Protokoll der Sitzung vom 19.06.2019

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU)

und zu seinem Arzt sagt – Sie denken jetzt schon wieder völlig das Verkehrte, Herr Kollege Renz –,

(Torsten Renz, CDU: Ja! Ja!)

der mehr oder weniger krank ist und zu seinem Arzt sagt, das Medikament, das du mir da verabreichen willst, hilft mir zwar, aber ich nehme es nicht, weil es ja nicht 100 Prozent sichergestellt ist, dass es alles das, was ich mir wünsche, auch tatsächlich erreicht. Ich glaube nicht, dass Sie einem normalen Menschen außerhalb dieses Hauses das als vernünftiges Verhalten anraten würden. Ob Sie das bei der Abstimmung hier jetzt gleich bei der Verfassungsänderung anders sehen, das stelle ich in Ihr Belieben.

Ich bin übrigens noch gebeten worden von allen Kolleginnen und Kollegen Parlamentarischen Geschäftsführern, darauf hinzuweisen, dass auf die Dritte Lesung dieses Gesetzentwurfes verzichtet werden kann. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Grimm.

Ja, sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Das ist ja sehr interessant, was der Herr Kollege Schulte hier gerade vorgetragen hat.

(Torsten Renz, CDU: Nicht nur interessant, es ist auch richtig.)

Ich hätte damit gar nicht gerechnet.

Herr Renz sagt, es sei richtig, ich teile diese Auffassung.

Ich möchte auch sagen, dass wir noch mal bei gehöriger Durcharbeitung des Stoffes zu dem Ergebnis gekommen sind, dass doch die Bedenken auch überwiegen. Es ist doch so, wir haben in zwei Richtungen da Bedenken. Das Erste ist, wir sind ein föderalistischer Staat, die Bundesrepublik Deutschland, und hier ist ein Stück Föderalismus direkt betroffen. Die Regelungen über den Landesdatenschutzbeauftragten sind nun mal Landesrecht und wenn wir die Verfassung so ändern, wie das jetzt geplant ist, dann führt es dazu, dass das EU-Recht direkt das föderalistische System beeinträchtigt, und ich meine, dass wir das nicht wollen dürfen. Es ist ein Stück unserer parlamentarischen Freiheit hier betroffen und unsere Rechte, die würden wir quasi als Stück unserer eigenen Souveränität abgeben nach Brüssel, und da stehen wir grundsätzlich schon einmal kritisch einem solchen Vorgang gegenüber.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Zweite, meine Damen und Herren, ist, dass die Verfassung hier, ich sage einmal, verschlimmbessert

wird. Es wird nämlich ein unbestimmter Rechtsbegriff eingeführt, nämlich der der „schweren Verfehlung“. Die Möglichkeit, den Datenschutzbeauftragten abzuwählen, soll jetzt erschwert werden, dass also nicht nur eine Zweidrittelmehrheit aus dem Parlament erforderlich wird, sondern zusätzlich kommt diese schwere Verfehlung.

Als Jurist weiß ich, man sollte äußerst sparsam mit unbestimmten Rechtsbegriffen umgehen, und hier kann man es auch noch sehr leicht vermeiden. Ich möchte Ihnen sagen, wie das gehen könnte. Man könnte sagen, also die schwere Verfehlung machen wir fest an einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung, meinetwegen zu einer Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren. Das wäre eine klare Definition und da wüsste jeder was mit anzufangen. So aber haben wir jetzt einen unbestimmten Rechtsbegriff, mit dem dann operiert werden soll. Bitte was soll eine „schwere Verfehlung“ sein? Wer definiert das und wer stellt fest, dass eine schwere Verfehlung begangen wurde? Es ist also völlig unbestimmt und wir machen uns damit wirklich nicht glücklich.

Und nur, weil wir in den entsprechenden Ausschüssen, im Innen- und im Rechtsausschuss, noch als AfD zugestimmt haben, will ich sagen, enthalten wir uns dieses Mal der Stimme. Wenn hier ein Antrag gestellt werden sollte, diese Angelegenheit noch mal in die Ausschüsse zu überweisen, also ich persönlich würde das sehr sympathisch finden und ich könnte mir vorstellen, dass meine Fraktion dem auch folgt. – Ich danke Ihnen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Renz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe den Ausführungen meines Koalitionskollegen Herrn Schulte nichts hinzuzufügen, will aber mal schauen in der Debatte, ob von den LINKEN jetzt noch eine andere Positionierung hier vorgetragen wird. Ansonsten stimmen wir da sozusagen als Koalitionäre inhaltlich und auch nachher bei der Abstimmung zu 100 Prozent überein. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Ritter.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin doch ein bisschen fassungslos, aber okay.

(Jochen Schulte, SPD: Herr Kollege Ritter, solange Sie nicht verfassungslos sind!)

Die Redebeiträge der Koalitionäre zeigen dann doch, dass die Debatte seitens der Koalitionsfraktionen so unter dem Motto steht: „Niemand hat die Absicht“. Aber es steckt was anderes dahinter. Also sich hier hinzustellen und zu sagen, wir, die Regierungsfraktionen, tragen nicht die Verantwortung, für nichts, das ist schon eine Nebelkerze, lieber Kollege Schulte, die hier gezündet worden ist. Einigen wir uns darauf, wenn wir dieses Thema nicht heute auf die Tagesordnung gehoben hätten, würde es in ein, in zwei Jahren immer noch diesen unerledigten Fall im Rechtsausschuss geben.

(Jochen Schulte, SPD: Wenn dem so wäre, hätte ich es ja wieder zurückverweisen können.)

Ja, das wird aber dem Anliegen des Datenschutzes nicht gerecht.

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, vor über einem Jahr, genauer gesagt am 25. April 2018, wollten die Fraktionen von CDU und SPD die Landesverfassung ändern und haben eine Neufassung von Artikel 37 der Landesverfassung vorgeschlagen. Wenn das alles nicht so wichtig gewesen wäre, hätte man ja vor einem Jahr darauf verzichten können. Aber man hat vor einem Jahr gemerkt, dass es dann mit der Zustimmung aus dem Hohen Haus heraus doch nicht so wird, wie man sich das gern gewünscht hätte, obwohl die Anzeichen dafür aus den Ausschüssen rechtzeitig vorlagen.

Weil das Ganze so lange her ist, auch für die interessierte Öffentlichkeit dann doch noch mal ein kurzer Rückblick: Artikel 37 regelt die Stellung und die Aufgaben des Datenschutzbeauftragten. Hintergrund ist die Umsetzung der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung, die die völlige Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten einfordert. Das ist keine Idee der Linksfraktion, obwohl wir das sehr sympathisch finden.

Die Koalition hatte dann in ihrem Gesetzentwurf die Voraussetzung für die Abberufung des Datenschutzbeauftragten etwas angehoben. Neben der bislang schon notwendigen Zweidrittelmehrheit des Landtages müssen auch schwere Verfehlungen des Datenschutzbeauftragten hinzukommen oder es müssen die Voraussetzungen für die Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht mehr erfüllt sein. Gestrichen werden sollte auch ein Satz, nach dem der Datenschutzbeauftragte auf Anforderung des Landtages, des Petitionsausschusses, der Landesregierung und von Amts wegen tätig wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie wir wissen, scheiterten die Fraktionen von SPD und CDU damals mit ihrem Anliegen. Die notwendige Mehrheit zeichnete sich nicht ab – aus guten Gründen –, und das nicht erst auf der Zweiten Lesung hier im Landtag. Meine Fraktion etwa hatte zwei klare Kritikpunkte. Zum einen reichen die bisherigen Formulierungen nicht aus, um der von der EU geforderten und auch tatsächlich notwendigen völligen Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten zu entsprechen. Hinzu kommen sollte aus unserer Sicht die Klarstellung, dass der Datenschutzbeauftragte eine unabhängige, nur dem Gesetz unterworfene oberste Landesbehörde ist. Der Datenschutzbeauftragte hätte dann eine vergleichbare Stellung wie der ebenso unabhängige Landesrechnungshof. Was dagegenspricht, ist auch in den heutigen Redebeiträgen, vor allen Dingen des Kollegen Renz, nicht deutlich geworden. Wir sind davon überzeugt, dass unser Änderungsantrag, der Ihnen vorliegt, am besten die geforderte völlige Unabhängigkeit widerspiegelt.

In der Verfassung sollte auch zum Ausdruck kommen, dass der Datenschutzbeauftragte auch für die Durchsetzung des Rechts auf Informationsfreiheit zuständig ist. Dieses Recht ist für die demokratische Meinungs- und Willensbildung wichtig und wird Tag für Tag noch wichtiger. Beim freien Informationszugang geht es im Kern auch um Bürger/-innenrechte. Es ist daher an der Zeit, das in der Landesverfassung ausdrücklich aufzunehmen,

