Protokoll der Sitzung vom 29.06.2022

Die dritte Frage und wahrscheinlich die aktuellste ist die der Friedenswahrung. „Die Ostsee muss Meer des Friedens sein“, das war die Losung der Ostseewoche zu DDR-Zeiten. Und auch wenn die DDR mittlerweile Geschichte ist, wäre es doch schön, wenn dieser Anspruch, dass die Ostsee Friedensmeer war und auch weiterhin bleiben soll, nicht denselben Weg geht.

Wir leben in unruhigen Zeiten mit multiplen Krisen und einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg mitten in Europa. In der Bewertung dieses Krieges haben wir Demokratinnen und Demokraten in diesem Hause, so glaube ich, keinen Dissens. Das haben die Debatten der letzten Monate auf verschiedenen Ebenen eben auch hier gezeigt. Auch die Notwendigkeit von Sanktionen ist, soweit ich das mitbekommen habe, breiter Konsens.

Auf besagter Sitzung der Ostseeparlamentarierkonferenz vor zwei Wochen war dieses Thema natürlich dann auch sehr prominent vertreten. Das Gremium hatte sich unisono dazu entschieden, Russlands Aggressionen sehr scharf zu verurteilen und zumindest erst mal zeitlich befristet Russland zu suspendieren. Daraufhin ist Russland aus der Ostseeparlamentarierkonferenz ausgetreten, und ich glaube, diese Feststellung ist auch ganz wichtig, wenn es darum geht, wer hier welche Brücken abgebrochen hat. Das war in diesem Falle die Russische Föderation. Das ist, glaube ich, auch nicht ganz unwesentlich.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Auf der anderen Seite rüsten allerdings viele Anrainerstaaten auf. Es kommt dauernd zu Verletzungen der Territorialgewässer und Lufträume, auch hier vor allem vonseiten der Russen. Schweden und Finnland, lange Zeit neutrale Staaten, drängen mit Macht in die NATO, was aus ihrer Sicht in der aktuellen Situation auch nachvollziehbar ist. Aber wir – und ich glaube, das ist für uns als LINKE auch, ja, sind wir einfach immer schon so aufgetreten – sind der Meinung, dass wir aufpassen müssen, dass sich hier diese Blockbildung nicht weiter fortsetzt und verhärtet.

(Zuruf von René Domke, FDP)

Dieser Krieg, so schrecklich er auch sein mag, wird irgendwann vorbei sein. Auch Putin wird nicht ewig regieren. Und es wird wahrscheinlich auch in Russland, so hoffe ich zumindest, früher oder später Entwicklungen geben, auch Demokratisierungsprozesse. Und dann wird es darum gehen, wieder Gesprächskanäle zu öffnen und Russland auch institutionell in besagten Gremien einzubinden.

Ich glaube, diesem gemeinsamen Ostseeraum mit seinen knapp 90 Millionen Menschen und seinen Gremien, wie etwa der besagten Ostseeparlamentarierkonferenz, kann hierbei eine tragende Rolle zukommen, irgendwann wieder in diese Gespräche einzusteigen und verlorenes Vertrauen aufzubauen.

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Ich glaube, das sollte ein Anspruch sein, auch wenn das jetzt aktuell natürlich alles in weite Ferne gerückt ist. Bis

es aber so weit ist, ist es wichtig, die Institutionen weiter zu stärken und die übrigen Anrainerstaaten näher zusammenrücken und idealerweise mit einer Stimme sprechen zu lassen, so, wie es ja jetzt auch bei besagter Resolution der Ostseeparlamentarierkonferenz auch schon geschehen ist.

Was ich hier jetzt vorgetragen habe – und damit würde ich dann auch langsam zum Ende kommen –, ist natürlich nur ein Ausschnitt der vielen Themen und Akteure, die hier aktiv sind. In den anderen Redebeiträgen wurden ja viele weitere Themen benannt. Unterm Strich bleibt, ein demokratischer und eng zusammenarbeitender Ostseeraum ist in unser aller gemeinsamem Interesse, und wir sind gut beraten, diese Zusammenarbeit weiter zu pflegen und zu intensivieren, denn nur über die vertiefte Kooperation können wertvolle Beiträge geleistet werden, das Ökosystem Ostsee zu bewahren und uns als Anrainer gemeinsam und nachhaltig nach vorne zu entwickeln, Austausch und Völkerverständigung zu befördern und den Frieden nachhaltig zu sichern. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

An dieser Stelle möchte ich auf der Besuchertribüne begrüßen Besucherinnen und Besucher aus, bei mir steht, ganz Westmecklenburg. Ich hoffe, das ist korrekt. Seien Sie herzlich begrüßt!

