Protokoll der Sitzung vom 23.05.2019

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Förster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Wie gesagt, es geht um Abschiebehaft. Grundlage unseres Antrages ist das sogenannte Geordnete-Rückkehr-Gesetz beziehungsweise der vom Bundeskabinett dazu verabschiedete Entwurf. In der Problembeschreibung des Entwurfs heißt es, Zitatanfang: „Die Aufnahmebereitschaft der Gesellschaft setzt Ordnung und Steuerung im Bereich der Migration voraus.... Einer Pflicht zur Ausreise muss die tatsächliche Ausreise folgen. Wird diese Pflicht nicht effektiv durchgesetzt, hat das negative Auswirkungen auf das Vertrauen in den Rechtsstaat insgesamt.“ Zitatende. Genau dies predigen wir seit Jahren.

Weiter heißt es in dem Entwurf, dass das „zur Durchsetzung der Ausreisepflicht zur Verfügung stehende... Instrumentarium“ sich als „nicht effektiv genug“ erwiesen habe. Das ist eine bagatellisierende Beschreibung dessen, was ist, wenn man bedenkt, dass 70 Prozent der Abschiebungsversuche scheitern.

Die mit dem Entwurf vorgenommenen Änderungen werden möglicherweise zu mehr Rückführungen führen. An der Situation insgesamt wird sich jedoch wenig ändern, denn nach wie vor findet eine illegale Migration in erheblichem Umfang statt. Jedes Jahr kommen rund 150.000 bis 200.000 Ausländer neu in unser Land, davon über 70 Prozent ohne Identitätsnachweis. Zudem reist schätzungsweise rund ein Drittel der abgeschobenen Migranten später wieder nach Deutschland ein. Man spricht hier von einem Drehtüreffekt. Darauf kann nicht oft genug hingewiesen werden.

Ohne eine konsequente Anwendung des Artikel 16a Grundgesetz, wonach sich nicht auf das Asylrecht berufen kann, wer aus einem Mitgliedsstaat der EU oder einem anderen sicheren Drittstaat einreist, ohne Zurückweisung an unseren Grenzen lösen wir nicht nur nicht die bereits entstandenen Probleme, sondern bauen diese weiter systematisch auf. Dennoch sehen wir in dem Entwurf einen Fortschritt, weil jeder Schritt in Richtung Durchsetzung der Ausreisepflicht auch eine Signalwirkung für diejenigen hat, die meinen, sich dieser Verpflichtung erfolgreich entziehen zu können.

Freilich sind einige Bestimmungen nur halbherzig. Ursprünglich war vorgesehen, eine Duldung zu widerrufen, wenn der Ausreisepflichtige seine Abschiebung selbst verhindert, etwa durch Identitätstäuschung. Das wäre eine konsequente Maßnahme mit Wirkung für die Durchsetzung des Rechts gewesen. Sie wurde auf Verlangen der SPD gestrichen. Stattdessen erhalten Ausreisepflichtige, die ihre Identitätsklärung blockieren, einen neuen Duldungsstatus, nämlich eine Duldung für Personen mit ungeklärter Identität. Daran knüpfen sich einige Nachteile, die für die Durchsetzung der Ausreisepflicht jedoch unbedeutend sind.

Die Ausweitung der Vorbereitungshaft, hier insbesondere die Einführung der Erweiterten Vorbereitungshaft für die Fälle, dass der Ausländer die Vorbereitung der Durchsetzung der Ausreisepflicht umgeht oder behindert, ist aus unserer Sicht natürlich ein Schritt in die richtige Richtung. Die Vorschrift betrifft vor allem Personen, die ihre Identität nicht offenlegen oder darüber täuschen.

Die Abschiebungshaft wird allerdings erleichtert, indem das Trennungsgebot von Abschiebungs- und Strafgefangenen nach Paragraf 62a Aufenthaltsgesetz vorübergehend ausgesetzt wird, bis Juli 2022. Mit dieser Vorschrift wurde das Trennungsgebot gemäß Artikel 16 der EURückführungsrichtlinie vom 16.12.2008 umgesetzt. Die Grundlage für die Aussetzung des Trennungsgebots liefert die Notlagenregelung des Artikel 18 der Rückführungsrichtlinie. Danach kann von den Haftbedingungen nach Artikel 16 abgewichen werden, wenn eine außergewöhnlich hohe Zahl von Drittstaatsangehörigen zu einer unvorhersehbaren Überlastung der Kapazitäten der Hafteinrichtungen oder des Verwaltungs- oder Justizpersonals eines Mitgliedsstaates führt. Nach dem vorliegenden Zahlenmaterial lässt sich das gut begründen. Der Weg über die Notlagenregelung wird offensichtlich beschritten, weil der EuGH mit seiner Rechtsprechung den Grundsatz des Trennungsgebots über den klaren Wortlaut der Richtlinie hinaus, die bei fehlenden speziellen Hafteinrichtungen eine Unterbringung in gewöhnlichen Haftanstalten durchaus zulässt, verschärft hat.

