Protokoll der Sitzung vom 10.01.2017

(Leif-Erik Holm, AfD: Das will ja auch gar keiner abschaffen.)

Dennoch, grundsätzlich können wir gewisse Risiken,

(Leif-Erik Holm, AfD: Das will auch gar keiner abschaffen.)

dennoch können wir grundsätzlich gewisse Risiken minimieren. Deshalb sind wir gut beraten, den Umbau unseres Asylsystems weiter voranzutreiben. Asylbewerber, die bei der Identitätsfeststellung nicht kooperieren, die keine Asylgründe nachweisen können, die straffällig werden, sich nicht integrieren wollen und unsere Werte nicht achten, dürfen kein Bleiberecht auf Dauer erhalten. Sie müssen ausreisen oder abgeschoben werden. Hier wurden bereits Gesetze verschärft und Asylverfahren beschleunigt.

Leider müssen wir feststellen, dass das offensichtlich immer noch nicht ausreicht. Deshalb hat der Bundesminister vorgeschlagen, die Zuständigkeiten beim Bund zu konzentrieren und Ausreisezentren einzurichten. Wenn das hilft, warum sollte man darüber nicht ergebnisoffen diskutieren. Außerdem sollten wir die Möglichkeit der Abschiebekraft stärker nutzen. Ich kann es jedenfalls keinem Bürger auf der Straße erklären, warum wir einen ausreisepflichtigen Gefährder frei in Deutschland umherlaufen lassen. Womöglich hätten wir mit entsprechenden Gesetzesänderungen oder schlicht durch konsequente Anwendung der bestehenden Gesetze sogar den Berliner Attentäter dingfest machen können, bevor er seine schrecklichen Pläne umsetzen konnte.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Holger Arppe, AfD: Richtig.)

Wir müssen hier deutliche Fortschritte erzielen, darüber gibt es überhaupt kein Diskussionsdefizit, zur Not auch mit einem weiteren Asylpaket. Die Landesregierung ist jedenfalls offen für konstruktive Gespräche mit dem Bund über Maßnahmen und Gesetzesänderungen. Und was die Frage der Maghreb-Staaten betrifft, dazu hat die Landesregierung sich schon immer positiv gestellt, aber man braucht 35 Stimmen plus X, um die Mehrheit zu

haben, und die war bis vor Kurzem im Bundesrat nicht erreichbar.

(Zuruf aus dem Plenum: Sehr richtig.)

Meine Damen und Herren, neue Maßnahmen und Gesetzesänderungen sind genau das, was man von dem Sicherheitskonzept der AfD leider nicht sagen kann. Nun, liebe Kollegen der AfD, aus meiner Sicht gibt es zwei Lesarten für Ihr Konzept – eine wohlwollende und eine weniger wohlwollende. Die wohlwollende lautet, in Sachen Populismus ist Ihr sogenanntes 5-Punkte-Programm nicht ganz so schlimm geworden, wie ich es erwartet habe. Die nicht so wohlwollende lautet, dieses Papier ist kalter Kaffee, es ist ein Aufguss und es ist eine Kopie von vielen Dingen, die bereits stattfinden.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD – Beifall Thomas Krüger, SPD – Zurufe von Holger Arppe, AfD, und Torsten Renz, CDU)

Da beraumen Sie eine völlig unnötige Sondersitzung an, kündigen vollmundig ein eigenes Sicherheitskonzept an und dann legen Sie dieses dünne Papier vor. Ganz ehrlich, ich finde das peinlich. Fast alles ist bei der Bundesregierung abgeschrieben. Ich will Ihnen das gern erklären.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Ich versuche es kurz zu machen, damit es für alle Parlamentsneulinge nicht zu unangenehm wird.

