war nämlich kürzer als sein Auftritt bei Markus Lanz. Schon am Folgetag gab die Bayerische Staatskanzlei zu, dass man sehr wohl im Vorfeld über die Zustimmung Deutschlands Bescheid wusste. Die Chefin der geschäftsführenden Bundesregierung zeigte sich schwer brüskiert und ahndete das mit einem harschen „Dududu!“, mehr nicht. Andere Konsequenzen gab es nicht und gibt es nicht. Eine Politik ohne Legitimierung hat dieses Land nicht verdient. Solch fatale und rücksichtslose Entscheidungen zur Durchsetzung der Interessen einer Regionalpartei und von Monsanto, also zukünftig Bayer, verurteilen wir auf das Schärfste.

(Torsten Renz, CDU: Geschäftsführend im Amt. Geschäftsführend im Amt.)

Und was war zu erwarten? Nun, es sind schon Minister für Banaleres gegangen worden. Dass sich die CDU an dieser Stelle von der CSU am Nasenring durch die Manege führen lässt, ist nicht mein Thema.

(Torsten Renz, CDU: Oh, jetzt wird es politisch. Jetzt wirds noch politisch zum Abend.)

Schwesternparteien unter sich, da kann ich keinen Ratschlag geben, ich bin Einzelkind.

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Der war gut. – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Unabhängig von den Pro- und Kontraargumenten zu Glyphosat, über die ich ja gar nichts sage,

(Torsten Renz, CDU: Gucken Sie doch mal bei Ihrem Geschäftsführer!)

eine solche Entscheidung nennt meine Fraktion verantwortungslos.

(Torsten Renz, CDU: Personalie Landesgeschäftsführer!)

Hören Sie mir doch einfach zu! Dann brauchen Sie nicht so viel nachzudenken über das, was Sie selber sagen.

(Torsten Renz, CDU: Doch! – Dr. Ralph Weber, AfD: Das überdenkt er nicht.)

Noch einmal Brüssel: Wäre im Berufungsverfahren keine ausreichende Mehrheit der Mitgliedsstaaten zusammengekommen, hätte, wie schon 2016, die EU-Kommission alleine über die Glyphosat-Verlängerung entscheiden müssen. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass sich Herr Juncker so deutlich gegen die Bevölkerungsmehrheit der Mitgliedsstaaten gestellt hätte.

Und noch etwas zum Begriff: Ich bin weder ein Freund der Political Correctness noch von Sprachregulierungen, ich bin Wissenschaftler. Darum ist die Bezeichnung von Herbiziden als „Pflanzenschutzmittel“ für mich kein Witz, sondern eine gezielte Lüge. Gerade Glyphosat, in Expertenkreisen auch mal gerne „Glühphosphat“ genannt, ist ein Totalherbizid, dessen Aufgabe nicht der Schutz von irgendwelchem Grünzeug ist, sondern alles, wirklich alles pflanzlicher Natur abtötet. Vor dem inflationär verwendeten Begriff „Pflanzenschutzmittel“ für dieses Ackergift bezeichneten es der Volksmund und die Landwirte selbst als „Unkrautvernichter“. Das erscheint mir nur wenig ehrlicher, denn in Wirklichkeit ist es eine Kriegserklärung an alles, was Chlorophyll trägt. Wollen Sie wirklich diesen totalen … Entschuldigung, es ist schon so spät.

(Jochen Schulte, SPD: Das war jemand anderer.)

Das Argument, dass dieser Wirkstoff schon seit den 70er-Jahren auf unsere Äcker kommt, zählt für mich auch nicht wirklich. Wenn man nämlich genau hinschaut, ist der mengenmäßige Gebrauch in dieser Zeit trotz der verschärften Regeln der guten fachlichen Praxis, trotz immer geringeren Wirkstoffgehalts in den Spritzmitteln kontinuierlich gestiegen. Es ist also eine Mär des Bauernverbandes, eine Mär von Bundesagrarminister Schmidt, dass immer weniger Glyphosat eingesetzt wird. Das Gegenteil ist der Fall, auf ein Viertel verdünnt, aber das Achtfache gespritzt – ich glaube, der Mann beherrscht nicht einmal den Dreisatz. Die Folge: Glyphosat und seine Abbauprodukte finden sich heute mittlerweile in fast allen Lebensmitteln, im Bier, im Honig, im Fleisch, im Getreide, in der Milch, ja, selbst im menschlichen Urin der Stadtbevölkerung taucht es auf. Mittlerweile gibt es den Nachweis im Grundwasser und in der Ostsee. Überall dort gehört es aber auch nicht hin, egal wie wenig es ist. Selbst, wenn der Alkohol im Bier gefährlicher sein sollte, er gehört dort hinein, aber eben nicht Glyphosat.

Aber Achtung! Meine Fraktion wirft per se den hiesigen Bauern keinen unverantwortlichen Umgang mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln vor. Glyphosat war und ist ein zugelassener Wirkstoff und befindet sich damit im Instrumentenkasten der Landwirtschaft, also formal ist es rechtens. Das Problem ist der Rechtsrahmen selbst.

Ich weise aber auch darauf hin, dass sich viele Landwirte eben keine Gedanken machen, ob es Alternativen zum Einsatz von Glyphosat gibt. Und die Behauptung, dass es keine Alternativen gibt, ist einfach falsch. Mittlerweile gibt es neben den Ökobauern auch andere gute Beispiele aus der konventionellen Landwirtschaft, die beweisen, dass es ohne Glyphosat geht, zum Beispiel, dass eine pfluglose Bodenbearbeitung funktionieren kann, ohne den Acker vorher totzuspritzen. Und, bitte schön, nebenbei: Hackfrüchte heißen schließlich nicht umsonst Hackfrüchte.

