Protokoll der Sitzung vom 09.03.2022

Es ist also unsere Pflicht und Schuldigkeit, den Begriff der „Gleichstellung“ und alles, was sich daraus für unsere Gesellschaft ergibt, endlich breiter zu denken. Wir werden mit erstarrten Strukturen und eingegrenzten Zuständigkeitsdefinitionen momentan denjenigen Menschen nicht gerecht, die sich in unserer Frauen-Männer-Debatte nicht wiederfinden. Und auch wenn wir uns ab kommendem Jahr alle auf den Frauenfeiertag freuen dürfen und auch wenn ich Ihnen zustimme, es muss ein Aktionstag werden, braucht es unsere Akzeptanz für alle Geschlechter, um gleiche, faire und von allen akzeptierte Lebens- und Arbeitsumstände zu schaffen. In diesem Sinne appelliere

ich an uns alle, das Gleichstellungsthema das ganze Jahr über breit zu diskutieren, Initiativen voranzubringen und unsere eigenen Horizonte für alle Aspekte der Debatte zu öffnen. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der FDP die Abgeordnete Frau Enseleit.

Ja, sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es ist mir eine besondere Ehre und Vergnügen, heute zu diesem Thema sprechen zu dürfen, wo ich mich doch seit vielen Jahren intensiv und aktiv mit dem Thema Gleichstellung beschäftige. Allerdings ist mir die Einführung eines Frauenfeiertages bislang als Maßnahme noch nicht untergekommen und war mir bis dato auch in der wissenschaftlichen Diskussion noch nicht als Empfehlung aufgefallen. Auch haben mich die Länder mit besagtem Feiertag wie Aserbaidschan, Usbekistan, Tadschikistan, Kirgistan – und die Reihe ließe sich noch weiter fortsetzen – noch nicht hinsichtlich ihrer fortschrittlichen Gleichstellungspolitik überzeugt. Insbesondere in der jetzigen Situation scheint mir zudem eine Rückkehr beziehungsweise Orientierung an sowjetischen Traditionen und Bräuchen mehr als unangebracht.

Auch der Blick in die Geschichte und Herkunft dieses Feiertages überzeugt mich als Liberale ganz und gar nicht, und das ist schon mehrfach angesprochen worden. Die Idee stammt von Clara Zetkin, Mitglied der KPD und revolutionäre Marxistin, und wurde auf der Zweiten Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen auf Vorschlag der bulgarischen Delegation eingeführt. Seitdem wird dieser Tag in vielen sozialistischen oder ehemals sozialistischen Ländern begangen.

(Unruhe bei Julian Barlen, SPD, und Torsten Koplin, DIE LINKE)

Diesen Tag jetzt, 2023, nach dem Untergang der Sowjetunion und dem Kommunismus als gesetzlichen Feiertag einzuführen, ist vielleicht etwas retro,

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Glocke der Vizepräsidentin)

aber keinesfalls fortschrittlich, wie Sie sich das ja eigentlich so gern ans Revers heften wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD und der LINKEN. Ob es den Frauen im Hinblick auf die Gleichstellung etwas nutzt, sei einmal sehr dahingestellt. Vielleicht hoffen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dass Sie an den damaligen Erfolg der Einführung des Internationalen Frauentages anknüpfen können, denn damals hat nach Einführung des Feiertages die Zahl der weiblichen Mitglieder massiv zugenommen. Die Einführung eines Frauenfeiertages als Antwort auf die nach wie vor nicht vollzogene Gleichstellung von Mann und Frau ist seitens der Partei, die bereits mehrmals das Familienministerium geführt hat, beschämend fantasielos.

(Torsten Renz, CDU: Aha!)

Was ich, was meine Fraktion, was meine Partei aus wirtschaftlicher Sicht über die Einführung eines zusätzlichen Feiertages hält, dürfte bekannt sein. Insofern wird es Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE und der SPD, wahrscheinlich nicht wundern, wir werden der Überweisung Ihres Gesetzentwurfes in die Ausschüsse nicht zustimmen, und dies, um es einmal vorwegzunehmen, nicht nur aufgrund der unsäglichen Auswirkungen für die in den letzten zwei Jahren der Pandemie ohnehin so sehr stark belastete Wirtschaft, sondern auch ob der Intention und der Wirksamkeit mit Blick auf die Gleichstellung von Männern und Frauen.

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Diesen Versuch, ein wenig Ostalgie gesetzlich zu verankern, diesen Versuch werden wir nicht unterstützen. Auch in der ehemaligen DDR haben die Frauen die Hauptlast des Haushalts und der Kindererziehung getragen. Auch in der DDR gab es nicht genug Frauen in Führungspositionen. Auch in der DDR wurden die Frauen, die es tatsächlich geschafft haben, sich gegen ihre männlichen Konkurrenten durchzusetzen, von den Herren der Schöpfung oftmals nur milde belächelt.

Ja, es stimmt, es gab auch positive Errungenschaften. Mecklenburg-Vorpommern ist herausragend, was das Thema Kinderbetreuungsmöglichkeiten und damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeht. Trotzdem sind auch hier lange nicht ausreichend Frauen in Führungspositionen, die es ihnen ermöglichen, eine Familie zur Not auch alleine zu ernähren und finanziell unabhängig zu sein. Eine hohe Quote an Frauen in Führungspositionen in M-V finden wir fast nur in der Privatwirtschaft. Statt einen Feiertag einzuführen, der die Wirtschaft zusätzlich belastet und in vielen Fällen sicher auch die Frauen, für die trotz Feiertag die Sorgearbeit und Verpflichtungen weitergehen, sollten Sie sich besser um die tatsächliche Gleichstellung von Männern und Frauen kümmern. Noch immer ist es eine Minderheit an Frauen, die gut dotierte und einflussreiche Positionen bekleiden, die im besten Sinne frei und unabhängig sind. Darauf sollten Sie Ihre Energie konzentrieren und Frauen die Möglichkeit zu sozialem und vor allem finanziellem Aufstieg ermöglichen, statt nostalgischen sozialistischen Fantasien nachzuhängen.

(Beifall Stephan J. Reuken, AfD)

Meine Damen und Herren, setzten Sie hier und heute ein Zeichen, stimmen Sie der Überweisung in die Ausschüsse nicht zu! Sie helfen den Frauen in diesem Land in Zeiten, in denen die Wirtschaft aufgrund der Pandemie am Boden liegt, in Zeiten, in denen gerade Frauen um ihre Arbeitsplätze bangen müssen, nicht ein My weiter durch die Einführung eines gesetzlichen Feiertages, der für die Mehrzahl der Bevölkerung nur die Bedeutung hat, dass es sich um einen weiteren arbeitsfreien Tag handelt, der von den Unternehmerinnen und Unternehmern, von den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, aber auch von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern herausgearbeitet werden muss.

(Zuruf von Eva-Maria Kröger, DIE LINKE)

Sie weisen in Ihrem Antrag selbst darauf hin, dass es zu finanziellen Verlusten bei den Unternehmen führen wird, und räumen ein, dass Sie den eigentlichen Umfang nicht abschätzen können. Ihre gesamten Ausführungen im

Unterpunkt „Kosten“ zeigen mir, zeigen uns einmal mehr, dass Sie gar nicht wissen, welchen Schaden Sie in den Unternehmen mit Ihrem Retro-Feiertag anrichten. Ach, werden Sie entgegnen, ja, das trifft ja nur die Unternehmer, die können das ab. Nein, sage ich Ihnen, das trifft alle und geht zulasten der gesamten Wirtschaftskraft des Landes, das derzeit an vielen Fronten um den Erhalt von Arbeitsplätzen kämpft.

Also, meine Damen und Herren, tun Sie lieber jeden Tag etwas für die Gleichstellung aller Menschen in diesem Land, aber stimmen Sie nicht der Überweisung dieses Antrages zu, der Wirtschaft und Gleichstellung nicht dient, sondern dieser eher schadet! – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der AfD, CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete!

An dieser Stelle weise ich darauf hin, dass ich jetzt die voraussichtlich letzte Rednerin aufrufen werde. Das ist für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Schmidt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestern haben wir ihn begangen, den Internationalen Frauentag, und viele von Ihnen waren sicherlich unterwegs, haben Frauen mit Blumen gedankt, haben an Veranstaltungen teilgenommen, haben auch im privaten Bereich ihrer Partnerin gedankt für die Aufmerksamkeiten, die Kinder haben vielleicht nette Briefe geschrieben für ihre Mutti oder für ihre Oma und wir Frauen haben an diesem Tag mindestens einmal gehört „Herzlichen Glückwunsch zum Frauentag!“. Und dann weiter? Nichts, ein Tag wie jeder andere für die Frau an der Kasse im Jahr auch.

Ich habe die Zeit genutzt in den letzten 14 Tagen in Vorbereitung auch auf diese Debatte, bin auf die Straße gegangen und habe die Menschen dort gefragt, was sie vom 8. März als Feiertag halten. Und oft erhielt ich die Antwort, na, das ist er doch schon. Der 8. März ist im Bewusstsein der Menschen – zumindest in den östlichen Bundesländern – schon als feierlicher Tag etabliert,

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Sprechen Sie jetzt gegen den Antrag oder dafür?)

als Tag der Würdigung der Leistungen, die Frauen für unsere Gesellschaft, insbesondere für die Familie, erbringen. Und wenn Sie dem Vorschlag der regierungstragenden Fraktionen folgen, sehr geehrte Damen und Herren der Opposition, können die Menschen unseres Landes ab dem kommenden Jahr mit einem freien Tag die Leerstelle des Nichts nach dem großen Hallo füllen, denn der 8. März ist mehr als ein feierlicher Tag, um Blumen zu verschenken.

Ja, von politischen Frauen vor mehr als 100 Jahren ins Leben gerufen, ist sein Ursprung ein kämpferisches Ansinnen um gleiche Rechte, ein revolutionäres Aufbegehren. Aber hier muss ich meinen Vorrednerinnen mal ein bisschen entgegentreten, nicht nur kommunistische oder sozialistische Frauen, sondern auch Frauen in Amerika haben diesen Tag genutzt, Arbeiterinnen in Textilbetrieben, um mit der Aktion „Brot und Rosen“ auf ihre Situation aufmerksam zu machen, dass nämlich nicht nur

das Arbeiten allein für sie wichtig ist. Sie wollten Teilhabe haben, an Bildung, an Entscheidungen. Also insofern ist das eine sehr demagogisch geführte Debatte.

In der heutigen Zeit wird dieser Tag wieder zunehmend von feministischen Aktivist/-innen in diesen kämpferischen Ursprung zurückgeführt, denn es gibt noch mehr als genug zu tun, zu erkämpfen, zu verändern auf dem Weg zu einer tatsächlich geschlechtergerechten Welt. Und das sage ich hier sehr deutlich: Welt! Denn wir sollten auch unseren Blick über unser Land, über die Bundesrepublik hinaus nehmen. Und die aktuellen Ereignisse zeigen uns, dass wir dieses Problem auch global denken müssen. Die Frauen in Afghanistan oder in anderen Ländern leiden an großer Unterdrückung. Und ich denke, auch hier ist Frauensolidarität oder Solidarität anderer Länder gefragt, um hier Veränderungen herbeizuführen.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

In seinem Ursprung war das vordringliche Ziel des Frauentages tatsächlich, das Frauenwahlrecht zu erstreiten. Das ist gelungen. Und ja, wir haben gleiche Rechte. Aber heute, über 100 Jahre später, müssen wir feststellen, dass auch eine paritätische Teilhabe von Frauen an Politik und ihre Vertretung in Parlamenten noch nicht einmal annähernd in Sicht ist. Wir brauchen uns nur hier in diesem Haus umzuschauen. Heute an dieser Debatte nehmen sehr viele Frauen teil und bereichern sie auch mit ihren Beiträgen.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU)

Um Macht tatsächlich zu teilen, braucht es eine paritätische Besetzung der gesetzgebenden Organe. Hinzu kommt, dass politisches Engagement für Frauen noch immer erschwert wird.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU – Glocke der Vizepräsidentin)

Ein wesentlicher Grund dafür ist auch die nach wie vor schlechte Vereinbarkeit von Familie, Beruf und auch Ehrenamt. Und hier geht es um die Verteilung der Sorgearbeit, um all das, was unbezahlt im häuslichen und familiären Umfeld geleistet wird, zum großen Teil von Frauen. Und tatsächliche Wertschätzung und Anerkennung – Fehlanzeige! Und hier könnten wir mit dem Frauentag ein tatsächliches Zeichen setzen, diese Arbeit zu würdigen und wertzuschätzen, diese unendliche Anzahl von Stunden, die hier für die Familie, für die Gesellschaft geleistet werden.

Und um noch mal auf diese Wirtschaftlichkeit einzugehen an dieser Stelle: Nehmen Sie es doch mal als Chance, um auch die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in unserem Land zu steigern! Wir bieten hier die Möglichkeit, durch einen zusätzlichen Feiertag Menschen in unser Land zu ziehen.

(Heiterkeit und Unruhe vonseiten der Fraktionen der AfD und CDU)

Auch das ist doch vielleicht ein Argument, dem sich die Wirtschaft nicht so ganz verschließen kann.

(Heiterkeit und Unruhe vonseiten der Fraktionen der AfD und CDU)

Auf den Equal Pay Day ist schon,

(Glocke der Vizepräsidentin)

ist schon weitestgehend eingegangen worden, also die Lücke, der Gender-Pay-Gap, der nach wie vor besteht.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU)

Einen Moment! Einen Moment, Frau Abgeordnete!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte doch um etwas Ruhe. Wenn das Glockenzeichen erklingt, dann ist das ein Hinweis darauf, dass das derzeit nicht gegeben ist. Wir sind kurz vor der Mittagspause. Ich bitte noch um etwas Geduld und etwas Ruhe hier, damit die Rednerin zu gleichen Bedingungen wie alle anderen hier ihre Rede halten kann.

Bitte schön, Frau Abgeordnete!

Der Gender-Pay-Gap ist schon gut besprochen. Ich möchte nur noch auf einen Aspekt hierbei eingehen, dass der Anteil von Frauen an Mini- und Teilzeitjobs weiterhin ansteigt. Und das führt natürlich zu verringerten Einnahmen, insbesondere dann auch, was die Renten betrifft, und die Armutsfalle im Alter ist damit vorprogrammiert.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)