(Zuruf von Leif-Erik Holm, AfD)

Thema Grenzen – das diskutieren wir nun schon seit Monaten. Der Bundesinnenminister hat in der EU wiederholt durchgedrückt, im Übrigen gegen massive Widerstände in Europa, dass wir die Grenzkontrollen weiter durchführen können.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Die Rückkehr zum Dublin-Verfahren ist längst beschlossen und wird schrittweise von den Ländern umgesetzt. Selbst nach Griechenland sind Überstellungen wieder möglich und werden auch durchgeführt. Die Asylzentren an der EU-Außengrenze – die AfD nennt sie Transitzentren – gibt es bereits. Ich verstehe diese Forderung schlicht nicht. Zur Polizei habe ich bereits Ausführungen gemacht,

(Zuruf von Leif-Erik Holm, AfD)

ja, wir stocken doch bereits die Polizei auf und das machen wir so schnell wie möglich, auch wenn es natürlich nie schnell genug gehen kann. So ein neuer Polizist muss erst mal ausgebildet werden und die Ausbildungszeit dauert eben zwei beziehungsweise drei Jahre.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Eine Stationierung einer Einheit der Einsatzhundertschaft in Anklam ist längst beschlossene Sache. Also was soll Ihr Papier? Selbst das Thema Fußfesseln steht längst auf der Tagesordnung. Heute werden der Bundesinnenminister und der Bundesjustizminister sich dazu verständigen. Der Bund hat für bestimmte Fälle bereits einen Gesetzesvorschlag vorgelegt und wenn wir unser Sicherheits- und Ordnungsgesetz novellieren, werden wir uns

natürlich auch mit entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen, das gehört dann auch dazu, für Gefährder auseinandersetzen.

Dann hat die Innenministerkonferenz jüngst einen wegweisenden Beschluss gefasst, die IT der Polizeien von Bund und Länder zu vereinheitlichen. Davon nimmt man in der Öffentlichkeit und in der AfD natürlich keine Notiz, aber es kommt fast einer Revolution gleich in der Sicherheitsarchitektur Deutschlands, wenn sich alle Länder und der Bund verständigt haben, nun endlich eine vereinheitlichte Sicherheitsarchitektur zum Thema IT zu betreiben.

Interessant finde ich die Idee, die biometrischen Daten, wie es in Ihrem Papier heißt, aller eingereisten Ausländer zu erfassen. Da werden sich Franzosen, Schweden und Österreicher freuen, wenn sie nach Deutschland kommen. Ansonsten kann ich Ihnen mitteilen, dass wir keinen Flüchtling ins Land lassen, ohne seine Fingerabdrücke zu erfassen, und Fingerabdrücke reichen völlig aus, um eine Person zweifelsfrei zu identifizieren und Missbrauch zu verhindern.

Weiter geht es mit der Asylpolitik. Sie fordern den Sachleistungszwang für ausreisepflichtige Asylbewerber. Guten Morgen, liebe Kollegen,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

das ist längst beschlossene Gesetzeslage!

Sie fordern, junge Asylbewerber, deren Minderjährigkeit bezweifelt wird, medizinisch zu untersuchen. Ja, was, glauben Sie, machen wir denn?!

(Holger Arppe, AfD: Gar nichts! – Zuruf von Ralf Borschke, AfD)

Alle minderjährigen unbegleiteten Ausländer, die ihre Minderjährigkeit nicht durch Ausweispapiere nachweisen können, müssen sich einem behördlichen Verfahren – und das ist nun mal in Deutschland geregelt nach Paragraf 42f Sozialgesetzbuch VIII – mit einer qualifizierten Inaugenscheinnahme und ärztlichen Untersuchung unterziehen. Diese Fälle sind in der Bundesrepublik Deutschland und auch in Mecklenburg-Vorpommern alle geregelt, nur liegt es in der Natur der Sache, dass das Alter mittels solcher Untersuchungen nicht immer exakt bestimmt werden kann.

