Protokoll der Sitzung vom 06.10.2022

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mit einem alten Sprichwort beginnen: Angst ist ein schlechter Ratgeber. Angst lähmt, Angst engt unseren Fokus ein und mit Angst beschränken wir uns auf das Erkennen von Bedrohungen. Und mit dieser Angst sollte man nicht spielen.

Und natürlich nehme ich die in vielen Fällen nachvollziehbaren Demonstrationen, die in diesen Tagen und Wochen laufen, sehr ernst und sie sind für mich auch sehr nachvollziehbar. Hohe Energiepreise, gerade in kleinen Haushalten oder in Haushalten mit kleinen und mittleren Einkommen, bei Rentnerinnen und Rentnern, hohe Energiepreise belasten insbesondere kleine Unternehmen, und ja, hohe Energiepreise gefährden Arbeitsplätze. Und für viele Menschen steht die Frage im Raum, ob sie im nächsten Winter eine warme Wohnung haben und ob sie diese bezahlen können. Diese Ängste sind nachvollziehbar und auch die Demonstrationen aufgrund dieser Ängste ebenso. Und auch ich kenne Menschen, die an Demonstrationen teilgenommen haben, auch ich kenne Menschen, sehr viele Menschen, die an dieser Stelle in großer Sorge sind.

Das Demonstrationsrecht, das ist angeklungen, ist eines der höchsten Güter in unserem Land. In Grundgesetzartikel 8 lautet es: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Und blickt man, blickt man auf die Demonstrationen im Land in den letzten Monaten, so muss man festhalten, sie sind berechtigter Bestandteil einer lebendigen Demokratie. Ängste in Demonstrationen öffentlich zu äußern, Kritik am Regierungshandeln öffentlich zu äußern, Forderungen öffentlich zu äußern, all das ist durch unser Grundgesetz gedeckt, und das ist auch gut so. Aber man muss schauen, mit wem man – das ist auch angeklungen –, mit wem man dort auf der Straße steht. Und wenn in Lubmin, das ist im Übrigen mein Wahlkreis, wenn in Lubmin ein Andreas Kalbitz frei sprechen darf, der im Übrigen Ihre Partei verlassen musste, weil er zu weit rechts außen war,

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

wirft das große Fragezeichen auf. Wenn man in Sachsen Galgen bei Demonstrationen mitführt, an denen Politiker

hängen sollen, dann ist eine Grenze überschritten, meine Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und Anne Shepley, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Krüger, SPD: So ist es.)

Wenn letztlich demokratisch gewählten Regierungen die Legitimation abgesprochen wird, spätestens dann sollte jeder Demonstrant, der mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes steht, den Platz verlassen haben.

Die AfD hat diese Aktuelle Stunde bewusst gewählt. Bereits im Titel wird deutlich, er impliziert einen Spaltungsversuch, er unterstellt, dass wir eingeschränkte Grundrechte haben, und damit entlarvt sich die AfD hier selbst. Der Protest wird genutzt, um aus Ängsten Kapital zu schlagen. Das ist Ihre Methode. Und Sie haben es selbst angeführt, nach 2015 mit der Antimigrationsbewegung haben Sie versucht, Ihre Partei durch eine Frischzellenkur von einer toten Partei zu hangeln von Protestpotenzial zu Protestpotenzial. Es folgte Corona, das funktionierte ein bisschen am Anfang, und als die Menschen mit dem Virus in Kontakt kamen und begriffen, dass es auch sie selbst treffen kann, dass ihre Familie betroffen sein kann, dass es im Umfeld schwere Verläufe gibt, dann haben die Menschen begriffen, dass Sie dort groß mit Wind und Luft unterwegs sind. Ich möchte an unsere gestrige Debatte erinnern, an die Aussprache zu den Folgen Long und Post Covid.

Und jetzt sind Sie in dieser Energiekrise unterwegs, mit einer Wende 2.0 herumzufabulieren, und das maximal unglaubwürdig. Der Bundesschatzmeister der AfD Carsten Hütter schreibt etwa in seinen Social-Media-Foren, Zitat: „Wir haben nicht für die deutsche Einheit gekämpft, damit wir von grünen Kommunisten regiert werden.“

(Nikolaus Kramer, AfD: Das ist auch richtig so.)

Da sei mal die Frage erlaubt, wie dieser Mann für die deutsche Einheit gekämpft hat, ein Mann, der in Unna geboren wurde und zur Wendezeit Soldat bei der Bundeswehr war.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Julian Barlen, SPD)

Ich will das nicht ins Lächerliche ziehen. Vergleiche mit der friedlichen Revolution von 1989 verbieten sich aus Respekt vor den mutigen Menschen in der DDR, die für ihre Freiheit auf die Straße gingen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP – Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Wo waren Sie denn da, dass Sie sich darüber hier ein Urteil erlauben?)

Menschen demonstrierten in einer Diktatur für ihre Freiheit, und zwar mit der Angst, dafür um ihre Freiheit zu bangen, ins Gefängnis zu gehen. Heute sind Demonstrationen polizeilich geschützt. Schauen Sie nach Russland und in den Iran, wenn Sie eingeschränkte Presse- und Meinungsfreiheit sehen wollen, liebe Kolleg/-innen!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP – Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren...

