Protokoll der Sitzung vom 14.09.2018

Zusammengefasst: Der Rechtsstaat muss gegen die Verächter des Rechtsstaates entschieden vorgehen. Unsere Demokratie muss wehrhaft sein.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BMV)

Doch nun zum zweiten Teil der Debatte, zu den berechtigten Sorgen in der Bevölkerung. Hierbei ist das Entscheidende, dass wir das Vertrauen dieser Bürger in den Rechtsstaat wiedergewinnen. Die Bürger müssen sich darauf verlassen können, dass der Staat das geltende Recht beachtet und durchsetzt und für die Bürger da ist. Das betrifft zum einen den großen Bereich der illegalen

Einwanderung. Die illegale Einwanderung muss gestoppt werden. Die illegale Einwanderung verstößt gegen nationales und internationales Recht. Noch heute werden monatlich 15.000 Asylanträge gestellt, obwohl Deutschland komplett von sicheren Drittstaaten umgeben ist. Jeden Monat wandert also eine Kleinstadt illegal ein. Das muss aufhören. Solange die Bundesregierung die illegale Einwanderung nicht stoppt, werden die Rechtsradikalen hohe Umfragewerte haben.

Und noch der zweite wichtige Punkt: Der Staat muss zum Bürger zurückkommen. Gerade hier in MecklenburgVorpommern haben wir es erlebt. Der Staat hat sich aus der Fläche zurückgezogen, wir haben die Polizeistrukturreform, die Kreisgebietsreform und die Gerichtsstrukturreform erleben müssen. Immer hat der Staat seine Koffer gepackt und sich vom Bürger verabschiedet. Wenn der Bürger etwas auf einer Behörde erledigen will, muss er einen Urlaubstag nehmen und sehen, wie er seine Angelegenheiten schafft. Deshalb gehört es zu den drängendsten Aufgaben, dass der Staat wieder zum Bürger zurückkommt, zum Beispiel durch Polizeipräsenz in der Fläche. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der BMV)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Renz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist noch nicht so lange her – ich weiß es nicht, vielleicht drei, vier Monate –, da stand ich schon mal hier und begann meine Rede mit einem Sprichwort, und zwar, dass aus Gedanken Worte werden und aus Worten Taten. Das ist nicht allzu lange her, aber irgendwie habe ich persönlich das Gefühl, dass wir auf dieser Skala, wenn ich das mal so bezeichnen darf, weiter nach rechts gerückt sind. Das bereitet mir Sorge.

Wenn gesagt wird, man will auf so einen Antrag als Antragsteller mit raufgehen, dann nehme ich das zur Kenntnis. Wenn natürlich führende Repräsentanten einer Organisation, einer Partei, in diesem Fall Parteivorsitzende, sofort posten: „Mord in Köthen: Wie viele noch?“, „Wieder ein Deutscher aus nichtigem Anlass umgebracht. Wieder sind Migranten, diesmal aus Afghanistan, die mutmaßlichen Täter“, und der andere Parteivorsitzende sofort plakativ: „Tatort diesmal ein Spielplatz in Köthen“, dann kommt der Zwischenruf, das ist alles richtig. Und dann versteht vielleicht der eine oder andere diese Thematik „Aus Gedanken werden Worte und aus Worten werden Taten“ nicht.

Denn klar ist, formell ist das Tötungsdelikt auf einem Spielplatz vonstattengegangen, aber es ist die Bedeutung dieser Worte. Insbesondere für Intellektuelle sollte klar sein, was ich hier zum Ausdruck bringen will. Wenn man so agiert und nicht irgendwer solche Dinge von sich gibt, dann erwarte ich, dass Sie hier das Pult nutzen und klar Stellung beziehen zu solchen Dingen. Insofern, meine sehr geehrten Kollegen, führen gerade diese Entwicklungen in Chemnitz dazu, dass wir auch die Fragen unserer demokratischen Streitkultur verstärkt in den Mittelpunkt rücken müssen – dafür dieser Antrag in seiner Dringlichkeit.