Und ich rufe auf für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Frau Shepley.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Together (zusammen) ist das wichtigste Wort in diesen schwierigen Zeiten. Das sagte Jan Eliasson, der ehemalige stellvertretende UN-Generalsekretär und schwedische Außenminister a. D. anlässlich seiner Rede auf der Ostseeparlamentarierkonferenz in Stockholm Mitte Juni. Sein eindringlicher Appell wirkt auch ein paar Wochen später noch in mir nach, denn Herr Eliasson hat recht: Wenn ein imperialistischer Kriegstreiber wie Wladimir Putin ein souveränes demokratisches Land mitten in Europa brutal angreift, wenn unzählige Mütter ihre Kinder in Bomben- und Gewehrfeuer verlieren, wenn Millionen Menschen auf der Flucht vor dem Kriegsterror sind, dann muss auch den letzten Zweifelnden klarwerden, kein Land dieser Erde kann sich allein dagegen wehren, wenn ein anderes die gemeinsamen Verträge der UN-Menschenrechtscharta für nichtig erklärt. Denn bei aller Diversität, die souveräne Staaten ausmacht, sind es die gemeinsamen Grundwerte einer friedlichen Koexistenz, niedergeschrieben in den Geschäftsordnungen unserer Bündnisse, die unumstößlich sein müssen.

Deshalb stand – und es ist gerade schon angeklungen – die diesjährige Baltic Sea Parliamentary Conference, kurz BSPC, ganz im Zeichen des Together. Die teilnehmenden Staaten und Regionen haben nicht nur Russland von der BSPC ausgeschlossen – da gibt es, glaube ich, von dem, was Herr Albrecht gesagt hat, so ein bisschen eine kleine zeitliche Überschneidung, ich glaube, Russland ist ausgetreten, die BSPC hat aber auch erklärt,

dass Russland sozusagen nicht mehr teilnehmen darf, insofern, würde ich sagen, war das zeitgleich –, sondern in einer mehrseitigen Resolution den russischen Bruch des Völkerrechts in all seinen grausamen Facetten aufs Schärfste verurteilt.

Außerdem wurde das gemeinsame Ostseebündnis nachdrücklich gestärkt, indem die Mitgliedsstaaten sich ihrer demokratischen Werte, Sicherheitsinteressen, Handelsbeziehungen und eines noch intensiveren Austauschs auf allen Ebenen versicherten. Eine Konferenz, die mir als Delegierter dieses Landtages noch lange in Erinnerung bleiben wird, denn trotz schwieriger, ja, dramatischer Zeiten, in denen wir im Ostseeraum und darüber hinaus leben, konnten wir neue Energie und Hoffnung aus dem Together ziehen, ein Together, was ich heute in gewisser Weise mit in dieses Parlament gebracht habe. Denn – das klang auch bei meinem Vorredner der CDU schon an – natürlich ist es wichtig, dass wir über dieses Thema reden, aber auch ich denke, dass es mit dem ganzen Together, was wir haben, nicht unerwähnt bleiben kann, dass es in MecklenburgVorpommern höchste Zeit ist, dass sich die Landesregierung nach Jahren der einseitigen Fokussierung auf Russland endlich darauf besinnt, dass es dringend einen proaktiven Dialog mit unseren baltischen, skandinavischen, polnischen, ja, kurz, europäischen Partner/-innen endlich braucht.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und FDP)

