Protokoll der Sitzung vom 25.01.2023

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Gemäß Paragraf 84 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung ist eine Aussprachezeit von bis zu 71 Minuten vorgesehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen und ich eröffne die Aussprache.

Bevor ich die erste Rednerin aufrufe, begrüße ich auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler der Regionalen Schule Grimmen. Seien Sie uns recht herzlich willkommen!

Es hat nunmehr das Wort für die Landesregierung die Wissenschaftsministerin Bettina Martin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Landesregierung will den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter voranbringen. Die Ministerpräsidentin hat das ja vorhin in der Aktuellen Stunde auch sehr deutlich gemacht. Schon jetzt produzieren wir im Land mehr als

zweimal so viel Strom aus erneuerbaren Energien, wie wir selbst verbrauchen. Wir kennen die großen Potenziale, die für M-V im Ausbau der erneuerbaren Energien bei Wind, bei Sonne und bei Strom liegen – ökologisch und ökonomisch und auch sozial –, und wir sind uns über alle Ressorts hinweg einig, dass wir diese großen Chancen gemeinsam beim Schopf packen.

Und ja, dafür müssen wir auch schneller bei den Genehmigungsverfahren werden. Dazu haben wir ja auch vorhin schon einiges gehört. Und wir haben ein Gesetz des Klimaschutzministers beschlossen, das im Bereich des Naturschutzes zu beschleunigten Verfahren führen wird. Richtig ist aber auch, dass wir mit schlanken Prozessen auch im Denkmalschutz dafür sorgen müssen, dass es keine langen Verzögerungen bei den Bewilligungen gibt. Und genau dafür schaffen wir jetzt die richtigen Rahmenbedingungen, allerdings ohne – und das ist mir als Kulturministerin eben auch sehr wichtig –, ohne dabei den Denkmalschutz zu schleifen.

Diesen Anspruch, meine sehr geehrten Damen und Herren, erfüllt der Gesetzentwurf, den die Fraktion der GRÜNEN uns hier vorgelegt hat, leider nicht, und er geht auch von völlig falschen Prämissen aus. Beim Lesen hat sich mir die Frage gestellt – und eben, ehrlich gesagt, auch beim Zuhören –, ob die Antragsteller die Genehmigungsverfahren überhaupt richtig verstanden haben. Sie sprechen in Ihrem Antrag von „einer fehlenden gesetzlichen Regelung zur Abwägung zwischen den Belangen des Denkmalschutzes und dem öffentlichen Interesse“. Das ist schlicht falsch, denn schon jetzt ist es in Paragraf 7 des Denkmalschutzgesetzes klar geregelt, dass eine Genehmigung dann zu erteilen ist, wenn ein überwiegend öffentliches Interesse besteht. Und das müssen wir nicht noch mal ins Denkmalschutzgesetz hineinschreiben, es steht da schon drin.

Und dass das Errichten von Windkraftanlagen in überragendem öffentlichen Interesse ist, das hat der Bund mit seinem Erneuerbare-Energien-Gesetz im vergangenen Jahr eindeutig vorgegeben. Mit dieser Klarheit werden wir nun dafür sorgen, dass der Denkmalschutz den Bewilligungsprozess nicht mehr bremst. Noch mal: Dafür brauchen wir keine Änderung im Denkmalschutzgesetz. Aber klar ist auch, dass wir die Praxis verbessern müssen. Klimaschutzminister Till Backhaus, Energieminister Reinhard Meyer und ich haben mit unseren Ministerien in den zurückliegenden Wochen intensiv daran gearbeitet und werden genau dies tun.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Für die Bewilligung einer Windkraftanlage ist eine Vielzahl von Einzelgenehmigungen notwendig. Die Entscheidung über diese Einzelgenehmigung fällt aber eine Behörde mit einer Entscheidung. So will es das BundesImmissionsschutzgesetz, und das ist die gesetzliche Grundlage für den Bewilligungsprozess und nicht das Denkmalschutzgesetz. Diese Behörde ist bei uns in M-V das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt, sie führt das Genehmigungsverfahren. Das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege wird in den Genehmigungsverfahren lediglich angehört. Ein Einvernehmen zwischen den beiden Behörden muss nicht zwingend hergestellt werden.

Für seine Stellungnahme hat das LAKD vier Wochen Zeit. Was das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege in die

ser Frist mitteilt, wird von den Staatlichen Ämtern für Landwirtschaft und Umwelt in die Entscheidung mit einbezogen. Und hierzu heißt es im EEG sehr klar, es können nur noch besonders schwere denkmalfachliche Bedenken angebracht werden. Bei diesen vier Wochen handelt es sich also um eine Art Verschweigensfrist. Wenn keine Meldung eingeht, dann hat die Denkmalfachbehörde keinerlei Einfluss mehr, und dann ist der Weg frei für eine Entscheidung des StALUs.

(Zuruf von Hannes Damm, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Vierwochenfrist ist bereits im Bundes-Immissionsschutzgesetz angelegt. Wir haben uns zwischen den Häusern auf ihre konsequente Anwendung verständigt. Das wird zu einer beschleunigten Bearbeitung führen.

Und damit niemand die Sorge haben muss, dass der Denkmalschutz mit dieser Regelung nicht angemessen gewürdigt wird: Ich habe im LAKD vier zusätzliche Stellen eingerichtet, damit es mehr Leute gibt, die dann in dieser Vierwochenfrist die denkmalfachliche Abwägung auch durchführen können. Die Stellen sind ausgeschrieben, und obwohl sie befristet sind, haben wir eine hervorragende Bewerberlage. Und wir erarbeiten gerade ein Konzept, wonach die Denkmalfachbehörde zukünftig bereits bei der Ausweisung von Windeignungsgebieten schon von vornherein besonders bedeutsame raumwirksame Denkmale im Planungsverfahren identifiziert und einbringt. Damit können spätere zeitaufwendige Konflikte in Einzelgenehmigungsverfahren von vornherein vermieden werden.

Im Übrigen erlauben Sie mir, darauf hinzuweisen, dass die Belange des Denkmalschutzes bei der Ausweisung von Windeignungsgebieten schon jetzt zu berücksichtigen sind. Auch dafür brauchen wir den vorliegenden Gesetzentwurf nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, wir haben uns in der Landesregierung bereits auf Verfahren beim Denkmalschutz verständigt, die den Bewilligungsprozess enorm beschleunigen werden. Was wir aber nicht tun werden, ist, den Denkmalschutz zu schleifen. Das ist auch nicht notwendig, um schnelle Prozesse hinzukriegen.

(Zuruf von Hannes Damm, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und es wäre rechtlich auch gar nicht möglich, denn das Bundes-Immissionsschutzgesetz schreibt vor, dass auch in Windeignungsgebieten denkmalfachliche Prüfungen, Einzelgenehmigungsverfahren von Windkraftanlagen vorgenommen werden. Der Gesetzentwurf der GRÜNEN will das abschaffen. Das geht rechtlich gar nicht, das ist Bundesgesetz.

Für die Landesregierung ist klar, der Ausbau der erneuerbaren Energien hat gegenüber dem Denkmalschutz Vorrang. Für uns ist aber auch klar, wir tragen natürlich auch dafür Sorge, dass unser kulturelles Erbe in Form von Bau- und Bodendenkmalen für künftige Generationen erhalten bleibt. Wir haben Lösungen vereinbart, die diese beiden Interessen zusammenführen. Der vorliegende Entwurf erfüllt diesen Anspruch nicht und ist auch fehlerhaft. Ich plädiere deshalb für seine Ablehnung. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Ministerin!

Es gibt einen Antrag auf Kurzintervention des Abgeordneten Herrn Damm. Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin!