Dann sollten Sie vernommen haben, dass auf Bundesebene intensiv über Ausreisezentren diskutiert wird. Was soll die Forderung nach speziell gesicherten Asylbewerberheimen? Damit bleiben Sie ja sogar hinter den Forderungen mancher LINKER zurück. Und auch der Ruf nach Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft wirkt seltsam deplatziert. Erst mal ist es so, wie es bei Ihnen im Papier steht, völliger Quatsch, denn niemand will die doppelte Staatsbürgerschaft in der Form abschaffen – das müssten Sie in der Diskussion auch verstanden haben –, sondern es geht um einen Kompromissvorschlag aus dem Jahr 2012. Keinem Franzosen, der schon seit vielen Jahren in Deutschland lebt, soll die deutsche Staatsbürgerschaft in Ergänzung zu seiner französischen verwehrt werden. Sie meinen sicherlich die Optionspflicht, das steht aber nicht in Ihrem Antrag, meine Damen und Herren.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Die haben keinen Antrag.)

Aber auch diese Frage ist ja schon längst in der Diskussion, auch wenn sie von den Parteien bisher unterschiedlich beantwortet wird, aber das gehört zur Demokratie da- zu. Und selbst auf den Burka-Zug ist die AfD noch schnell aufgesprungen, aber auch hier sind entsprechende gesetzliche Regelungen längst in Arbeit.

Unterm Strich, liebe Kollegen von der AfD, ist dieser Auftritt wirklich blamabel. Sicherheitspolitik ist schon ein bisschen mehr als etwa Copy and Paste zwischen den Jahren. Sie haben ja noch ein paar Jahre zum Üben, also empfehle ich Ihnen vor der nächsten Initiative in diesem Landtag eine Qualitätskontrolle Ihres eigenen Antrages. Dieses Konzept, was Sie hier vorlegten, kann auf jeden Fall zu den Akten.

Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen Abgeordnete! Die Diskussionen über Maßnahmen zur Verbesserung der inneren Sicherheit werden nach wie vor anhalten und sie werden uns auch noch lange beschäftigen. Es wird gewiss noch viele neue Vorschläge geben, die das Licht der Welt erblicken, ob sie alle gehaltvoll sind, ist eine andere Frage. Die wichtigste Rolle spielt der Bund. In den Bundesministerien werden gerade viele Ideen geboren. Sobald uns etwas Konkretes vorliegt, werden wir uns intensiv als Landesregierung, aber auch als Parlament beziehungsweise in den Fachausschüssen damit beschäftigen. Es wird aber noch etliche Zeit in Anspruch nehmen. Es ist daher schlicht zu früh, um alle geplanten Maßnahmen abschließend bewerten zu können.

Dennoch sollte sich jeder von uns schon jetzt fragen, was uns die Sicherheit in unserer Bundesrepublik Deutschland, in Mecklenburg-Vorpommern wert ist. Wir leben in einem freien Land mit freien Bürgern. Unsere freiheitlichdemokratische Gesellschaft hat uns Freiheit, Frieden, Stabilität, Zufriedenheit und Wohlstand gebracht. Den Menschen in Deutschland geht es so gut wie nie zuvor.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Wir wären schlecht beraten, wenn wir diese freie Gesellschaft für eine grenzenlose Sicherheit opfern würden. Aber ich frage Sie: Wer will das denn überhaupt schon? Wann immer ein Vorschlag für schärfere Sicherheitsgesetze kommt, werden der Überwachungsstaat und ein Angriff auf die Grundrechte ausgerufen. Geht es nicht auch eine Nummer kleiner?

Wenn auf dem Marienplatz in Schwerin Kameras installiert werden, deren Bildmaterial nur dann gesichtet wird, wenn dort zuvor eine Straftat stattfand, ist das dann wirklich ein massiver Eingriff in die Grundrechte der Bürger? In Berlin wurde mithilfe von Überwachungskameras ein Mann überführt, der eine junge Frau brutal eine Treppe hinuntergetreten haben soll. Glauben Sie wirklich, dass irgendeiner der Passanten im betroffenen Bahnhof Hermannstraße sich dort durch die vorhandenen Kameras in seinen Grundrechten verletzt fühlt?

