Protokoll der Sitzung vom 24.01.2018

Belasten Sie uns also, belasten Sie uns also nicht mit Ihren Problemen

(Heiterkeit bei Ministerin Stefanie Drese und Bernhard Wildt, BMV)

und fordern Sie von uns nicht, dass Sie hier Maßstab unseres politischen Handelns werden, liebe Kolleginnen und Kollegen!

In Mecklenburg-Vorpommern leben 815.207 Frauen. Das ist mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung unseres Bundeslandes. Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern würde sich also auf einem Auge blind zeigen, wenn er sich für eine einseitige Sprachverwendung aussprechen würde. Das ist mit uns nicht zu machen.

Über die Jahrhunderte hat sich die sprachliche Angewohnheit der männlichen Bezeichnung, bei der die Frauen mitgemeint sein können oder sollen, verfestigt. Diese entstand unter anderem aus der trügerischen Annahme der Überlegenheit des Mannes gegenüber der Frau und ihren Fähigkeiten, Talenten, Leistungen und Errungenschaften und ihrer systematischen Unterdrückung und Benachteiligung in nahezu allen Lebensbereichen. Das ist eine Politik, die wir nicht mittragen, meine Herren von der AfD.

„Mitgemeint“ ist zu bequem, ist faul, ist unehrlich und einfach falsch. Aktuelle Studien zum Einfluss sprachlicher Formen bestätigen, dass bei der männlichen Sprachform auch zuerst nur männliche Personen assoziiert werden. Das zeigte sich bei Berufsbezeichnungen für männlich dominierte Berufe, aber auch bei den sogenannten Frauenberufen. Fielen in der Untersuchung Begriffe wie „Erzieher“, „Altenpfleger“, „Verkäufer“ oder „Sozialassistent“, war die erste Assoziation tatsächlich nur männlich.

Forscher gaben zudem zu verstehen, dass eine Gesellschaft oder Gemeinschaft, in der die männliche Sprachform für alle als normal empfunden wird, lediglich zeigt,

(Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

wie stark Geschlechter und Gleichheit, Sexismus und die Benachteiligung von Frauen normalisiert sind und gar nicht weiter auffallen oder auffallen sollen. Eine solche Politik tragen wir nicht mit, meine Herren von der AfDFraktion.

(Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

Sie schreiben in der Antragsbegründung, dass

„,gendergerechteʻ“ Sprache“ den „Lesefluss erheblich“ störe. Also ist Bequemlichkeit Ihr Argument, unwillig weiterzudenken und sich weiterzuentwickeln, und das spiegelt im Übrigen Ihre ganze Politik wider. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU die Abgeordnete Frau FriemannJennert.

(Dietmar Eifler, CDU: Stell das mal klar hier! – Zurufe von Thomas de Jesus Fernandes, AfD, und Dirk Lerche, AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf den ersten Blick könnte der Eindruck entstehen, die antragstellende Fraktion bewegt sich über den eigenen nationalstaatlichen Tellerrand

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

und setzt sich inhaltlich mit den für Europa so wichtigen deutsch-französischen Beziehungen

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Sehr richtig!)

und den Anknüpfungspunkten für Mecklenburg-Vorpommern auseinander. Dieser Eindruck täuscht. Ihr Motiv ist schlichteren Ursprungs. Bei Lichte betrachtet enthält Ihr Antrag keinerlei europapolitische Ideen, sondern knüpft vielmehr nahtlos an Ihr Fremdeln und Ihre mangelnde Sensibilität gegenüber gleichstellungspolitischen Themen an.

(Zuruf von Dirk Lerche, AfD)

Davon konnten wir uns in diesem Landtag bereits mehrfach überzeugen, zuletzt Mitte November 2017 während des Berichts der Landesregierung zur Umsetzung der Vierten Gleichstellungskonzeption. Auch in Ihrem heutigen Antrag fordern Sie eine Rückkehr in das für Sie vertraute Sprach- und Weltbild, in dem – wie Sie es nennen – „Spielereien mit Geschlechtern und Zeichen sowie Doppelbenennungen“ keinen Platz finden.

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Den Vorwurf der Frauenfeindlichkeit versuchen Sie gekonnt zu umgehen, indem Sie sich einer politischen Ent

scheidung Frankreichs bedienen, die Sie für den richtigen Umgang mit den Genderdebatten halten, die auch hierzulande berechtigterweise geführt werden.

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

In Ihrer Begründung liefern Sie auch die Legitimation Ihres Antrages. Frankreich gilt für Sie per se als nicht frauenfeindliche Nation.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das staatspolitische Selbstverständnis Frankreichs aus der Handlungsmaxime der Französischen Revolution – Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – gilt auch nach der Gründung der Französischen Republik 1792 bis heute unverändert.

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Es bildet den Kern der französischen Identität, und in der Tat haben zahlreiche starke Frauen die Geschichte der Französischen Republik geprägt.

(Dirk Lerche, AfD: Wo ist denn die Schwesterlichkeit?)

