Protokoll der Sitzung vom 06.10.2022

(Anne Shepley, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hat sie doch mehr als einmal beschrieben.)

wie das alles in Ihrem Kopf zusammenhängt.

Möchten Sie darauf reagieren, Frau Abgeordnete? (Zustimmung)

Bitte schön!

Ja, also mein Anliegen war es eben gerade nicht, hier pauschal zu diffamieren oder ein pauschales Urteil auszusprechen über die Demonstrierenden, die wir im Moment auf den Demonstrationen überall bei uns im Land erleben können. Mir ging es darum, anhand von Einzelbeispielen – das, was Sie so als „wirr“ wahrgenommen haben –, mir ging es darum, anhand von konkreten Einzelbeispielen aus dem gesamten Land und anhand von Einzelzitaten von Einzelpersonen zu belegen,

(Der Abgeordnete Martin Schmidt spricht bei abgeschaltetem Saalmikrofon.)

zu belegen, dass es eben Versuche gibt, diese Demonstrationen zu unterwandern. Und diese Beispiele werde ich im Einzelnen jetzt nicht noch mal wiederholen. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete!

Für die Fraktion der FDP hat das Wort der Fraktionsvorsitzende René Domke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Sie, meine Damen und Herren von der AfD, rufen uns heute dazu auf, die Meinungsfreiheit zu verteidigen und Bürgerproteste ernst zu nehmen. Es hilft manchmal, wieder dazu zurückzukommen, wofür eigentlich die Aktuelle Stunde beantragt wurde. Ich habe nicht ganz verstehen können, warum Sie überhaupt dieses Thema zur Aussprache anmelden. Und ich glaube, das machen wir tagtäglich, dass wir die Meinungsfreiheit in Deutschland verteidigen, und das jeden Tag – hier im Plenum, draußen auf der Straße, im Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern, zu denen wir uns natürlich auch selber zählen.

Und ich sehe die Meinungsfreiheit in Deutschland überhaupt nicht als gefährdet an. Wo denn, wo haben Sie hier heute im Plenum gehört, dass irgendjemand die Meinungsfreiheit in Abrede stellt?

(Zuruf von Jan-Phillip Tadsen, AfD)

Das beste Beispiel, dass die Meinungsfreiheit funktioniert, haben wir gerade in einer Debatte erlebt, wo viele Meinungen ausgetauscht, teilweise auch gebrüllt wurden. Aber auch das gehört zur Meinungsfreiheit dazu.

Ich kann nur sagen, im Fall der FDP ist es wie „Eulen nach Athen tragen“. Die Verteidigung der Meinungsfreiheit ist Teil der DNA der Liberalen, und für uns steht die Freiheit der Menschen an oberster Stelle.

(Beifall vonseiten der Fraktion der FDP)

Sie kennen sicherlich das bekannte Zitat: „Ich lehne ab, was Sie sagen, aber ich werde bis auf den Tod Ihr Recht verteidigen, es zu sagen“, immer fälschlicherweise Voltaire zugeschrieben, es stammt eigentlich aus einer Biografie. Eine urliberale Aussage, und heute ist es sicherlich nicht erforderlich, das eigene Leben dafür zu geben und einem Regime die freie Meinungsäußerung überhaupt abtrotzen zu müssen, jedenfalls nicht hier in Deutschland.

Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, zu Recht in weiten Teilen geschützt im Artikel 5 Grundgesetz und von den Urhebern unserer Verfassung aus den historischen Erfahrungen, die dieses Land machen musste, in das Grundgesetz aufgenommen. Es hat aber auch schon vorher eine Tradition gehabt, schon in der PaulskirchenVerfassung von 1849 als auch in der Weimarer Reichsverfassung. Dass es immer wieder zu Missbrauch kam, ist aber auch bekannt.