Ich möchte auch daran erinnern, dass in diesem Parlament schon einmal Konsens darüber bestand, dass wir viel restriktivere Regeln für den Einsatz von Glyphosat brauchen. Gemeinsam wollten wir erreichen, dass der Verkauf von Unkrautvernichtern mit diesem Wirkstoff für den privaten Gebrauch im Haus und Kleingarten verboten wird. Wir wollten gemeinsam auf einen Einsatz von Glyphosat in allen öffentlichen Bereichen verzichten. Und ja, dies war Folge eines Antrages meiner Fraktion aus dem Jahre 2013. Fritz Tack fand hier eine breite Zustimmung.

Ernüchtert stellen wir aber fest, dass sich seither nicht wirklich was verändert hat. Im Baumarkt oder im Gartenbaucenter kann man das Zeug immer noch kaufen. Es gibt aber ein Netzwerk von mittlerweile 90 deutschen Kommunen, die beschlossen haben, grundsätzlich auf Glyphosat zu verzichten, einige davon sogar auf jegliches Herbizid, nur Kommunen aus Mecklenburg-Vorpommern sind nicht dabei.

(Ralf Borschke, BMV: Ja, die sind ein bisschen schlauer.)

Meine Damen und Herren, stimmen Sie deshalb für unseren Antrag, damit aus diesem Parlament ein deutliches Signal kommt: So nicht, und vor allem nicht mit uns! – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat wurde vereinbart, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 270 Minuten vorzusehen.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der AfD)

Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch,

(Ministerin Stefanie Drese: Nur Gelächter.)

dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst der Minister für Landwirtschaft und Umwelt Herr Dr. Backhaus.

(Peter Ritter, DIE LINKE: 20 Minuten!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe eine Langversion vorbereitet,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

um die 200 Minuten auszufüllen. Ich verstehe auch die emotionale Rede von Herrn Weiß und ich glaube, wir alle werden es nie erfahren, was den Herrn Bundesminister

Schmidt – der ja im Übrigen gerade eben sehr massiv gelobt worden ist, und ich kenne ihn persönlich auch relativ gut – dahin getrieben hat, seine Hand zu heben. Das wird uns wohl verborgen bleiben.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Konzerne! Konzerne!)

Eins ist für mich inhaltlich klar, die Entscheidung ist in München in der Staatskanzlei gefallen, ansonsten hätte es da wohl ein deutliches Erdbeben gegeben. Ich gehe davon aus, dass das die Bundesregierung zu klären hat und die Bundeskanzlerin letzten Endes damit auch die Verantwortung dafür trägt, dass Deutschland zugestimmt hat.

Auf der anderen Seite will ich Folgendes noch mal feststellen: Ich arbeite seit vielen, vielen Jahren mit und in der Landwirtschaft und ich selber glaube, dass es wichtig ist, dass wir den Landwirten hier ein Stückchen den Rücken stärken. Nicht die Landwirtschaft ist der Täter, sondern eher in der Industrie, die diese Produkte entwickelt hat, sind diejenigen, die dieses Problem entwickelt haben. Deswegen glaube ich, dass wir erstens richtig gehandelt haben, dass wir in einer der letzten Agrar- und Umweltministerkonferenzen den Antrag eingebracht haben, dass Pflanzenschutzmittel auch in der Zukunft notwendig sein werden und dass man die nicht verteufeln darf. Aber ein Pflanzenschutzmittel steht am Ende dieser Behandlungsmöglichkeiten, vorher steht eine ordnungsgemäße Landwirtschaft, das heißt, eine vernünftige Fruchtfolge und letzten Endes auch ein ackerbauliches Regime, das möglichst Pflanzenschutzmittel verhindert oder vermeidet. Das muss die Strategie sein.

Morgen, nein, am Freitag im Bundesrat wird im Übrigen ein Antrag aus dem Saarland in Abstimmung mit uns eingebracht, der dieses noch mal zu Ausdruck bringt und zum Zweiten, dass wir von der geschäftsführenden Bundesregierung verlangen, dass jetzt endlich gehandelt wird, nämlich – das, was Sie eben angedeutet haben, Herr Dr. Weiß –, dass die Produkte jetzt aus dem öffentlichen Bereich herausgenommen werden. Ich bin da wirklich gespannt, was die Deutsche Bahn machen wird oder auch andere im öffentlichen Bereich und im Sektor, die heute diese Mittel anwenden. Ich will nicht noch näher darauf eingehen. Ich persönlich glaube, im Kleingarten und in sonstigen Einrichtungen des öffentlichen Lebens haben diese Produkte nichts mehr zu suchen und wir brauchen eine ganz klare Strategie zur Reduktion der Pflanzenschutzmittel insgesamt.

Insofern will ich noch mal zum Ausdruck bringen, die Agrarindustrie – Sie haben darauf auch hingewiesen – und die Industrie selber haben in den 70er-Jahren dieses Produkt eingeführt. Es gibt sehr ernst zu nehmende Wissenschaftler oder unabhängige Einrichtungen und Institute wie das UBA, das Umweltbundesamt, das ausdrücklich gesagt hat, die Alternativen zu Glyphosat und deren Produkte sind deutlich kritischer zu betrachten als das Glyphosat.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der AfD und BMV – Zuruf vonseiten der Fraktion der AfD: Richtig!)

Insofern muss man auch mal feststellen, man muss aufpassen, dass man das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet.