Protokoll der Sitzung vom 29.06.2022

und uns für eine tiefergehende Zusammenarbeit im Ostseeraum aussprechen, ohne Frage ein wichtiges Thema. Natürlich sind auch wir dafür, dass gemeinsam mit unseren Partnern Potenziale entwickelt werden, und ganz bestimmt wollen wir auch den Frieden sichern. Bereits in der letzten Legislatur hatte das Parlament auf Initiative unserer Fraktion das Thema „Zusammenarbeit im Ostseeraum“ auf die Tagesordnung gesetzt. Unter anderem

in der 71. Sitzung ging es um den Ostseeanrainertag, den die CDU seinerzeit vorgeschlagen hatte. In der Aktuellen Stunde in der 78. Sitzung des Landtages haben wir über die Außenwirtschaft gesprochen im Ostseeraum. Bei diesem Thema müssen Sie uns also nicht überreden.

Aber ich erinnere auch noch mal an das knarrende Desinteresse an unserem Wunsch, außenwirtschaftlich endlich diejenigen Staaten verstärkt in den Blick zu nehmen, die vor allem in der EU schon jetzt wichtige Handelspartner sind, viel wichtigere, als es Russland jemals war.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Henning Foerster, DIE LINKE: Steht alles im Koalitionsvertrag.)

Ich erinnere mich auch an die Kritik, die wir uns anhören mussten, als wir vor über einem Jahr mehrfach betont haben, Mecklenburg-Vorpommern solle auf Partner setzen, mit denen wir uns in einer Gemeinschaft der Werte und des Rechts befinden. Und es ist erst gut fünf Monate her, dass Frau Schwesig zu Protokoll gab, die Kritik an der Nord-Stream-2-Pipeline wäre wohl kleiner, wenn sie aus Skandinavien käme. Und das sollte keine Tatsachenfeststellung sein. Die Aussage dahinter war, dass andere einen Unterschied zwischen Russland und Schweden machen mögen, sie nicht. Frau Schwesig war jeder Partner gleich recht. Und wenn es um Russland ging, wurde sogar ausgeblendet, dass wir zu vielen anderen Staaten, vor allem EU-Staaten, schon immer viel wichtigere Handelsbeziehungen hatten, von gemeinsamen Werten ganz zu schweigen. Russland war insofern für die Staatskanzlei mindestens eine Art Erster unter Gleichen.

Beim heutigen Tagesordnungspunkt geht es nur um eines: Es geht darum abzulenken, abzulenken von den großen Themen der letzten Wochen, ja, mittlerweile Monate, der besonderen Beziehung Mecklenburg-Vorpommerns zu Russland. Der Eifer, mit dem Frau Schwesig plötzlich Europa entdeckt und die Menschen von der Weltläufigkeit Mecklenburg-Vorpommerns überzeugen will, der ist schon sehr erstaunlich.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU, FDP und Anne Shepley, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und trotzdem ist es gut erklärbar. Konvertiten neigen vielfach dazu, ihre Frömmigkeit besonders unter Beweis stellen zu wollen.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Das kennen Sie ja.)

Ein ähnliches Problem und Phänomen beobachten wir nun auch bei Frau Schwesig: plötzlich entflammte Liebe zum europäischen Ostseeraum.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist kein Geheimnis, dass auch wir Nord Stream 2 zugestimmt haben,

(Henning Foerster, DIE LINKE: Aha!)

und es gab auch in meiner Partei Menschen, die darauf gehofft hatten, dass wir über gute Handelsbeziehungen einen politischen Wandel in Russland begünstigen.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Herr Glawe sagte einst, das war das wichtigste Projekt.)

Was uns unterscheidet, ist die Tatsache, dass wir uns nie der Illusion hergegeben haben, Russland sei ein unproblematischer Partner. Ich erinnere daran, dass die Bundesregierung unter Angela Merkel deswegen auch nach der Annexion der Krim Sanktionen verhängt hat.

(Zuruf von Dr. Anna-Konstanze Schröder, SPD)

Und ich erinnere auch daran, dass die Staatskanzlei nicht müde wurde, das Ende dieser Sanktionen zu fordern.

(Sebastian Ehlers, CDU: Sehr richtig! Auch im Januar.)

Uns unterscheidet, dass wir die Klimaschutzstiftung als Warenlager für von Sanktionen bedrohte Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern damals akzeptieren konnten, Ihnen hingegen ging es offenkundig um Nebenaußenpolitik.

(Zurufe von Horst Förster, AfD, und Henning Foerster, DIE LINKE)

Sie haben dem Kreml die Tür geöffnet und Russland die Kontrolle über eine Landesbehörde verliehen. So sehen es die Gerichte in diesem Land.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Die Klimaschutzstiftung und damit das Land MecklenburgVorpommern haben Sie zu Bauherren der Pipeline gemacht, etwas, was Sie bei der Einrichtung dieser Stiftung noch kategorisch ausgeschlossen haben.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Reden Sie doch zum Thema!)

Uns unterscheidet, dass wir immer den Blick auch auf unsere europäischen Nachbarn hatten,

(Henning Foerster, DIE LINKE: Das hat doch nichts mit dem Thema zu tun!)

vor allem auf Polen und Skandinavien. Und wenn wir über die Niederlande sprechen, dann sprechen wir über den wichtigsten Handelspartner unseres Landes und nicht nur über bunte Bilder mit Königin oder König. Auch das unterscheidet uns.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich zitiere in diesem Kontext aus der Aktuellen Stunde der 78. Landtagssitzung in der letzten Legislaturperiode, „Ostsee verbindet – Mecklenburg-Vorpommern muss Chancen im Außenhandel besser nutzen“, eine Aktuelle Stunde auf unseren Vorschlag. Ich zitiere die damalige Ministerpräsidentin und heutige Ministerpräsidentin: „Ich freue mich darauf, dass Mecklenburg-Vorpommern durch seine gute Arbeit für die russischen Beziehungen Partnerland in 2020 für die Deutsche Woche in Sankt Petersburg ist und dass wir 2021 den nächsten Russlandtag bei uns ausrichten. Das ist eine wichtige Zusammenarbeit im wirtschaftlichen Interesse, aber auch im Interesse des

Dialogs. Und ich freue mich, dass wir dafür auch vom Außenministerium ausgezeichnet worden sind.“

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

„Vielen Dank allen, die an diesem Kurs festhalten.“ Und ich zitiere weiter: „Ich bin sehr froh, dass die SPDFraktion eine eigene Reise ins Leningrader Gebiet unternommen hat, um diese Kontakte auch neben den Regierungskontakten parlamentarisch zu unterstützen.“

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

„Und in diesem internationalen Spannungsfeld gerade Linie zu halten, an wirtschaftlichen Kontakten dranzubleiben, trotz dieser Schwierigkeiten, heißt auch langer Atem.“ Zitatende.

(Hennig Foerster, DIE LINKE: Ich glaube, am häufigsten war Stephan Rudolph da.)

Aus diesem langen Atem ist mittlerweile ein Keuchen geworden.

(Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

Und um dies zu verbergen, nun diese Feigenblattaussprache. Immerhin, biblisch hat das Feigenblatt auch etwas mit Scham zu tun. Es mag Menschen geben, die Ihre Motivlage und Ihren Kurswechsel weniger kritisch sehen, als ich dies tue. Die öffentliche Kritik aber kann auch Ihnen nicht komplett entgangen sein.

Insofern war für mich nicht unbedingt zu erwarten, dass Ihre erste Reise nach Kriegsausbruch nach Polen ging. Dort schien man auf den Besuch unserer Ministerpräsidentin nicht gerade gewartet zu haben. Ganz offensichtlich hat man jenseits unserer östlichen Grenze ein gutes Gedächtnis, und da hat Polen kein Alleinstellungsmerkmal. Unter den Ostseeanrainerstaaten ist unser Ruf ziemlich dahin, und das bringt man vor allem mit Frau Schwesig in Verbindung.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Sabine Enseleit, FDP – Zuruf vonseiten der Fraktion der CDU: So ist es.)

Wirklich keine guten Bedingungen für unsere Wirtschaft, um Handelskontakte auszubauen.

Die Ausrichtung Mecklenburg-Vorpommerns auf den Ostseeraum ist dennoch ohne Alternative. Das wäre schon vor Jahren richtig gewesen. Jetzt ist es zwar reichlich spät und Zweifel an den Motiven sind auch angebracht, aber das Ziel als solches ist zweifellos richtig. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie an dieser Stelle mit etwas Demut an die Sache herangehen. Diese braucht es, um langfristiges Vertrauen wiederaufzubauen, sowohl parlamentarisch als auch in Richtung unserer europäischen Partner.

(Sebastian Ehlers, CDU: So ist es.)

Sich mit dieser Aussprache an die Spitze der Bewegung setzen zu wollen und so zu tun, als sei die SPD die Erfinderin der politischen und wirtschaftlichen Zusammen

arbeit im Ostseeraum, ist dagegen eher peinlich. In Polen hat man das so gesehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ja, meine Fraktion ist für die europäische Zusammenarbeit mit den Ostseeanrainerstaaten. Das waren wir schon immer. Ja, wir sind auch dafür, diese zu vertiefen. Auch dafür waren wir schon immer. Und ja, wir wollen, wir brauchen Frieden.

Was wir nicht brauchen, ist Augenwischerei. Es gibt den Begriff des „Greenwashing“.

(Der Abgeordnete Thomas Krüger bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Er bezeichnet den Versuch von Firmen, sich durch PRMaßnahmen als besonders umweltbewusst darzustellen, besonders dann, wenn die Firma in der Vergangenheit durch wenig umweltfreundliches Verhalten aufgefallen ist. Nachdem der Begriff der Nebenaußenpolitik bereits eng mit Frau Schwesig verbunden ist, erleben wir jetzt in der heutigen Aussprache etwas Neues. Ich schlage Ihnen den Begriff „Europewashing“ vor.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und René Domke, FDP – Sebastian Ehlers, CDU: Sehr richtig!)

Er bezeichnet den Versuch, sich als guter europäischer Partner zu zeigen, nachdem man sich über viele Jahre ausschließlich mit Russland befasst hat, einem Europa eher egal war und man beides dringend vergessen machen will.

Herr Frak…