Protokoll der Sitzung vom 25.10.2018

Also schreiben Sie sich das mal nicht auf Ihre Fahnen, denn Sie haben dazu gar nichts...

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Na, so lange gibt es Sie noch gar nicht. Herr Koplin erzählt das schon seit, keine Ahnung, 15 Jahren vielleicht, na ja, nicht ganz, also länger, als es Ihre Partei gibt. So, Punkt.

(allgemeine Unruhe – Dr. Ralph Weber, AfD: Sie haben ja jahrelang nichts erreicht. – Zuruf von Horst Förster, AfD – Glocke der Vizepräsidentin)

Bei Antragstellung war uns natürlich noch nicht bekannt,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

dass es dieses Wohlfahrtsgesetz oder diesen Entwurf geben soll, auch nicht, welche Richtlinien überarbeitet werden sollen, wann es eingeführt werden soll. Deswegen haben wir den Antrag gestellt und deswegen reden wir auch trotz allem hier, weil wir wollen die Wohlfahrt nicht kaputtsparen oder pauschal diskreditieren. Wir wollen einfach Gerechtigkeit bei der Finanzierung der gesamten sozialen Arbeit im Land.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Dazu zählen eben nicht nur die AWO, das Deutsche Rote Kreuz, die Caritas und die Diakonie, andere Vereine und Verbände sind ebenso mit ihren Angeboten wichtig, nachhaltig und unverzichtbar. Viele von ihnen sind Mitglieder im Paritätischen, und das ist oft die einzige Möglichkeit, an die notwendige Finanzierung der Angebote zu kommen.

Andere möchten aber gänzlich unabhängig sein und selbstorganisiert, und hier liegen die gravierenden Unterschiede. Während AWO, DRK, Caritas und Diakonie die Gelder, zum Beispiel aus dem LIGA-Titel, einzig für sich selbst nutzen, reicht der Paritätische den Titel an kleinere Vereine und Verbände weiter. Der Paritätische fungiert hier als Dienstleister und gibt Hilfe und Unterstützung. Er ist Sprachrohr für seine Mitglieder und deren hilfesuchenden Menschen. Das möchte ich hier einmal ganz, ganz positiv hervorheben, weil das ist einzigartig.

Allerdings gehört dann auch dazu, dass die anderen Spitzenverbände der LIGA dieses nicht tun.

(allgemeine Unruhe – Glocke der Vizepräsidentin)

Sie statten mit dem LIGA-Titel ihre Landesgeschäftsstellen aus. Fragt man aber dann in den einzelnen Kreisverbänden nach, Hilfestellung bei der Beantragung und Abrechnung von diversen Fördermitteln erhalten diese nicht in vollem Umfang von ihren Landesverbänden, obwohl dies eigentlich logisch wäre, weil es teilweise in den Personalbeschreibungen steht. Auch die Weiterbil

dung ist in einigen großen Landesverbänden für die Kreisverbände eben nicht kostenlos.

Schaut man jetzt noch auf die Abrechnungsmodalitäten – und ich sage, schaut man ganz bewusst von außen auf die Abrechnungsmodalitäten –, dann empfindet man das als zutiefst ungerecht. AWO, DRK, Caritas, Diakonie dürfen den vereinfachten Verwendungsnachweis ohne Stichprobenkontrolle einreichen. Rückzahlungen nicht nachgewiesener oder falsch ausgegebener Mittel sind anscheinend nicht vorgesehen. Das schwirrt tatsächlich hier rum, und das glauben auch alle anderen, dass das nicht so ist.

Die Mitglieder des Paritätischen werden schon ausführlicher geprüft, mit Belegkontrollen und vorzulegenden seitenweisen Beleglisten. Geschäftsstellen haben die Mitgliedsvereine oft nicht in Vollzeit, weil nämlich nur 20 bis 25 Prozent der Fördersummen für administrative Arbeit ausgegeben werden dürfen. Schauen wir jetzt auf Vereine der sozialen Arbeit, die ohne Mitgliedschaft in einem Dachverband sind, dann wird es schon fast zwanghaft und meist völlig wirr mit den Kontrollen. Völlig an der Realität vorbei werden hier Bedingungen gestellt, die kaum einzuhalten sind, zumal diese Vereine gar keine Geschäftsstellen von einer Förderung finanzieren dürfen, auch keine externen Buchhaltungen, nicht mal zum Beispiel aus Mitgliedsbeiträgen. Das sind dann nämlich Einnahmen, also Eigenmittel, die werden wieder abgezogen. Somit sitzen dort Menschen, die oft ehrenamtlich die Anträge schreiben, Quittungen aufkleben, Beleglisten führen und sich dann auch noch mit dem LAGuS und den Finanzämtern auseinandersetzen müssen, das oft abends und am Wochenende.