Die Welt befindet sich – für uns alle sichtbar – im Wandel. Sie ist schneller, unübersichtlicher und komplexer

geworden. Menschen gehen mit dieser Veränderung sehr unterschiedlich um. Sie reagieren unterschiedlich, denn ihre Haltungen und Meinungen dazu sind unterschiedlich. Es ist unsere Aufgabe, die Veränderungen im Sinne der Menschen gemeinsam zu gestalten. Abstrakte Begriffe wie „Digitalisierung“, „Demografie“, „Globalisierung“ oder „Migration“ haben ganz praktische Konsequenzen im Alltag. Wir müssen die Folgen erkennen, wir müssen sie verstehen und wir müssen diese wahrgenommenen Probleme beheben.

Um der eigenen Meinung Ausdruck zu verleihen – so sehen wir es in den letzten Tagen –, wählen unsere Bürgerinnen und Bürger auch den Weg auf die Straße. Das ist legitim und es ist insbesondere garantiert, dass der Weg auf die Straße legitim ist. Er ist nämlich Teil unserer freiheitlichen Ordnung. Er ist Ausdruck einer freien Gesellschaft, wie sie unser Grundgesetz gewährleistet,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

egal, ob man für etwas eintritt oder gegen etwas. Dennoch ist es wichtig und in diesem Zusammenhang klarzustellen: Demonstrationen Ja, aber gewaltfrei, Meinungsäußerungen Ja, aber mit klaren Grenzen, effizienter Rechtsstaat Ja, aber mit Respekt und Toleranz in der Gesellschaft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Demonstrationen sind Seismografen. Sie zeigen uns Positionen und Themen, zum Beispiel zu Straßenausbaubeiträgen, Arbeitsbedingungen, aber auch zu Fragen der Migration. Aber klar ist, Demonstrationen können den anschließenden Prozess nicht umgehen. Sie können Fraktionen und das Parlament nicht ersetzen, auch wenn es andere politische Parteien anders sehen mögen und möglicherweise eine Veränderung anstreben. Das Parlament ist und bleibt der Ort der Entscheidung, und nicht die Straße.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Deshalb möchte ich deutlich sagen, Demonstrationen sind und dürfen niemals ein Aufruf zu Gewalt sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Gewaltfreiheit der Auseinandersetzung und das staatliche Gewaltmonopol sind nicht verhandelbar.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und AfD)

Gewalt ist kein Mittel, um politische Entscheidungen herbeizuführen, Selbstjustiz kein Ersatz für das rechtsstaatliche Verfahren. Das gilt in Chemnitz, Hamburg oder Heidenau, Dresden oder Demmin. Das ist nicht verhandelbar.

Als zweiter Punkt muss klar sein, Demonstrationen knüpfen an die Meinungsfreiheit an. Auch hier gilt, Menschen dürfen für etwas sein, sie dürfen gegen etwas sein. Sie dürfen und sollen ihre Meinung zum Ausdruck bringen. Das ist freiheitliche Gesellschaft. Aber Rassismus, Antisemitismus sind mit dieser Freiheit nicht vereinbar und nicht von ihr geschützt.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und AfD)

Wenn Nazisymbole an Häuserwände geschmiert werden, wenn der Hitler-Gruß gezeigt wird, wenn menschenverachtende Rufe und Gesänge als Teil einer Meinungsäußerung gelten sollen, wenn sich Übergriffe auf Menschen anschließen, die durch Hautfarbe oder andere willkürliche Merkmale ausgegrenzt werden, wenn in Deutschland jüdische Geschäfte attackiert werden, dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, heißt es, keine Toleranz dafür, kein Verständnis, keine Relativierung und keine Verharmlosung.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, AfD, DIE LINKE und BMV)

Wer hierfür Verständnis zeigt oder relativiert, der beabsichtigt, den demokratischen Grundkonsens zu verschieben. Das dürfen wir nicht zulassen und das ist mit der CDU nicht zu machen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und Nikolaus Kramer, AfD)

Deshalb sind Straftaten als solche zu erfassen, und der Rechtsstaat ist dafür der richtige Ort.