Nach wie vor reden manche vom Datenschutz so, als ob in den Behörden der Bundesrepublik Tausende Beamte sitzen, die nur darauf warten, unschuldige Bürger auszuspionieren.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Nach wie vor reden manche vom Verfassungsschutz so, als ob er die größte Gefahr für unsere Demokratie ist.

Und nach wie vor reden manche vom Trennungsgebot zwischen Nachrichtendienst und Polizei so, als ob eine Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten bevorsteht. Es ist ja löblich und verständlich, wenn wir unser Handeln auch angesichts und gerade angesichts unserer Vergangenheit immer wieder hinterfragen, aber, meine Damen und Herren Abgeordnete, wir leben im Jahr 2017. Deutschland ist keine Diktatur, Deutschland ist kein totalitäres System, wir haben weder Gestapo noch Stasi. So manchen Kommentar und so manchen Kommentator würde ich gern endlich in die Wirklichkeit mitnehmen.

Wilhelm von Humboldt sagte einst: „Ohne Sicherheit keine Freiheit“. Doch wo stehen wir heute? Laut einer jüngsten Umfrage fühlt sich mehr als die Hälfte der Frauen in der Öffentlichkeit unsicherer als früher. Darauf muss Politik reagieren. Darauf müssen wir alle gemeinsam eine Antwort geben. Was bringt uns die theoretische vollständige Freiheit der Bürger, wenn sich dieser vor Angst nachts nicht mehr auf die Straße traut. Wir brauchen keine Freiheit auf dem Papier, sondern wir brauchen die tatsächliche Freiheit der Menschen im Kopf, im Alltag, auf öffentlichen Plätzen, auf den Weihnachtsmärkten, und das schaffen wir nur mit einem starken Staat, mit starken Sicherheitsbehörden, die über die notwendigen Ausstattungen und die notwendigen Befugnisse verfügen.

Ich möchte jeden ermutigen, seine eigenen Standpunkte zu hinterfragen und sich angesichts der aktuellen Bedrohungslage kritisch mit eigenen Dogmen auseinanderzusetzen. Etwas Selbstreflexion kann in diesen Zeiten niemandem schaden. Da schließt sich auch der Innenminister nicht aus, und zwar auf allen Seiten. Die Menschen in unserem Land haben einen Anspruch darauf, dass der Staat sie wirksam schützt, und sie haben einen Anspruch darauf, dass die Politik konstruktiv ohne Schaum vorm Mund, aber auch ohne Scheuklappen über das Thema Sicherheit diskutiert. Deutschland ist ein starker, ein sicherer und ein freier Rechtsstaat. Diesen müssen wir gemeinsam verteidigen. Wir brauchen eine wehrhafte Demokratie, das ist unsere Aufgabe, das ist unsere Pflicht. Dieser stellen wir uns. – Ich danke Ihnen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Minister.

Durch die Überschreitung der angemeldeten Redezeit hat die Fraktion der AfD zusätzliche acht Minuten und die Fraktion der LINKEN zusätzliche vier Minuten zur Verfügung.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Friedriszik für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Mit tiefer Betroffenheit haben wir von dem Anschlag am 19. Dezember in Berlin erfahren. Es war eine unfassbar traurige Nachricht. Die Grausamkeit dieses Anschlages hat uns tief erschüttert und berührt. Wir trauern um die Opfer, die nicht nur aus Deutschland stammen. Unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme gehört den Familien, den Angehörigen und den Freunden. Zugleich gilt unser Dank und Respekt den Mitarbeitern der Polizei, der Feuerwehr und der Rettungskräfte sowie allen anderen, die in dieser dramatischen Si