Damit kommen wir auch schon zu den Terminen der Auszahlung der Mittel. Häufig ist die Auszahlung der Mittel für kleine Vereine und Verbände relativ spät. Das hat ganz, ganz oft zur Folge, dass diese in Vorleistung gehen müssen. In Vorleistung darf man aber laut Landeshaushaltsordnung überhaupt gar nicht gehen. Gehen diese Vereine und Verbände aber nicht in Vorleistung, dann kommen zum Beispiel häufig die Krankenkassen. Diese dürfen nämlich seit dem 1. Januar 2017 sofort, bei einem Beitrag, Insolvenz für die Vereine beantragen. Dann sind sie schon mal ganz, ganz schnell ihre Solvenz los und bekommen gar nichts mehr, und es kostet 1.800 Euro, um diese Insolvenz abzuwenden. Die LIGA der Freien Wohlfahrt, die bekommt allerdings das Geld schon im Januar.

Das ist eine Ungerechtigkeit, die immer und immer wieder angesprochen wird. Wir brauchen aber diese Vielfalt in der sozialen Arbeit. Wir brauchen von der AWO über das DRK die konfessionellen Träger genauso wie den selbstorganisierten Jugendverein, die Selbsthilfegruppen oder die Vereine und Verbände, die keinem Dachverband angehören, denn das stärkt die Demokratie. Trägervielfalt ist notwendig. Um diese Vielfalt zu erhalten, benötigen wir gerechte, gleichwertige und für alle zugängliche Förderrichtlinien.

Ich würde jetzt gern einmal ein ganz absurdes Beispiel, um es bildlich zu erklären, von Fördermodalitäten, die kleinen Einzelvereinen aufgegeben werden, nennen, das Beispiel Miete. Die Miete für Räumlichkeiten wird entsprechend der Arbeitszeit des geförderten Personals berechnet. Eine Vollzeitstelle wird mit 153 Stunden im Monat berechnet. Hier sind schon einmal pauschal Urlaub und Feiertage

abgezogen. Genau für diese 153 Stunden im Monat wird dann die Miete gefördert, abzüglich der zu erbringenden Eigenmittel, zwischen 10 und 30 Prozent je nach Förderrichtlinie. Noch niemand hat sich allerdings Gedanken darüber gemacht, was passiert eigentlich mit den Räumlichkeiten an den anderen Stunden des Tages.

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Doppelnutzungen sind ja nicht gestattet. Also Betten für irgendwen dort aufzustellen, ist eine ganz schlechte Idee. Das heißt also, man bleibt irgendwie 16 Stunden am Tag auf der Miete sitzen, die man aber weder privat und auch nicht aus Mitgliedsbeiträgen bezahlen darf, denn dann sind das ja Einnahmen, die wieder dagegengerechnet werden. Man benötigt ja nicht nur Projekträume oder Büros, die Menschen haben ja auch Bedürfnisse an einem Arbeitstag.

Und jetzt wird es ganz kurios: Die Toilette und der Weg dorthin, also der Flur, sind Nebengelass, und diese werden zu 25 Prozent der Arbeitszeit als Miete gefördert, also 38,2 Stunden im Monat. Um dieses jetzt zu beantragen, müssen sie wie folgt vorgehen: Sie nehmen die Gesamtmiete pro Raum, teilen diese durch die Stunden im Jahr, multiplizieren sie wieder mit 153 – oder bei Nebenräumen mit 38,2 Stunden –, und diese Miete bekommen sie dann gefördert. Es sei denn, sie sind ein großer Wohlfahrtsverband, glauben die kleinen Vereine. Ob das tatsächlich so ist, ist ja nirgendwo nachgewiesen. Aber die kleinen Vereine glauben, dass das bei Wohlfahrtsverbänden nicht so ist. Deswegen begrüßen wir die Transparenzinitiative. Das ist jetzt nur ein Beispiel, was kleine Vereine und Verbände hier nachts und am Wochenende machen müssen. Und Sie fragen allen Ernstes, warum die Menschen, die täglich soziale Arbeit verrichten, sich ungerecht behandelt fühlen!