Und es gehört zum Umgang von uns Liberalen, aber sicherlich auch aller Menschen, dass man andere Meinungen respektiert, gerade auch die, die man nicht teilt. Die freie Meinungsäußerung findet aber auch Grenzen, nämlich dann, wenn sie gegen Gesetze verstößt, beleidigt, übel nachredet, verleumdet oder das ganze Volk verhetzt.

Und ich für meinen Teil kann für mich in Anspruch nehmen, dass ich jederzeit dankbar bin für eine andere Meinung. Ist es nicht die höchste Form kommunikativer Anerkennung, dass jemand mich an seinen Gedanken teilhaben lässt, mir seine eigene Meinung öffnet? Jemand lässt mich teilhaben an Überlegungen, die ich vielleicht vorher nicht hatte. Ist doch bemerkenswert! Das ist doch eine wertvolle Sache im Umgang miteinander, im respektvollen Umgang miteinander. Es eröffnet ja auch mir die Möglichkeit, einen Perspektivwechsel einzunehmen, besser zu verstehen.

Aber, meine Damen und Herren, schwierig – und diese Gespräche kennen wir alle – wird es immer dann, wenn gerade derjenige, der sich auf die freie Meinungsäußerung beruft, erwartet, dass diese eine Meinung unkritisch übernommen wird. Schwierig wird es immer dann, wenn derjenige, der sich auf die freie Meinungsäußerung beruft, selbst eine gegenteilige Meinung nicht akzeptieren kann oder sie nur schwer ertragen kann.

(Thomas Krüger, SPD: So ist es.)

Schwierig ist es immer dann, wenn derjenige, der sich auf die freie Meinungsäußerung beruft, verlangt, dass jemand anderes sich überhaupt diese Meinung anhören muss. Meine Damen und Herren, darauf gibt es keinen Anspruch.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE, FDP und Hannes Damm, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin nicht verpflichtet, jede Meinung zu hören. Und schwierig wird es immer dann, wenn jemand nicht die Verantwortung für die eigene Meinung übernehmen möchte. Auch diese Beispiele gibt es.

Und kommen wir jetzt zu den Protesten. Ich muss zugeben, dass ich nicht den Eindruck habe, dass irgendjemand hier im Haus die Demonstrationen per se nicht ernst nimmt. Es ist immer eine Entscheidung, und auch so sehe ich das, ordne ich das ein, es verdient grundsätzlichen Respekt, dass Menschen überhaupt die Überlegung treffen zu sagen, ich gehe für meine Meinung auf die Straße – das ist sehr hoch anzuerkennen –, vielleicht sogar noch Plakate zu gestalten, vielleicht sogar noch Schilder zu bemalen, sich Gedanken zu machen darüber, was möchte ich überhaupt ausdrücken, wofür oder wogegen möchte ich demonstrieren.

Das ist übrigens eine interessante Beobachtung, dass weitaus mehr Menschen gegen etwas demonstrieren als für etwas. Auch das ist etwas, was man gesellschaftlich auch mal diskutieren muss. Warum gehen wir nicht auch mal positiv auf die Straße und drücken das aus, was wir vielleicht auch als positiv wahrnehmen? Das kommt leider zu kurz. Das ist genau das,

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Wir gehen doch für bezahlbare Energieversorgung auf die Straße.)

was wir angesprochen haben: Es gibt oft eine schweigende Mehrheit,

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Wir gehen doch für ein auskömmliches Leben auf die Straße.)

eine schweigende Mehrheit, die sich nicht positioniert.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Das machen wir doch!)

Und nicht nur, dass wir die Proteste der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land ernst nehmen, wir setzen uns doch mit den Protesten auch inhaltlich auseinander. Das machen wir doch hier schon fast in jeder Sitzung, dass wir die Themen, auch die, die draußen diskutiert werden, hier doch reflektieren, dass wir hier also auch miteinander streiten und nach Lösungen suchen. Es ist doch nicht so, dass Ängste und Sorgen nicht ernst genommen werden! Und es gibt nur verschiedene Lösungsansätze. Bei manchen Fraktionen habe ich Mühe, diese Lösungsansätze zu verstehen, aber trotzdem gehe ich davon aus, dass auch sie sich dann eine Meinung gebildet haben und diese Meinung hier vertreten.

Und, meine Damen und Herren, es ist auch im Moment in den Demonstrationen ein recht diffuses Bild. Ich habe alles kennengelernt. Es sind die Energiepreise, die Sorgen machen. Es ist die Forderung nach Beendigung des Krieges, wobei immer unklar bleibt, wer ist eigentlich der Adressat dieser Forderung. Es gibt ja verschiedene Möglichkeiten, wie man einen Krieg beenden kann. Ich glaube aber nicht, dass Deutschland im Moment gefragt ist, über andere Völker hinweg zu entscheiden, wann ein Krieg beendet ist. Also sind die Adressaten außerhalb von Deutschland zu suchen. Dann gibt es viele, die auch ihren Unmut über die Corona-Maßnahmen zum Ausdruck bringen, also auch dieselben Demonstrationen besuchen. Und dann gibt es sogar Leute, die gegen die GEZGebühren und gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk demonstrieren.

Ich habe alles kennengelernt auf diesen Demonstrationen. Und das ist natürlich wichtig, dass man dann auch sich zu diesen Positionen bekennt und dass man dann aber auch die Dinge ausdiskutiert. Und da habe ich oft den Eindruck, dass wir nicht mehr in der Lage sind als Gesellschaft, Meinungen und Gegenmeinungen auszuhalten und miteinander auszutauschen, abzuwägen und die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Da weicht man aus.

Das Schlimmste, was mir mal passiert ist, ist tatsächlich, dass ich genau in der Form angegriffen wurde, dass man mich ja gar nicht akzeptieren könnte, weil ich ja Teil des Systems wäre und sowieso die Bundesrepublik Deutschland ja gar nicht existiere. In dem Moment war natürlich das Gespräch beendet, weil ich gesagt habe,

(Jan-Phillip Tadsen, AfD: Damit müssen wir uns ja alle auseinandersetzen, wir alle.)

na ja, wenn ich doch sowieso gar nicht in dieser Funktion vor Ihnen stehe, warum sollen wir uns dann überhaupt unterhalten?! Also ich kann mich nicht mit jemandem unterhalten, der im Grunde schon in Abrede stellt, dass hier meine Rolle als Abgeordneter in einem legitimierten Staat überhaupt von Bedeutung ist.

Es ist schon vieles andere gesagt worden, was ich jetzt nicht wiederholen will. Wir haben am Ende doch miteinander gezeigt, dass wir freie Meinungen austauschen wollen, dass wir Proteste ernst nehmen. Insofern brauchte es diese Aktuelle Stunde aus meiner Sicht nicht. Ich habe hier nicht die Wahrnehmung gehabt, dass es irgendjemanden gibt, der das in Misskredit stellt.

Ich möchte nur noch auf Herrn Förster eingehen, weil mich einiges wirklich verwundert hat. Sie machen genau das, Sie machen genau das: Sie sprechen Herrn Merz ab, dass er eine Äußerung, die er getan hat, hinterher korrigiert. Auch das ist eine Form von Meinungsäußerung.

(Jan-Phillip Tadsen, AfD: Das ist sein gutes Recht.)

Ob er das auf Druck macht,

(Jan-Phillip Tadsen, AfD: Aber die Frage ist, warum tut er es denn.)

ob er das macht aus eigener Einsicht, das ist doch seine Entscheidung!

(Zuruf vonseiten der Fraktion der AfD: Soll es auch bleiben.)

Warum stellen Sie, warum stellen Sie das in Abrede?

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Und wieder …

(Zuruf von Horst Förster, AfD – Präsidentin Birgit Hesse übernimmt den Vorsitz.)