Dies führt mich zu meinem dritten Punkt. Die Menschen in Deutschland haben ein Recht auf den Rechtsstaat. Das zu sichern, ist Aufgabe der Politik, sei es mit Einsatzkräften für die öffentliche Sicherheit, sei es mit Personal für die Justiz für schnelle Verfahren oder sei es mit Mitteln in der Verwaltung für effektive Prozesse und Entscheidungen. Dies kann aber nur die eine Seite sein. Wir benötigen auf der anderen Seite auch eine Haltung, die von Toleranz und Respekt in unserer Gesellschaft geprägt ist – Respekt für Einsatzkräfte, Polizisten oder Journalisten, für Personen, die unsere Sicherheit und Freiheit garantieren, die ein Recht auf Demonstrationen sicherstellen oder über die unterschiedlichen Meinungen frei berichten. Dies benötigt einen Standpunkt, der nicht pauschalisiert, der Aufgeregtheit und Skandalisierung der öffentlichen Debatten nicht mitträgt, der einer Dynamik der sozialen Medien nicht nacheifert, ein Standpunkt, der bei Fehlern und Problemen im Kleinen nicht immer sofort das Große infrage stellt, denn nicht alles ist schwarz oder weiß, ja oder nein, hopp oder top, links oder rechts, Steinewerfer oder Nazis.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nur, wenn wir uns mit Offenheit und Respekt begegnen, kann es uns gelingen, Pauschalisierungen zu überwinden. Pauschalisierungen fördern nur die Spaltung, sie greifen damit aber auch den Rechtsstaat an, und das darf nicht unser Weg sein. Die CDU-Fraktion steht für einen Rechtsstaat, einen freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat, der Meinungsfreiheit und Demonstrationen ermöglicht und Straftaten wie Gewalt und Hetze konsequent ahndet.

Ich will Ihnen zum Schluss noch zwei praktische Beispiele kundtun. Zum einen postete am 21. Juli der Fußballverein Greifswalder FC folgenden Satz: „Nach“ einem „rassistischen Kommentar nach dem Wechsel von Peterson Appiah reagieren wir mit der berühmten BananenAktion!“ Ich kenne den Sportler Appiah. Er spielte vorher in Gnoien, jetzt in Greifswald. Ich fand es beeindruckend, dass die Oberligamannschaft des Greifswalder FC – gehen Sie ruhig auf die Seite – geschlossen diese Bananenaktion durchführte. Das ist das eine.

(Zuruf vonseiten der Fraktion der AfD: Was ist denn die Bananenaktion?)

Ich will Ihnen auch ein zweites Beispiel sagen. Als Vereinsvorsitzender werde ich auf meinen Sportplatz gerufen. Es gibt schon eine gewisse aggressive Stimmung, weil circa 30 Migranten unberechtigterweise unseren Sportplatz betreten haben. Und so, wie es in der Politik einen Querschnitt in der Gesellschaft gibt, gibt es bei einem Sportverein mit 1.700 Mitgliedern auch einen Querschnitt. Und da gibt es Reaktionen, die ich hier nicht zitieren will, aber wichtig ist immer, wie handelt man. Eine Option wäre sicherlich, sofort die Polizei zu rufen und von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Das ist richtig.)

Herr Professor Weber, wenn Sie „richtig“ sagen an dieser Stelle, dann will ich Sie noch mal zum Dialog aufrufen, dass es nämlich darum geht, unser Zusammenleben zu gestalten. Es ist natürlich eine theoretische Möglichkeit.

(Dr. Gunter Jess, AfD: Wie haben Sie denn reagiert?)