Es nützt also gar nichts, wenn jetzt eine Expertenkommission, wie von der AfD gewollt, eingerichtet wird, denn in Ihrem Antrag steht, dass dort die LIGA, das LAGuS und das Ministerium drinsitzen sollen.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Hm! Dieses Dreigespann gibt es ja schon. Und die Menschen da draußen sagen,

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

nach 20 Jahren müssen wir jetzt mal was anderes machen. Also Sie wollen gar nichts Neues, Sie wollen das, was wir jetzt sowieso schon haben. Außerdem haben wir genügend Expertenkommissionen und der Landesrechnungshof hat ausreichend Vorgaben und auch Vorschläge gemacht.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Diese müssten jetzt endlich umgesetzt werden. Wir möchten für alle Vereine und Verbände, die soziale Arbeit in diesem Land machen,

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

dass diese ernst genommen werden. Wenn Sie Beschwerden, Anrufe, Vorschläge, Nachfragen per Post, EMail oder Anrufe im persönlichen Gespräch erhalten, liebe Frau Drese, dann nehmen Sie das doch wirklich

ernst und tun es nicht, wie es in der Vergangenheit oft geschehen ist, einfach ab. Denn immer wieder hat man hinter vorgehaltener Hand gehört: Wir sagen oft was, wir machen oft Vorschläge in irgendwelchen Runden und dann wird es für uns nur noch komplizierter. Manchmal haben wir einfach das Gefühl, wer den Mund aufmacht, geht demnächst leer aus. All das möchten die kleinen Vereine und Verbände nie wieder empfinden. Darum halten wir die Transparenzinitiative für nötig und ein Wohlfahrtsgesetz für dringend erforderlich.

(Beifall Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Und zum Schluss möchte ich noch einmal appellieren: Vermischen Sie bitte nicht die Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses Wohlfahrt mit der Neuorientierung der Förderungen. Im PUA wollen wir einzig mögliche kriminelle Machenschaften aufdecken und Möglichkeiten finden, dass dieses nie wieder geschieht. Die Neuorientierung der Förderungen soll all die Wohlfahrtsverbände, die kleinen Vereine und Verbände schützen und sie gleichberechtigt einbeziehen.

Besonders möchte ich jetzt die Frage von Herrn Renz beantworten, worum es hier geht. Es geht bei dem, was wir möchten, bei der Vorlage zum Beispiel, der Offenlegung von Wirtschaftsplänen, der Darstellung der ganzen Förderstrukturen – im Moment ist es ja nicht möglich und auch nicht vorgesehen –, ich nehme jetzt mal, damit nicht immer dieser Verein mit den drei Buchstaben hier steht, das Deutsche Rote Kreuz.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Das Deutsche Rote Kreuz beantragt zum Beispiel …

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Na, ich meinte die anderen drei Buchstaben!

Das Deutsche Rote Kreuz bekommt zum Beispiel vom Bund – als Beispiel – Geld für Migrationsarbeit.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Die bekommt es vom Bund. In einem Kreistag oder in einer Stadtvertretung, in den dortigen Sozialausschüssen, stellen sie auch Anträge und es ist irgendwie nicht vorgesehen, dass der eine vom anderen weiß, was ist. Ich unterstelle hier niemandem, dass er Doppelförderungen beantragt, aber auszuschließen ist es nicht. Und hier kommen wir wieder auf das, was die Menschen da draußen denken. Die Menschen da draußen denken nämlich, dass es haufenweise Doppelförderungen gibt. Sicherlich gibt es die in Einzelfällen, das ist hinlänglich bekannt und das werden wir auch im Untersuchungsausschuss aufdecken, aber genau das wollen wir mit der Offenlegung aller Anträge, aller Förderungen erreichen.

(Marc Reinhardt, CDU: Jawohl!)

Es ist notwendig, dass wir alle wissen, bekommen sie für das gleiche Projekt, für die gleiche Arbeit eventuell auch noch Geld vom Kreis, von der Stadt, von einer Gemeinde, vom Land, von einer Stiftung. Wir haben ja so viel. Und das wollen wir damit erreichen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Ums Wort gebeten hat noch einmal für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Renz.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Gesamtheit haben Ihre Ausführungen, auch wenn der letzte Punkt vielleicht etwas deutlicher wurde, Frau Larisch, nicht dazu geführt, dass wir Ihrem Antrag zustimmen werden.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Wo ich Ihnen dankbar bin,