An dieser Stelle wird deutlich, wie dysfunktional das gesamte europäische und nationale Asylrecht für die Lösung der durch die unkontrollierte Masseneinwanderung geschaffenen Probleme ist, wie sehr wir uns damit in eine Selbstfesselung mit Ohnmachtscharakter manövriert haben. Wir diskutieren ernsthaft darüber, ob ein Gefährder zur Abschiebehaft in einer JVA – wohlgemerkt getrennt von Strafgefangenen – untergebracht werden darf. Glaubt irgendwer, dass der normale rechtstreue Bürger das noch nachvollziehen kann?

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Wir erwarten, dass die Landesregierung geschlossen und entschlossen die Möglichkeiten des neuen Ausreisegesetzes nutzen wird, damit der Ausreisepflicht auch die tatsächliche Ausreise folgt. Es ist bekannt, dass der Innenminister und die Justizministerin zum Trennungsgebot unterschiedliche Auffassungen vertreten. Als Opposition legen wir den Finger in diese wunde Stelle und fordern von der Landesregierung, hier eindeutig Farbe zu bekennen, wohin die Reise mit dem neuen Gesetz gehen soll. Das ist angebracht, auch wenn das Gesetz vom Bundestag noch nicht verabschiedet ist.

Die Aussetzung des Trennungsgebots ist natürlich umstritten, nicht unumstritten. Hier prallen gegensätzliche Meinungen mit grundsätzlich unterschiedlichen Ansätzen heftig aufeinander. Deshalb einige Ausführungen zur rechtlich-moralischen Handlungsebene, um die es hier geht: Deutschland hat wie jeder Staat mit geordneten Strukturen klare Regeln zur Einreise und zum Aufenthalt von Ausländern. Die Zuwanderung kann legal nur kontrolliert und gesteuert und letztlich auch nur begrenzt erfolgen. Das muss man eigentlich niemandem erklären. Es gibt kein Recht auf Einreise, erst recht kein Grundrecht auf Einreise. Wer gegen die das Aufenthaltsrecht regelnden Bestimmungen verstößt, macht sich strafbar.

Das Ausländerstrafrecht schützt als wesentliches Rechtsgut die Kontroll- und Steuerungsfunktionen des ausländerrechtlichen Genehmigungsverfahrens. Nach Paragraf 95 Aufenthaltsgesetz macht sich unter anderem strafbar, wer sich ohne erforderlichen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhält und vollziehbar ausreisepflichtig ist oder ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist oder wenn die Abschiebung nicht ausge

setzt ist. Mit Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren kann bestraft werden, wer entgegen einem Einreise- oder Aufenthaltsverbot einreist. Das gilt es erst einmal zu verinnerlichen.

Diese Strafbestimmungen gelten grundsätzlich für jeden illegal eingereisten Ausländer und somit auch für Flüchtlinge. Allerdings regelt Artikel 31 der Genfer Flüchtlingskonvention eine Strafbefreiung für diesen Personenkreis. Danach ergreifen die vertragschließenden Staaten wegen illegaler Einreise oder unrechtmäßigen Aufenthalts keine Strafmaßnahmen gegen Flüchtlinge, die unmittelbar aus einem Gebiet kommen, wo ihr Leben oder ihre Freiheit im Sinne von Artikel 1 bedroht war, und sofern sie sich unverzüglich den Behörden stellen und triftige Gründe für ihre illegale Einreise und Anwesenheit darlegen.