Die Folge? Darüber mag ich gar nicht nachdenken. Sicherlich wäre der eine oder andere gleich mit seinem Fotoapparat da gewesen und hätte diese Maßnahme dann öffentlichkeitswirksam in die Medien transportiert durch Facebook.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Rechtsstaat heißt, keine Straftaten dulden.)

Ich habe wie folgt reagiert – ich weiß nicht, ob Sie es gut finden –: Ich habe mir die Leute geholt, die auch meiner Sprache in diesem Fall mächtig waren, habe mit ihnen gesprochen, dass es zum Beispiel in einem ersten Schritt sehr wichtig wäre, dass sie wie alle, die diesen Sportplatz nutzen, ihre Fahrräder in einen Fahrradständer stellen und nicht neben den Torpfosten. Sie haben das selbstverständlich getan. Wir haben jetzt weitere Kontakte hergestellt, um organisiert auf diesem Sportplatz als Sportgruppe, als Mitglieder, die jetzt hier zurzeit leben, organisiert Fußball spielen zu können. Ich habe nicht den Weg, den Sie anscheinend befürworten, gewählt, weil ich glaube, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt im zwischenmenschlichen Bereich, der so wichtig ist, auch nicht per Gesetz verordnet werden kann, sondern durch entsprechendes Agieren, zu dem ich Sie alle auffordern möchte, weil ich sonst Gefahr sehe, dass dieser gesellschaftliche Zusammenhalt infrage gestellt ist. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD der Fraktionsvorsitzende Herr Kramer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Liebe Landsleute! Zunächst möchte ich meinen Dank vorausschicken, meinen Dank an die Vorredner für die bisher sehr sachlich und ruhig geführte Debatte ohne persönliche Angriffe. So sollten wir das in diesem Hohen Hause immer handhaben, denn so eine Debatte wird der Ehre dieses Hauses und der Ehre der hier arbeitenden und auch abstimmenden Menschen gerecht. Dafür meinen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ich bin fast geneigt, aufgrund der hier angebrachten Punkte von meinem Redemanuskript abzuweichen, und muss dennoch einiges von meinem Manuskript mit in diesen Redebeitrag einfließen lassen. Ich versuche, dabei auch zu differenzieren, was nicht allen hier gelingt. So, wie Frau Ministerpräsidentin richtig gesagt hat, ist es so, dass niemand in einen Topf geworfen werden möchte, und sie hat dafür Beispiele aufgeführt. Auch ich möchte ein Beispiel dafür aufführen, dass niemand in einen Topf geworfen werden möchte als Mitglieder meiner Fraktion, als Mitglieder der Alternative für Deutschland, wenn Rechtsextremisten oder Radikale Teilnehmer einer Demonstration sind.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Denn den Vorwurf kann ich weder auf meiner Person selbst noch auf den Mitgliedern meiner Fraktion und auf den Mitgliedern meiner Partei sitzen lassen, dass nur, wenn ein geringer Teil von Menschen, der sich nicht an Recht und Gesetz hält, sich Mitglieder meiner Fraktion und meine Parteifreunde mit diesen Menschen gemeinmachen.

Und, meine Damen und Herren, in Ihrem Antrag sprechen Sie sich gegen Hass und Ausgrenzung aus. Teile von Ihnen oder Ihren Parteifreunden betreiben diesen aber ganz unverhohlen öffentlich,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Thomas Krüger, SPD: Jetzt ist die AfD das Opfer?!)

indem zum Beispiel die Frau Ministerpräsidentin immer wieder von demokratischen Fraktionen spricht und damit meiner Fraktion automatisch unterstellt, wir seien undemokratisch.

(Thomas Krüger, SPD: Sie sind nicht Opfer!)

Wir sind ebenso eine demokratische Fraktion wie Sie, wie die Ihre, Herr Krüger, denn meine Fraktion ist mit denselben demokratischen Mitteln gewählt worden wie Ihre Fraktion.