(Zuruf von Jens Schulze-Wiehenbrauk, AfD)

Einen, einen Moment bitte, Herr Beitz!

Meine Herren und Damen – obwohl, die Damen habe ich jetzt nicht gehört – von der AfD, wir leben hier in einer Demokratie und die Demokratie verlangt auch eine lebhafte Debatte. Ich glaube, das ist auch das, was dem Thema angemessen ist. Ich bitte doch aber, bei den Zwischenrufen sich etwas zu mäßigen, da der Redner kaum noch zu verstehen ist.

Herr Beitz, Sie haben das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die aktuelle Krise hat ohne Zweifel tiefgreifende Auswirkungen. Die Ministerpräsidentin hat es in ihrer gestrigen Regierungserklärung deutlich gemacht, wie die Regierung damit umgeht, dass sie Menschen, besorgte Menschen in der aktuellen Situation ernst nehmen, dass sie Menschen, die Unterstützung benötigen, auch Unterstützung geben wird, dass Unternehmen, die Unterstützung benötigen, diese auch bekommen, hat die Botschaft ins Land gerufen, niemand wird alleingelassen. Das ist das Versprechen unserer Landesregierung und das ist im Übrigen auch das Versprechen des deutschen Bundeskanzlers, der mehrfach gesagt hat: „You’ll never walk alone.“

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der AfD)

Und die Tatsache, dass Sie aufrufen, demokratisch gewählten Politikerinnen und Politikern nicht zu glauben, lässt tief blicken. Sie können das ja in der Sache immer kritisieren. 200 Milliarden, um Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen von hohen Energiepreisen zu entlasten! Ich erwarte keinen Applaus, aber Sie bringen gebetsmühlenartig von Sitzungswoche zu Sitzungswoche – gebetsmühlenartig! – immer wieder die gleichen Argumente, wohl wissend, dass sie uns nicht weiterbringen.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Fossile Energieträger stärker nutzen, Kernkraft ausbauen, Gas und Öl aus Russland. Schönen Dank!

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist angeklungen, Demonstrationen und freie Meinungsäußerungen haben Grenzen, wenn Versammlungen eben nicht mehr friedlich sind, wenn Meinungsäußerungen dazu gebraucht werden, andere Grundrechte anzugreifen, Grundrechte wie Artikel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, Artikel 2: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“, Artikel 3: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens,

seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“,

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Leben Sie das doch mal! Leben Sie das doch selbst einmal, was Sie da vorgelesen haben!)

Artikel 4: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich“. Meine Damen und Herren, wo Hass und Hetze auf Politikerinnen und Politiker treffen,

(Enrico Schult, AfD: Was ist „Hass und Hetze“? Können Sie das mal definieren, Herr Beitz?)

wo die Demokratie als solche und die Grundordnung der Bundesrepublik infrage gestellt werden, sind rote Linien überschritten. Wir werden als SPD-Fraktion selbstverständlich für die freie Meinungsäußerung eintreten, auch für die der AfD in der Öffentlichkeit sorgen und wir werden auch dafür sorgen, dass die Gegendemonstranten, die der AfD lautstark mitteilen, was sie von Spaltung und Hetze halten, gleichermaßen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen können.

Und eines gestatten Sie mir am Ende noch zu sagen: Erklären Sie mir bitte unter Bezug auf die heutige Überschrift – das können Sie gerne im Rahmen der nächsten Sitzungen irgendwann machen –,

(Enrico Schult, AfD: Machen wir gleich!)

bei den Demos von „Fridays for Future“ habe ich Sie noch nicht gesehen.

(Heiterkeit bei Enrico Schult, AfD, und Jan-Phillip Tadsen, AfD: Doch, waren wir auch.)

Nehmen Sie diese, nehmen Sie als AfD diese Proteste gleichermaßen ernst? – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und Dr. Harald Terpe, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Das Wort hat noch mal für die Fraktion der AfD der Fraktionsvorsitzende Herr Kramer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Aufgrund der knappen Zeit, die ich nur habe hier, 35 Sekunden, ich möchte es nur noch mal unterstreichen, was der Kollege Schult gerade gesagt hat im Rahmen seiner Kurzintervention, der aktuelle Bericht des Ostbeauftragten sollte uns allen zu denken geben.

Und ich nehme für mich nicht in Anspruch, dass ich mit meiner Meinung, die ich hier vertrete, immer im Recht bin. Und ich nehme auch meinem politischen Gegenüber nicht die Meinung ab, dass er im Recht sein könnte. Es führt immer zu einem, also wir sollten uns immer an

diesem Diskurs festhalten, und den habe ich hier heute nicht stattfinden sehen. Aber diese Zahl, nur 39 Prozent der ostdeutschen Bürger …

Herr Fraktionsvorsitzender!

… sind mit der aktuellen Demokratie zufrieden, …

Ich weise Sie darauf hin, dass Ihre Redezeit …

… und das sollten wir hinterfragen.