Daraus folgt, die Strafbarkeit besteht auch für Flüchtlinge. Diesen wird lediglich unter bestimmten Voraussetzungen eine Strafbefreiung erteilt. Das ist wichtig, um die ganze Problematik auf der richtigen Bewertungsebene einzuordnen. Es geht eben nicht nur um irgendeine Unkorrektheit. Nein, es geht um unter Strafe gestellten illegalen Aufenthalt in unserem Land, der sich mit jedem weiteren Tag des Aufenthalts des vollziehbar Ausreisepflichtigen weiter verstetigt. Da kann man sich nicht als Politiker hinstellen und so tun, als handele es sich um Menschen, die sich eben nur hier aufhalten und doch eigentlich gar nichts getan haben. Nein, ihre Ausreiseverweigerung ist strafbewährtes Unrecht.

Und dann stellt sich eine weitere Kernfrage: Liegen die Voraussetzungen für eine Strafbefreiung denn überhaupt vor? Wer kommt denn eigentlich unmittelbar aus einem Fluchtgründe liefernden Land, wenn er über eines unserer Nachbarländer einreist? – Wohl eher niemand.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Die, die Fluchtgründe liefern, sind wir.)

Ein Weiteres kommt hinzu: Bei dem vollziehbar Ausreisepflichtigen steht fest, dass er weder als Asylberechtigter noch als Schutzsuchender in unserem Land bleiben darf. Der Grund für die Strafbefreiung, dass der Asyl- oder Schutzsuchende sein Begehren ohne Angst vor Strafe in einem geordneten Verfahren vorbringen kann, ist mit der endgültigen Ablehnung entfallen. Danach besteht kein Grund mehr für diese Privilegierung. Eine Strafbefreiung kann es dann eigentlich nur noch in Fällen der Duldung geben.

Es besteht deshalb überhaupt kein Grund, bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht zimperlich zu sein. Die Landesregierung ist verpflichtet, alle Möglichkeiten, die die zu erwartende Gesetzesänderung bietet, zu nutzen. Dazu gehört auch die Nutzung von Justizvollzugsanstalten. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 150 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst für die Landesregierung der Minister für Inneres und Sport Herr Caffier.

Europa. Sport war einmal. Alles gut.

Tut mir leid.

Alles gut. Sport hätten wir gerne, Europa haben wir.

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich habe ja schon in der Debatte aus dem März zur Abschiebehafteinrichtung in Glückstadt erklärt, dass Vollzugsdefizite bei Abschiebungen sehr schwierig zu lösen sind, da wir es hier mit einem sehr vielschichtigen Problem zu tun haben. Die Dublin-Fälle, die fehlende Kooperation anderer Staaten, ungeklärte Identitäten – viele Sachverhalte machen uns zu schaffen, auf die wir zum größten Teil nur wenig und in manchen Fällen sogar gar keinen Einfluss haben. Ich habe aber auch erklärt, die Landesregierung setzt sich ein, wo sie kann, um Verbesserungen in diesem Bereich voranzubringen. Das Geordnete-Rückkehr-Gesetz ist dabei ein wichtiges Puzzleteil, das ich vollumfänglich unterstütze.

Unsere Ausgangslage derzeit ist klar: In ganz Deutschland gibt es mehr gescheiterte als erfolgreich durchgeführte Abschiebungen. Der Rechtsstaat ist definitiv in der Pflicht, hier zu handeln. Das tut er auch im Bereich der Passersatzpapierbeschaffung, bei der Rücküberstellung der Dublin-Fälle, bei den Flugrückführungen und den Rückführungs-/-übernahmeabkommen mit den entsprechenden Herkunftsstaaten. Bund und Länder arbeiten Hand in Hand zusammen.

Nach wie vor ist die Zahl der Hafteinrichtungen für vollziehbar ausreisepflichtige Personen in Deutschland zu gering, was nicht zuletzt an dem enormen organisatorischen, gesetzgeberischen und auch politischen Aufwand liegt. Mit dem Geordnete-Rückkehr-Gesetz will die Bundesregierung neben anderen wichtigen Punkten dem offenkundigen Mangel an speziellen Abschiebungshaftplätzen begegnen. Im Kern geht es darum, die Trennung von Straf- und Abschiebungshaft, die das Aufenthaltsgesetz eigentlich vorsieht, begrenzt und vorübergehend auszusetzen.

Die Grundlage dafür bietet die EU-Rückführungsrichtlinie. Sie erlaubt ausdrücklich ein solches Abweichen vom Trennungsgebot des Aufenthaltsgesetzes. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Zahl der Ausreisepflichtigen einerseits so hoch ist, dass sie zu einer Überlastung der Kapazitäten in den Hafteinrichtungen führt, andererseits muss diese Überlastung unvorhersehbar sein. Beides ist nach meiner festen Überzeugung der Fall. Eine Reihe von Justizministern sieht das anders. Das muss man an dem Punkt auch ehrlich ansprechen.

