Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben vor einigen Wochen mit ihrem Antrag ein wichtiges verkehrspolitisches Thema aufgegriffen. Und schon in meiner Rede bei Einbringung des Ursprungsantrages habe ich betont, dass wir mit Ihnen darin übereinstimmen, dass die Stärkung von ÖPNV und SPNV entscheidende Stellschrauben für die Verkehrswende und das Erreichen der selbstgesteckten Klimaschutzziele sind.
Die Motivation für Ihren Antrag seinerzeit war ja unter anderem die pandemiebedingt schwierige Lage vieler Verkehrsunternehmen auch bei uns im Land. Massive Fahrgastverluste stoppten eine bis dahin positive Entwicklung, die es vielerorts in Deutschland vor dem Hintergrund einer gestiegenen Sensibilität für Umwelt- und Klimafragen gab. Die Zahlen habe ich seinerzeit vorgetragen. Das werde ich daher jetzt hier nicht wiederholen. Ich habe allerdings damals schon gesagt, dass ich Zweifel ob der von Ihnen skizzierten Lösungsansätze habe.
Dennoch ist Ihr Antrag überwiesen worden, und im Nachhinein muss man sagen, das war auch gut so, denn wir haben eine hochkarätige Expertenanhörung durchgeführt, die nach meiner Einschätzung Erkenntnisse weit über den Inhalt des Ursprungsantrages hinaus geliefert hat.
Und deshalb haben die Koalitionsfraktionen aus SPD und LINKE ja auch einen qualifizierten Entschließungsantrag formuliert, der viele Aspekte aus der Anhörung aufnimmt und widerspiegelt.
Worum geht es jetzt inhaltlich dabei? Ganz allgemein könnte man sagen, um die schrittweise Stärkung des Nahverkehrs im Land, schrittweise deshalb, weil die finanziellen Möglichkeiten des Landes, bedingt durch die notwendige Abfederung der pandemiebedingten Folgen, des Krieges in der Ukraine und der Inflation natürlich begrenzt sind. Unser Ziel ist folglich die Umsetzung der Entschließung, die mit der Beschlussfassung des Landtages dann künftig für uns Arbeitsgrundlage ist.
Demnach kommt der Landesverkehrsgesellschaft VMV eine maßgebliche unterstützende und koordinierende Rolle zu. Sie soll nämlich gemeinsam mit den Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen unter anderem dafür sorgen, dass Linienfahrplan- und Tarifinformationen in Echtzeit übermittelt werden. Darüber hinaus soll der Ticketvertrieb gebündelt und ein Dachtarif für Fahrten über Kreisgrenzen hinweg geprüft werden. Zudem gilt es, die Vernetzung von Bahn, Bus und Rufbus auch über Kreis- und Landesgrenzen hinweg zu verbessern und die Kooperation zwischen Aufgabenträgern zu stärken. Ebenfalls aufgegriffen wird die Forderung, landesweite Taktbuslinien über Kreisgrenzen hinweg zu prüfen und bei positivem Prüfergebnis gegebenenfalls auch einzuführen.
Großen Raum nahm ein landesweites Rufbussystem ein. Mit landeseinheitlichen Mindeststandards soll unter Berücksichtigung vorhandener Rufbussysteme gearbeitet werden. Ein Fortschritt ist auch, dass zusätzliche Regionalisierungsmittel des Bundes für die Stärkung des SPNV-Angebotes als Rückgrat des öffentlichen Nahverkehrs genutzt werden können. Und dies, das war meiner Fraktion wichtig, schließt auch Reaktivierungen von Strecken und den dazu notwendigen Investitionsaufwand mit ein.
Gleiches gilt für die Möglichkeit, das SPNV-Sondervermögen abzuschmelzen und beispielsweise eine Stärkung von Takten und Randzeiten auf besonders stark genutzten Bahnstrecken künftig zu ermöglichen. Angestrebt wird hier ein Einstundentakt. Dabei ist dafür Sorge zu tragen, dass dieses verdichtete Leistungsangebot auch bis 2030 über erhöhte Regionalisierungsmittel sichergestellt werden kann.
Zu guter Letzt noch einige Zahlen, die deutlich machen, über welche finanziellen Größenordnungen wir bei zentralen verkehrspolitischen Vorhaben in diesem Land reden. Im aktuellen Haushalt stehen folgende Mittel zur Verfügung: für den ÖPNV/SPNV im Jahr 2022 300,4 Millionen Euro, im kommenden Jahr 313 Millionen Euro. Für die Etablierung eines landesweiten Rufbussystems sind es in diesem Jahr 1,6 Millionen Euro, im nächsten Jahr beträgt die Summe dann bereits 14,1 Millionen Euro. Für die Sondertarife Azubi- und Seniorenticket sind für das laufende Jahr 4,6 Millionen Euro und für das Folgejahr 9,8 Millionen Euro eingeplant, und das unterstreicht noch einmal die bereits getroffene Schwerpunktsetzung.
Und wenn wir jetzt noch mal zurück zum Ausgangspunkt Ihres Antrages kommen, möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass den Verkehrsunternehmen die erlittenen
Einnahmeverluste durch den pandemiebedingten Rückgang der Fahrgastzahlen zu großen Teilen über den ÖPNV-Rettungsschirm ausgeglichen werden, und selbiger wird im Übrigen hälftig von Bund und Land getragen.
Abschließend fasse ich daher die Debatte für meine Fraktion wie folgt zusammen: Vielen Dank für den Anstoß durch Ihren Ursprungsantrag und den daraus resultierenden fachlich hoch qualifizierten Austausch im Rahmen der Expertenanhörung im Fachausschuss! Ich glaube, wir sind dabei alle wieder ein Stück klüger geworden. Da die finanziellen Möglichkeiten in diesem Land aber bekanntermaßen begrenzt sind, muss man sich auf Schlüsselvorhaben konzentrieren, und diesbezüglich haben sich SPD und LINKE schon in den Koalitionsverhandlungen verständigt. Somit wird es Sie auch nicht überraschen, dass wir dies heute mit unserem Abstimmungsverhalten dokumentieren. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Antrag „ÖPNV fit machen für die Zeit nach Corona“ war unser Anliegen, auf die Situation im ÖPNV nach den Beschränkungen durch die Corona-Pandemie hinzuweisen, der erhebliche Rückgänge bei den Fahrgastzahlen hinzunehmen hatte, und einen Weg zu suchen, um diese Zahlen auch im Hinblick auf die in der Klimakrise notwendigen Veränderungen unseres Mobilitätsverhaltens wieder deutlich zu erhöhen.
Mit der Einführung des 9-Euro-Tickets Anfang dieses Monats hat sich gezeigt, dass hier ergriffene Maßnahmen zumindest im Regionalverkehr der Bahn sehr erfolgreich sein können. Aber auch im ÖPNV unserer Verkehrsgesellschaften im Land sind Steigerungen bei den Fahrgastzahlen zumindest in den touristischen Gebieten und dort, wo es einen ÖPNV gibt, der mehr ist als Schüler/-innenverkehr, zu verzeichnen. Das hat einen Teil unseres Antrages überholt, zeigt aber umso deutlicher, dass dringender Handlungsbedarf für die Zeit nach dem Auslaufen des 9-Euro-Tickets besteht.
In der Expertenanhörung im Ausschuss für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit wurde von allen Experten darauf hingewiesen – und auch meine Vorredner haben das bestätigt –, dass die Angebotsdichte im Land dringend verbesserungswürdig ist. M-V liegt im bundesweiten Vergleich auf Platz 16 von 16 Bundesländern. Das haben auch Sie, liebe Regierungskoalitionäre, in Ihrem Entschließungsantrag bestätigt. Wir brauchen in unserem Land, und ich zitiere, „zur Erreichung der Klimaschutzziele und als wichtige Säule der Daseinsvorsorge … ein öffentliches Mobilitätsangebot als Alternative zum
Wie ein solches Angebot angenommen wird, zeigt das 9-Euro-Ticket gerade in aller Deutlichkeit dort, wo ein attraktiver ÖPNV vorhanden ist. Ein unkomplizierter Zugang zum ÖPNV ist der Türöffner dort, wo gerade ganz genau aktuell das passiert, was die Experten uns gesagt haben, und macht die erhobene Forderung umso dringlicher, endlich eine Angebotsoffensive zu starten.
Anders, als der Entschließungsantrag es aber vorschlägt, hält meine Fraktion eine solche Angebotsverbesserung in den nächsten Jahren nicht für hinreichend. Ein bisschen mehr Ambitionen sollten Sie schon haben, wenn es stimmt, was Sie in der Debatte heute auch gespiegelt haben, dass Sie durch die Anhörung viel zum ÖPNV gelernt haben. Wie schade, wenn Sie zwar erkannt haben, was notwendig ist, es aber dennoch nicht machen, weil Sie erst noch Wahlversprechen umzusetzen haben. Wer Fehler erkennt und sie trotzdem macht, handelt aus meiner Sicht töricht.
Was wir brauchen – und so viele Experten, die genau das gezeigt haben, können nicht irren –, ist ein Taktverkehr im ganzen Land, im Idealfall Einstundentakt, der gut abgestimmt die öffentlichen Verkehrsmittel verknüpft. Das geht, wenn es ein gutes Angebot für das ganze Land sein soll, nur gemeinsam, also verkehrsträgerübergreifend. Zumindest das scheint ja auch bei Ihnen angekommen zu sein.
Allerdings hält meine Fraktion Ihren Ansatz, dass die Koordination von der VMV übernommen werden sollte, zumindest am Anfang nicht für den richtigen Weg. Damit will ich nicht das Know-how der VMV in Zweifel ziehen, das unbestritten vorhanden ist. Die VMV ist allerdings auch ein Partner mit eigenen Interessen in dieser Gruppe, was dann zu Konflikten führen kann, die mit einer externen Moderation vermieden werden.
Ich will es nicht verhehlen, die Idee zu diesem Antrag hat ein Vorbild. Es macht ja immer Sinn, mal zu gucken, wie die anderen das machen. Das Vorbild ist die NAH.SH in Schleswig-Holstein, die hat es nämlich genau so gemacht, gemeinsam mit allen Partnern, unterstützt von einem Beratungsunternehmen, auf Augenhöhe aus den vielen Insellösungen mit den kommunalen Nahverkehrsplänen und dem übergeordneten Landesverkehrsplan – alles Pläne übrigens, die gerne mal, nachdem sie aufgestellt wurden, in den Schubladen verschwinden – einen von allen getragenen Landesverkehrsplan entwickelt, der nun von allen akzeptiert und vor allem umgesetzt wird.
In so einer Zusammenarbeit gelingt die Abstimmung von Umsteigezeiten, die Verbindung über Kreisgrenzen hinweg und wächst das Verständnis füreinander. Zumindest in der Anfangsphase halte ich deshalb diese Moderation für unabdingbar. Das hat auch die hohe Zustimmung der Experten zu dieser Forderung ergeben. Ich glaube, der unabhängige Blick auf das große Ganze ist das Geheimnis des Erfolgs. Sobald der Moderator im Verdacht steht, eigene Interessen zu verfolgen, sinkt die Akzeptanz.
Die in Ihrer Entschließung aufgeführten Aufgaben der VMV sind nice to have, enthalten aber genau das Wesentliche, nämlich die abgestimmte Fahrplanplanung, wie das in Schleswig-Holstein geschieht, nicht.
Ich will Ihren Entschließungsantrag auch nicht in Bausch und Bogen ablehnen, Sie machen sich ja auf den Weg, aber die eigentliche Herausforderung, nämlich bessere Verbindungen, gehen Sie nicht an, gehen Sie nicht an.
Auch wenn ich weiß, dass es sinnlos ist, kann ich deshalb nur um Zustimmung zu unserem Antrag bitten. Und es wird Sie nicht überraschen, dass wir unserem Änderungsantrag zustimmen und Ihrem Antrag nicht zustimmen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Abgeordnete! Wenn ich Sie um den letzten Satz bitte, meine ich dann auch den letzten Satz, Frau Wegner.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir haben jetzt heute die zweite Runde von dem Antrag der GRÜNEN, wo wir uns ja schon ausführlich drüber unterhalten haben. Insbesondere war ja nun tatsächlich die Anhörung im Ausschuss sehr erhellend. Die Stellungnahmen, die dazu abgegeben wurden, fand ich doch eine unglaublich spannende Lektüre, insbesondere, weil viele Sachen aufgemacht wurden, wie man halt in Mecklenburg-Vorpommern mit dem öffentlichen Verkehr vorankommt.
Und auch das Thema 9-Euro-Ticket, was dem Ganzen ja noch mal so einen schönen Rückenwind gegeben hat, ist jetzt nach den ersten Zwischenauswertungen schon so, wo man sagt, wir sehen das, was wir erwartet haben. Das Angebot, gerade im ländlichen Raum, wird vom 9-Euro-Ticket wahrscheinlich eher weniger genutzt, und da haben wir dann definitiv die Angebotsdefizite. Aber auch da bin ich gespannt. Ich hoffe, spätestens im Oktober werden wir dann auch eine Auswertung zur Umsetzung und Nutzung des 9-Euro-Tickets bei uns in Mecklenburg-Vorpommern haben, um uns damit wieder auseinandersetzen zu können.
Aber das, was wir auch mitbekommen haben in der Anhörung und in den Stellungnahmen, ist, dass das, was die Landesregierung hier tut, kontraproduktiv ist. Wir wollen Nachfragesteigerungen irgendwie hinbekommen und nicht irgendwie versuchen, durch Möchtegernanreize zu gucken, dass die Nachfrage angeht und wir aber auf der anderen Seite die Angebote erhöhen müssen.