Ich sage, ich sage, besser spät als nie, und fordere Sie, Frau Ministerpräsidentin Schwesig, gleichzeitig auf, aus Ihrem frostigen Empfang in Polen letzte Woche die richtigen Schlüsse zu ziehen. Gute partnerschaftliche Beziehungen sind nämlich keine Einbahnstraße. Es wird nicht reichen, dieses Thema jetzt hier einmal im Parlament mit blumigen Worten schönzureden. Wenn Sie, Frau Ministerpräsidentin Schwesig, es wirklich ernst meinen mit dem Wiederbeleben längst erkalteter Beziehungen zu unseren Nachbarländern, dann müssen Sie sich jetzt bei den polnischen und baltischen Verbündeten für Ihre unabgestimmte, verfehlte Nebenaußenpolitik der SPD-geführten Landesregierung in der letzten Dekade glaubhaft entschuldigen, dann dürfen Sie es jetzt nicht bei Symbolpolitik und Ankündigungsrhetorik belassen, sondern müssen den EU-Partner/-innen im Ostseeraum endlich tragfähige, privilegierte und in Bund und EU abgestimmte Kooperationen anbieten.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und FDP)

Und dann muss der ausgesetzte Russlandtag wirklich durch einen Ostseetag ersetzt werden, wie Sie es angekündigt haben und wie wir Bündnisgrünen es übrigens schon seit der Einführung des gazpromgeförderten Unternehmer/-innentages 2014 fordern.

(Beifall Constanze Oehlrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das war – und nur noch einmal zur Erinnerung – das Jahr, in dem Putin die Krim besetzte, meine Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus solchen guten Gründen fordern auch unsere verbündeten Ostseenachbarn von uns ein beherztes Engagement für und nicht wie bisher gegen die gemeinsame Sache, eine friedliche, demokratische, gedeihliche Integration des Ostseeraumes. Gerade angesichts der aktuell galoppierenden Deindustrialisierung unserer Küstenregion – Werftenpleite, Caterpillar- und NordexRückzug – sind gute Wirtschaftsbeziehungen mit zuverlässigen Partner/-innen im ureigensten Landesinteresse.

(Zuruf aus dem Plenum: Energiewende!)

Dabei möchte ich im Übrigen auch noch mal die Handelspartner/-innen Mecklenburg-Vorpommerns nicht vergessen, die nicht im Ostseeraum sind, die Niederlande beispielsweise. Es ist hier ja schon mal angeklungen, das haben wir GRÜNE auch seit Jahren kritisiert, dass das immer vergessen wird, dass die Niederlande ganz oben in unseren Handelsbeziehungen stehen, aber nicht in irgendeinem Tag auftauchen und man dann eben die schönen Fotos hat, wie mein Vorredner schon gesagt hat.

Es hat zuletzt also daran gefehlt, dass sich dieses Bundesland öffnet, und zwar allen Partnerinnen und Partnern gegenüber. Und gut, wenn es jetzt anders werden soll. Aber, liebe Koalition, wir brauchen vor allem Taten, nicht bloß Worte, wir brauchen Staatsverträge und nicht bloß Besuche, und wir brauchen auch Anträge und nicht nur solche Aussprachen wie heute, und dann klappt es auch mit dem Together, denn friedliche Koexistenz ist kein Selbstläufer.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der FDP die Abgeordnete Frau Enseleit.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wer mich kennt, weiß, dass ich ein Freund klarer Worte bin. Insofern hätte ich mir gewünscht, dass wir für die heutige Aussprache auch einen ehrlichen Titel gewählt hätten und nicht, wie Herr Barlen das gemacht hat, es für eine Lobhudelei genutzt hätten. So ein Titel könnte zum Beispiel heißen: „Verspieltes Vertrauen zurückgewinnen“.

(Sebastian Ehlers, CDU: Sehr richtig!)

Darum geht es nämlich eigentlich.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

In den letzten Jahren hat die Landesregierung, haben Sie, Frau Schwesig, mächtig Kredit bei unseren Nachbarn verspielt. Durch die blinde Unterstützung der Pipeline Nord Stream 2, Ihr undurchsichtiges Handeln bei der Klimaschutzstiftung und Ihren Kuschelkurs mit Russland sind unsere Ostseenachbarn verständlicherweise skeptisch geworden, denn mit jemandem, bei dem sich ExStasimitarbeiter die Klinke in die Hand geben, arbeitet man nicht gerne zusammen.

