Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wissen Sie, was die Europäische Kommission, die Bundesregierung und viele Landesregierungen gemeinsam haben? Etwas, was die Landesregierung hier in Mecklenburg-Vorpommern nicht hat. Es sind die Karenzzeiten. Ich hätte jetzt einen Zwischenruf erwartet, weil so schwer ist die Frage ja nicht zu beantworten,
(Marc Reinhardt, CDU: Aus Ihrer Fraktion hat auch keiner gerufen! – Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)
und schließlich haben wir auch unseren Tagesordnungspunkt genauso genannt. Es wäre nicht nur so die Frage einfach zu beantworten, auch die Einführung von Karenzzeiten, lieber Kollege Reinhardt, wäre recht einfach zu machen. Es gibt landauf, landab ausreichend Beispiele, die in der Regel funktionieren. Beschwerden oder nennenswerte Probleme sind mir nicht bekannt, nur unsere Landesregierung ziert sich noch. Dabei hat die Landesregierung im letzten Jahr angekündigt, die Gesetzlagen im Bund und in den Ländern zu prüfen und in Gespräche einzutreten. Seitdem wird geprüft und geprüft und geprüft. Ob auch Gespräche geführt worden sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich befürchte, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Regierung vor lauter Prüfen müde geworden ist und eingeschlafen ist, vielleicht in der Hoffnung, dass wie bei Dornröschen eine Dornenhecke des Vergessens über die Angelegenheit wächst.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Märchen wurde Dornröschen bekanntlich wachgeküsst. Diese Stelle überspringen wir jetzt einmal.
(Heiterkeit bei Sebastian Ehlers, CDU, und Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE – Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)
Anstelle des erlösenden Kusses hat sich meine Fraktion für einen Antrag entschieden. Also, Frau Ministerpräsidentin, bitte jetzt aufwachen! Wir wären auch damit einverstanden, wenn auf die Ohrfeige für den Küchenjungen Koalitionspartner verzichtet würde.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, vom Märchen zur Realität. Bereits in der letzten Wahlperiode hat meine Fraktion auf die Einführung von Karenzzeiten gedrängt. SPD und CDU haben das abgelehnt oder CDU und SPD haben das abgelehnt. Man weiß es nicht genau. Nun fragen Sie sich vielleicht, warum meine Fraktion in Sachen Karenzzeiten nicht lockerlässt. Das ist recht einfach. In Mecklenburg-Vorpommern können Beamtinnen und Beamte nach dem Eintritt in den Ruhestand nicht ohne Weiteres jeden Job antreten. Sie müssen ihren alten Dienstherrn um Erlaubnis fragen.
Denn wenn der neue Job mit ihrem alten Job in Zusammenhang steht und dienstliche Interessen beeinträchtigt werden können, dann kann und wird der alte Arbeitgeber sagen, geht nicht, deinen neuen Job darfst du nicht oder noch nicht antreten, du bist dafür zu frisch in Pension, du musst noch einige Zeit warten. Diese Zeit der Anzeigepflicht gegenüber dem alten Dienstherrn nennt man Ka
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn also Max Meier aus dem Innenministerium in Pension geht und, sagen wir mal, Lobbyist für Unternehmen werden möchte, das Polizeiausrüstung herstellt, dann sagt das Innenministerium: Max Meier, das kannst du gern machen, aber erst in ein paar Jahren, jetzt nicht. Was sollen die Leute denn auch denken? Womöglich denken die Leute doch, dass Max Meier zum Ende seiner Dienstzeit und in Erwartung des neuen Jobs nicht ganz unbefangen gearbeitet hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Max Meier muss also warten, bis seine Karenzzeit abgelaufen ist, und das ist auch gut so. Innenminister Lorenz Caffier zum Beispiel müsste aber nicht warten und um Erlaubnis fragen. Finden Sie das gerecht?
Wir nicht und die Leute draußen auch nicht. Wenn also Herr Caffier heute verkünden würde, sein Amt niederzulegen, könnte er morgen als Lobbyist bei dem Unternehmen anheuern, bei dem Max Meier anfangen wollte. Der mediale Aufschrei wäre im Fall von Lorenz Caffier sicher groß und berechtigt.
Eben noch als Innenminister zum Beispiel nicht ganz funktionsfähige Pistolen für die Polizei gekauft
und nun womöglich auf Verkäuferseite der Polizei erneut nicht ganz funktionsfähige Pistolen aufschwatzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es scheint ja ein interessantes Thema zu sein, was so zwischen den Bänken hin und her wogt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit Jahren fordert die EU in ihrem Korruptionsbekämpfungsbericht die Einführung von Karenzzeiten. Die Mitglieder des Europaausschusses waren kürzlich bei der Ombudsfrau der EU. Dort haben sie, wie mir berichtet wurde, die gleichen Forderungen gehört.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines möchte ich betonen: Ich unterstelle in meinem fiktiven Beispiel Innenminister Caffier nicht, dass er, wenn er keinen Bock mehr hat, schnell die Seite wechselt und Lobbyist werden wird.
Ich unterstelle ihm nicht, dass er in Erwartung auf den neuen lukrativen Job komische Entscheidungen treffen
Der entscheidende Punkt ist, dass durch Karenzzeiten das Vertrauen in ein integres Regierungshandeln gestärkt wird.
Durch Karenzzeiten kann der Anschein, hier würden dienstliche und private Interessen vermischt, vermieden werden. Diesem Anschein müssen wir begegnen.
Deshalb ist die Sache recht klar und eindeutig. In unserem Antrag schlagen wir eine recht moderate Karenzzeit von 18 Monaten vor, gar nicht zu vergleichen mit den Regelungen für die Beamtinnen und Beamten in unserem Land. Entscheiden soll die Regierung anhand von Empfehlungen eines Gremiums. Das Ganze wird am Ende transparent gemacht. Wir laden die Menschen ein, an diesem Diskussionsprozess teilzuhaben. Die Öffentlichkeit ist also im Bilde. So soll es sein und, ich denke, so gehört sich das auch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich frage mich, ich frage auch Sie, Frau Ministerpräsidentin: Wo ist denn nun das Problem? Warum dauert das so lange? Meine Fraktion fordert die Landesregierung daher erneut auf, endlich Karenzzeiten für die Regierungsmitglieder einzuführen. Und wenn Sie, sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, das Märchen von Dornröschen im Zusammenhang mit den Karenzzeiten nicht ganz so passend fanden, dann sollten Ihnen doch zumindest folgende Volksweisheiten Orientierung geben: Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. Oder: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. – Herzlichen Dank.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Ums Wort gebeten hat in Vertretung des Finanzministers der Minister für Inneres und Europa Herr Caffier. Bitte schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Das ist ja passend, dann kann ich gleich antworten, Herr Ritter. Ich habe genügend Arbeit, muss mir also nicht darüber Sorgen machen, mir morgen eine neue Aufgabe zu suchen.
Also seien Sie beruhigt, wir werden auch weiter gemeinsam das Vergnügen haben. Ich werde weiterhin die Ausschreibungen machen, die Kollegen werden beurteilen,
welche Waffen sie kaufen. Wenn die Industrie nicht ordnungsgemäße Waffen liefert, dann können sie das weder dem Ausschreiben noch den Kollegen zum Vorwurf machen, sondern wir müssen uns mit dem Hersteller auseinandersetzen. Das tun wir.
Ich darf zunächst meinen erkrankten Finanzminister, der als Fachminister auch für diese Frage zuständig ist, entschuldigen und ihm von dieser Stelle noch mal alles Gute wünschen.
Der Ihnen zur Beschlussfassung vorliegende Antrag der Fraktion DIE LINKE betrifft die Einführung von Karenzzeiten für ehemalige Mitglieder der Landesregierung und ehemalige Parlamentarische Staatssekretäre nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt mit Blick auf künftige Beschäftigungen. Droht durch eine angestrebte Beschäftigung nach der Amtszeit ein Interessenkonflikt mit dem vorherigen Amt oder er könnte drohen, soll die angestrebte Beschäftigung zeitlich befristet untersagt werden. Das klingt zunächst einfach, ist aber ein sehr vielschichtiges Thema, das nicht zuletzt in der öffentlichen Wahrnehmung äußerst emotional besetzt ist. Gerade deshalb sollte es im parlamentarischen Raum und Prozess in seiner gesamten Komplexität betrachtet werden.
Auf der einen Seite ist es wichtig, fähige Menschen mit unterschiedlichen Lebens- und Berufserfahrungen auch für Ämter in der Landesregierung zu gewinnen und ihnen nach Ablauf ihrer Amtszeit auch die Rückkehr in den alten Beruf oder in eine andere Beschäftigung nicht unnötig oder gar in rechtswidriger Weise zu erschweren. Das sollte meines Erachtens unstrittig sein. Denn wie gehen wir beispielsweise mit einem Richter um, der freigestellt wird, weil er Minister wird und anschließend möglicherweise wieder in sein Amt zurückkehrt? Kriegt der dann erst mal bis auf Weiteres Berufsverbot, oder wie werden die Fragen in solchen Dingen geklärt? Wie gehen wir mit einem Polizisten um, der möglicherweise Minister wird und anschließend doch wieder in seine alte Funktion zurückgehen will? Also ganz so einfach, wie sich das immer alles anhört, sind die Situationen nicht.
Auf der anderen Seite ist es aber unerlässlich, schon den Anschein zu vermeiden, dass aus dem Amt als Mitglied der Landesregierung oder eines Parlamentarischen Staatssekretärs ein fachbezogener oder sonstiger Vorteil für das berufliche Fortkommen entsteht. In diesem Zusammenhang haben Betroffene allerdings auch Anspruch auf Schutz vor Unsicherheiten und ungerechtfertigter Kritik, gerade in den Fällen, wenn kein Interessenkonflikt zu befürchten ist. Die Landesregierung prüft daher gegenwärtig – nicht zuletzt auch mit Blick auf entsprechende Regelungen beim Bund und in einzelnen Ländern –, welche Maßnahmen geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein können, um diesen unterschiedlichen Zielstellungen maximal Rechnung zu tragen.
Die Vielzahl möglicher Fallgestaltung verlangt eine Abwägung sämtlicher Vor- und Nachteile, auch wenn der dafür notwendige Zeitraum der Opposition als zu lang erscheinen mag. Man sollte dabei nicht vergessen, dass wir uns auch im Bereich der Grundrechte bewegen. Dabei sind verfassungsrechtliche Vorgaben zu berücksichtigen, insbesondere das Grundrecht der freien Berufsausübung aus Artikel 12 des Grundgesetzes. Bei Einführung der Bundesregelung gab es zudem Debatten darüber, wie mit unentgeltlichen und ehrenamtlichen Beschäftigungen umzugehen sei, denn auch unentgeltliche oder ehrenamtliche Beschäftigungen können massive Interessenkonflikte, beispielsweise mit dem vorherigen Ministeramt, auslösen. Denkbar wäre etwa eine aus dem früheren Ressort ausgereichte Landesförderung an einen Verband, in dem sich der ehemalige Minister engagiert. Auch solche Dinge sind in der Komplexität zu berücksichtigen.