Aber zum ersten Punkt, der Überlastung in den Hafteinrichtungen. Dass wir mit einer Zahl von noch nicht einmal 500 Abschiebungshaftplätzen in ganz Deutschland eine offensichtliche Notlage haben, liegt meines Erachtens auf der Hand. Die Zahl der Ausreisepflichtigen, die nicht freiwillig ausreisen, übersteigt die Zahl der Abschiebungshaftplätze um ein Vielfaches. Die Länder stimmen sich bereits ab, dass die bestehenden Haftplätze so gut wie möglich genutzt werden können. Auch wurde 2017 das Gemeinsame Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr eingerichtet, um Haftplätze möglichst effizient auf

die Länder zu verteilen. Aber auch hier liegt die Vermittlungsquote bundesweit lediglich im unteren zweistelligen Prozentbereich.

All das sind Engpässe, die es erschweren, dass die Ausreisepflicht am Ende auch durchgesetzt werden kann. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass die Abschiebungshaft vorübergehend – also bis Mitte 2022 – und mit bis zu 500 Haftplätzen auch in sämtlichen Hafteinrichtungen in Deutschland möglich ist. Wie auch in der Diskussion zur Abschiebungshafteinrichtung in Glückstadt ist dabei wichtig zu wissen, dass wir uns in 80 Prozent der Fälle bei der Abschiebungshaftdauer in einem Zeitraum von unter zwei Wochen bis maximal sechs Wochen bewegen. Das Gesetz ist also geeignet, die Situation deutlich zu entspannen.

Wichtig ist außerdem – auch, weil es von bestimmten Personen bewusst immer wieder falsch dargestellt wird –, natürlich findet auch in der JVA eine getrennte Unterbringung der Straf- und Abschiebungshaftgefangenen statt. Es steht überhaupt nicht zur Debatte, beispielsweise verurteilte Gewalttäter mit Menschen zusammenzusperren, die ihrer Ausreisepflicht nicht nachkommen und sich dem behördlichen Zugriff auf welche Weise auch immer entziehen. Dennoch, auch wer sich der Abschiebung entzieht, verstößt gegen unsere geltenden Gesetze. Das ist keine Lappalie.

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Punkt zwei, die Unvorhersehbarkeit dieser Situation. Auch das, ich hatte das schon angedeutet, ist hier nach meinem Dafürhalten natürlich gegeben und ich finde es – mit Verlaub gesagt – auch etwas weltfremd, anderes zu behaupten. Die Situation im Jahr 2015 war in jedem Fall nicht vorhersehbar. Und als 2015 dann täglich Tausende Menschen an den Bahnhöfen und Grenzübergängen in Deutschland ankamen, lag die Priorität ganz woanders, als Haftplätze einzurichten. Im Vordergrund stand ganz klar die Versorgung. Das ergibt sich allein aus europäischem Recht, nicht zuletzt aus der Europäischen Menschenrechtskonvention und, wie ich bereits sagte, natürlich auch aus einer moralischen Verpflichtung.

Und bekannt ist auch, dass Bund und Länder darüber hinaus genug mit der Abarbeitung der Asylverfahren zu tun hatten, mit allem, was dazugehört. In einer solchen Situation erlaubt die Ausnahmeregel des Artikels 18 der Rückführungsrichtlinie deshalb explizit auch Haftplätze, die die Rückführungsrichtlinie im Normalfall nicht vorsieht, eben weil in solchen Notlagen andere Dinge wichtiger sind.

Was wir jetzt erleben, sind die Auswirkungen genau dieser Notlage. Zwar haben die Länder nach Ende der Flüchtlingskrise sofort damit begonnen, die Haftkapazitäten auszubauen beziehungsweise die vertraglichen Voraussetzungen dafür zu schließen, um mit dem Bau zu beginnen, sodass wir bundesweit bei den jetzt knapp 500 Plätzen sind. Den Bedarf werden wir nach den derzeitigen Prognosen jedoch erst bis Mitte 2022 gedeckt haben.