damit auch unsere Landesverfassung eine moderne Landesverfassung ist. Auch hier haben wir einen konkreten Vorschlag vorgelegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wenn es keinen unmittelbaren Bezug zum Verfassungstext hat, hatten wir in diesem Zusammenhang dennoch die unbefriedigende Personalausstattung des Datenschutzbeauftragten angemahnt. Aber hier zeichnet sich ja vielleicht Besserung in der bevorstehenden Haushaltsdebatte ab. Ich befürchte aber allerdings, eher nicht. Denn was nützt das beste Recht, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn es nur schleppend oder unbefriedigend umgesetzt werden kann? Alle anderen Bundesländer sind hier weiter und haben ihre Datenschutzbeauftragten entsprechend besser ausgestattet. Mecklenburg-Vorpommern hat nicht nur diesbezüglich die rote Laterne. Meine Fraktion hat daher die klare Erwartung, dass die anstehenden Haushaltsberatungen dazu führen werden, den Personalbestand auf das erforderliche Maß aufzubauen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie werden sich sicherlich erinnern, denn es stammt aus Ihrer Feder, am 25.04.2018 wollten die Fraktionen der SPD und CDU also ihren Gesetzentwurf beschließen. Durch eine, ich gebe zu, durch eine clevere Anwendung der Geschäftsordnung wurde die Abstimmungsniederlage abgewendet beziehungsweise hinausgezögert. Meine Kollegen von der SPD beantragten damals eine Dritte Lesung. Das passiert so gut wie nie, aber die Koalition hätte noch Beratungsbedarf gehabt, hieß es zur Begründung. Ich habe mehrfach im Rechtsausschuss nachgefragt, wie denn der Stand der Beratungen wäre. Dass tatsächlich Beratungsbedarf bestand, glaubte wohl selbst mein Kollege der SPD-Fraktion damals nicht so ganz, aber egal, der Landtag forderte den Antrag. Die Koalition ist einer Blamage entgangen und wir haben dieser Überweisung oder diesem Antrag auch zugestimmt. Wir dachten uns, sollen sich doch SPD und CDU noch mal zusammensetzen und nach besseren Alternativen suchen.

Herr Ritter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schulte?

Bitte schön, Herr Schulte.

Vielen Dank.

Sehr geehrter Herr Kollege Ritter, Sie haben eben angeführt, moniert, dass einer Ihrer wesentlichen Punkte, die Sie dann auch mit Ihrem Änderungsantrag einbringen wollen in die Änderung der Landesverfassung, ist, dass der Landesdatenschutzbeauftragte auch der Datenschutzbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit ist. Herr Kollege Ritter, ist Ihnen bekannt, dass nach Paragraf 14 des Informationsfreiheitsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern die oder der Landesbeauftragte für den Datenschutz bereits heute der zuständige Landesbeauftragte für Informationsfreiheit ist, sodass auch der Punkt, den Sie hier ansprechen, schon gesetzlich geregelt ist?

Lieber Kollege Schulte, das ist mir bekannt, denn ich selbst habe damals dafür gesorgt, dass es einen Beauftragten für Informationsfreiheit in diesem Land gibt. Herzlichen Dank.

Vielen Dank.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß aber nicht – um zu dem Vorgang zurückzukommen, mit dem SPD und CDU versucht haben, nach besseren Alternativen zu suchen –, ich weiß nicht, wie es Ihnen ging, ich war schon damals auf die Erkenntnisse der Koalition gespannt. Wir wissen doch alle aus dem Erlebten der letzten Jahre, wie vertrauensvoll, respektvoll und harmonisch SPD und CDU so miteinander zusammenarbeiten.

(Tilo Gundlack, SPD: Immer!)

Insofern – immer! – konnte man gespannt sein auf die Ergebnisse dieser Beratungen und Beratungen und Beratungen des Abstimmungsprozesses, der bis zum Vorliegen unseres Änderungsantrages offensichtlich angedauert hat, und man nun zu der Erkenntnis gekommen ist, das, was DIE LINKE als Lösung vorschlägt, taugt nichts, wir bringen unsere alten Vorschläge wieder ein in dem Wissen, dass sie auch keine Zustimmung finden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so weit der kurze Rückblick.

Heute, über 400 Tage später, dürften also SPD und CDU lange genug vertrauensvoll, respektvoll und harmonisch beraten haben. Was ist nun dabei herausgekommen? Wenn man die Redebeiträge der Koalitionäre hier noch mal Revue passieren lässt, scheinbar nichts.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Meine Fraktion will aber endlich Taten sehen. Wir haben daher Nägel mit Köpfen gemacht, wurden selbst aktiv und legen dem Parlament heute einen konkreten Änderungsantrag vor, denn das tatenlose Beobachten der Schockstarre der Koalition ist nicht so sehr unser Ding. Wir wollen an dieser Stelle der Koalition helfen, am Leben zu bleiben.

(Heiterkeit bei Wolfgang Waldmüller, CDU)

Und wie geht die Geschichte heute aus, liebe Kolleginnen und Kollegen? Wenn SPD und CDU zustimmen, haben wir einen schönen Verfassungstext, spät, aber nicht zu spät, aber die Erwartungshaltung unseres Landesdatenschützers aufnehmend. Wenn nicht, hat der Spuk des verunfallten Gesetzentwurfes der Koalition endlich ein Ende. Es bliebe beim alten Verfassungstext und die europäische Datenschutz-Grundverordnung gilt ohnehin, auch wenn das eine oder andere Ressort der Landesregierung das noch nicht so richtig begriffen hat.