Sie, Frau Schwesig, haben es gerade selbst erfahren. Das ist schon mehrmals angesprochen worden. In Polen sind Sie in Regierungskreisen kein gern gesehener Gast. Im Baltikum sähe dies sicherlich nicht anders aus. Aber wer kann es diesen Staaten schon verübeln? Eine fehlende Solidarität gegenüber den kleineren Staaten und Völkern zwischen Deutschland und Russland scheint Tradition bei den beiden Regierungsparteien zu haben. Für die SPD-geführten Landesregierungen unseres Bundeslandes standen in den letzten Jahrzehnten die Beziehungen zu Russland im Fokus. Die Zusammenarbeit mit den EU-Staaten Polen und Estland, Lettland und Litauen haben Sie vernachlässigt.

Aber es ist schön, dass Sie jetzt die Fehler Ihrer Politik der letzten Jahre aufarbeiten beziehungsweise korrigieren wollen. Den Vorschlag, den auch die FDP-Fraktion hatte, sich stärker an den baltischen Staaten zu orientieren, haben Sie ja bereits aufgenommen. Sie wollen jetzt den Baltic Sea Business Day starten. Das freut uns. Wir hätten aber auch noch mehr Anregungen, die wir Ihnen mit auf den Weg geben würden, zum Beispiel die sofortige Auflösung der Klimaschutzstiftung und ein Bekenntnis, dass Nord Stream 2 nie in Betrieb gehen wird, außerdem eine lückenlose Aufklärung zu dem Themenkomplex Klimaschutzstiftung. So könnten Sie zeigen, dass Sie aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben und wir für die anderen Staaten ein vertrauenswürdiger Partner sind.

Zweifel, dass dies alles geschehen wird, sind berechtigt. Beim Thema Klimaschutzstiftung musste erst ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden, damit überhaupt etwas passiert. Bei der Ostseekooperation wird erst einmal ein Gremium gebildet. Wer wie und warum über die Zusammensetzung dieses Gremiums befunden hat, bleibt Ihr Geheimnis. Die Absichtserklärungen, die den Medien zu entnehmen sind, sind zunächst Allgemeinplätze. Es ist an Ihnen, diese nun mit Inhalten zu füllen und vor allem Taten folgen zu lassen. Sonst haben Sie, wie mit dem davor so hochgelobten Zukunftsrat, nur ein weiteres Gremium geschaffen, wo am Ende resümiert werden muss: viel Lärm um nichts.

Es bedarf jetzt einer klaren Strategie, wie eine ehrliche Kooperation mit unseren Nachbarn gelingen kann. Das ist eine Bringschuld der Landesregierung. Es gibt große Potenziale für die internationale Zusammenarbeit, zum Beispiel im Bereich Energieversorgung. Da haben wir auch schon drüber gesprochen. Weitere Schwerpunkte einer Ostseekooperation müssen ganz klar lauten: enge Kooperationen in den Bereichen Wirtschaft, Bildung und Wissenschaft, den Austausch insgesamt zu intensivieren und daraus neue Potenziale zu entwickeln.

Wir Freie Demokraten gehen noch weiter und fordern einen Innovationsraum Ostsee. Schauen wir uns die Schulen zum Beispiel in Schweden an, können wir noch einiges lernen, was den Bereich Digitalisierung der Schulen angeht. Oder schaut man nach Estland, da könnte man noch einiges lernen zum Thema „digitale Verwaltung“.

(Beifall René Domke, FDP)

Dafür, dass Sie, Frau Schwesig, das Thema Digitalisierung 2018 zur Chefsache erklärt haben, hat MecklenburgVorpommern verdammt wenig von seinen Nachbarn gelernt.

Daher fordern wir Freie Demokraten, dass bestehende Kooperationen vor allem im Bereich Wirtschaft und Forschung im Ostseeraum weiter gestärkt werden. Aber eines muss klar sein, wir müssen auf unsere Nachbarn zugehen, denn die Landesregierungen unter Sellering und Schwesig haben uns eine schwere Bürde aufgelastet. Fangen Sie jetzt an, eine Strategie zu entwickeln und Vertrauen aufzubauen! Klimaschutzstiftung auflösen und lückenlose Aufklärung, nur so wird ein Kooperationsangebot von unseren Anrainern ernst genommen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete!

Ums Wort gebeten hat für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Förster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zuletzt hat ja die Diskussion jetzt eine Wende genommen in hochaktuelle Bereiche. Und ich will anfangen zunächst mal mit der Warenlegende, Warenlagerlegende von Herrn Liskow, die wir nun schon mehrfach hier gehört haben.