Wie Sie wissen – ich habe das schon mal betont – sind sich mein Haus und das Haus der Justizministerin in der Frage noch nicht einig. Die Landesregierung hat das Für und Wider jedoch abgewogen und ist zu einer gemeinsamen Position gekommen. Die Stellungnahme an den

Bundestag, das Trennungsgebot nicht aufzuheben, ist im Bundesrat am vergangenen Freitag letztlich gescheitert.

Insofern ist das ein Ergebnis, was, meine Herren von der AfD, im Prinzip Ihren Antrag auch dahin gehend überflüssig macht, weil die Position des Landes in der Frage klar ist. Aber letztendlich brauchen wir jetzt erst mal die Verabschiedung des Gesetzes im Deutschen Bundestag, um die dafür notwendige Rechtsgrundlage zu haben. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Minister Harry Glawe: Sehr gut!)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Larisch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der AfD-Fraktion zeigt keine politische Alternative auf. Der Antrag reiht sich vielmehr ein in die allgemeine Verschärfung der Migrationspolitik, geschehen in den letzten 30 Jahren immer dann, wenn Gewalttaten gegen Geflüchtete geschehen. Gesetzesvorhaben wie das Geordnete-Rückkehr-Gesetz stellen nicht nur unsere Verfassung infrage, sondern sind eine integrationspolitische Bankrotterklärung.

Meine Damen und Herren, geboten ist in dieser Zeit aber etwas ganz anderes. Erforderlich ist es, die Errungenschaften einer weltoffenen Gesellschaft konsequent zu verteidigen. Es ist politischer Widerstand geboten gegen Vorhaben, Menschen zu selektieren, Schutzsuchende zu inhaftieren, Geflüchtete in ungewisse Situationen, Folter und Misshandlung abzuschieben.

Meine Damen und Herren, dass der vorliegende Antrag mit linker Politik unvereinbar ist, dürfte offensichtlich sein. Aus aktuellem Anlass gestatten Sie mir eine letzte Vorbemerkung: Das Grundgesetz wird heute 70 Jahre alt. Statt zu feiern, möchte ich Artikel 1 in Erinnerung rufen. Artikel 1 verlangt viel. Artikel 1 fordert etwas, das heute aktueller ist, als es seine Schöpfer 1949 ahnen konnten: den Zusammenhalt der Verschiedenen. Deutschlands Regel Nummer eins bezieht sich nicht auf die Würde des Deutschen. Auch geht es nicht um die Würde des weißen Menschen oder die Würde des wohlhabenden Menschen. „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ In seiner Kürze liegt das Radikale, in seiner Klarheit das Unerhörte dieses ersten Satzes in unserem Grundgesetz. Laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung vom April dieses Jahres finden es 93 Prozent der befragten Deutschen gut, dass die Menschenwürde an erster Stelle steht. Ohne Zweifel wird die Politik etwa mit dem in Rede stehenden Gesetzentwurf oder mit dem vorliegenden Antrag diesem Anspruch nicht ansatzweise gerecht.

Meine Damen und Herren, in einem offenen Brief von PRO ASYL und den Landesflüchtlingsräten wird daher folgerichtig die Frage gestellt, inwieweit die Bundesregierung noch für Menschenwürde und den Schutz von Menschenrechten einsteht, wenn sie ein solches Gesetz verabschiedet. Mit diesem Gesetz könnten praktisch alle vollziehbar ausreisepflichtigen Personen in Abschiebehaft genommen werden, indem „Fluchtgefahr“ ausufernd definiert wird. Die Abschiebungshaft – und darauf zielt

auch explizit der vorliegende Antrag – soll bis 2022 sogar in normalen Gefängnissen durchgeführt werden. Das steht im Widerspruch zur eindeutigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, nach der die Trennung von Strafgefangenen und Menschen, die abgeschoben werden sollen, zwingend ist, um die Menschenwürde der betroffenen Personen zu schützen, denn sie haben keine Straftat begangen und sie dürfen so auch nicht behandelt werden. Hier reiht sich dann auch der Protest der JustizministerInnen und der SenatorInnen gegen dieses Vorhaben ein. Sie tun ja gerade so, als ob alle Menschen, die einreisen und aus diesen sogenannten sicheren Herkunftsländern kommen, Straftäter sind. Das sind sie nicht, denn Flucht ist kein Verbrechen.

Unsere Ablehnung des vorliegenden Antrages möchte ich darüber hinaus in drei Punkten zusammenfassen: