Protokoll der Sitzung vom 09.03.2022

Diejenigen, die nach verlängerten Öffnungszeiten rufen, sind meist die Großen des Handels, die verlängerte Öffnungszeiten genauso wie erweiterte Einzelhandelsflächen und Billigpreise dazu nutzen, um die Konkurrenz aus dem Feld zu schlagen. Ihnen stellt man sich nicht

entgegen, indem man den Laden länger öffnet, sondern indem man Kunden durch ein unverwechselbares individuelles Angebot bindet. Aber dazu werden wir sicher auch am Freitag weiterdiskutieren. Der Wunsch der vielen kleinen Einzelhändler, da mitzutun, um konkurrenzfähig zu bleiben, ist verständlich, aber aus unserer Sicht nicht zielführend. Was wir brauchen, sind attraktive Innenstädte, in denen Leben ist, wo man sich wohlfühlt, wo Plätze zum Verweilen sind und wo man auch einkaufen kann. Ob wir das auch rund um die Uhr oder sieben Tage die Woche brauchen, da sind wir nicht so sicher. „Shop till you drop“ kann ja nicht das einzige Lebensmotto sein.

Ich will hier auch nicht erneut auf die Veränderungen in der Beschäftigungsstruktur des deutschen Einzelhandels eingehen, die sich stark zum Nachteil verändert hat. Meine Vorredner haben das bereits getan. Vollzeitarbeitsverhältnisse mit geregelten Arbeitszeiten sind in der Minderheit. Teilzeitarbeit, geringe Beschäftigung, Leiharbeit und Werkverträge nehmen zu. Das ist bereits bei früheren Diskussionen um die Ladenöffnungszeiten ausreichend diskutiert worden und hat aus guten Gründen zur Beibehaltung des Sonntagsverkaufsverbotes geführt.

Ergebnis unserer Fraktionsdiskussion war in Abwägung des Für und Wider, dass wir nicht glauben, dass eine weitere Sonntagsöffnung, und sei sie auch nur über diesen Sommer, die Probleme des Einzelhandels löst. Für uns überwiegen die Gründe, die schon in den vorangegangenen Diskussionen zu einer Beibehaltung des Sonntagsverkaufsverbotes geführt haben, und deshalb lehnen wir den Antrag ab.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD,

DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –

Sehr gut!

Vielen Dank, Frau Abgeordnete!

Es hat nunmehr das Wort für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Herr Christian Winter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Ja, das Entscheidende gleich zu Beginn – ich spanne Sie jetzt nicht so lange auf die Folter wie die Kollegin von den GRÜNEN,

(Heiterkeit bei Rainer Albrecht, SPD)

gleichwohl ich mich bei allen Vorrednenden jetzt bedanken möchte für die sehr sachliche Debatte und, glaube ich, auch in der Vielzahl und Vielfalt auch gut vorgetragenen Argumente –: Es wird jetzt auch nicht sehr überraschend sein, dass wir als SPD-Fraktion den vorliegenden Antrag ablehnen werden.

Die wirtschaftspolitischen Begründungen, die ja auch schon geliefert wurden, die möchte ich nicht aussparen, gleichwohl stehe ich auch hier als Sprecher für Arbeitnehmer/-innen und damit auch Gewerkschaftspolitik, bin selbst auch Mitglied der betroffenen Gewerkschaft, der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Und da möchte ich erst mal mein absolutes Unverständnis auch vorausschicken, denn der Kompromiss zu den Sonntagsöffnungszeiten ist mühevoll mit Gewerkschaften, aber vor allem eben auch den Kirchen ausgehandelt, ein mühevoll aus

gehandelter Kompromiss, den wir hier einfach im Handstreich vom Tisch fegen würden. Und ein solch einseitiges Aufkündigen des Kompromisses, auch wenn es nur vorübergehend ist – das habe ich ja dem Antrag entnommen –, finde ich zum einen etwas unredlich, aber ich finde es vor allem auch unnötig, weil, das ist ja aus der Debatte auch schon hervorgegangen, der Mehrwert und ein Umsatzplus ja mehr als fraglich sind.

Ich danke auch dem Wirtschaftsminister Meyer, der die rechtlichen Ausführungen hier sehr gut erläutert hat, und ich schließe mich vor allem da auch den wirtschaftlichen Betrachtungen – das liegt mir nun als Wirtschaftswissenschaftler auch ein bisschen näher – an. Die im Antrag suggerierte breite Wirkung für die Innenstädte, egal welcher Größe, in Mecklenburg-Vorpommern, die zweifle ich auch ganz stark an, denn es sind vor allem die touristisch frequentierten Orte, die mit zusätzlichen Einnahmen und vor allem ja auch zusätzlichen Kunden – darum gehts ja auch – an Sonntagen zu rechnen hätten. Und in den meisten dieser Orte sind ja sogar noch mal zusätzliche Sonntage – zusätzlich zu diesen vier, die auch schon erwähnt wurden – durch die Bäderregelung möglich, wohlgemerkt nicht in allen, auch das ist mir klar, aber doch in sehr vielen. Daher setzen die Fraktionen der rotroten Koalition wirtschaftspolitisch auf Berechenbarkeit statt fraglicher Einmaleffekte.

Ein wesentlicher Fakt – und das hat mich dann doch überrascht – bleibt aber im Antrag unerwähnt, das haben wir allerdings jetzt schon in der Debatte gehört: Zusätzliche Öffnungszeiten bedeuten zusätzliche Kosten und eben auch zusätzlichen Personaleinsatz. Und ich denke, das würde auch dazu führen, dass gerade in vielen kleineren Städten mit vielen kleinen Geschäften die Geschäfte auch so zubleiben würden, einfach, weil das Umsatzplus mehr als fraglich ist. Hinzu kommt auch der im Einzelhandel massive Fachkräftemangel, gerade hier in Westmecklenburg. Ich kenne die Situation auch aus dem Freundes- und Bekanntenkreis, wo gerade, sage ich mal, im vernetzten Einzelhandel über Monate Leute von ihren eigentlichen Arbeitsorten abberufen werden, weil es auch im Einzelhandel überall an Nachwuchs fehlt und das Personal nicht da ist.

Die Analyse der Probleme des stationären Einzelhandels zeigt, dass diese viel komplexer sind, weil es ist eben die Konkurrenz mit dem Onlinehandel, der viele Geschäfte nicht standhalten können. Das ist auch logisch mit Blick auf den Preisvergleich. Die Suchkosten, wie man es auch nennt, sind natürlich wesentlich geringer, wenn ich im Internet schnell Dinge vergleichen kann, oder auch einfach, dass die Produktpalette in dieser Spezifität – das hat ja auch Herr Wirtschaftsminister Meyer angesprochen – so vor Ort manchmal gar nicht angeboten werden kann und damit auch die Produkte vor Ort manchmal gar nicht verfügbar sind. Das ist letztendlich auch Ergebnis des Wettbewerbs, aber natürlich auch des technischen Fortschritts.

Dennoch bekennen wir uns ganz klar zu einer Belebung der Innenstädte, die wir als Orte des Lebens und des Zusammenlebens bewahren und gegebenenfalls auch reaktivieren möchten. Dazu braucht es aber einen Mix von Angeboten, und dazu zählt ganz klar auch der Einzelhandel, aber nicht nur der Einzelhandel. Ich denke, wir müssen unsere Innenstädte dahin gehend proaktiv weiterentwickeln, indem dort stärker auch als vorher für soziale Einrichtungen Platz geschaffen wird, gegebenen

falls für mehr zentrumsnahen Wohnraum und auch NonProfit-Organisationen oder weitere Gewerbeansiedlungen in Innenstädten Platz haben.

Ich mache da mal ein ganz einfaches Beispiel: In NeustadtGlewe, wo ich auch mein Wahlkreisbüro habe, hat sich jetzt ein mobiler Pflegedienst angesiedelt, eben auch, weil – vorher hätten sie vielleicht eine Randlage gewählt – die profitieren massiv durch diese erhöhte Sichtbarkeit ihrer Dienstleistung, die nicht so im Mittelpunkt der Gesellschaft steht, und haben es dadurch viel leichter, gerade als Neugründung, Kunden zu gewinnen.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Und dadurch, durch diese Belebung der Innenstädte, wollen wir natürlich die Leistung des Einzelhandels ergänzen und gerade in den kleinen Städten – da ist ja die Kundenbindung das Entscheidende – die Kundenbindung auch erhöhen.

Diese Idee unserer lebenden Zentren im 21. Jahrhundert lässt sich auch durch gezielte Events stärken.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Ach?!)

Das, wurde beschrieben, ist bereits möglich durch einzelne Sonntage im Jahr, die an verschiedenen Zeitpunkten auch als verkaufsoffene Sonntage angeboten werden können. Davon machen viele Kommunen Gebrauch, nutzen dies, viele nutzen aber selbst nicht mal diese vier Sonntage aus, sodass, denke ich, da auch kein weiterer Bedarf ist. Auch hier kann ich aus meinem Wahlkreis aus Ludwigslust sehr positive Beispiele und Erfahrungen nennen. Da gibt es die sogenannte VeloLust, ein großes Fahrrad-Event, das auch damit verbunden wird, dass der Einzelhandel an diesem Tag offen hat und es da tatsächlich ein Umsatzplus gibt. Viele andere Städte, gerade dort, wo der Weihnachtsmarkt nur an einem Wochenende gastiert, nutzen auch die Adventssonntage. Das wollen wir gar nicht in Abrede stellen.

Am Ende – damit möchte ich dann auch zum Ende kommen – haben wir heute auch viel über die Anerkennung der Leistungen von Frauen gesprochen und auch über die Anerkennung von Berufen, in denen überdurchschnittlich viele Frauen arbeiten, und wie in den letzten beiden Tagen, als ich auch im Einzelhandel unterwegs war, ist es natürlich so, dass dazu auch der Einzelhandel gehört. Und daher würde ich es heute auch als ein ganz fatales Zeichen empfinden, wenn wir auf der einen Seite für die nächsten Jahre einen neuen freien Tag schaffen, aber in diesem Jahr – ich habe es mal durchgezählt – vielen, vielen Beschäftigten fast 30 freie Tage streichen würden. Das kann nicht das Zeichen hier aus dem Landtag sein, und – auch das wurde schon mehrfach gesagt – vor diesem Hintergrund soll in der Breite der Gesellschaft der Sonntag bleiben, auch 2022,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

was er bisher ist, ein freier Tag für Familie und Freizeit. – Danke für die Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Es hat nunmehr das Wort für die FDP-Fraktion der Abgeordnete René Domke.

(Heiterkeit und Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, gerade über die rechtlichen Bedenken hier noch mal zu referieren, aber ich glaube, ich gehe doch besser auf einige Redebeiträge noch mal ein.

Ich möchte mich ausdrücklich bedanken bei Frau Wegner von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Das war ein sehr ausgewogener Beitrag, ich hätte aber tatsächlich gedacht am Ende, Sie kommen zu einem anderen Fazit.

(Heiterkeit bei Rainer Albrecht, SPD: Das war vorauszusehen.)

Aber immerhin, Sie haben wirklich die Beweggründe und das, was abzuwägen ist, was ich mir gewünscht hätte, was wir gemeinsam vielleicht auch in einem Ausschuss beraten können, dass wir das genau in dieser Form getan hätten...

Ich weiß gar nicht, ob ich auf Herrn Foerster überhaupt noch eingehen soll.

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Ja, bitte!)

Lieber Herr Foerster, ich will nur eins sagen: Es ist in M-V nicht nur der Sonntag, der zum Entschleunigen dient. Gehen Sie bitte mal in die Innenstädte, gehen Sie mal bitte ins Binnenland, da werden Sie zwangsweise entschleunigt, und das sieben Tage die Woche! Vielleicht nehmen Sie das auch mal zur Kenntnis?!

(Beifall und Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der CDU und FDP)

Und letzten Endes – jetzt kam gerade noch der Vorwurf, der immer kommt –, niemand verlangt, dass irgendjemand 30 Tage mehr arbeiten soll. Die Arbeitsschutzbestimmungen sind doch davon überhaupt gar nicht betroffen. Es geht vielen Händlern nämlich genau darum, am Sonntag zu öffnen und dafür an einem Wochentag zu schließen. Und ich habe mich auch mit Beschäftigten unterhalten, und es gibt sehr, sehr,

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

es gibt sehr, sehr viele Beschäftigte, die sagen, ich habe damit überhaupt gar kein Problem, weil ich dann auch mal unter der Woche einen freien Tag habe. Das verteilt sich doch auf die Beschäftigten. Es ist doch kein Beschäftigter nach unserem Antrag verpflichtet, sieben Tage die Woche zu arbeiten und auf 30 Tage zu verzichten, auf freie Tage. Das ist doch wirklich absurd, was Sie hier vortragen, das ist doch überhaupt nicht das Thema gewesen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und FDP)

Es geht hier, es geht hier um eine Flexibilisierung. Natürlich muss es ausgewogen sein. Und, meine Damen und Herren Volkswirte, die hier ja auch alle rumgeschlaumeiert haben,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

es gibt genug Staaten auf der Welt, es gibt genug Staaten, sogar katholische Staaten, es gibt genug Staaten auch mit starken Gewerkschaften, wo das überhaupt gar kein Problem ist, dass sie an Sonntagen einkaufen können. Ich weiß nicht, was wir uns hier immer für Märchen erzählen. Wir haben versucht, eine Brücke zu schlagen, und wir würden immer noch für eine Verweisung in die Ausschüsse stimmen wollen. Es ist letzten Endes wichtig, doch einmal diese Erfahrung zu sammeln, die Leute, die jetzt betroffen sind, aus der Pandemie abzuholen, auch endlich Strategien zu entwickeln, wie man mit dem Onlinehandel in Konkurrenz treten kann.

Und was auch ein bisschen vergessen wurde, meine Damen und Herren, es ging uns vor allem darum, mit der Gastronomie zusammen, mit Kunst und Kultur zusammen, mit Einzelhandel zusammen die Innenstädte wirklich zu beleben.

(Rainer Albrecht, SPD: Und in der Woche wollen Sie dann zumachen, ja?!)

Was nützt es mir denn, wenn da irgendwas ist in der Innenstadt, aber ich kann nirgendwo in die Geschäfte gehen? Ich kann maximal ins Café gehen oder ins Restaurant – da sagen Sie ja auch, da ist es ja auch kein Problem, dass die Beschäftigten am Sonntag arbeiten, das ist erstaunlicherweise kein Problem –, aber ich kann nicht in das Nachbargeschäft gehen und mir vielleicht dort ein Getränk kaufen. Das ist dann nämlich geschlossen. Und, meine Damen und Herren, das ist wirklich Rückschritt. Wir haben gedacht, wir sind ein bisschen progressiver und wir gehen einfach mal diesen Schritt. Wir sehen, dass es auch in den Bädern ja funktioniert, ohne dass es in der endgültigen Ausbeutung der Beschäftigten mündet.

Also, meine Damen und Herren, lassen Sie uns das vernünftig im Ausschuss diskutieren, aber nicht so, wie es hier gerade stattgefunden hat. – Vielen Dank!