Dennoch, auch in unserem Nachbarland, mit dem Deutschland kulturell, politisch und wirtschaftlich seit Jahrzehnten eng verbunden ist, spielen Debatten um Gender-Mainstreaming eine große Rolle des öffentlichen Diskurses. Auch müssen wir anerkennen, dass es Frankreich mit vielfachen Gesetzesinitiativen in unterschiedlichen Politikfeldern gelungen ist, Benachteiligungen von Frauen und Männern gegenüber dem anderen Geschlecht in den vergangenen Jahren abzubauen. Auf nichts anderes wirkt Gender-Mainstreaming im Übrigen hin, was in Frankreich in vielen Zusammenhängen als „integrierter Ansatz“ bezeichnet wird.

Erfolge konnte Frankreich insbesondere bei der beruflichen Gleichstellung, beim Schutz der Frauen vor Gewalt oder bei der Umsetzung des Verfassungsziels der Gleichstellung erzielen. Dies verdeutlicht, gleichstellungspolitische Herausforderungen bestehen weltweit, europäisch und selbstverständlich auch innerhalb Frankreichs oder Deutschlands.

Und diese Tatsache, werte AfD-Fraktion, scheinen Sie mit Ihrem Antrag wiederholt zu ignorieren. Sprache und insbesondere die deutsche Sprache ist nicht geschlechtsfrei oder neutral und prägt das Denken, und das Denken prägt unsere bewussten und unterbewussten Handlungen. Dies kann Ihnen jeder...

Frau Friemann

Jennert, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lerche?

Nein, jetzt nicht.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – Zurufe vonseiten der Fraktion der CDU: Oooh! – Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

Dies kann Ihnen jeder Linguistik Studierende im ersten Fachsemester in diesem Land an sehr einfachen Beispielen verdeutlichen. Lassen Sie sich auf die Denkmuster und auf Genderstudies im Allgemeinen einmal vorurteilsfrei ein!

Daraus folgt aber eben auch, dass für eine erfolgreiche Gleichstellungspolitik eine gendersensible und möglichst diskriminierungsfreie Schreibweise im öffentlichen Raum gewählt werden sollte. Gleichstellung beginnt bei der Sprache. Hier geht es insbesondere darum, dass auch Frauen in der oftmals im generischen Maskulinum gehaltenen Textform sichtbar werden.

Für mich als frauenpolitische Sprecherin meiner Fraktion ist die sprachliche Gleichbehandlung, die Sie in Ihrem Antrag als „Spielerei“ abqualifizieren, ein ernstes Anliegen. Ganz sicher aber sollte eine gendersensible Sprache und Ausdrucksweise die deutsche Sprache und Rechtschreibung nicht unkenntlich umbiegen, die Lesbarkeit einschränken oder gar grammatische oder orthografische Regeln missachten.

Es gibt für mich ganz klar Grenzen der sprachlichen Genderdiversity, wie zum Beispiel das Binnen-i bei „ExpertInnen“ oder „ProfessorenInnen“.

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Dennoch gibt es nach meinem Dafürhalten zahlreiche sprachliche Strategien, die sowohl Männer als auch Frauen angemessen ansprechen und genderkonform sind. Dies heißt in der praktischen Umsetzung etwa, Frauen und Männer möglichst sorgfältig zu benennen und auf Symmetrien in der Schreibweise zu achten. Sie dürfen also feststellen, dass bereits kleinere und leicht umsetzbare Formulierungsänderungen dazu beitragen, sich gendersensibel zu äußern.

Ganz offenkundig lehnen Sie – dies wird in der Antragsbegründung mehr als deutlich – allerdings den Ansatz des Gender-Mainstreamings in Gänze ab. Sie diskreditieren den Ansatz wörtlich als „unsinnige Ideologie“. Das ist natürlich Ihr Problem und steht für sich. Ihr Vergleich mit Entwicklungen in Frankreich hinkt leider gleichermaßen, da Premierminister Édouard Philippe seine Dienstanweisung an die öffentlichen Verwaltungen nicht dazu verwendet, Gender-Mainstreaming zu widerlegen, so, wie Sie es versuchen. Da ähnlich wie im Deutschen ebenso im Französischen, insbesondere im Altfranzösischen, die Sprache maskulin geprägt ist, werden seit einiger Zeit auch in Frankreich inkludierte Schreibweisen verwendet. Frankreich geht es insbesondere aus Gründen der Verständlichkeit und der Klarheit darum, auf genau diese inkludierte Formulierungsweise zu verzichten, sondern um die Einhaltung grammatischer und syntaktischer Regeln.

Wenngleich ich es für wichtig halte, auf eine vertretbare gendersensible Schreibweise zu achten, bezweifle ich, dass dieser strikte französische Weg sich auf unseren deutschen Sprachkontext übertragen lässt. Zeigen Sie mir doch bitte mal eine konkrete Veröffentlichung im Amtsblatt des Landes Mecklenburg-Vorpommern, die Sie vor lauter Gendersensibilität nicht mehr nachvollziehen können und die Sie mit diesem Antrag meinen!

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Wehret den Anfängen!)

Sie möchten mit Ihrem Antrag doch ein ganz anderes Ziel bezwecken. Ich sehe dieses Gefahrenszenario aber nicht. Auch habe ich entsprechende „unnötige Spielereien“, um in Ihrem Sprachbild zu bleiben, in deutschen Schulbüchern bisher nicht gefunden.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Und glauben Sie mir, als Diplombibliothekarin weiß ich, wovon ich spreche!