Frau Ministerin, also zum einen, dass der Gesetzentwurf fehlerhaft ist, überrascht, weil er in einem anderen Bundesland bereits so in der Form zur Anwendung kommt. Dann haben die wohl ein falsches Landesgesetz. Auf der anderen Seite finde ich diese Unterstellung relativ, also möchte ich zurückweisen, dass Sie sagen, wir würden den Denkmalschutz hier schleifen. Das ist nicht der Fall. Wir nehmen hier die Liste, die Sie ja erstellen wollen, ohnehin eine Bewertung der Denkmäler, und wollen die konsequent anwenden, und zwar in beiden Prozessen, einmal bei der Ausweisung, dann mit der Genehmigung genauso.

Das, was Sie vorschlagen hingegen, bedeutet bei der Genehmigungsfiktion, dass, wenn nach einem Monat keine Stellungnahme kommt, und sei das Denkmal noch so wichtig und so raumprägend, dass dann hier einfach die Windenergie genehmigt wird. Also ich kann mir nicht vorstellen, was dann noch mehr die Belange des Denkmalschutzes außer Acht lassen würde als so ein Vorgehen im Verhältnis zu dieser fachlichen Bewertung, die wir hier auch durch Ihre Mitarbeitenden vorschlagen als Vorgehen.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Möchten Sie darauf reagieren, Frau Ministerin?

Ja, sehr gern.

Diese Vierwochenfrist, von der ich gesprochen habe, ist bereits geltendes Recht im Bundes-Immissionsschutzgesetz.

(Der Abgeordnete Hannes Damm spricht bei abgeschaltetem Saalmikrofon.)

Insofern ist es nichts, was wir einführen müssen. Wir sagen, wir wollen das konsequent anwenden, und dafür erhöhen wir das Stellenpotenzial und überhaupt die Kapazitäten im LAKD, um dann eben den Denkmalschutz auch dementsprechend zu würdigen, ohne dabei die Verfahren anzuhalten.

(Rainer Albrecht, SPD: Sehr gut!)

Insofern wollen wir dann in konsequenter Anwendung

(Rainer Albrecht, SPD: Jawoll!)

dieses Recht auch durchsetzen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Rainer Albrecht, SPD: Das hört sich gut an.)

Vielen Dank, Frau Ministerin!

Für die Fraktion der AfD hat das Wort der Abgeordnete Thore Stein.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Diese Landtagssitzung offenbart eine gewisse Doppelmoral der Antragsteller.

Herr Damm, jetzt können Sie mir auch zuhören!

Auf der einen Seite wollen Sie nämlich die Infrastrukturprojekte aus dem Bundesverkehrswegeplan in einem Moratorium belegt wissen – wir kommen dazu noch im Verlauf der Plenarwoche –, und auf der anderen Seite sollen Hunderte Windräder mit aller Macht im ländlichen Raum gebaut werden, und das zunehmend ohne Rücksicht auf Verluste. Und auf der einen Seite wollen Sie Natur schützen und deswegen keine Straßen mehr bauen, aber auf der anderen Seite sollen Tausende Windräder in die Landschaft gepflanzt werden. Also das entbehrt einer gewissen Logik.

Heute Morgen haben wir schon erlebt, wie ein Gesetz durch den Landtag im wahrsten Sinne des Wortes geprügelt wurde, welches zum Ziel hatte oder hat, die Belange des Naturschutzes durch, nennen wir es mal freundlich, eine Prozessoptimierung auszuhebeln. Denn um nichts anderes geht es. Jegliche Hürden, die den ungebremsten Ausbau der Windenergie im Land blockieren, sollen nach und nach beseitigt werden, und nun soll der Denkmalschutz dran glauben. Und während Sie hier mit dem Argument des Natur- und Umweltschutzes sogenannte klimaschädliche Straßenbauvorhaben vehement verhindern wollen, sollen eben für die Windkraftanlagen all diese Ansprüche nur noch am Rande gelten, und alles das für das sogenannte überragende öffentliche Interesse. Was das genau ist, bestimmen natürlich nicht die Menschen vor Ort, die davon betroffen sind, sondern Bürokraten fernab der Eingriffsräume.

Und damit komme ich zum hier vorliegenden Antrag, denn neben dem Naturschutz haben Sie offenbar einen weiteren gewichtigen Bremsklotz beim Ausbau der Windenergie in Mecklenburg-Vorpommern ausgemacht, und das ist der Denkmalschutz. Wer jetzt nur an das Schweriner Schloss denkt, vor dessen Türen noch nicht einmal Fahrzeuge parken sollen, um das idyllische Bild der Märchenschlosskulisse nicht zu stören, liegt natürlich ein wenig daneben, denn der Denkmalschutz, insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern, umfasst viel mehr als die bekannten repräsentativen Bauwerke, seien es eben das Schweriner Schloss, die Weltkulturerbe-Städte wie Greifswald oder eben die vielen Gutsanlagen im Land.

Es geht nämlich auch um ein mehr oder weniger immaterielles Erbe, und zwar die von Menschenhand über Jahrhunderte geschaffene und gestaltete Kulturlandschaft, in der die Anordnung von Straßen- und Landschaftselementen quasi als Komposition eines landschaftsarchitekturellen Gesamtwerkes zusammengefügt worden sind. Und diese Kulturlandschaft, die seit Jahrhunderten besteht, soll nun umrahmt werden von gigantischen Windparks, deren raumgreifende Wirkung immer gewaltiger wird. Sie sprachen ja selber eben von 240 Meter hohen Anlagen. Und dann sprechen Sie davon, irgendjemand sei hier ein Kulturbanause. Also das ist schon interessant.

Und wenn wir uns mal anschauen, in welcher Anzahl diese Windräder mit dieser Höhe in Mecklenburg-Vorpommern errichtet werden sollen, dann wird es, wenn man da mal so den Radius um jedes Windrad zieht, bald in MecklenburgVorpommern keinen einzigen Flecken mehr geben, an dem man nicht ein Windrad am Horizont sieht, gerade jetzt, wo ja auch die Windräder in Naturparks reingestellt werden sollen. Also es wird bald keinen Flecken mehr in Mecklenburg-Vorpommern geben, an dem man nicht einen Windpark am Horizont sieht.

Und Sie definieren in Ihrem Gesetzentwurf nicht wirklich, was ein geringfügiger Eingriff Ihrer Ansicht nach sein soll. Wenn die Anlagen nicht in der Nähe stehen, was ist denn nun die Nähe? 1.000 Meter? 2.000 Meter? Sie sprachen eben selber von 15 Kilometern Abstand von Greifswald, und man sieht die Anlagen trotzdem. Und gerade bei Baudenkmälern ist es nun mal so, dass der Eingriff gar nicht direkt am Baudenkmal selber erfolgen muss, denn es reicht nämlich mittlerweile ein Windpark in der Nähe eines Baudenkmals – gerade im ländlichen Raum sind es eben die Schlösser und Gutsanlagen –, der dafür sorgt, dass Investoren einen großen Bogen darum machen.

Wir haben viele Anlagen, die nach wie vor einen hohen Sanierungsbedarf haben. Da gehen die Kosten in die Millionenhöhe. Und jetzt erklären Sie mal einem Investor, der mehrere Millionen in die Hand nehmen soll, um ein historisches Schloss zu sanieren, dass demnächst in ungefähr 1.000 Meter Entfernung ein Windpark hingestellt wird und somit auch alle seine Absichten, dort vielleicht gerade über den Tourismus Geld zu verdienen, zunichtegemacht werden sollen! Also dieses Objekt wird wahrscheinlich unverkäuflich sein.